Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Finanzierung von Baumaßnahmen einer WEG mit Vorschuss des Bauträgers

Aktenzeichen  1 S 10246/19 WEG

Datum:
11.12.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46184
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 21, § 46 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Eigentümer haben ein weites Ermessen, wie sie eine Baumaßnahme finanzieren. Ihr Spielraum ist erst überschritten, wenn die Entscheidung unvertretbar ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein von einem Bauträger gezahlter Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung wird Verwaltungsvermögen, wenn er bei der WEG eingeht, eine eventuelle Zweckbindung kann durch Beschluss der Eigentümer aufgehoben werden. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

485 C 21746/18 WEG 2019-07-03 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 03.07.2019, Az. 485 C 21746/18 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien sind durch die Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft miteinander verbunden. Sie streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen, mit welchen die Finanzierung einer Baumaßnahme beschlossen wurde.
Die Wohnungseigentürnergemeinschaft erhielt nach gewonnenen Vorschussprozessen gegen ihren Bauträger Kostenvorschüsse in Höhe von … und … €. Diese Vorschüsse zahlte sie auf zwei Konten ein. Mit den Guthaben dieser Konten soll eine rechtskräftig beschlossene Sanierungsmaßnahme finanziert werden, was mit Beschlüssen zu TOP 2 e, g und h der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018 beschlossen worden war und nunmehr Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München, § 540 I Satz 1 Nummer 1 ZPO.
Mit Endurteil vom 03.07.2019 wurde die Klage durch das Amtsgericht München abgewiesen, das Urteil wurde dem Klägervertreter am 05.07.2019 zugestellt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 24.07.2019 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 05.09.2019 begründeten Berufung.
Im Berufungsverfahren beantragte der Kläger
I. Unter Aufhebung des am 03.07.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München, Aktenzeichen 485 C 21746/18 WEG wird der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018 unter TOP 2e:
„Die mit der Balkonsanierung entstehenden Kosten werden aus den Sonderrücklagekonten … und … (Kostenvorschuss … finanziert. Sofern im Zuge des vorgesehenen Verwalterwechsels diese Konten zu einer anderen Bank verlegt werden, erfolgt die Finanzierung aus den entsprechenden Nachfolgekonten.“
für ungültig erklärt.
II. Unter Aufhebung des am 03.07.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München, Aktenzeichen 485 C 21746/18 WEG wird der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018 unter TOP 2 g und h insoweit für ungültig erklärt, wie dem unter TOP 2e gefassten Beschluss zugestimmt wurde.
Die Beklagten beantragten
Zurückweisung der Berufung.
Es wird zur Ergänzung des Tatbestandes ferner Bezug genommen auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie den gesamten sonstigen Akteninhalt.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Dabei kann zunächst vollumfänglich auf die zutreffend und sorgfältig begründete Entscheidung des Amtsgerichts München verwiesen werden. In der nach § 540 I Satz 1 Nummer 2 ZPO gebotenen Kürze ist folgendes zusammenzufassen und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen zu ergänzen:
Die Berufung erweist sich als unbegründet, weil der angefochtene Finanzierungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung nicht widerspricht. Dabei kann dahinstehen, ob die Balkonsanierung und die zeitliche Abfolge der Sanierungsmaßnahmen ordnungsgemäß sind. Allein die Frage ist entscheidend, ob zur Finanzierung der bestandskräftig beschlossenen Maßnahme Mittel von einem Konto verwendet werden können, auf welches durch die … der vom Bauträger geleistete Vorschuss gebucht wurde.
1. Die Maßnahme ist bestandskräftig beschlossen. Sie bedarf demnach zwingend einer Finanzierung, welche mit dem angefochtenen Beschluss geregelt werden soll. Soweit die Anfechtungsbegründung ausführt, dass sämtliche Wände ausgetauscht werden müssten, oder dass ein Neubau in Betracht kommt, betrifft all dies nicht den angefochtenen Beschluss. Auf diesen bezieht sich allein die Begründung, es könne angesichts der Verwendung nicht mehr über den Vorschuss abgerechnet werden, da er zweckentfremdet würde.
