Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zum Schutz vor der Corona-Pandemie in Bayern

Aktenzeichen  20 NE 20.3047

Datum:
12.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 164
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 1, § 32 S. 1
BayIfSMV § 2, § 3, § 4, § 11

 

Leitsatz

1. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur weitergehenden Beschränkung zwischenmenschlicher Kontakte sind voraussichtlich verhältnismäßig. (Rn. 21 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der derzeitigen pandemischen Situation ergibt auch eine Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die allgemeine Handlungsfreiheit. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller lebt in Bayern und wendet sich gegen §§ 2, 3 und 4 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737 vom 15. Dezember 2020) in der Fassung vom 8. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 5), deren vorläufige Außervollzugsetzung er beantragt. Er ist im Wesentlichen der Auffassung, die Beachtung des Abstandsgebotes sowie der Maskenpflicht seien zur Bekämpfung der Pandemie ausreichend. Er fühle sich durch die angegriffenen Vorschriften erheblich in seinen Grundrechten beeinträchtigt, da er nachts das Haus nicht mehr verlassen und mit Bekannten und Freunden nicht mehr in unbeschränkter Anzahl privat diskutieren könne. Die Sterblichkeit sei durch die Corona-Pandemie nicht wesentlich erhöht, den Maßnahmen fehle eine gefestigte Zahlengrundlage und die Politik verlasse sich auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, das nur für die Risikoanalyse, nicht aber für die konkreten Maßnahmen zuständig sei. Die Exekutive regiere ohne Kontrolle.
Die 11. BayIfSMV tritt mit Ablauf des 31. Januar 2021 außer Kraft (§ 29 Abs. 1 11. BayIfSMV).
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die Erfolgsaussichten eines noch zu erhebenden Normenkontrollantrags in der Hauptsache gegen § 2 11. BayIfSMV (Allgemeine Ausgangsbeschränkung), § 3 (Nächtliche Ausgangssperre) und § 4 (Kontaktbeschränkung) sind unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei der nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich nicht gegeben (2.). Eine Folgenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffenen Maßnahmen in § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3 (Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum) i.V.m. der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage finden. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 8. Dezember 2020 (Az. 20 NE 20.2461, BeckRS 2020, 34549, Rn. 22 ff.) wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen.
b) §§ 2, 3 und 4 11. BayIfSMV dürften auch materiell rechtmäßig sein, denn sie beachten bei summarischer Prüfung die gesetzlichen Vorgaben des § 28a IfSG.
aa) Die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG liegen vor. Das Infektionsgeschehen ist weiter auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 10. Januar 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-10-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Inzidenz der letzten sieben Tage liegt deutschlandweit bei 162 Fällen pro 100.000 Einwohner, in Bayern bei 156. In Sachsen und Thüringen liegt sie sehr deutlich über der Gesamtinzidenz. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Personen zwischen 60 und 79 Jahren liegt bei aktuell 128 Fällen und bei Personen über 80 Jahren bei 309 pro 100.000 Einwohner. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Alten- und Pflegeheimen. Nach dem starken Anstieg der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle bis Mitte November (von 879 Fällen am 20.10 [abrufbar unter https://www.divi.de/divi-intensivregister-tagesreport-archiv] auf 3.615 Fälle am 20. November 2020), hat sich dieser mittlerweile etwas verlangsamt, die Gesamtzahl liegt derzeit bei 5.320 (- 94 zum Vortrag). Am 9. Januar 2021 wurden dem RKI im Vergleich zum Vortag 16.946 neue Fälle und 465 neue Todesfälle übermittelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fallzahlenerfassung wegen der Weihnachtsfeiertage und aufgrund des Jahreswechsels nur bedingt aussagekräftig sind. 532.878 Personen wurden einmal gegen COVID-19 geimpft. Am 19.12.2020 wurde im Vereinigten Königreich über eine neue Virusvariante (B.1.1.7) berichtet. Das ECDC hat am 29.12.2020 hierzu ein Risk Assessment veröffentlicht. Es ist noch nicht abschließend geklärt, wie sich die neue Variante auf das Infektionsgeschehen auswirkt. Vertreter dieser Linie sind weltweit in zahlreichen Ländern identifiziert worden. Es ist zu erwarten, dass in weiteren Ländern Infektionen mit der neuen Variante detektiert werden. In Deutschland wurden dem RKI vereinzelt Fälle dieser Variante übermittelt. Es ist zu erwarten, dass weitere Fälle bekannt werden, die durch die Virusvariante bedingt sind. Die WHO berichtet außerdem von einer weiteren, neuen Virusvariante in Südafrika, die ebenfalls möglicherweise mit einer höheren Übertragbarkeit einhergeht.
Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen sind nach §§ 28a Abs. 3 Satz 4 und 5, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
bb) Die in §§ 2, 3 und 4 11. BayIfSMV getroffenen Maßnahmen gehören zu den Katalogmaßnahmen des § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG. Sie können nach § 28a Abs. 6 Satz 1 IfSG kumulativ angewendet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich ist. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und auf die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist, § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG.
Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei grundsätzlich um notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen. Die angegriffenen Maßnahmen dienen hauptsächlich der Vermeidung von Sozialkontakten, da das Aufeinandertreffen von Menschen zur Virusübertragung führt.
Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23944 S. 31) lässt sich dazu entnehmen:
