Medizinrecht

Keine Eingliederungsleistungen für theaterpraktisches Orientierungsjahr

Aktenzeichen  S 22 SO 520/19

Datum:
28.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46882
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IX § 18 Abs. 7, § 29 Abs. 4, § 61, § 61a
SGB XII § 140 (idF bis 31.12.2019)

 

Leitsatz

Mithilfe eines Budgets für Arbeit oder Ausbildung ist ein theaterpraktisches Orientierungsjahr nicht förderfähig, weil dort weder ein Beschäftigungs-, noch ein Ausbildungsverhältnis eingegangen wird.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Gericht durfte den Rechtsstreit ohne (weitere) mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis dazu gegeben haben (§ 124 SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz der Kosten, die seine Eltern für die Teilnahme des Klägers am Orientierungsjahr der F. aufgewendet haben.
Der Bescheid des Beklagten vom 8. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 27. September 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 SGG).
Zur Begründung nimmt die Kammer nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage des vorliegenden Akteninhalts und dem Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2020 nunmehr gem. § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 27. September 2019, soweit dort dargelegt wurde, dass kein Anspruch auf Ersatz der Kosten im Rahmen der Vorschriften über die Leistungen in Form eines Budgets bzw. Budget für Arbeit besteht (vgl.§ 140 SGB XII gültig bis 31.12.2019) Weder liegt die für ein Budget nötige Zielvereinbarung vor (§ 29 Abs. 4 SGB IX), noch handelt es sich bei dem Orientierungsjahr um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (§ 61 SGB IX) oder ein Ausbildungsverhältnis (§ 61a SGB IX), welches mit den Mitteln der Teilhabe zur Leistung am Arbeitsleben als Budget für Arbeit oder Ausbildung (§ 61 bzw. 61 a SGBIX) gefördert werden könnte.
Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung selbstbeschaffter Leistungen nach § 18 SGB IX sind nicht gegeben.
Die beantragte Leistung war nicht im Wege der Fiktion genehmigungsfähig (§ 18 Abs. 7 SGB IX).
Nach § 18 Abs. 7 SGB IX gelten die Absätze 1 bis 5 der Vorschrift u.a. nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, und zwar unabhängig davon, nach welchen Vorschriften eine Teilhabeleistung zu erbringen ist. Der Beklagte ist Träger der Eingliederungshilfe (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX und war seit je über § 15 Abs. 5 S. 6 SGB IX a. F. von der Kostenerstattung nach Fristsetzung ausgenommen, d.h. von der Genehmigungsfiktion ausgenommen.
Auch eine Kostenerstattung auf der Grundlage des § 18 Abs. 6 SGB IX scheidet aus. Die beantragte Leistung war weder unaufschiebbar, noch ist sie vom Beklagten zu Unrecht abgelehnt worden.
Dies gilt unabhängig davon, wie die Maßnahme im Leistungsprogramm für Teilhabeleistungen (§ 5 SGB IX) einzuordnen gewesen wäre.
Leistungen der medizinischen Reha (§ 42 SGB IX) sind vom Rehaträger nur unter den Voraussetzungen der §§ 11 Abs. 2 i. V. m. 40 ff SGB V zu erbringen. Ambulante RehaLeistungen werden nach § 40 Abs. 1 SGB V nur von Einrichtungen erbracht, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, dass die F. einen solchen Versorgungsvertrag hätte. Die medizinische Rehabilitation wird zudem als Sachleistung auf vertragsärztliche Verordnung gem. § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB V hin erbracht. Auch eine solche ärztliche Verordnung liegt nicht vor. Das Schreiben des M. (vom 12. Oktober 2018) befürwortet die Teilnahme des Klägers am Orientierungsjahr stellt jedoch keine Vorordnung in diesem Sinne dar.
Soweit der Prozessbevollmächtigte im Schreiben vom 19. August 2020 eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung für möglich hält und daher die Beiladung des Rentenversicherungsträgers angeregt hat, teilt die Kammer diese Einschätzung nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 11 SGB VI für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und ebenso, ob die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI gegeben sind.
Als Maßnahmen der beruflichen Teilhabe kommen nur solche in Frage, die in den in § 51 SGB IX genannten Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation durchgeführt werden. Für die F. trifft das nicht zu. Eine Beladung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung war daher bereits aus diesem Grund nicht geboten.
Die Zuständigkeit der Beklagten als Rehabilitationsträger erstreckt sich zwar nach § 14 SGB IX im Verhältnis auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation vorgesehen sind (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 18/14 R -, juris). Insoweit könnte sich jedoch eine Verpflichtung des angegangenen Rehabilitationsträgers nur auf eine Neubescheidung des Antrags erstrecken, denn der Träger der Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben hat ein Auswahlermessen (§ 15 Abs. 4 Satz 1 SGB IX) und eine auch nur theoretische Ermessensreduktion auf gerade die beantragte Maßnahme ist nicht erkennbar (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 54/10 R – juris, RdNr. 17).
Nicht erforderlich ist vor diesem Hintergrund die Beiladung von Rehabilitationsträgern, die nur abstrakt, aber nicht im konkreten Verhältnis zu dem behinderten Menschen leistungspflichtig sein können.
Schließlich gilt, dass zwischen dem Beklagten bzw. den überhaupt in Frage kommenden Rehabilitationsträgern und der F. keine Vereinbarungen nach § 123 SGB IX bestehen.
Eine Leistungsgewährung wäre daher nur gem. § 123 Abs. 5 SGB IX in Frage gekommen, dessen Voraussetzungen aber erkennbar nicht gegeben sind. Der Umstand, dass die vom Kläger besuchte Werkstatt keinen Außenarbeitsplatz mit der F. hat und daher die Kosten des Orientierungsjahres auch nicht auf diesem Weg Teil der vom Beklagten getragenen Werkstattkosten wurden, liegt alleine in der Sphäre der Werkstatt und ist dem Beklagten nicht zurechenbar.
Im Ergebnis erweist sich die Klage daher als unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gegen dieses Urteil besteht die Möglichkeit der Berufung nach Maßgabe der unten angeführten Rechtsbehelfsbelehrung:(§§ 143, 144 SGG).


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