Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unwirksame Kostensenkungsaufforderung – Unvollständig und missverständlich

Aktenzeichen  S 4 SO 121/17

Datum:
29.5.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16182
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XII § 35 Abs. 2 S. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2
GO Art. 29, Art. 37

 

Leitsatz

1. Die Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII über ein “schlüssiges Konzept” ist eine Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten (anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift). (Rn. 53 – 54)
2. Ein solches Konzept ist unwirksam, wenn nur die angemessene Bruttokaltmiete bekannt gemacht wird. (Rn. 78)
3. Das Kostensenkungsverfahren ermöglicht wie bei jeder Verwaltungsvorschrift eine individuelle Abweichung und bezweckt damit die in das Gesetz nicht einfüllbare Gerechtigkeit des Einzelfalls (Ossenbühl). (Rn. 59)
4. Fortschreibung des Kammerurteils vom 27.10.2016 – S 4 AS 1092/15 entgegen LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.01.2017 – L 6 AS 194/15. (Rn. 79)

Tenor

I. Unter Abänderung des Bescheides vom 21. April 2017 und des Änderungsbescheides vom 26. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 21. August 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06. Dezember 2017 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin auch ab dem 1. November.2017 bis zum 31. Dezember 2018 die Hälfte der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 21.04.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 21.08.2017 über die Höhe der Grundsicherungsleistungen im Zeitraum 01.11.2017 bis 31.12.2018. Die Beklagte hat den ursprünglich unbefristeten Bewilligungsbescheid mit Änderungsbescheid vom 06.12.2017 auf den Zeitraum bis 31.12.2018 (entsprechend § 44 Abs. 3 SGB XII) begrenzt. Die Klägerin hat sich durch die Antragsfassung mit dieser Nebenbestimmung einverstanden erklärt.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 ihren Prozessvortrag allein auf die Kosten der Unterkunft beschränkt und damit den Streitgegenstand eingegrenzt (BSG Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R – Rn. 14).
Die Klage ist zulässig und begründet, da die Bescheide die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende hinsichtlich der zu erstattenden Kosten der Unterkunft und Heizung zu niedrig festgesetzt haben. Die Beklagte hat keine wirksame Kostensenkung vorgenommen (1), das kommunale Konzept zur Festsetzung der angemessenen Unterkunftskosten ist unwirksam (2) und die Beklagte konnte das Vorhandensein einer Wohnungsalternative nicht hinreichend glaubhaft machen (3)
Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zur Hälfte. Sie bewohnt (allein) zusammen mit ihrem Ehemann die Wohnung in O.. Ehegatten, bei denen ein Partner Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II und der anderen Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bezieht, bilden zusammen eine Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R -, Rn. 31). Die Anteile für Kosten der Unterkunft und Heizung sind nach Kopfteilen zu bemessen (BSG aaO. Rn. 33).
Kostensenkung
Ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft folgt schon aus der Tatsache, dass die Beklagte keine wirksame Kostensenkungsaufforderung erlassen hat. Das Kostensenkungsverfahren war unvollständig und missverständlich.
Die Beklagte hat im Bescheid vom 21.04.2017 die Aufforderung zur Kostensenkung nur auf die Bruttokaltmiete erstreckt. Das Kostensenkungsprodukt setzt aber ein Überschreiten der Bruttokaltmiete und der Heizkosten voraus (BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 28/12 R -, Rn. 39 ff.)
Zudem wurde im Änderungsbescheid vom 26.05.2017 kein Bezug zur Kostensenkungsaufforderung vom 21.04.2017 hergestellt. Gegenstand des Änderungsbescheides waren richtigerweise auch die Kosten der Unterkunft, da Guthaben aus Betriebskostenabrechnung angerechnet wurde. Zutreffend mindert ein Guthaben die Kosten der Unterkunft im Zuflussmonat (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 14 AS 83/12 R -, Rn. 11).
In der Anlage zum Bescheid vom 26.05.2017 befindet sich ein Berechnungsblatt. Dieses setzt die Kosten der Unterkunft ab 01.07.2017 fest, ohne dass auf die Anhebung der Unterkunftskosten ab 01.11.2017 hingewiesen wird. Eine Endbefristung der nicht abgesenkten Unterkunftskosten wurde nicht vorgenommen.
Die Klägerin durfte deshalb davon ausgehen, dass der spätere Bescheid vom 26.05.2017 die Kostensenkung aus dem früheren Bescheid vom 21.04.2017 rückgängig macht. Widersprüchliches Verhalten führt zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung (Nguyen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 98).
Der Absenkung der Unterkunftskosten ab 01.01.2018 (Bescheid vom 06.12.2017) geht damit keine aktuelle Kostensenkungsaufforderung voraus.
