Medizinrecht

Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen von Gottesdiensten

Aktenzeichen  20 NE 20.1423

Datum:
26.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15021
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2
IfSG § 28 Abs. 1, § 32
VwGO § 47 Abs. 6
BayLStVG Art. 51 Abs. 2
6. BayIfSMV § 6 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung ist in der derzeitigen Situation zumindest in Kombination mit physischen Kontaktreduzierungen bzw. der Einhaltung eines möglichst weiten Abstands zu anderen Personen und der Befolgung allgemeiner Hygieneregeln verhältnismäßig; dies gilt auch für den Besuch von Gottesdiensten oder von Zusammenkünften anderer Glaubensgemeinschaften. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit seinem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt der Antragsteller das Ziel, den Vollzug der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 (2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348) einstweilen auszusetzen, soweit er durch § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) im Rahmen von Gottesdiensten verpflichtet wird.
1. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die in der Hauptsache (Az. 20 N 20.1324) streitgegenständliche Verordnung erlassen, die am 22. Juni 2020 in Kraft getreten ist (§ 24 6. BayIfSMV). Nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV gilt für die Besucher öffentlich zugänglicher Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie der Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften die Verpflichtung, eine MNB zu tragen (Maskenpflicht, § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV), solange sie sich nicht an ihrem Platz befinden.
2. Der in Bayern lebende Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am selben Tag, einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die o.g. Bestimmung zum Tragen einer MNB beantragt. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er sei katholischen Glaubens und Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Er versuche, sein Leben an der katholischen Glaubenslehre auszurichten und besuche nach Möglichkeit täglich Eucharistiefeiern als wesentlicher Teil seines religiösen Lebens. Insbesondere der würdige Empfang der Kommunion habe für ihn einen hohen Stellenwert. Aufgrund der angegriffenen Vorschrift müsse er die MNB beim Verlassen des Platzes zum Empfang der Kommunion eigens anlegen. Unmittelbar vor dem Kommunionsempfang müsse die Maske – zumeist umständlich – beiseite geschoben und unmittelbar nach dem Kommunionsempfang wieder angelegt werden. Hierdurch werde er in seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit nach Art. 4 GG verletzt. Die angeordnete Maskenpflicht beeinträchtige sowohl die Liturgie auch die individuelle Glaubensfreiheit. Die Teilnahme an der Kommunion als elementarem Liturgiebestandteil müsse von äußeren Störungen frei bleiben. Angesichts der Größe des Sakraments könne sich der Gläubige der Eucharistie „nur demütig nähern“. Eine solche angemessene Haltung sei durch das An-, Ab- und Wiederanlegen der MNB unmöglich. Der würdige Kommunionsempfang werde auch durch das kirchliche Ordnungspersonal gestört, das als Erfüllungsgehilfe der Staatsgewalt die Gläubigen zum richtigen Tragen der Maske ermahne. Schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes nähmen sich die Gottesdienstbesucher nicht als eine im Glauben geeinte Feiergemeinde, sondern als potenziell Infizierte oder Kranke wahr. Die an der Kommunionbank versammelte maskierte Gemeinde erscheine „als traurige Versammlung der vom Tode Bedrohten“. Damit sei der Schutzbereich des Art. 4 GG elementar betroffen.
Auch wenn die Maskenpflicht in Gottesdiensten bei isolierter Betrachtung geeignet sein möge, die Verbreitung des Virus zu reduzieren, beständen jedenfalls in Zusammenschau mit dem vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 m und der sich daraus ergebenden Höchstteilnehmerzahl sowie dem Infektionsschutzkonzept der Erzdiözese erhebliche Zweifel an der Geeignetheit. Da die Einhaltung des Mindestabstands durch die katholische Kirche während der gesamten Messfeier sichergestellt werde, bestehe für eine hinzutretende Maskenpflicht keine Notwendigkeit. Zumindest aber fehle es an der Angemessenheit des Eingriffs. Die Infektionszahlen in Bayern seien stark rückläufig. Selbst wenn es in einigen Landesteilen zu einem plötzlichen Anstieg der Infektionszahlen kommen sollte, könnte die zuständige Ordnungsbehörde hierauf regional begrenzt reagieren. Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei mittlerweile nicht mehr zu befürchten. Angesichts der derzeitigen Fallzahlen müsse jeder Grundrechtsträger im Rahmen seiner allgemeinen Handlungsfreiheit selbst entscheiden können, wie er mit der Gefährdung umgehe. Dem hohen Stellenwert und der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 4 GG werde nicht mehr angemessen Rechnung getragen.
