Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatz wegen strittiger Asbestbelastung einer Gebäudefassade

Aktenzeichen  21 U 1098/18

Datum:
29.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44562
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 S. 1, § 437 Nr. 3, § 440

 

Leitsatz

1. Der Abzug neu für alt soll den Vorteil ausgleichen, der dem Geschädigten daraus erwächst, dass er für eine schadhafte alte eine neue Sache und damit eine Wertsteigerung erhält. Der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, kann jedoch nicht ausnahmslos gelten. Vielmehr ist eine Gesamtschau der Interessenlage vorzunehmen und es sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Legt eine Partei gesteigerten Wert darauf, sich die Asbestfreiheit einer Gebäudefassade garantieren zu lassen, wäre es unbillig, wenn sich die andere Partei ihrer Verantwortung unter dem Gesichtspunkt des Abzugs neu für alt wieder entziehen könnte. Dies gilt insbesondere dann, wenn das erhebliche Alter der Immobilie den Vertragsparteien bei Vereinbarung der Garantie bekannt war, die insoweit verpflichtete Partei aber dennoch eine Garantieerklärung ohne Einschränkung abgegeben hat. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 3017/15 2018-03-08 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.03.2018, Az. 41 O 3017/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.786.179,58 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags um Schadensersatz wegen einer strittigen Asbestbelastung der Gebäudefassade.
Die Klägerin erwarb mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrag, UR-Nr. …/2013, im Jahr 2013 von der Beklagten zu 1) den im Vertrag näher bezeichneten Grundbesitz, ein Grundstück mit aufstehendem Wohnhochhaus, Baujahr ca. 1972, und Außenstellplätzen in der …-straße 114 und 114 a in K. zum Preis von 11.100.000,00 Euro. Die Beklagte zu 2) ist alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 3) haftet gemäß § 20 des Kaufvertrages als Garantin gegenüber dem Käufer für sämtliche Verpflichtungen des Verkäufers aus dem Kaufvertrag und etwaiger zukünftiger Nachträge neben der Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin.
Die Beklagten zu 1) und 3) haben in Ziffer 8.2. des Kaufvertrages garantiert, dass die Gebäude, die Bestandteil des Kaufgegenstandes sind, mit Fassaden aus Faserzementbauteilen ausgestattet sind und dass diese Faserzementbauteile kein Asbest enthalten; enthalten Fassadenelemente Asbest, dann ist der Verkäufer verpflichtet, die Kosten des Auswechselns der Fassadenelemente an den Käufer zu erstatten, wobei anderweitige Ansprüche unberührt bleiben.
In § 5 des Kaufvertrages wurden grundsätzlich die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen, aber geregelt, dass soweit eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden ist, diese geschuldet ist. Weiter wurde in 5.2. Satz 3 bestimmt: Garantien des Verkäufers sind… solche gemäß § 443 BGB und führen bei ihrer Nichteinhaltung zu den gesetzlichen Mängelrechten und einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung des Verkäufers.
Weiter enthält der Kaufvertrag in Ziffer 4.2. eine Regelung über einen Kaufpreiseinbehalt in Höhe von 600.000 Euro gegenüber dem Verkäufer, der der Absicherung der Vertragspflichten des Verkäufers dient, nämlich der Mietgarantie § 6.5.2, der Mietsicherheiten § 6.3.2., Mahn-, Anwalts- und Renovierungskosten § 6.5.3 sowie hälftiger Zinsen § 4.2. Zusätzlich erfolgte ein Einbehalt in Höhe von 80.000 Euro, weil noch zwei Zwangssicherungshypotheken im Grundbuch des Grundstücks eingetragen waren. Im Übrigen wurde der Kaufpreis bezahlt. Ergänzend wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Nach Abschluss des Kaufvertrages und Besitzübergang am 01.12.2013 beauftragte die Klägerin ein Sachverständigen- und Ingenieurbüro mit der Überprüfung der Fassade auf Asbest, welches nach Auswertung von Proben zu dem Ergebnis kam, dass die Fassade Asbest enthält. Die Renovierungskosten wurden auf 1.987.686,33 Euro geschätzt, wobei von einer Fassadenfläche von 10.670,00 qm ausgegangen wurde (Anlagen K 3 und K 4).
