Medizinrecht

Keine Verschiebung des Urlaubs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

Aktenzeichen  RN 1 E 20.668

Datum:
23.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9633
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
EUrlV § 8 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Verschiebung seines genehmigten Urlaubs.
Er steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Antragsgegnerin. Ihm wurde gemäß seinem Antrag vom 3.3.2020 zu einem unbekannten Zeitpunkt Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 24.4.2020 bis zum 4.5.2020 genehmigt. Zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt stellte er einen Antrag auf Verschiebung des genehmigten Urlaubs mit der Begründung, dass Hochzeitsfeiern, zu denen er eingeladen gewesen sei, aktuell nicht stattfinden würden.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag zu einem unbekannten Zeitpunkt ab. Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 7.4.2020 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid am 22.4.2020 wies die Direktion Bundesbereitschaftspolizei den Widerspruch zurück. Auf den Inhalt des vorgelegten Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen.
Mit bei Gericht am 23.4.2020 eingegangenem Schriftsatz lässt der Antragsteller beantragen,
„Die Antragsgegnerin wird verurteilt, den in der Zeit vom 24.4.2020 bis 4.5.2020 genehmigten Urlaub dem Antragsteller zu verschieben.“
Zur Begründung lässt der Antragsteller ausführen: Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Erholungsurlaubsverordnung (EUrlV) lägen vor. Es liege ein wichtiger Grund für die Hinausschiebung des genehmigten Urlaubs vor. Der Zweck des Erholungsurlaubs könne vorliegend nicht erreicht werden. Wegen der COVID-19-Pandemie und den Maßnahmen zu deren Eindämmung (vgl. Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums der Gesundheit und Pflege vom 20.3.2020) sei es dem Antragsteller unmöglich, sich während seines Erholungsurlaubs psychisch und körperlich zu regenerieren. Es sei auch nicht erkennbar, weshalb eine Urlaubsverschiebung den Dienst störe. Die Antragsgegnerin habe nicht abgewogen, dass der Mensch als soziales Wesen Kontakt und Beziehungen brauche sowie das Gefühl, in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein. Zudem sei die Ablehnung ohne die erforderliche Zustimmung der Personalvertretung nach § 75 Abs. 3 Nr. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) ergangen (Vorlage einer E-Mail des „Personalratsvorsitzenden Roland L.“ vom 22.4.2020 in Kopie, gerichtet an eine Frau K. Dort heißt es, er wolle bestätigen, dass bisher kein offizielles Beteiligungsverfahren/Anhörung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG eingeleitet worden sei. Am 16.4.2020 habe die Bundespolizeiabteilung Deggendorf zuständigkeitshalber die Direktion Bundesbereitschaftspolizei angeschrieben. Dieses Schreiben „erhielten wir cc zur Kenntnisnahme“).
Wegen der besonderen Dringlichkeit hat das Gericht eine Stellungnahme der Antragsgegnerin nicht eingeholt.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Das Gericht entscheidet aufgrund der gegebenen Dringlichkeit durch den Vorsitzenden, §§ 123 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 8 VwGO.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
1. Ein Anordnungsanspruch wurde nicht glaubhaft gemacht:
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung würde hier auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen. Dies ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. z.B. Schenke in Kopp/Schenke VwGO, 18. Aufl. § 123 Rn. 114 m.w.N.). Die vom Antragsteller begehrte Regelung ist auch nicht ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig. Dies wäre dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke a.a.O.). Der Antragsteller hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. sogleich unter b).
b) Der Antragsteller hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 EUrlV nicht glaubhaft gemacht:
– Das Gericht folgt bei summarischer Prüfung den Ausführungen der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 22.4.2020, wonach es sich bei der COVID-19-Pandemie bzw. den Maßnahmen zu deren Eindämmung nicht um einen wichtigen Grund i.S.d. genannten Vorschrift handelt.