Unzulässig sei schließlich, den Antragsteller auf innerkirchliche Regelungen zum Infektionsschutz zu verweisen. Ohne den Erlass solcher Regeln durch die Kirche – die deren Selbstverständnis zutiefst widersprächen – hätte der Antragsgegner das zuvor bestehende Verbot von Gottesdiensten nicht aufgehoben.
Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020 hat der Antragsteller sein Vorbringen weiter vertieft und insbesondere seine Zweifel an der Eignung und Erforderlichkeit der Maskenpflicht bekräftigt.
3. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Der Antragsteller habe bereits kein Rechtsschutzbedürfnis auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, da er nicht dargelegt habe, dass er im Fall einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Vorschrift die Möglichkeit hätte, in einer römisch-katholischen Kirche in Bayern ohne MNB zur Kommunion zu gehen. Auch wenn er dies offenkundig missbillige, habe er vielmehr selbst vorgetragen, dass sich die bayerischen Diözesen in Fragen des Infektionsschutzes bei Gottesdiensten mit der Staatsregierung abgestimmt hätten.
Unabhängig davon berühre die Maskenpflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV zwar den Schutzbereich der individuellen Religionsfreiheit des Antragstellers. Es handele sich aber um einen Eingriff von äußerst geringer Intensität, da die Maskenpflicht lediglich ein Detail des äußeren Erscheinungsbildes betreffe und nur für einen kleinen Teil des gesamten Gottesdienstes gelte. Soweit bekannt, erhebe die römisch-katholische Kirche keine theologisch begründeten Bedenken gegen das Tragen einer MNB in Gottesdiensten. Vielmehr sei im Hinblick auf die Intensität des Grundrechtseingriffs nicht bedeutungslos, dass die römisch-katholische Kirche die Maskenpflicht im Gottesdienst nicht nur hinnehme, sondern auch kirchliches Ordnungspersonal auf ihre Einhaltung achten lasse. Soweit der Antragsteller den Empfang der Kommunion durch die Maskenpflicht beeinträchtigt sehe, handele es sich ersichtlich um sein persönliches Empfinden, das nicht als allgemeingültig betrachtet werden könne. Im Übrigen verweist der Antragsgegner auf die verwaltungsgerichtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht. Zum Nachweis der Eignung der Maßnahme genüge es, dass die Maskenpflicht zumindest die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des angestrebten Erfolgs erhöhe, wobei der Gesetz- und auch der Verordnungsgeber über einen prognostischen Einschätzungsspielraum ebenso wie über einen politischen Gestaltungsspielraum verfüge.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen
II.
Der Antrag, die in der Hauptsache angegriffene Norm des § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV einstweilen außer Vollzug zu setzen, bleibt ohne Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht vor.
a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9).
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung ‒ trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ‒ dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12).
b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon aus, dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat (aa). Eine Folgenabwägung führt darüber hinaus dazu, dass eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen jedenfalls nicht dringend geboten erscheint (bb).
aa) Die angegriffene Bestimmung, die den Besuchern von Gottesdiensten und den Zusammenkünften anderer Glaubensgemeinschaften eine Maskenpflicht auferlegt, solange sie sich nicht an ihrem Platz befinden, ist voraussichtlich formell wirksam (1) und dürfte von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt sein (2). Soweit damit ein Eingriff in die Rechte des Antragstellers aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbunden ist, wäre dieser jedenfalls durch kollidierendes Verfassungsrecht – insbesondere Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – gerechtfertigt (3).
(1) Der Senat geht davon aus, dass die angegriffenen Bestimmungen der Verordnung formell wirksam, insbesondere ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sind. Auch wenn die Verordnung im Hinblick auf die in § 22 6. BayIfSMV normierten Ordnungswidrigkeiten als bewehrte Verordnung anzusehen ist, dürfte nach der zum 1. Mai 2020 erfolgten Aufhebung der bisherigen Veröffentlichungspflicht im Gesetz- und Verordnungsblatt nach Art. 51 Abs. 2 LStVG a.F. durch § 2 Nr. 2 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Land- und Amtsarztgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 27. April 2020 (GVBl. 2020 S. 236, vgl. auch LT-Drs 18/7347) die hier erfolgte Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Bayerischen Ministerialblatt ausreichend sein.