Daraufhin machte die Klägerin zunächst außergerichtlich (Anlagen K 5 und K 6) Schadensersatzansprüche geltend (Anlage K 5) und erhob nach fruchtlosem Fristablauf am 20.02.2015 Zahlungsklage. Eine Renovierung der Fassade erfolgte nicht. Mit Schriftsatz vom 26.10.2017, Bl. 206 ff. d.A., erweiterte die Klägerin ihre Klage um 182.084,57 Euro, nachdem der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 04.05.2017 eine Fassadenfläche von 11.730,62 qm ermittelt hatte. Im Schriftsatz vom 26.10.2017 erklärte die Klägerin außerdem, dass sich der Einbehalt um 371.854,18 Euro reduziert habe, weshalb in dieser Höhe der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde. Zu den einbehaltenen 80.000 Euro erläuterte die Klägerin im Schriftsatz vom 18.09.2015, dass die Forderung durch Aufrechnung und Erfüllung erloschen sei. Die Beklagten stimmten der Erledigungserklärung nicht zu.
Die Beklagten bestreiten die Asbesthaltigkeit der Fassade und tragen vor, dass die Klägerin selbst bei einem Asbestbefall der Fassadenelemente keine Zahlung verlangen könne, weil eine Renovierung nicht stattgefunden habe. Eine Kostenerstattung werde nach der vertraglichen Regelung nur dann geschuldet, wenn eine Sanierung durchgeführt worden sei. Die Sanierung müsse auch notwendig sein, was hier nicht der Fall sei, da fest gebundener Asbest ungefährlich sei. Schließlich würde eine Erneuerung der Fassade zu einer erheblichen Wertsteigerung des Gebäudes führen, so dass ein Abzug neu für alt vorzunehmen sei. Mit dem Betrag von 680.000 Euro erklärte die Beklagte zu 1) die Hilfsaufrechnung.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht gab der Klage nach Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens im Wesentlichen statt und führte aus, dass der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 1.451.313,44 Euro zustehe. Es sei der vertraglich vereinbarte Garantiefall eingetreten, weil nach dem erholten Sachverständigengutachten feststehe, dass die Faserzementbauteile allesamt asbesthaltig seien. Zwar spreche der Wortlaut der Regelung in 8.2 des Vertrages eher für die Erstattung von verauslagten Sanierungskosten, die erforderliche Auslegung unter Berücksichtung der Interessen der Parteien ergebe jedoch einen Anspruch auch ohne durchgeführte Reparatur. In Bezug auf die Höhe des Sanierungsaufwandes folgte das Landgericht dem Gutachten des Sachverständigen … und kam ausgehend von einer Fassadenfläche von 11.730,62 qm zu einem Sanierungsaufwand in Höhe von netto 1.823.167,62 Euro, bei Einheitspreisen aus dem Jahr 2016. Ein Abzug neu für alt sei nicht vorzunehmen. Gegenforderungen wegen der Kaufpreiseinbehalte stünden der Beklagten zu 1) nicht zu, sondern nur der Betrag in Höhe von 371.854,18 Euro, den die Klägerin errechnet und in Abzug gebracht habe, so dass auf den Feststellungsantrag der Klägerin insoweit der Rechtsstreit für erledigt zu erklären sei. Abgewiesen wurde die Klage lediglich hinsichtlich eines Teil der geltend gemachten Verzugszinsen.
Dagegen richtet sich die von den Beklagten eingelegte Berufung, mit der weiter die Klageabweisung begehrt wird. Die Beklagten tragen vor, dass das angefochtene Urteil auf einer fehlerhaften Anwendung des Rechts und einer fehlerhaften Würdigung der festgestellten Tatsachen beruhe.
Nach Auffassung der Beklagten enthalte die Bestimmung in § 8 des Kaufvertrages das unausgesprochene Erfordernis, dass die asbesthaltigen Fassadenelemente notwendigerweise ausgewechselt worden seien. Den Ersatz eines fiktiven Schadens könne die Klägerin nicht verlangen. Die Klägerin habe die Formulierung des Vertrages vorgegeben habe, weshalb eine Auslegung der Klausel, anders als es das Landgericht es gemacht habe, im Zweifel zu Lasten der Klägerin erfolgen müsse. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17, könnten fiktive Mängelbeseitigungskosten ohnehin nicht (mehr) beansprucht werden. Die Erwägungen des Landgerichts zum Abzug neu für alt seien nicht haltbar.
