Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erfolglose Beschlussersetzungsklage im Wohnungseigentumsrecht

Aktenzeichen  1 S 1079/16 WEG

Datum:
6.7.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 125889
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 21 Abs. 8

 

Leitsatz

1. Im Beschlussersetzungsprozess nach § 21 Abs. 8 WEG trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für hinreichende Vorbefassung der Eigentümerversammlung sowie für eine Ermessensreduzierung auf Null. (Rn. 8 und 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Erfordernis, die Eigentümerversammlung zunächst über den Gegenstand beschließen zu lassen, bevor das Gericht zur Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG angerufen wird (Vorbefassung), genügt es nicht, wenn im Lauf des Gerichtsverfahrens die Eigentümerversammlung eine Abstimmung mit Verweis auf die anstehende Gerichtsentscheidung ablehnt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 S 1079/16 WEG 2016-04-25 Endurteil LGMUENCHENI AG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17.12.2015, Aktenzeichen 484 C 6219/15 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.101,50 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 17.12.2015 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger, unter Abänderung des am 17.12.2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München Az 484 C 6219/15 die in erster Instanz als Anträge VI., VII, VIII. und IX. der Anfechtungsbegründungsschrift vom 29.9.2014, im Tatbestand des Amtsgerichtsurteils wiedergegeben als Anträge I., II., III., IV. durch das Gericht zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17.12.2015, Aktenzeichen 484 C 6219/15 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass. Diese Ausführungen greifen die mit Beschluss vom 25.4.2016 mitgeteilte Sicht der Kammer sehr pauschal an, ohne – trotz der deutlichen Hinweise – an den entscheidenden Stellen der Darlegungslast zu entsprechen.
Hinsichtlich der Verpflichtung, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, hat die Kammer ausführlich ihre Sicht zum Ermessen, insbesondere mit Blick auf die im Raum stehende Verjährungseinrede (vgl. Bl. 4 unten / 5 oben Berufungsbegründung) und die Kausalitätseinwendungen sowie das Kostenrisiko, dargelegt und ausgeführt: „Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen eine Verpflichtung der Eigentümer zur begehrten Beschlussfassung besteht, trägt der klagende Eigentümer. Er muss deshalb auch darlegen, welches die Grundlagen der begehrten Entscheidung sind.“ Hierzu wurde in der Gegenerklärung ausgeführt, Ermessen sei auf Null reduziert, wenn ein vernünftig Denkender auch entsprechend gehandelt hätte. Es seien synallagmatische Hauptleistungspflichten betroffen. Es habe dazu geführt, dass die Hausverwaltung ein angebliches Sonderhonorar in Höhe von 2.000 € nicht abgerechnet habe und auch kurz vor der Beendigung des Verwaltervertrages sich weitere 8.000 € einfach als Sonderhonorar vom Konto der WEG abgebucht habe. Eine konkrete Begründung, weshalb das Ermessen der Gemeinschaft zum streitgegenständlichen Antrag trotz der vom Gericht angeführten Umstände auf Null reduziert gewesen sein soll, stellt das nicht dar.
Weshalb das Gericht diesem Verhalten Tür und Tor geöffnet haben soll (S. 2 oben der Gegenerklärung), ist nicht nachvollziehbar. Die auf Seien 2 im 2./3. Absatz vorgebrachte Fehlerhaftigkeit von beschlossenen Abrechnungen würde, so die Auffassung der Klägervertreterin zuträfe, auf Anfechtung hin zur Ungültigerklärung der Beschlüsse führen. Es ist nicht ersichtlich, was das mit dem vorliegenden Verfahren zu tun hat und was sich hier welches Gericht vorzuwerfen hätte.
Die Kammer hat zu denjenigen Anträgen, für die sie hinreichende Vorbefassung ablehnt, im Beschluss vom 25.4.2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass trotz Durchsicht der Akte es entweder zu einer Vorbefassung noch gar nicht gekommen ist oder erst in der Versammlung vom 18.5.2015. Zudem hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Darlegungs- und Beweislast für hinreichende Vorbefassung der Kläger trägt und konkreter Vortrag, dass die Abmahnungsanträge auch schon auf vorherigen Versammlungen auf der Tagesordnung gestanden hätten oder das beantragt gewesen sei, in der gesamten Akte nicht gefunden wurde. Das hat die Kammer im Hinweis auch näher auf Seiten 5 und Seiten 7 f. ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen. In der Gegenerklärung findet sich konkreter Vortrag hierzu nicht.
Im Übrigen hält die Kammer daran fest, dass eine in der Vergangenheit einmal durch vorzeitiges Verlassen von Beiräten bewirkte Beschlussunfähigkeit einer Versammlung zum Antrag, Schadensersatz gegen die Hausverwaltung geltend zu machen, kein ausreichender Beleg dafür ist, dass die Befassung der Eigentümer mit dem Antrag über die Abmahnung der Verwaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden würde. Anders mag es sein, wenn sich so etwas wiederholt.
Die Kammer hält ferner an der Auffassung fest, dass das Erfordernis der Vorbefassung nicht dadurch obsolet wird, dass im Laufe eines – noch ohne Vorbefassung anhängig gemachten – Gerichtsverfahrens die Eigentümer in einer Versammlung mit dem Thema befasst werden und eine eigene Entscheidung mit Blick auf die Gerichtsentscheidung ablehnen. Damit hat weder eine echte Vorbefassung der Eigentümer in der Sache stattgefunden, noch ist es im zumutbaren Umfang vergeblich und hinreichend versucht worden. Es ist insbesondere nicht hinreichend ausgeschlossen, dass die Eigentümer in einer nächsten Versammlung auch in der Sache darüber abstimmen, wenn ihnen bewusst ist, dass sie die originäre Regelung ihrer Angelegenheiten nicht auf das Gericht verlagern dürfen und es sich auch dann nicht anders verhält, wenn ein Eigentümer verfrüht auf eine Entscheidung nach § 21 VIII WEG klagt. Erst wenn in einer weiteren Versammlung die Eigentümer erneut eine Entscheidung verweigern würden, obwohl sie dann aufgrund der Gerichtsentscheidung wüssten, dass sie hierüber abzustimmen haben, wäre das Erfordernis einer vergeblichen Vorbefassung für gerichtliches Vorgehen erfüllt. Die Klageseite hat sich diese Situation durch das frühzeitige Einklagen gerichtlicher Beschlussersetzungen nach § 21 VIII WEG selbst zuzuschreiben.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 709 S. 2, § 711 ZPO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49a I GKG. Die Kammer hat sich an der angemessenen und von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung des Streitwerts durch das Amtsgericht orientiert, auf die Begründung S. 10 und des Amtsgerichtsurteils und Bl. 78 d.A. wird Bezug genommen.


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