„Als notwendige Schutzmaßnahmen können Ausgangsund Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum erforderlich sein, um eine Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen und um die notwendige Nachverfolgung von Infektionen wieder zu ermöglichen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders groß. Dies gilt im privaten wie auch im öffentlichen Raum.
Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann.
Daher müssen Kontakte, die potentiell zu einer Infektion führen, zeitweise systematisch reduziert werden. Nur so werden eine Unterbrechung der Infektionsketten und ein Einhegen der Situation wieder möglich (vgl. auch Gemeinsame Erklärung der Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina – Coronavirus-Pandemie: Es ist ernst). Eine zeitlich befristete, erhebliche und zugleich zielgerichtete Einschränkung persönlicher Kontakte ist nach den Erfahrungen aus der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 geeignet, die bei weiter steigenden Infektionszahlen bestehende konkrete Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. Dies ist von wissenschaftlicher Seite überzeugend bestätigt worden.“
Die Auffassung des Antragstellers, die Einhaltung des Abstandsgebots im öffentlichen Raum und die Beachtung der Maskenpflicht nach § 28a Abs. Nr. 1 und 2 IfSG seien zur Eindämmung der Pandemie ausreichend, trifft angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen offensichtlich nicht zu (vgl. hierzu auch Beschluss der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 5. Januar 2021, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1834306/75346aa9bba1050fec8025b18a4bb1a3/2021-01-05-beschluss-mpk-data.pdf?download=1). In einer derartigen Situation sind die zuständigen Behörden verpflichtet, weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Gesundheitsgefahren zu treffen und diese auch kumulativ anzuwenden, soweit und solange dies erforderlich ist.
cc) Diese Maßnahmen sind voraussichtlich verhältnismäßig.
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 177 bei Verordnungserlass, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats – allerdings auf nicht verlässlicher Datengrundlage – bei 156 liegt, bestand und besteht hiernach akuter Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
Da die Übertragung des Virus hauptsächlich durch Aerosole stattfindet, erscheint die Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte auch in der seit dem 11. Januar 2021 geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 11. BayIfSMV, der die zulässigen privaten Kontakte weiter einschränkt, sowohl geeignet, als auch in einer Lage anhaltend hoher Infektionszahlen jedenfalls aus ex ante – Sicht als erforderlich, um weitere Infektionsketten insbesondere im kontaktintensiven Privatbereich zu unterbinden oder jedenfalls zu unterbrechen.
An der Angemessenheit der auf §§ 28a Abs. 1 Nr. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Maßnahmen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen bestehen – auch angesichts des Vortrags des Antragstellers, der die Beschränkung seiner persönlichen Freiheit durch die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sowie die Unmöglichkeit des Treffens von Freunden in unbegrenzter Anzahl moniert – wegen der Zielrichtung der Maßnahmen, die Ausbreitung der Infektion so einzudämmen, dass eine Kontaktnachverfolgung wieder möglich sein soll (BT-Drs. 19/23944 S. 34) und so langfristig eine Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden kann, keine durchgreifenden Zweifel. Die negativen Folgen für den Antragsteller stehen nicht außer Verhältnis zu dem mit den Maßnahmen verfolgtem Zweck.
Die in §§ 2 und 3 11. BayIfSMV normierten Ausgangsbeschränkungen wahren voraussichtlich auch die nach § 28a Abs. 2 Nr. 2 IfSG erforderlichen besonderen Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit, insbesondere wegen der bereits bestehenden – und nochmals verschärften – Kontaktbeschränkungen nach § 4 11. BayIfSMV und wegen der in den §§ 2 und 3 11. BayIfSMV normierten Ausnahmetatbestände (vgl. hierzu auch die Begründungen zur 10. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayMBl. 2020 Nr. 711) und 11. BayIfSMV vom 8. Dezember 2020 und vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. 2020 Nrn. 712 und 738)).
dd) Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Beschlüsse des Senats vom 28. April 2020 – 20 NE 20.849 – BeckRS 2020, 7227 (Ausgangsbeschränkungen), vom 10. November 2020 – 20 NE 20.2477 – BeckRS 2020, 30786 (Kontaktbeschränkungen) und vom 14. Dezember 2020 – 20 NE 20.2907 – BeckRS 2020, 34966 (nächtliche Ausgangsbeschränkungen) sowie auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 30. Dezember 2020 (BayVerfGH, E.v. 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20) Bezug genommen.
3. Aber selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausginge, würde die im Rahmen des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Folgenabwägung ergeben, dass angesichts der weiterbestehenden pandemischen Lage die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen des Antragstellers an unbegrenzten Sozialkontakten und an der selbstbestimmten Wahl seines Aufenthaltsortes (Art. 2 Abs. 1 und ggf. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) überwiegen.
In der derzeitigen pandemischen Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Handlungsfreiheit des Antragstellers. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der von den Ausgangsbeschränkungen Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 – 1 BvR 1630/20 – juris Rn. 25; BayVerfGH, E.v. 12.8.2020 – Vf.-34-VII-20 – juris Rn. 24 m.w.N.; BVerfG, B.v. 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 12 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 31. Januar 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.


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