Auch in zweiter Instanz wiederholt die Beklagte zu 1) die Hilfsaufrechnung in Höhe von 680.000 Euro und beharrt auf ihrem Standpunkt, dass in dieser Höhe bestehende Gegenforderungen bei der klägerischen Berechnung nicht berücksichtigt seien. Bezüglich der mit Schriftsatz vom 26.10.2017 erfolgten Klageerweiterung (182.084,57 Euro) erhoben die Beklagten die Einrede der Verjährung, da die Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit Ablauf des 31.12.2016 verjährt seien.
Die Beklagten beantragen in der Berufung, 
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 08.03.2018, Az. 41 O 3017/15, die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Meinung, dass ihr der vertraglich vereinbarte, verschuldensunabhängige Garantieanspruch zustehe. Zweck der Garantie sei gewesen, die allein durch die Asbesthaltigkeit eintretende Vermögensminderung bzw. kalkulatorische Überzahlung durch einen Ersatzanspruch auszugleichen. Der Wortlaut der Vereinbarung lasse offen, ob die tatsächlichen oder die hypothetischen Kosten des Auswechselns der Fassadenelemente zu ersetzen seien, weshalb die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, die zu einem zutreffenden Ergebnis gekommen sei, geboten sei. Bei der Klägerin sei bereits jetzt ein Schaden eingetreten, da die gekaufte Liegenschaft mangelbedingt minderwertiger sei als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angenommen. Die Vornahme eines Vorteilsausgleichs verbiete sich aus Wertungsgründen. Hinsichtlich des Klageerweiterungsbetrages von 182.084,57 Euro sei keine Verjährung eingetreten, weil die Klägerin erst durch Zugang des gerichtlichen Sachverständigengutachtens davon Kenntnis erhalten habe, dass die Fassadenfläche größer sei, als von ihrem privaten Gutachter angenommen. Die von den Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife nicht durch. Im Schriftsatz vom 30.04.2019, Bl. 287 ff.d.A., erläuterte die Klägerin unter Vorlage zahlreicher Unterlagen die Abrechnung der Kaufpreiseinbehalte.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat über den Rechtsstreit am 11.02.2019, Bl. 276 ff.d.A., sowie am 08.07.2019, Bl. 306 ff. d.A., mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die jeweiligen Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt vollumfänglich die umfassenden Ausführungen des Landgerichts und schließt sich diesen an.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist Folgendes auszuführen:
1. Gemäß § 8.2. des Kaufvertrages hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten fiktiven Sanierungskosten.
a) Der Garantiefall, nämlich die Asbesthaltigkeit der Faserzementbauteile, ist nach den Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen … eingetreten, was die Beklagte in der Berufung auch nicht mehr angegriffen hat. Der Sachverständige hatte in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.05.2016, Bl. 93 ff. d.A., erläutert, dass er an sieben unterschiedlichen Stellen des Hochhauskomplexes Materialproben entnommen habe, die einen Masseanteil von Asbest in Höhe von 1% bis 15% aufwiesen. Mit den Probenentnahmen an unterschiedlichen Stellen, sei eine repräsentative Beprobung der Fassade erfolgt, weitere Proben würden zu keinen anderen Ergebnissen führen. Darüber hinaus lasse auch die vorgenommene Sichtkontrolle den Schluss zu, dass sämtliche Fassadenplatten Asbest enthielten. Diese nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen legte das Landgericht seinem Urteil zugrunde. Es bestehen insoweit keinerlei Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, die der Senat deshalb zugrunde zu legen hat, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Widersprüche oder Unklarheiten im Gutachten sind nicht ersichtlich und wurden von den Beklagten in der Berufung auch nicht geltend gemacht. Insoweit ist ausgehend von einer Fassadenfläche von 11.730,62 qm ein Sanierungsaufwand in Höhe von netto 1.823.167,62 Euro gegeben.
b) Anders als die Beklagten meinen, kann aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht nur der Ersatz tatsächlich angefallener Sanierungskosten, sondern auch der fiktive Herstellungsaufwand verlangt werden, den der Sachverständige mit 1.823.167,62 Euro beziffert hat.