2. Auszugehen ist dabei vom Grundsatz, dass die Eigentümer ein weites Ermessen hinsichtlich der Finanzierung besitzen. Über die Deckung des Finanzbedarfs des rechtsfähigen Verbandes durch Beschluss zu befinden, ist Sache der Wohnungseigentümer. Dass hierzu auch die Entscheidung darüber gehört, ob der Bedarf durch einen Rückgriff auf vorhandene Rücklagen, durch die Erhebung von Sonderumlagen oder durch die Aufnahme von Darlehen gedeckt werden soll, hatte der Bundesgerichtshof bereits für die Rechtslage vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft entschieden (BGHZ 104, 197, 202), für die Rechtslage nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes gilt nichts anderes (BGH ZWE 2013, 27). Es muss bei Beschlussfassung sichergestellt sein, dass die beauftragten Arbeiten auch bezahlt werden können. Wie die Wohnungseigentümer dies sicherstellen, können sie frei entscheiden (Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 21 Rn. 112b). Die Anfechtung könnte daher nur Erfolg haben, wenn die beschlossene Finanzierung unvertretbar wäre, etwa weil sie mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die WEG verbunden wäre. Wie der Bundesgerichtshof bereits zur Kreditaufnahme der Gemeinschaft entschieden hat, ist auch die gesetzgeberische Zielsetzung, möglichst vielen Bürgern, nicht nur einkommensstärkeren, den Erwerb einer Eigentumswohnung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 65) zu berücksichtigen. Nicht jedem Wohnungseigentümer ist es nämlich möglich und zumutbar, bei einem größeren Finanzbedarf der Gemeinschaft, der durch den Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckt werden kann, eine hohe (anteilige) Sonderumlage aufzubringen. Zugleich ist den übrigen Wohnungseigentümern und auch dem Gesetzgeber daran gelegen, dass Wohnanlagen nicht infolge ausbleibender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen verfallen oder erheblich an Wert verlieren (BGH ZWE 2015, 453, beck-online).
3. Die Berufung meint, die Bauträgerin, welche den im Verfahren 11 O 17695/14 ausgeurteilten Vorschuss geleistet hatte, könnte diesen zurückfordern, weil die WEG Teile des Geldes nunmehr für die Balkonsanierung verwenden möchte, hinsichtlich deren die Bauträgerin zwar wie rechtskräftig dem Grunde nach festgestellt zum Schadensersatz verpflichtet ist, wofür aber bislang kein Vorschuss geleistet wurde. Dieser Vortrag erfolgte nach Ablauf der Anspruchsbegründungsfrist des § 46 I S. 2 WEG und es erscheint fraglich, ob dies auch nur im Kern mit der Behauptung, die Mittel würden zweckentfremdet, so dass nicht mehr über sie abgerechnet werden könne, gerügt worden war. Ohnehin aber teilt die Kammer die Rechtsmeinung der Berufung nicht. Die Klage legt das Vorliegen der Voraussetzungen für einen solchen Rückforderungsanspruch nicht dar.
4. Richtig ist, dass der Vorschuss zweckgebunden und vom Auftraggeber zur Mängelbeseitigung zu verwenden ist. Der Auftraggeber muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten. Es entsteht also ein Rückforderungsanspruch des Auftragnehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses, Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein ebenfalls aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis. Unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Rückforderung des Vorschusses entsteht, hat der Bundesgerichtshof noch nicht abschließend geklärt. Maßgeblich für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs ist aber jedenfalls der Wegfall des mit der Vorschusszahlung verbundenen Zweckes. Steht fest, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird, so entfällt die Grundlage dafür, dass der Auftraggeber die ihm zur Mängelbeseitigung zur Verfügung gestellten Mittel behält. Der Rückforderungsanspruch wird zu diesem Zeitpunkt fällig. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen. Dass der Auftraggeber den Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen. Für ihn kann eine widerlegbare Vermutung streiten, wenn die angemessene Frist für die Beseitigung der Mängel abgelaufen ist und der Auftraggeber binnen dieser Frist noch keine Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen hat (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – VII ZR 108/08 -, BGHZ 183, 366-376, Rn. 13-16 m.w.N.).
Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, Vielmehr hat die WEG die Bauträgerin noch zur Zahlung weiteren Vorschusses aufgefordert. Für die Durchführung der Maßnahmen wurden weitere Untersuchungen in Auftrag gegeben. Auch die Klage behauptet nicht, dass die Mängelbeseitigung hinsichtlich des Schallschutzes nicht weiter verfolgt würde. Anhaltspunkte für schuldhaftes Zögern (BGH, Urteil vom 14. Jan. 2010, VII ZR 108/08 = ZfBR 2010, 350) bestehen nicht. Für einen Rückforderungsanspruch fehlt damit die Grundlage.
5. Die Abrechnung wird nicht, wie innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gerügt worden war, durch die „Zweckentfremdung“ unmöglich. Zunächst wurde der Vorschuss durch die Zahlung auf ein Konto der Gemeinschaft Verwaltungsvermögen (Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 10 Rn. 335; Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG § 10 Rn. 111, a.A.: Timme/Dötsch, WEG § 10 Rn. 591), Hieran änderte sich nicht dadurch, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den Vorschuss auf gesonderte Konten verbuchte. Dies ist ein rein interner Vorgang der Gemeinschaft, welcher die Abrechnung zwischen dem Bauträger und der Wohnungseigentümergemeinschaft unberührt lässt im Übrigen müsste es der Gemeinschaft, die solche Sonderkonten einrichtet, unbenommen sein, eine eventuelle Zweckbindung durch neuerlichen Beschluss wieder aufzuheben. Ebenso wenig, wie die Klage darzulegen vermag, dass durch die Einzahlung auf die Konten eine Zweckbindung innerhalb der Gemeinschaft beschlossen wurde, kann sie erklären, wieso eine solche durch den angefochtenen Beschluss nicht wieder aufgehoben worden seien sollte.
6. Die Berufung meint, die Verwendung der Mittel von den Sonderkonten wäre vergleichbar mit der Auszahlung eines Guthabens aus der Instandhaltungsrücklage. Dies ist zwar zutreffend, aber nicht in dem von der Berufung gemeinten Sinn. Denn zweifellos können Sanierungsmaßnahmen mit Mitteln der Instandhaltungsrücklage finanziert werden. Die von der Berufung bemühte Fundstelle im Kommentar von Bärmann (Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 21 Rn. 43a) meint aber etwas anderes, sie bezieht sich auf einen Beschluss, der darauf gerichtet ist, Wohngeldrückstände eines einzelnen Wohnungseigentümers mit seinem Guthabenanteil an der Instandhaltungsrücklage zu verrechnen (OLG Hamm, Beschluss vom 22. Oktober 1990, 15 W 331/90, = WE 1991, 108 = NJW-RR 1991, 212-213 zitierend), Das Guthaben aus der Rücklage soll dort nicht etwa für Gemeinschaftszwecke verwendet, sondern an den Miteigentümer ausgezahlt und dann mit seinen Rückständen verrechnet werden.
7. Der Vortrag der Berufung, wonach die Eigentümer nicht hinreichend über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Folgen des Beschlusses aufgeklärt worden sind, erfolgte bereits nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG. Ohnehin ist für das Fehlen solcher Informationen nichts ersichtlich. Die Berufung zitiert eine Kommentarstelle, welche auf eine Entscheidung verweist, wonach in der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung die Art und Weise des Anschlusses an das Kabelfernsehen, die Auswirkungen des Anschlusses für die bestehende Gemeinschaftsantennenanlage, die Fragen eines Anschlusszwangs für die einzelnen Wohnungseigentümer und der Haftung zu berücksichtigen sind (LG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 1986 – 20a T 1/85 -, Rn. 7, juris). Es war dort nicht über die Folgen der bisherigen Antennenanschlussinhaber nach Wechsel zum Kabelanschluss informiert worden. Die Vergleichbarkeit des hiesigen Sachverhalts ist begrenzt, es ist aber auch nicht erkennbar, dass der Bauträgerin bereits aufgrund des Beschlusses ein Rückforderungsanspruch zusteht (s.o.), wodurch eine Informationspflicht entfällt.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht. Insbesondere besteht keine Divergenz in der Rechtsprechung, nachdem sich die Kammer der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Frankfurt anschließen kann. Abweichende Rechtsprechung der Instanzgerichte existiert, soweit erkennbar, nicht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 98 ZPO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.


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