Konzept der Stadt zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten Das kommunale Konzept der Stadt O. („Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“), verabschiedet durch Stadtratsbeschluss vom 27.03.2017 auf der Grundlage des Methodenberichts der Firma A. & K. vom Februar 2017 ist unwirksam. Die Verwaltungsvorschrift ist ordnungsgemäß beschlossen (a), aber nur unzureichend bekannt gemacht worden (d). Das Konzept konnte zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums am 01.11.2017 keine Geltung mehr beanspruchen (e).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 36 Abs. 1, 2 Satz 1, 2 SGB XII, wonach Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den nach der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie als Bedarf der Personen ohne eigene Mittel nur anzuerkennen, als es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Im Fall der Klägerin war die Bestimmung der angemessenen Kosten durch die Beklagte durch ein schlüssiges Konzept unwirksam.
Für die Prüfung der Angemessenheit besteht ein mehrstufiges Verfahren: Zunächst ist die Größe der Wohnung unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen festzustellen und zu überprüfen, ob diese angemessen ist.
Angemessen ist eine Wohnung nach dem Wohnungsstandard ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Es genügt jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist. Die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, darf die angemessene Mietobergrenze nicht überschreiten. Als letzter Prüfungsschritt ist zu ermitteln, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am konkreten Wohnort der Leistungsberechtigte tatsächlich auch die Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können.
Die Wohnfläche der Klägerin ist bis zu einem Wert von 77,47 m² unangemessen groß. Nach Nr. 22.2 Wohnraumförderbestimmungen 2012, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr vom 11.01.2012 (AllMBl 2012, S. 20, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 01.12.2015, AllMBl 2015, S. 545) sind für eine Zweipersonenbedarfsgemeinschaft 65 m² angemessen.
Die Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus angemessener Miete pro m² und tatsächlicher Wohnfläche, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses, gleichwohl angemessen wäre, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht. Das ist wäre der Fall, wenn die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin und ihres Mannes im konkreten Fall die kommunale Angemessenheitsobergrenze unterschreiten würden.
Der Klägerin kann aber das kommunale Konzept vom 27.03.2017 nicht entgegengehalten werden.
a. Verfahren zum Erlass des Konzepts
Neben der Bekanntmachung haben sich keine weiteren Fehler bei Erlass der Verwaltungsvorschrift eingestellt. Insbesondere haben der zuständige Rechtsträger und das zuständige Organ gehandelt. Das Konzept ist von der Stadt O. erlassen. Der Stadtrat ist nach Art. 29 Gemeindeordnung (GO) – Allzuständigkeit des Stadtrats – das berufene Organ. Eine Zuständigkeit des Oberbürgermeisters (Art. 37 GO) ist nicht ersichtlich.
b. Bekanntgabe
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der Entscheidung vom 05.11.2004 (5 CN 1/03) vermerkt, dass Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten bekannt zu machen sind. Für die Bekanntgabe ist eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts der Verwaltungsvorschrift nicht ausreichend (Leitsätze nach Juris). Die Entscheidung ist zur Pauschalierung von Sozialhilfeleistungen nach § 101a BSHG ergangen (Rn. 23). Überprüft werden können (abstrakt-generelle) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber den Bürgern entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Regelsatzfestsetzung durch Verwaltungsvorschrift (Rn. 24). In der Subsumtion der pauschalierten Sozialhilfefestsetzung meint das Gericht, dass diese nicht nur eine binnenrechtlich wirkende, allein die Verwaltung bindende Bemessungsrichtlinie darstelle. Sie wären anspruchskonkretisierend, sie gäben den Anspruch des Hilfeempfängers auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Bezug auf die von den Ausführungsbestimmungen erfassten Bedarfe in gleicher Weise die abschließende Gestalt, wie dies in Bezug auf den Regelbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG infolge der Regelsätze erfolgt (Rn. 27). Dem rechtsstaatlichen Publikationsgebot könne nicht durch an den Hilfeempfänger verteilte Merkblätter entsprochen werden (Rn. 30). Das Publikationsgebot habe auch das Bundesverfassungsgericht bei der Bekanntmachung einer Strafgefangene bindende Verwaltungsvorschrift und das Schrifttum angenommen. Es sei im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz, GG) sowie in der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) begründet (Rn. 31). Der Pflicht zur Publikation von Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber den Betroffenen genüge auf jeden Fall die Publikation in dem für den Verwaltungsträger für die Veröffentlichung von Rechtsnormen vorgeschriebenen amtlichen Medium. Ob auch eine andere Art und Weise der Bekanntmachung zum Beispiel durch eine unmittelbare Übergabe des Vorschriftentextes an den Betroffenen ausreichend wäre, bedürfe in dem Verfahren keine Erörterung und Entscheidung (Rn. 33). Fehle die gebotene Bekanntgabe, sei die Verwaltungsvorschrift mit Außenwirkung nicht wirksam (Rn. 34).