Da der Wortlaut der Vereinbarung offenlässt, ob die tatsächlichen oder auch die hypothetischen Kosten des Auswechselns der Fassadenelemente zu ersetzen sind, hat – wie vom Landgericht vorgenommen – eine Auslegung der Regelung gemäß §§ 157, 133 BGB unter Berücksichtigung vor allem des mutmaßlichen Parteiwillens zu erfolgen. Wie bereits das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat, ergibt sich aus der mit Anlage K 26 vorgelegten E-Mail vom 30.04.2016, dass die Klägerin erkennbaren Wert darauf legte, eine Immobilie mit einer asbestfreien Fassade zu erwerben, weshalb die hier streitgegenständliche Regelung als Individualvereinbarung in den Vertrag aufgenommen worden ist. Die Garantie sollte eine Kompensation sein, falls das Vertragsobjekt doch asbestbelastet sein sollte, wovon die Beteiligten bei Vertragsschluss und Verhandlung der Kaufpreishöhe nicht ausgegangen sind. Eine Beschränkung der Garantierechte auf einen tatsächlich angefallenen Sanierungsaufwand würde deshalb keinen angemessenen Ausgleich darstellen. Dass die Klägerin sich nur davor schützen wollte, finanziell durch eine notwendige Entsorgung von Altlasten aufkommen zu müssen, lässt sie dem Wortlaut nicht entnehmen. Die Worte „entsorgungspflichtiger Abfall“ finden sich lediglich in Ziffer 8.1. nicht aber in der hier maßgeblichen Ziffer 8.2.
Eine Auslegung hat nicht zu Lasten der Klägerin zu erfolgen, denn auch die Beklagte trägt in ihrem Schriftsatz vom 02.11.2015, Bl. 78 d.A., vor, dass es sich hier um eine Individualvereinbarung und nicht um eine Bestimmung für eine Vielzahl von Fällen (Allgemeine Geschäftsbedingung) handelt, für die § 305 c Abs. 2 BGB zur Anwendung kommen könnte, vgl. Palandt, 78. Auflage 2019, Rn. 23 zu 3 133 BGB sowie Rn 15 zu § 305 c BGB. Die Einvernahme des beurkundenden Notars Dr. J. C. … war nicht veranlasst, vielmehr ergibt sich aus der zuvor zitierten E-Mail, Anlage K 26, dass die Garantie auf Wunsch der Klägerin in den Kaufvertrag aufgenommen worden ist. Dass die Formulierungen des Vertrages ausschließlich von der Klägerin vorgegeben worden sind, ist nicht ersichtlich, denn aus der genannten E-Mail ergibt sich die Bereitschaft der Beklagten, dass eine Bestätigung der Asbestfreiheit gern als Vertragsbestandteil aufgenommen werden könne.
c) Die streitgegenständliche Regelung ist weiter in Zusammenschau mit § 5.2. Satz 3 des Vertrages zu sehen, wonach die Nichtbeachtung der vom Verkäufer erklärten Garantien dazu führt, dass dem Käufer die gesetzlichen Mängelrechte und eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung zusteht. Nach den kaufrechtlichen Bestimmungen in §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Schaden aber auch nach fiktiven Reparaturkosten berechnet werden. Nur für das Werkvertragsrecht hat der Bundesgerichtshof unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, vgl. Urteile vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17 und vom 21.06.2018, Az. VII ZR 173/16, dass es im „kleinen Schadensersatz“ keine Erstattung von fiktiven Baumängelbeseitigungskosten geben kann. Diese spezielle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht ist jedoch auf das Kaufrecht nicht zu übertragen, weshalb der VII. Senat des Bundesgerichts es abgelehnt hat, die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen. Der VII. Senat hat ausdrücklich betont, dass die Änderung der Rechtsprechung auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhe, vgl. VII ZR 46/17 Rn. 70. Der Senat sieht keine Veranlassung, dies anders zu beurteilen.
2. Weitere Voraussetzungen für den verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch sieht die vertragliche Regelung nicht vor. Damit ist es insbesondere nicht erforderlich, dass der Austausch der Fassadenelemente von behördlicher Seite verlangt wird oder aufgrund privatrechtlicher Vorschriften oder aus sonstigen Gründen notwendig ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie von den Beklagten beantragt, zu der Frage, ob fest gebundener Asbest ungefährlich ist, ist damit nicht erforderlich.
3. Ein Abzug neu für alt ist nicht vorzunehmen. Insoweit teilt der Senat die umfangreichen Ausführungen des Landgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug und macht sie sich zu eigen. Der Abzug neu für alt soll den Vorteil ausgleichen, der dem Geschädigten daraus erwächst, dass er für eine schadhafte alte eine neue Sache und damit eine Wertsteigerung erhält, die hier aber im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen zur Lebensdauer der Fassade bereits fraglich ist. Zu prüfen ist zudem, ob eine Anrechnung hier dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, denn der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, kann nicht ausnahmslos gelten. Vielmehr ist eine Gesamtschau der Interessenlage vorzunehmen und alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Zu berücksichtigen ist hier insbesondere, dass die Beklagten unbedingt die Asbestfreiheit der Fassade garantiert haben, so dass es unbillig wäre, wenn sich die Beklagten ihrer Verantwortung unter dem Gesichtspunkt des Abzugs neu für alt wieder entziehen könnten. Zu berücksichtigen ist auch, dass das erhebliche Alter der Immobilie den Vertragsparteien bei Vereinbarung der Garantie bekannt war, die Beklagten dennoch eine Garantieerklärung ohne Einschränkung (oder „Anrechnungsmodus“ wegen Wertsteigerungen bei notwendiger Sanierung) abgegeben haben.
4. Die von den Beklagten geltend gemachte Hilfsaufrechnung in Höhe von 680.000 Euro ist nicht begründet. Von den festgestellten Sanierungskosten in Höhe von 1.823.167,62 Euro ist lediglich der von der Klägerin errechnete Guthabenbetrag in Höhe von 371.854,18 Euro abzuziehen, Anlage K 30. Insoweit hat das Landgericht – da eine übereinstimmende Erledigungserklärung nicht vorlag – zutreffend festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in dieser Höhe erledigt hat.
Von dem vertraglich vereinbarten Kaufpreiseinbehalt in Höhe von 600.000 Euro sind damit lediglich noch 228.145,82 Euro streitig. Die Klägerin hat dazu – nach Hinweis des Senats – mit Schriftsatz vom 30.04.2019, Bl. 287 ff. d.A., die Abrechnung der Kaufpreiseinbehalte detailliert aufgeschlüsselt und umfangreiche Nachweise vorlegt. Hierauf sind die Beklagten nicht näher eingegangen, sie haben lediglich weiter pauschal eine Berechtigung zur Aufrechnung in Abrede gestellt. Da substantiierte Angriffe nicht vorgebracht wurden, gilt der Vortrag der Klägerin gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und ist damit von einer berechtigten Inanspruchnahme der Kaufpreiseinbehalte durch die Klägerin auszugehen ist.
a) Den größten Anteil der Inanspruchnahme des Einbehalts stellen die monatlichen Abrechnungen der Klägerin aus der Mietgarantie gemäß § 6.5.2 des Kaufvertrags dar, was den Betrag von 170.270,56 Euro ausmacht. Die Klägerin schuldete gemäß § 6.5.2 Abs. 4 des Kaufvertrags monatliche Abrechnungen mit den vereinnahmten Nettokaltmieten sowie der vereinnahmten Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen, aus denen sich entsprechende Außenstände zulasten der Klägerin ergeben. Hierzu hat die Klägerin die Liste der sog. „schlechten Mieter“ während des Garantiezeitraums mit Anlage K 32 vorgelegt. Vorgelegt wurden weiter mit Anlagen K 33 die vollständigen monatlichen Abrechnungen während des Garantiezeitraums vom 01.12.2013 bis 01.12.2016, aus denen sich ergibt, welcher Mieter wie viel nicht bezahlt hat und welcher Betrag, falls Nachzahlungen erfolgt sind, angerechnet worden ist. Gemäß § 6.5.2 letzter Absatz des Kaufvertrages war die Klägerin verpflichtet, sich bis zur Höhe des Sockelbetrags von 200.000 Euro vorrangig aus dem Kaufpreiseinbehalt zu befriedigen. Der Beklagten zu 1) wurde der jeweils geschuldete Mietgarantiebetrag in Rechnung gestellt und nach Ablauf des Zahlungsziels von 30 Tagen jeweils angedroht, dass der Betrag vom Einbehaltskonto in Abzug gebracht wird, vgl. Anlagen K 33.