– Das Gericht folgt weiter bei summarischer Prüfung den Argumenten der Antragsgegnerin im genannten Widerspruchsverfahren dahingehend, dass ein Hinausschiebendes Urlaubs mit den Erfordernissen des Dienstes nicht vereinbar ist. Die Antragsgegnerin weist insbesondere nachvollziehbar darauf hin, dass aufgrund der pandemiebedingten Situation in der Bundespolizeiabteilung Deggendorf ein stark eingeschränkter Betrieb herrsche. Das Bundespolizeipräsidium versuche derzeit mit einer Vielzahl von Verfügungen die Anwesenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundespolizei zu ihrem eigenen Schutz und zur Einhaltung der Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Im Übrigen spricht manches dafür, dass der Antragsgegnerin bei der Beurteilung, ob ein Hinausschieben von Urlaub mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist, ein Organisationsermessen zusteht, dass nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 3.7.2013 – 5 ME 142/13 – Beckonline). Davon ausgehend würde sich die gerichtliche Überprüfung auf eine Willkürkontrolle, mithin darauf beschränken, ob für eine bestimmte Entscheidung ein sachlicher Grund angeführt werden kann (OVG Lüneburg, a.a.O.). Davon ist unter Zugrundelegung der Ausführungen der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid ersichtlich auszugehen.
c) Es liegt fern, dass wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG – sowie es eventuell der Personalrat der Antragsgegnerin meinen könnte – die Ablehnung des Hinausschiebens eines genehmigten Urteils gem. § 8 Abs. 2 EUrlV mitbestimmungspflichtig ist und das Fehlen der Mitbestimmung Rechte des Antragstellers verletzen könnte. Selbst wenn dies so wäre, verbleibt es dabei, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 EUrlV nicht glaubhaft gemacht ist.
2. Im Übrigen ist – als selbständiger weiterer Grund für die Ablehnung des Eilantrages – auszuführen:
Eine reine Interessenabwägung anhand der Entscheidungsfolgen ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussicht führt zur Ablehnung des Eilantrags. Diese Vorgehensweise ist ausnahmsweise dann möglich, wenn die Rechtslage so schwierig zu beurteilen ist, dass die zur Verfügung stehende Zeit schlechthin nicht ausreicht, eine strikte rechtliche Prüfung zu einem vertretbaren Abschluss zu bringen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 49). Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25.7.1996 – 1 BvR 638/96 – juris Rn. 15 führt dazu aus:
„In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hinreichend geklärt, welche Anforderungen sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für den vorläufigen Rechtsschutz ergeben. Danach sind die Gerichte in solchen Verfahren gehalten, bei Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen – wie § 123 VwGO – der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Rechtsanspruch des Bürgers auf eine tatsächliche und rechtlich wirksame Kontrolle verpflichtet die Gerichte, bei ihrer Entscheidungsfindung diejenigen Folgen zu erwägen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Bürger verbunden sind. Je schwerer die sich daraus ergebenden Belastungen wiegen, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass die im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. … Daraus folgt, dass die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausrichten, gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gehalten sind, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese Versagung zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt. … Diese Anforderungen belasten die Gerichte nicht unzumutbar, weil ihnen ein anderes Verfahren offen steht, wenn sie – beispielsweise wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit – es für untunlich halten, Rechtsfragen vertiefend zu behandeln. Sie können dann ihre Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache treffen.“
Eine Folgenabwägung i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ergibt vorliegend (auch unabhängig von der Frage der Schwierigkeit des Verfahrens, aber unter dem Blickwinkel der besonderen Eilbedürftigkeit) Folgendes:
Die Abwägung der Interessen fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Folgen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Antragsteller verbunden sind, zu einer unzumutbaren Härte führen. Es tritt kein derartiger Nachteil ein, der mit dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar wäre. Der Erholungsurlaub verliert (zusätzlich in Anbetracht der Lockerungen ab 27.4.2020) durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht seinen Zweck. Demgegenüber stehen gewichtige sich aus den Erfordernissen des Dienstes ergebende Belange, auf die sich die Antragsgegnerin beruft.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben