Medizinrecht

Keine Genehmigungsfiktion bei positiver Kenntnis vom fehlenden Sachleistungsanspruch

Aktenzeichen  S 6 KR 259/16

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144646
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 3a, § 27 Abs. 1, § 137c Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V tritt nicht ein, wenn der Antrag trotz positiver Kenntnis, dass die begehrte Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung steht, in der Hoffnung gestellt wird, dass die Krankenkasse den Antrag nicht zeitgerecht entscheidet. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Anwendbarkeit des § 137c Abs. 3 SGB V müssen Erkenntnisse in Form aussagefähiger wissenschaftlicher Unterlagen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die angenommenen Vorteile der Methode bei bestimmten Patientengruppen erreicht werden können. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Beweislastumkehr, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, wurde mit § 137c Abs. 3 SGB V nicht eingeführt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden kann (§ 124 Abs. 2 SGG) und gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Liposuktionsbehandlungen der Arme und Beine. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.
1. Nach § 11 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung gilt, dass Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus haben, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Zugelassene Krankenhäuser sind Krankenhäuser, (1.) die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind, (2.) die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser) oder (3.) die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben (§ 108 SGB V).
Die Krankenkassen haben nicht für jegliche Art von Behandlung aufzukommen. Ihre Leistungspflicht unterliegt vielmehr den in §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
1.1 Für den Bereich der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung sieht § 135 Abs. 1 SGB V vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über
1.die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) benennt in Anlage I die vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannten ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung und – soweit zur sachgerechten Anwendung der neuen Methode erforderlich – die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie die Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung und die erforderliche Aufzeichnung über die ärztliche Behandlung. Ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nach Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wurden, sind in Anlage II der Richtlinie aufgeführt; Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist, sind in Anlage III genannt. Vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind von der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, § 2 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung.
Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R – zitiert nach juris, m.w.N.).
1.2 Für den Bereich der Krankenhausbehandlung sieht § 137c SGB V vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 SGB V auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin überprüft, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Daraus folgt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erst dann nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss ein Negativvotum ausgesprochen hat. Entsprechende Regelungen enthält § 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung). Davon unabhängig muss die Behandlungsmethode allerdings dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und die Krankenhausbehandlung muss im Rechtssinne notwendig bzw. erforderlich sein (§ 2 Abs. 1 Satz 3; § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung muss allein aus medizinischen Gründen bestehen. Dafür genügt es nicht schon allgemein, dass eine ambulante Behandlungsmethode zwar den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht, aber ohne Rechtsverstoß (noch) nicht in den Leistungskatalog vertragsärztlicher zu Lasten der Krankenkassen erbringbarer Leistungen aufgenommen worden ist. In jedem Fall bedarf es neben der generellen auch und gerade der individuellen Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall (BSG, Urteil vom 17.02.2010 – B 1 KR 10/09 R – und vom 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 – zitiert nach juris, m.w.N.).
Ergibt die Überprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V. Solange der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat, dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.
1.3 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – zitiert nach juris – entschieden, dass es mit Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar ist, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des § 5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Anknüpfungspunkt ist im Rahmen der Prüfung von Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage, welche es geboten erscheinen lässt, auch solche ärztlich verantworteten Behandlungen in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen, bei denen der Nachweis einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Qualität und Wirksamkeit der Behandlung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) noch nicht erbracht ist. Allerdings folgt aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Auch sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.06.2008 – 1 BvR 1665/07 – zitiert nach juris, m.w.N.). Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt hat, verstößt nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor.
2. Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.
3. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf eine ambulante vertragsärztliche Liposuktion scheitert bereits daran, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die neue Behandlungsmethode der Liposuktion nicht in Richtlinien nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V positiv empfohlen hat und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich ist. Soweit der Gemeinsame Bundesausschuss am 22. Mai 2014 beschlossen hat, den Antrag der Patientenvertretung nach § 140f SGB V vom 20. März 2014 auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem als ambulante und stationäre Maßnahme anzunehmen, das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung zu beauftragen, liegt hierzu noch kein Ergebnis vor. Einen Anhalt für ein Systemversagen gibt es nicht. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder damit vergleichbare Erkrankung liegt im Übrigen nicht vor (LSG TH, Urteil vom 31.01.2017 – L 6 KR 885/14 – zitiert nach juris, m.w.N.). Damit scheidet ein Anspruch auf eine ambulante Liposuktion aus.
3. Ein Anspruch auf eine stationäre Liposuktion scheitert bereits daran, dass eine stationäre Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems grundsätzlich nicht zum Leistungsspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört, weil die Qualität und Wirksamkeit dieser neuen Behandlungsmethode nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht. Ihre Qualität und Wirksamkeit ist bislang nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V bestätigt worden und auch nicht unabhängig davon nach dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin nachweisbar, was sich im Einzelnen aus dem Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden- und Produktbewertung“ des MDS vom 6. Oktober 2011, aktualisiert am 15. Januar 2015, ergibt (BayLSG, Urteil vom 09.11.2016 – L 4 KR 136/15 – zitiert nach juris, m.w.N.). Danach werde zwar eine Liposuktion insbesondere als therapeutische Option zur Behandlung des Lipödems dargestellt, aber nach umfangreicher Recherche hätten keine Evidenzbelege aus klinisch kontrollierten Studien gefunden werden können. Vielmehr sei der Literatur zu entnehmen, dass sich die Liposuktion im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung befinde. Von daher scheitert auch ein Anspruch auf stationäre Liposuktion aus.
Daran ändert § 137c Abs. 3 SGB V nichts. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Derzeit kann aber nicht festgestellt werden, dass die Liposuktion das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Dafür bedarf es objektiver Feststellungen. Eine Beweislastumkehr, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte (BT-Drs. 18/4095, Seite 191 f), wurde mit § 137c Abs. 3 SGB V nicht eingeführt (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. a.a.O., Seite 218). Da § 137c Abs. 3 SGB V nach der Zweckbestimmung dieser Vorschrift gerade die Fälle betrifft, in denen noch keine gesicherten Erkenntnisse über den Nutzen einer Behandlungsmethode vorliegen (vgl. BT-Drs. a.a.O. Seite 122), kann die Anwendbarkeit der Vorschrift zwar nicht bereits mit dem Argument verneint werden, es sei nicht belegt, dass die Methode dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 SGB V entspreche. Andererseits darf die Einschätzung des Potentials nicht nur auf Vermutungen und bloßen theoretischen Annahmen beruhen. Vielmehr müssen Erkenntnisse in Form aussagefähiger wissenschaftlicher Unterlagen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die angenommenen Vorteile der Methode bei bestimmten Patientengruppen erreicht werden können. Dies folgt daraus, dass nach der Gesetzesbegründung das Wirkprinzip gilt und zudem „bisher vorliegende Erkenntnisse“ erforderlich sind (BT-Drs. 18/4095 a.a.O.). Erforderlich ist die auf Studien gestützte Annahme, die betreffende Methode werde zu einem patientenrelevanten oder wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der etablierten Standardbehandlung führen. Bloße Expertenmeinungen und Einzelfallbeurteilungen enthalten regelmäßig eine so geringe Evidenz, dass ihnen keine relevante Aussagekraft zukommt. In der Potentialbewertung zu berücksichtigen sind aber auch nicht randomisierte Studien, d.h. Studien ohne Zuordnung der Behandlungsgruppe nach dem Zufallsprinzip. Dafür spricht, dass das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) nicht randomisierte Studien in die Potentialbewertung einbezieht. Dagegen reicht eine nicht kontrollierte Studie, d.h. eine Studie, bei der kein Vergleich mit einer Kontrollgruppe enthalten ist, im Regelfall nicht aus, weil es sich letztlich nur um Fallbeobachtungen, wenn auch bezüglich mehrerer Patienten handelt. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann das Potential einer erfolgreichen Behandlungsmethode für die Liposuktion nicht festgestellt werden (LSG RP, Urteil vom 18.05.2017 – L 5 KR 95/15 – zitiert nach juris). Nach der Aktualisierung des Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden- und Produktbewertung“ vom 15. Januar 2015 (Seite 42) gibt es prospektiv kontrollierte Studien nur zu zwei Krankheitsbildern (Lipomatosis dolorosa und sekundäre Lymphödeme nach Therapie des Mammakarzinoms), die bei der Klägerin nicht vorliegen. Zur Therapie des klassischen Lipödems sind lediglich die Ergebnisse kleiner Fallserien und Register (unkontrollierte Beobachtungsstudien) publiziert. Gegen das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative spricht auch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zwar die Einleitung eines Verfahrens zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem am 22. Mai 2014 beschlossen, aber keine Erprobungsrichtlinie nach § 137c Abs. 1 Satz 3, § 137e SGB V erlassen hat, wie es im Falle des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative notwendig gewesen wäre (LSG RP, a.a.O.).
Von daher kann dahingestellt bleiben, ob tatsächlich eine stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht, die das von der Klägerin vorgelegte „Gutachten zur Vorlage bei der Krankenkasse“ des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. R. behauptet.
4. Auch ein Anspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V ist nicht gegeben.
4.1 Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V).
4.1.1 Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V) ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt. Denn der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V) verkürzend mit den Worten „nach Ablauf der Frist“ vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs. 3a Satz 1 oder 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V) und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) vielmehr voraus, dass die Krankenkasse keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Die Genehmigungsfiktion wiederum setzt einen hinreichend bestimmten Antrag auf Leistung eines leistungsberechtigten Versicherten voraus, die der Versicherte für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Weiter ist erforderlich, dass die Krankenkasse den Antrag nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschieden hat, ohne dem Versicherten hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG normierten Grundsätzen gilt „eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt, wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist“. Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R – zitiert nach juris).
4.1.2 Der Antrag des Versicherten muss eine Leistung betreffen, die er für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann. Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine „erforderliche“ Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung) selbst beschaffen. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, a.a.O.).
4.1.3 Wird der Antrag des Versicherten nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beschieden, ohne dem Versicherten hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen, gilt die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die drei sowie die fünfwöchige Frist des § 13 Abs. 3a SGB V ist jeweils eine Entscheidungsfrist und soll den Krankenkassen vollumfänglich zur Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Der Bescheidbekanntgabe innerhalb der Fristen bedarf es daher nicht. Käme es auf die Bekanntgabe an, stünde der Krankenkasse grundsätzlich – entgegen der Absicht des Gesetzgebers – nicht die vollständige Frist für die Prüfungs- und Entscheidungstätigkeit zur Verfügung, da die Zeiten der Übermittlung einzukalkulieren und in Abzug zu bringen wären (BayLSG, Beschluss vom 25.04.2016 – L 5 KR 121/16 B ER – zitiert nach juris).
4.1.4 Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V) und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) voraus, dass die Krankenkasse keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der Krankenkasse verlangen. Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der Krankenkassen zu beschleunigen, zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut – ggf. wiederholt – mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (BSG, a.a.O.).
4.1.5 Auch eine fingierte Genehmigung bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs. 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Spätere Mitteilungen einer ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt. Beschafft sich der Versicherte die erforderliche Leistung selbst, nachdem sie als genehmigt gilt, sind die „hierdurch entstehenden Kosten“ zu erstatten (BSG, a.a.O.).
4.2 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Klägerin auch keinen Sachleistungsanspruch auf Grund fingierter Genehmigung. Es kann dahingestellt bleiben ob der Antrag der Klägerin am 17. März 2016 – wie der vorgelegte Rückschein nahelegt – oder erst am 21. März 2016 – wie der Eingangsstempel nahelegt – eingegangen ist und ob die Frist zur Entscheidung am 25. April 2016 abgelaufen war, was der Fall bei einem Eingang am 17. März 2016 wäre, weil die Genehmigungsfiktion deshalb nicht eintreten konnte, weil die Liposuktionsbehandlung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört (siehe oben) und dies der Klägerin positiv bekannt war. Denn in dem von der Klägerin selbst beigefügten „ärztlichen Gutachten zur Vorlage bei der Krankenkasse“ ist ausgeführt, dass die Liposuktion kein anerkanntes Verfahren im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung sei. Deshalb war der Klägerin bekannt, dass sie eine Leistung außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist es aber nicht, denjenigen auf eine fingierte Genehmigung vertrauen zu lassen, der positiv weiß, dass die Leistung außerhalb des Kataloges steht, und seinen Antrag ggf. auch in der Hoffnung stellt, dass die Krankenkasse den Antrag nicht zeitgerecht entscheidet. Ein derartiges Vertrauen ist nicht schutzwürdig, so dass in einem solchen Fall die Genehmigungsfiktion nicht eintreten kann.
5. Demnach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Liposuktionsbehandlungen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.
Die Klage ist somit abzuweisen.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und ist getragen von der Erwägung, dass die Klage keinen Erfolg hat.

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