Die Beklagten haben lediglich die inhaltliche Richtigkeit der übersandten monatlichen Rechnungen bestritten und gerügt, dass nach wie vor jegliche substantiierte Angaben darüber fehlen würden, welcher Mieter aus welchem Grund, in welcher Höhe zu wenig Miete gezahlt habe, ob Rechtsverfolgungsmaßnahmen eingeleitet worden sind und ob und warum solche Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden konnten oder nicht. Im Hinblick auf den substantiierten und umfangreich belegten Vortrag der Klägerin ist dieses pauschale Bestreiten ohne Auseinandersetzung mit den vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend. Soweit die Beklagten mangelnde Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch die Klägerin beanstanden, so befassen sie sich auch nicht mit dem konkreten Vortrag der Klägerin, die unter Vorlage der Anlage K 35 belegt hat, dass dem Einbehaltskonto 90.000 Euro aufgrund von Nachzahlungen der Mieter wieder gut geschrieben worden sind. Mit Anlagenkonvolut K 34 wurden darüber hinaus umfangreiche Mahnunterlagen vorgelegt, zu denen sich die Beklagten nicht geäußert haben.
b) In Höhe von 37.671,00 Euro erfolgte ein Einbehalt der Klägerin gemäß § 6.3.2 des Kaufvertrages wegen nicht oder nicht in der vertraglich vereinbarten Höhe gestellter Mietsicherheiten der Mieter. Entsprechende Unterlagen wurden mit Anlagen K 36 vorgelegt. Auch mit diesen Unterlagen setzten sich die Beklagten nicht konkret auseinander. Soweit die Beklagten vortragen, dass die Nichtzahlung einer Mietsicherheit ein gesetzlicher Kündigungsgrund sei, so lässt sich der Anlage K 36 u.a. entnehmen, dass nicht in allen Mietverträgen mit den Mietern entsprechende Mietsicherheiten vereinbart worden sind, so dass ein Kündigungsgrund jedenfalls in diesen Fällen nicht in Betracht kommt. Von der Klägerin wird auch nicht vorgetragen, dass sie dieses Geld einfach behalten will. Es geht hier um laufende Mietverträge, für die die Beklagten garantiert haben, dass Mietsicherheiten in Höhe von zwei Monatsnettokaltmieten vorhanden sind.
c) 18.827,97 Euro betreffen den Einbehalt gemäß § 6.5.3 des Kaufvertrages, RäumungsRechtsanwalts- und Prozesskosten sowie Renovierungskosten. Die Beklagten zu 1) und 3) waren in Bezug auf die sog. schlechten Mieter zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet. Hierzu hat die Klägerin die Anlagen K 37, K 38, K 39 und K 40 vorgelegt, die schriftsätzlich erläutert worden sind. Diese Kosten wurden von den Beklagten ebenfalls nur unsubstantiiert, dem Grunde wie der Höhe nach bestritten, was im Hinblick auf den detaillierten Vortrag der Klägerin nicht ausreichend ist und der Vortrag der Klägerin daher als zugestanden gilt.
e) Die letzte Position in Höhe von 1.376,29 Euro betrifft einen Einbehalt der Klägerin gemäß § 4.2 Abs. 1 des Kaufvertrages, wonach hinsichtlich Zinsen eine hälftige Aufteilung vereinbart worden ist. Die Zinsabrechnungen wurden von der Klägerin mit Anlage K 41 vorgelegt. Weshalb die Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten nicht berechtigt sein soll, Zinsen abzurechnen, erschließt sich dem Senat im Hinblick auf die einleitend zitierte vertragliche Regelung nicht.
f) Den Beklagten steht ferner – wie das Landgericht auf Seite 16 des Urteils ausgeführt hat – kein Anspruch wegen des Einbehalts in Höhe von 80.000 Euro zu. Die Klägerin hat dazu im Schriftsatz vom 07.08.2015, Bl. 42 d.A., vorgetragen, dass außerplanmäßig von ihr 80.000 Euro als zusätzliche Sicherheit bei der Bayrischen Landesbank hinterlegt und vom Kaufpreis abgezogen worden sind, weil noch zwei Zwangssicherungshypotheken in dem Grundbuch des Grundstücks eingetragen waren. Nach deren Löschung war zwar ein Auszahlungsanspruch für die Beklagte zu 1) dem Grunde nach gegeben, die Klägerin hat aber mit Schreiben vom 28.04.2014, Anlage K 14, die Aufrechnung mit einer ihr zustehenden Forderung in Höhe von 50.000 Euro gemäß § 10.4 des Kaufvertrages und mit einer weiteren Forderung über 577,60 Euro, Anlage K 18, erklärt. Der verbliebene Restbetrag in Höhe von 29.442,40 wurde auf das in § 4.5 des Kaufvertrags angegebene Konto gezahlt, vgl. Zahlungsbeleg vom 06.06.2014, Anlage K 19. Dieser substantiierte Vortrag der Klägerin wurde schon erstinstanzlich nicht mit einer konkreten Erwiderung bestritten, so dass das Landgericht diesen Sachverhalt als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Auch in der Berufung wurden keine konkreten Einwände dagegen erhoben.
Unter dem Aktenzeichen 23 O 13360/ 18 hat die Beklagte zu 1) gegen die Klägerin diesen Betrag zwar klageweise geltend gemacht. Dieses Verfahren wird jedoch derzeit nicht betrieben und hat auch sonst keinen Einfluss auf die hiesige Entscheidung. Die Klage sperrt insbesondere nicht die erklärte Aufrechnung und Berücksichtigung im hiesigen Verfahren.
5. Soweit die Beklagten in Bezug auf einen Betrag in Höhe von 182.084,57 Euro die Einrede der Verjährung erhoben haben, so greift auch dieser Einwand nicht durch.
Die Ansprüche aus der vertraglich vereinbarten Garantie verjähren nach der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB, d.h. in drei Jahren. § 438 BGB ist auf Ansprüche aus einer Garantie nicht anwendbar, vgl. Palandt, 78. Auflage 2019, Rn. 2 zu § 438 BGB. Die Verjährung des Garantieanspruchs ist zu unterscheiden von dem Lauf der Garantie. Der Garantiefall muss innerhalb des Laufs der Garantie eingetreten sein, was hier unstreitig der Fall ist. Die Verjährung beginnt mit der Entdeckung des Mangels zu laufen, hier im August 2014, als die Klägerin durch den von ihr eingeschaltenen Gutachter Kenntnis von der Asbesthaltigkeit der Fassade hatte, vgl. Anlage K 3 Gutachten des Sachverständigen … vom 07.08.2014. Die Verjährung begann damit gemäß § 199 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem 31.12.2014 und endete am 31.12.2017. Die mit Schriftsatz vom 26.10.2017 erklärte Klageerweiterung erfolgte damit innerhalb der noch laufenden Verjährungsfrist, vgl. Palandt, aaO, Rn. 15 zu § 443 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, weil eine vertragliche Individualvereinbarung Streitgegenstand ist. Eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung ist damit nicht geboten. Die rechtlichen Fragen, die der vorliegende Fall aufwirft, betreffen weder typische noch verallgemeinerungsfähige Lebenssachverhalte, so dass auch eine grundsätzliche Bedeutung zu verneinen ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Der Wert von Ziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils bestimmt sich nur noch nach den bisher entstandenen Kosten (Gerichtskosten nach dem GKG sowie Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen nach der BRAGO). Dies ergibt einen Betrag von 26.720,32 Euro. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus die von Beklagtenseite erkärte (unbegründete) Hilfsaufrechnung in Höhe von 308.145,82 Euro. 371.854,18 Euro sind bereits im Streitwert der Klage enthalten.


Ähnliche Artikel


Nach oben