Medizinrecht

Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe nach Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 C 19.437

Datum:
22.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13760
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 2, § 46 Abs. 1, Abs. 3
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Verlängerung einer Fahrerlaubnis bzw. die Aufhebung eines die Fahrerlabnis entziehenden Bescheids setzen voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber den schlüssigen Nachweis führt, dass der Teilnahme am Straßenverkehr keine gesundheitlichen Einschränkungen entgegenstehen. (Rn. 14 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 K 18.1661 2019-01-30 Ent VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage, die gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und auf Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE gerichtet ist.
Am 5. Oktober 2017 beantragte der Antragsteller, Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, AM, C1, C1E, C, CE, L und T, die Verlängerung seiner bis 21. Oktober 2017 geltenden Fahrerlaubnis der Klassen C und CE. Im Rahmen des Antragsverfahrens wurde der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin bekannt, dass der Antragsteller, der an einer koronaren 2-Gefäßerkrankung leidet, im Jahr 2013 einen Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) erlitten hatte und ihm mehrere Stents eingesetzt worden waren, weiter, dass anlässlich der stationären Behandlung ein Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt und im Januar 2014 mittels einer Polysomnographie eine schwere obstruktive Schlafapnoe mit Tagesmüdigkeit diagnostiziert worden war.
Nach entsprechender behördlicher Anordnung legte der Antragsteller am 29. Januar 2018 ein Fahreignungsgutachten der AVUS GmbH Buchloe vom 12. Dezember 2017 vor, wonach er derzeit nicht in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden. Es liege momentan keine ausreichende Adhärenz vor. Sowohl der Bluthochdruck als auch der Diabetes mellitus seien nicht ausreichend eingestellt und würden unzureichend kontrolliert. Das Schlafapnoesyndrom werde nicht mehr behandelt. Für beide Fahrzeuggruppen sei eine fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchung im Sinne einer erneuten Begutachtung erforderlich. Diese solle durchgeführt werden, wenn der Diabetes mellitus und der Bluthochdruck neu eingestellt worden seien und kontrolliert würden und eine neuerliche Untersuchung im Schlaflabor stattgefunden habe. Hinsichtlich der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln und einer unbehandelten Schlafapnoe lägen Hinweise vor, die die erforderliche Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 2 beeinträchtigen könnten. Eine Kompensation sei erst nach einer (erneuten) verkehrsmedizinischen Begutachtung mit positiver Befundlage zu prüfen.
Nach Vorlage weiterer internistischer, schlafmedizinischer und augenärztlicher Untersuchungsbescheinigungen nahm die Begutachtungsstelle mit Schreiben vom 21. Februar 2018 dahingehend Stellung, dass das Ergebnis des Gutachtens hinsichtlich Hypertonie und Diabetes mellitus weiterhin negativ bleibe. Der Arztbrief des Kardiologen vom 26. Oktober 2017 sei bei der Begutachtung berücksichtigt worden und ändere nichts am Ergebnis des Gutachtens. Der Antragsteller solle seine Blutdruckwerte beim Hausarzt einstellen lassen und bei einer erneuten Begutachtung eine 24 Stunden-Blutdruckmessung vom Hausarzt zum Nachweis dafür vorlegen, dass seine Blutdruckwerte gut eingestellt seien. Hinsichtlich des Diabetes mellitus solle er seinen Stoffwechsel neu einstellen lassen und sich alle drei Monate ärztlichen Kontrollen unterziehen. Erst wenn der HbA1c-Wert 8% betrage oder niedriger sei und der Antragsteller dreimonatliche ärztliche Kontrollen (z.B. durch einen ausgefüllten Diabetespass) belegen könne, seien die Bedingungen für ein positives Gutachtensergebnis erfüllt. Hinsichtlich des Schlafapnoesyndroms ändere sich das Ergebnis zum positiven, solange der Antragsteller nicht unter Tagesschläfrigkeit leide und sich der Behandlung compliant zeige. Er solle einmal jährlich im Schlaflabor kontrolliert und spätestens in drei Jahren nachbegutachtet werden.
Nach Anhörung entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. April 2018 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis aller Klassen und ordnete die Ablieferung des Führerscheins bis spätestens 13. April 2018 an. Weiter lehnte sie den Antrag auf Verlängerung der Fahrerlaubnisklassen C und CE ab und drohte für den Fall der nicht rechtzeitigen Ablieferung des Führerscheins ein Zwangsgeld an.
Hiergegen ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 11. April 2018 Widerspruch einlegen und am 28. September 2018 Untätigkeitsklage erheben, die „bedingt und abhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht“ werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die getroffene Maßnahme sei unverhältnismäßig, da keine rechtfertigenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorlägen. Der Blutzucker des Antragstellers sei niedrig, da er medikamentös eingestellt sei. Die diagnostizierte Schlafapnoe werde behandelt und therapiert und sei gleichfalls bestens eingestellt. Der Antragsteller trage nachts grundsätzlich ein Atemgerät und schlafe daher völlig ausreichend, sodass keinerlei Tagesmüdigkeit auftrete. Der erlittene Herzinfarkt stehe einer Teilnahme am Straßenverkehr ebenso wenig entgegen, da er vor fünf Jahren aufgetreten und mit drei Stents versorgt sei und eine engmaschige Nachversorgung erfahre. Der Antragsteller sei alljährlich beim Kardiologen; seine Herzleistung sei stabil und die Pumpleistung völlig ausreichend. Ersichtlich seien keine ausreichenden medizinischen Gründe vorhanden, um dem Antragsteller nicht zumindest die Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Pkw zu ermöglichen. Die Widerspruchsbehörde habe sich seit mehr als vier Monaten überhaupt nicht gemeldet, weshalb eine Untätigkeit vorliege. Am 14. Dezember 2018 legte der Antragsteller eine weitere ärztliche Bescheinigung vor, wonach er nicht insulinpflichtig sei. Im Rahmen einer Wundinfektion im Frühjahr dieses Jahres sei es kurzzeitig zu einer Verschlechterung der Stoffwechselsituation gekommen. Die Situation habe sich deutlich gebessert. Die Langzeitblutzuckerwerte lägen zwischenzeitlich im Normbereich, Hypoglykämien seien nicht aufgetreten. Der Antragsteller nehme ein orales Antidiabetikum ein. Die Schlafapnoe werde ausreichend behandelt.
Mit Beschluss vom 30. Januar 2019 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten ab und führte zur Begründung aus, der isolierte Prozesskostenhilfeantrag sei abzulehnen, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach dem ärztlichen Gutachten der AVUS GmbH vom 12. Dezember 2017 erweise sich der Antragsteller derzeit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach der durchgeführten Leistungstestung bestehe keine Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 2, sodass eine Verlängerung der Fahrerlaubnis für die Klassen C und CE nicht in Betracht komme. Zwar habe der Antragsteller in drei von fünf leistungsrelevanten Prozentrangwerten einen Prozentrang von 33 oder darüber erreicht, aber nicht ausnahmslos den Prozentrang 16, was für eine Fahrerlaubnis der Gruppe 2 zusätzlich erforderlich wäre. Hinzu komme, dass wegen seines Bluthochdrucks mit Werten von ≥ 180 mmHg systolisch hinsichtlich der Fahrzeuggruppe 2 eine Fahreignung nur im Rahmen einer Einzelfallentscheidung nach fachärztlicher Untersuchung und bei regelmäßigen ärztlichen Kontrollen bestehe. Nach dem Gutachten bestünden hinsichtlich des Bluthochdrucks Fahreignungsbedenken nur hinsichtlich der Fahrzeuggruppe 2. Es werde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass zunächst eine Kontrolle und Einstellung des Blutdrucks durch den Hausarzt erforderlich sei und sodann eine erneute Begutachtung erfolgen könne; hinsichtlich des Diabetes mellitus, dass im Falle einer Neueinstellung wie beim Antragsteller erst nach Einstellung wieder ein Fahrzeug geführt werden dürfe. Zwar habe eine augenärztliche Kontrolle ergeben, dass keine diabetische Retinopathie vorliege und ein weiterer Arztbericht vom 7. Dezember 2018, dass der HbA1c Wert niedriger als 8% sei. Doch seien die Voraussetzungen einer positiven Begutachtung erst erfüllt, wenn der Antragsteller belegen könne, dass alle drei Monate ärztliche Kontrollen stattfänden. Insoweit sei auch darauf hinzuweisen, dass er nach dem Attest vom 7. Dezember 2018 im Frühjahr 2018 wegen einer akuten Verschlechterung seiner Werte über zwei Monate hinweg insulinpflichtig gewesen sei. Daraus lasse sich deutlich ersehen, dass die Anforderungen an Einstellung und Kontrolle der Werte angemessen seien. Aus dem Gutachten ergebe sich aber auch, dass zumindest im Hinblick auf die Fahrzeuge der Gruppe 1 keine dauerhafte Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliege. Vielmehr sei danach eine erneute Begutachtung mit positivem Ergebnis möglich, wenn die vorgeschlagenen Kontrollen usw. durchgeführt würden.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2019 wies die Regierung von Schwaben den Widerspruch des Antragstellers zurück.
Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, er sei nicht insulinpflichtig. Lediglich im Rahmen einer Wundinfektion sei es im Frühjahr 2018 kurzzeitig zu einer Verschlechterung der Stoffwechselsituation mit Insulinpflicht über zwei bis drei Monate gekommen. Diese Situation habe sich deutlich gebessert. Die Langzeitblutzuckerwerte lägen im Normbereich. Hypoglykämien träten nicht auf. Der Antragsteller nehme nur ein orales Anti-Diabetikum. Wegen der Schlafapnoe sei er mit einem CPAP-Gerät ausreichend behandelt. Sein Arzt führe in der Bescheinigung vom 7. Dezember 2018 aus, dass kein Grund bestehe, die Fahrerlaubnis für die Fahrzeuge der Gruppe 1 einzuschränken, weiterhin, dass die Blutdruckmessungen im Normbereich lägen. Den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen seien die geforderten regelmäßigen Kontrollen und Einstellungen hinsichtlich des Schlafapnoesyndroms, Diabetes mellitus und Blutdruck zu entnehmen, sodass zumindest die Fahrerlaubnis für die Gruppe 1 zu erteilen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine – nach Erlass des Widerspruchsbescheids – Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in vollem Umfang weiterverfolgt, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO). Daher kommt es auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Antragstellers nicht an.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 – 1 BvR 1450/00 – NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12).
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht gegeben, da der Antragsteller erst unter bestimmten Voraussetzungen, vor allem der Vorlage geeigneter Nachweise, wieder als fahrgeeignet angesehen werden kann.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vom 13. Februar 2019 zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Dezember 2018 (BGBl I S. 2251), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 4.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung in Fällen von Hypertonie (zu hoher Blutdruck) bei – hier vorliegenden (ärztliche Bescheinigung vom 26.10.2017: 180/100 mmHg; verkehrsmedizinische Untersuchung am 20.11.2017: 212/ 134 mmHg) – Blutdruckwerten von ≥ 180 mmHg systolisch nach fachärztlicher Untersuchung für die Fahrzeuggruppe 1 regelmäßig gegeben, für die Fahrzeuggruppe 2 nur im Einzelfall. Nach Nr. 3.4.2 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl. S. 110) in der Fassung vom 15. September 2017 (VkBl. S. 884), die nach Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, besteht in Fällen von Hypertonie nur dann keine Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 und 2, wenn zerebrale Symptome oder Sehstörungen vorliegen, was beim Antragsteller nicht der Fall ist. Für Fahrzeuge der Gruppe 2 können Blutdruckwerte von > 180 mmHg systolisch und/oder 110 mmHg diastolisch (Grad 3 Hypertension) die Fahreignung in Frage stellen. Für beide Fahrzeuggruppen gilt, dass fachärztliche Untersuchungen und regelmäßige Kontrollen notwendig sind. Zur Hypertonie des Antragstellers liegt ein ärztlicher Befundbericht über eine kardiologische Untersuchung vom 26. Oktober 2017 vor, dem sich jedoch nicht entnehmen lässt, in welchen Zeitabständen der Antragsteller seinen Blutdruck ärztlich kontrollieren lässt, ggf. über welchen zeitlichen Verlauf der Blutdruck kontrolliert und dass er medikamentös eingestellt worden ist, was – wie die verkehrsmedizinische Gutachterin nachvollziehbar gefordert hat – durch eine 24 Stunden-Blutdruckmessung nachzuweisen ist. Insoweit lässt sich auch der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigung vom 12. Februar 2019 nichts Konkretes entnehmen, insbesondere auch nicht, von welchem „Normbereich“ der Arzt ausgeht. Der Nachweis ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine Langzeitblutdruckmessung aus technischen Gründen bei dem den Antragsteller betreuenden Allgemeinmediziner nicht stattfinden kann. Nach der jüngsten Arztbescheinigung ist eine Langzeitblutdruckmessung am Oberarm zwar mit den dort vorhandenen Geräten nicht möglich. Dies bedeutet aber nicht, dass sie andernorts bei Anwendung einer weiteren Manschette oder unter Anwendung einer anderen Messmethode technisch nicht möglich ist.
Nachweise hinsichtlich der koronaren 2-Gefäßerkrankung nach einem im Jahr 2013 erlittenen Herzinfarkt hat die verkehrsmedizinische Gutachterin nicht gefordert, so dass nicht entscheidungserheblich ist, ob für die Anordnung einer Fahreignungsbegutachtung wegen eines offenbar erfolgreich behandelten Herzinfarkts ohne Anhaltspunkte für eine mangelhafte Herzleistung nach Ablauf mehrerer Jahre überhaupt noch ein hinreichender Anlass gegeben war.
Hinsichtlich des Diabetes mellitus Typ 2, der mit oralen Antidiabetika therapiert wird, was mit einem niedrigen Hypoglykämierisiko einhergeht (vgl. Nr. 5.3 Anlage 4 zur FeV), hatte der Antragsteller bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids durch Bescheinigungen von Fachärzten für Allgemeinmedizin (vom 7.12.2018) und Augenheilkunde (4.12.2017) sowie eines Schlaflabors (vom 14.12.2017) nachgewiesen, dass bei ihm keine unbehandelten krankheitsbedingten Komplikationen, insbesondere keine Hypoglykämien (zu niedrige Glucosekonzentration im Blut), aufgetreten sind bzw. unbehandelte Komorbiditäten vorliegen. Sonstige Hinweise auf ein hohes Hypoglykämierisiko gibt es nach Aktenlage nicht. Die Verschlechterung der Stoffwechsellage im Frühjahr 2018 war vorübergehender Natur und hatte sich bis Ende 2018 wieder „deutlich gebessert“. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller schon mehrere Monate nicht mehr insulinpflichtig. Sein HbA1c-Wert lag zuletzt bei < 6,44% und damit unter dem von der ärztlichen Gutachterin geforderten Wert. Nach Nr. 3.5 der Begutachtungsleitlinien ist insoweit entscheidend, dass eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht ist und keine Folgekomplikationen vorliegen. Hiervon ist nach den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen und - hinsichtlich des obstruktiven Schlafapnoesyndroms - nach der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Februar 2018 auszugehen, so dass die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 nach Vorlage der fachärztlichen Bescheinigung vom 7. Dezember 2018 durch die bestehende Diabetes-Erkrankung nicht mehr in Frage gestellt war.
Was die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 2 anbetrifft, sehen die Begutachtungsleitlinien bei Diabetes mellitus (Nr. 3.5) vor, dass grundsätzlich eine stabile Stoffwechselführung über drei Monate nachzuweisen ist und – bei einer Therapie mit oralen Antidiabetika und niedrigem Hypoglykämierisiko wie hier – regelmäßige ärztliche Kontrollen gewährleistet sind (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 147 f.). Derartige Nachweise liegen mit der ärztlichen Bescheinigung vom 7. Dezember 2018, der nur ein Blutbild vom 16. Oktober 2018 beigefügt ist, nicht vor. Wie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Februar 2018 zu entnehmen ist, kommt als geeigneter Beleg z.B. ein ausgefüllter Diabetespass in Betracht. Eine fachärztliche Nachbegutachtung, wie sie von der verkehrsmedizinischen Gutachterin gefordert worden ist, ist hingegen erst ab einem höheren Hypoglykämierisiko erforderlich, wofür es beim Antragsteller derzeit keine Hinweise gibt.
Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass nach den Ergebnissen der durchgeführten Leistungstestung kein Anspruch auf eine Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE besteht. Allerdings wäre hierfür eine psychophysische Leistungstestung nach § 11 Abs. 9, § 24 FeV i.V.m. Anlage 5 Nr. 1 zur FeV nicht erforderlich gewesen. Auch ist die Feststellung von Leistungsdefiziten nicht Teil der auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 FeV allein angeordneten ärztlichen Untersuchung. Die nach Frage 6 der Gutachtensanordnung zu testende Belastbarkeit, Orientierungs-, Konzentrationsleistung und Aufmerksamkeitsleistung sowie Reaktionsfähigkeit werden als Bestandteile der psychischen Leistungsfähigkeit mit psychologischen Testverfahren (Nr. 2.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung) und daher nur im Rahmen einer von der Fahrerlaubnisbehörde anzuordnenden medizinisch-psychologischen Untersuchung geprüft (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 11 CS 17.2192 – juris Rn. 14 m.w.N.). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV hätte eine medizinisch-psychologische Untersuchung erst nach Würdigung eines ärztlichen Gutachtens im Sinne von § 11 Abs. 2 FeV angeordnet werden dürfen. Allerdings steht dies der Verwertung der mit dem Gutachten vorgelegten Leistungstestung, die von einer hierzu ausgebildeten Psychologin durchgeführt und ausgewertet worden ist, nicht entgegen. Denn ungeachtet der vom Senat offen gelassenen Frage, ob auch im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung psychologische Testverfahren zur Anwendung gelangen können, gilt, dass sich der Antragsteller auf diese Untersuchung eingelassen und das Gutachten, das eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung darstellt, vorgelegt hat (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2016 – 11 B 16.595 – juris Rn. 18, 24 f.; B.v. 7.11.2018 – 11 CS 18.435 – juris Rn. 14 m.w.N.). Ein Verbot, diese neue Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot stünde auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (BayVGH, U.v. 8.8.2016 und B.v. 7.11.2018 a.a.O. m.w.N.).
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe fallen – anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 60,- EUR jedoch entbehrlich.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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