(2) Im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage der angegriffenen Bestimmungen ist der Senat bereits in mehreren Eilentscheidungen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – juris; B.v. 9.4.2020 – 20 NE 20.663 – BeckRS 2020, 5446; 20 NE 20.688 – BeckRS 2020, 5449; 20 NE 20.704 – BeckRS 2020, 5450; B.v. 28.4.2020 – 20 NE 20.849) davon ausgegangen, dass die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie erlassenen Bestimmungen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG grundsätzlich eine ausreichende Rechtsgrundlage finden dürften (vgl. zum Begriff der Schutzmaßnahme insbesondere BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 9 ff.).
Nach den in den genannten Entscheidungen dargestellten Maßstäben ist die vom Antragsteller angegriffene Verpflichtung zum Tragen einer MNB als Bestandteil des der 6. BayIfSMV zugrunde liegenden Gesamtkonzepts zum Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung bzw. zur Kontrolle des Infektionsgeschehens voraussichtlich von der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt. Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die Behörde bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, worunter eine Anordnung zum Tragen von Schutzmasken grundsätzlich fallen dürfte (vgl. hierzu zuletzt BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1337 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 28.5.2020 – 20 NE 20.1017 – juris Rn. 10 ff.; B.v. 15.5.2020 – 20 NE 20.1102 – juris; vgl. auch VGH BW, B.v. 18.5.2020 – 1 S 1357/20 – juris).
Nach dem aktuellen Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 25. Juni 2020 handelt es sich weltweit und in Deutschland auch weiterhin um eine „sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation“, auch wenn die Anzahl der neu übermittelten Fälle derzeit rückläufig ist (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neu-artiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-25-de.pdf?_blob=publicationFile). In einer solchen Situation obliegt es dem Verordnungsgeber im Rahmen des § 28 Abs. 1 IfSG, der die Behörden zu einem infektionsschutzrechtlichen Tätigwerden verpflichtet und ihnen dabei ein weites Handlungsermessen einräumt (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 74; BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – NJW 2012, 2823), alle Maßnahmen zu ergreifen, solange und soweit diese die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt (vgl. Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Stand 2/2020, Art. 20 VII. Rn. 112). So liegt es hier. Das nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG besonders zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufene RKI empfiehlt ein generelles Tragen einer MNB in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck zu reduzieren. Die Schutzfunktion einer MNB ist nach Einschätzung des RKI jedenfalls „plausibel“ und ihre Verwendung als zusätzlicher Baustein neben anderen Maßnahmen – insbesondere der Einhaltung einer physischen Distanz von mindestens 1,5 m, der Hustenregeln und der Händehygiene – zur Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus geeignet (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html mit Verweis auf „Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von Covid-19”, 3. Update v. 7.5.2020, Epid Bull 19/2020, https://www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf? blob=publicationFile).
Auch wenn in der wissenschaftlichen Diskussion – wie der Antragsteller einwendet – die Eignung einer allgemeinen Pflicht zum Tragen von MNB zum Infektionsschutz noch umstritten sein mag und daneben auch andere tatsächliche Ungewissheiten im Umgang mit der pandemischen Entwicklung (weiter-)bestehen, ist es wegen des dem Antragsgegner insofern zustehenden Einschätzungsspielraums (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 10) nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber seiner Entscheidung die o.g. Position des RKI zugrunde legt. Soweit der Antragsgegner allerdings ausdrücklich neben einem prognostischen Einschätzungsspielraum auch einen „politischen Gestaltungsspielraum“ beansprucht, ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber den – bisher allein der Gefahrenabwehr dienenden – infektionsschutzrechtlichen Eingriffsbefugnisses eine politisch gestaltende Bedeutung zugemessen hätte.
Die Anordnung zum Tragen einer MNB dürfte somit in der derzeitigen Situation zumindest in Kombination mit physischen Kontaktreduzierungen bzw. der Einhaltung eines möglichst weiten Abstands zu anderen Personen (vgl. §§ 1 und 2 6. BayIfSMV) und der Befolgung allgemeiner Hygieneregeln eine grundsätzlich geeignete Maßnahme sein, die Infektionszahlen zu reduzieren (vgl. auch die Studie von Mitze et al. „Face Masks Considerably Reduce COVID-19 Cases in Germany: A Synthetic Control Method Approach“, http://ftp.iza.org/dp13319.pdf). Diese Eignung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der Rückkehr zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, indem das Gebot zum Tragen einer MNB, zusätzlich zur Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln und Abstandsgebote, ermöglichen kann, andere Beschränkungen und Verbote zu lockern bzw. aufzuheben (vgl. im Einzelnen dazu bereits BayVGH, B.v. 15.5.2020 – 20 NE 20.1102 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 12.5.2020 – 20 NE 20.1080 – juris Rn. 17 ff.; B.v. 11.5.2020 – 20 NE 20.843 – juris Rn. 17 ff.).
Dass der Antragsteller die mit dem Infektionsgeschehen verbundene Gefährdungslage derzeit für insgesamt weniger gravierend und eine Überlastung der Gesundheitssysteme für unwahrscheinlich hält, kann – zumal im Rahmen des Eilverfahrens – für sich genommen nicht dazu führen, die Beurteilung durch den Antragsgegner und das RKI als widerlegt anzusehen.
(3) Das gilt auch im Hinblick auf die angegriffene Maskenpflicht für die Besucher von Gottesdiensten und Zusammenkünften anderer Glaubensgemeinschaften nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV, soweit damit in deren Rechte aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG eingegriffen wird.
Zumindest nach dem Vortrag des Antragstellers erscheint schon nicht zwingend, in der Maskenpflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV einen Eingriff in dessen Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG zu sehen. Selbst wenn man unterstellt – was sich jedoch weder aus den cann. 924 ff. CIC noch aus den Nrn. 1322 ff. KKK ergibt -dass ein Empfang der Heiligen Kommunion nach den innerkirchlichen Regeln der römisch-katholischen Kirche nur möglich ist, wenn die Besucher hierzu ihre Plätze verlassen, hat der Antragsteller lediglich ausgeführt, die Maskenpflicht verhindere eine „angemessene Haltung“ beim Kommunionsempfang, und aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes nähmen sich die Gottesdienstbesucher nicht mehr als eine „im Glauben geeinte Feiergemeinde“ wahr. Inwiefern diese zunächst nur individuellen Wahrnehmungen des Antragstellers auch den Inhalt oder die Ausübung seines Glaubens beeinträchtigen könnten, lässt sich seinem Vortrag allenfalls ansatzweise entnehmen, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die römisch-katholische Kirche, der der Antragsteller angehört, das Tragen einer Gesichtsbedeckung – soweit erkennbar – gerade nicht untersagt oder mit einer bestimmten (Glaubens-)Bedeutung versieht, sondern vielmehr das Tragen einer MNB während der Teilnahme an Gottesdiensten derzeit selbst anordnet (vgl. etwa Ziff. 1 des Allgemeinen Dekrets von Reinhard Kardinal Marx gem. can. 29 CIC v. 29.4.2020 i.V.m. Ziff. 2 des Infektionsschutzkonzepts für katholische Gottesdienste im Erzbistum München und Freising v. 29.4.2020). Religiös begründete Einwände gegen die Maskenpflicht seitens der römisch-katholischen Amtskirche sind nicht bekannt und werden vom Antragsteller auch nicht behauptet.
Soweit – was denkbar erscheint – die angegriffene Maskenpflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV für die Besucher von Gottesdiensten und anderer Glaubensgemeinschaften wegen ihres speziellen Bezugs zur Glaubensausübung unabhängig vom individuellen Vortrag des Antragstellers in die Rechte der Besucher aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG eingreifen sollte, wäre dieser Eingriff jedenfalls durch kollidierendes Verfassungsrecht – insbesondere Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – gerechtfertigt. Auch wenn die Glaubensfreiheit vorbehaltlos gewährleistet wird, findet sie ihre Grenzen im Schutz anderer Verfassungsrechtsgüter, soweit deren Gewicht bei einer Abwägung im konkreten Einzelfall den Eingriff in die Glaubensfreiheit mindestens aufwiegt (vgl. nur Kokott in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 136 ff. m.w.N.). Bezogen auf die hier angegriffene Maskenpflicht ist in die Abwägung einzustellen, dass ein möglicher Eingriff in die Glaubensfreiheit – jedenfalls soweit im Rahmen des Eilverfahrens erkennbar – kein erhebliches Gewicht aufweisen dürfte. Die Maskenpflicht lässt die Möglichkeit der Teilnahme an Gottesdiensten und anderen religiösen Zusammenkünften unberührt und gilt zudem nur für die Zeiträume, in denen sich die Besucher nicht an ihrem jeweiligen Platz aufhalten. Ein erheblicher Konflikt mit der Religionsausübung ist daher nur insoweit denkbar, als diese – was von vornherein nur relativ wenige Konstellationen betreffen dürfte – nicht statisch bzw. „platzbezogen“ erfolgen kann. Vor diesem Hintergrund ist weder nach dem Vortrag des Antragstellers noch im Übrigen ein schwerer Eingriff in die Rechte der Normadressaten aus Art. 4 GG erkennbar. Schließlich wird das Gewicht des Eingriffs noch weiter dadurch gemindert, dass ein Abnehmen der MNB „aus zwingenden Gründen“ stets zulässig ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 6. BayIfSMV), was insbesondere – wohl auch aus Sicht des Antragsgegners – in der Situation des üblicherweise zentral im Altarbereich erfolgenden Empfangs der Kommunion in der römisch-katholischen Kirche von der grundsätzlichen Maskenpflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV dispensiert. Für welchen Zeitraum dieser Dispens „aus zwingenden Gründen“ wirkt, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Glaubensinhalte zu bestimmen, wobei die vom Antragsteller geschilderte Praxis der Erzdiözese München und Freising, das Entfernen der MNB erst unmittelbar vor dem Empfang der Kommunion und nur für deren Dauer zu gestatten, keinen grundsätzlichen Bedenken begegnen dürfte.
Der Eingriff in die Rechte der Besucher von Gottesdiensten aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG wird durch das demgegenüber höhere Gewicht des Schutzes der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt. Der mit der auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage erlassenen Anordnung zum Tragen einer MNB verfolgte Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist nicht nur allgemein geeignet, einen Eingriff in die Glaubensfreiheit aus Art. 4 GG zu rechtfertigten (vgl. BVerwG, U.v. 21.12.2000 – 3 C 20/00 – juris Rn. 18), sondern überwiegt hier das Gewicht des Eingriffs. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach dem Vortrag des Antragstellers bereits durch die Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 m zwischen allen Beteiligten während der gesamten Messfeier den hygienischen Anforderungen genügt würde. Im Hinblick darauf, dass Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte regelmäßig mit einem nicht nur kurzfristigen Aufenthalt einer Vielzahl von Personen in geschlossenen Räumen verbunden sind und ein hinreichender Abstand zwischen den Personen außerhalb rein statischer Situationen (wie dem Verweilen an einem Platz) auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht durchgehend sichergestellt werden kann, steht die Maskenpflicht nach § 6 Satz 1 Nr. 3 BayIfSMV in einem angemessenen Verhältnis zum – vergleichsweise geringen – Gewicht des Eingriffs und der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG.
bb) Selbst wenn man schließlich die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens als offen betrachten würde, führte eine Folgenabwägung dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Vorschrift sprechenden Gründe nicht überwiegen. Durch den Vollzug des § 6 Satz 1 Nr. 3 6. BayIfSMV kommt es – wie oben dargelegt – bei sachgerechter Auslegung nicht zu schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Personen, da die Normadressaten in möglichen (insbesondere gesundheitlichen) Härtefällen von der Tragepflicht befreit sind bzw. ein Abnehmen der MNB jederzeit aus zwingenden Gründen erlaubt ist (vgl. § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV). Demgegenüber wäre das Gewicht eines rechtswidrigen Eingriffs weniger hoch einzuschätzen als die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen. Würde der Vollzug der Bestimmungen ausgesetzt, wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass es – in welchem Umfang auch immer – zu vermehrten Infektionsfällen kommen könnte. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit immer noch insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch (vgl. Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts v. 26.5.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-ges_Coronavirus/Risikobewertung.html; Situationsbericht v. 25.6.2020 S. 12, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-25-de.pdf? blob=publicationFile).
Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender, vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 16) Eingriffe in das Grundrecht der Normadressaten auf persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (so im Ergebnis auch BVerfG, B.v. 29.4.2020 – 1 BvQ 47/20 -, 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, 9.4.2020 – 1 BvQ 29/20 -, 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 – alle juris; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 13 ff.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die vom Antragsteller teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 5. Juli 2020 außer Kraft tritt (§ 24 6. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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