Berlit (jurisPR-BVerwG 7/2005 Anm. 1) spricht in der Anmerkung zu der Entscheidung bei der strikten Publikationspflicht für Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung für Dritte von einer rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeit.
c. Zuordnung des kommunalen Konzepts
Das Konzept der Stadt O. vom 27.03.2017 ist eine Verwaltungsvorschrift, die die subjektiv-öffentlichen Rechte Dritter berührt.
Sie ist damit anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift; dies ist der Begriff des Sozialrechts für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.
Zur Funktion normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ist auf die Wesentlichkeitstheorie zu verweisen. Nach dieser Theorie ist unter Umständen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ein Parlamentsgesetz erforderlich. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bei der Bemessung des Regelsatzes für erforderlich gehalten (Urteil vom 09.02.2012) und hat damit mit der langen Tradition, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Bundessozialhilfegesetz und dem SGB XII festzulegen, gebrochen (auf diesen Zusammenhang verweist Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-​SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 40 SGB XII, Rn. 4). Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich an der Regelsatzfortschreibung.
Wenn nun ein vergleichbar wesentliches Element der SGB II-Leistungen durch den kommunalen Träger im Wege einer Verwaltungsvorschrift festgelegt wird, treffen ihn die Obliegenheiten wie beim Erlass einer Rechtsnorm.
Leistungsbezieher erhalten bei Anwendung des Konzepts nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und auch nicht Kosten nach der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. Der Beklagte kann nicht auf das nachfolgende Kostensenkungsverfahren verweisen, da schon aus Gründen der Gleichbehandlung das kommunale Konzept durch eine Umzugsaufforderung durchgesetzt wird – das Konzept wirkt damit unmittelbar, das BVerwG hält ein unmittelbares „Berühren“ der subjektiv-öffentlichen Rechte für ausreichend.
Die Erstattungsmöglichkeit der verauslagten Kosten wird – in vielen Fällen erheblich – beeinträchtigt. Die Leistungsbezieher werden zwar beim Umzug aus dem Bereich eines anderen Trägers durch das Genehmigungserfordernis vor dem Abschluss nicht erstattungsfähiger Mietverhältnisse geschützt. Gleichwohl ist beim Inkrafttreten des Konzepts auch die Fallgestaltung zu beobachten, dass bislang angemessene Unterkunftskosten nach Inkrafttreten des Konzepts unangemessen geworden sind. Ein dann im Regelfall notwendiger Umzug beeinflusst schon deshalb subjektiv-öffentliche Rechte der Leistungsbezieher, da damit unter Umständen Schäden am Umzugsgut einhergehen.
Auch das Kostensenkungsverfahren beseitigt die unmittelbare Rechtsbetroffenheit nicht. Wie bei jeder Verwaltungsvorschrift ist der exekutive Hoheitsträger verpflichtet, die Geeignetheit der konkreten Fallgestaltung auf die Gestaltungswirkung der Verwaltungsvorschrift zu überprüfen.
„Ob und inwieweit solche individuellen Abweichungen zulässig sind, hängt von Charakter und Inhalt der Verwaltungsvorschriften ab. Die individuelle Abweichung von den Verwaltungsvorschriften kann beispielsweise bei den Ermessensrichtlinien nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten sein. Denn wenn das Gesetz Ermessensbereiche eröffnet, räumt es der Verwaltung nicht nur die Freiheit ein, an administrativen Zwecken und Erkenntnissen orientierte Entscheidungsmaßstäbe zu setzen, sondern es bezweckt auch eine Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und erstrebt damit die in das Gesetz nicht einfüllbare Gerechtigkeit des Einzelfalls an.“ (Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch der Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. 5, § 104, Rn. 61)
„Abweichungen von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sind nur bei atypischen Sachverhalten zulässig, die ihrerseits in der Verwaltungsvorschriften nicht berücksichtigt worden sind oder für die die Verwaltungsvorschrift selbst schon Ausnahmen statuiert“ (Ossenbühl aaO. Rn. 73).
Für die Außenwirkung sprechen auch folgende Argumente: Bei einer Publikation der Verwaltungsvorschrift könnten neu in den Leistungsbezug eintretende Personen schon weit vor dem Eintritt des Bezugs eine angemessene Wohnung wählen. Da das schlüssige Konzept auch für Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt, können sich Arbeitnehmer bei der Wohnungswahl an der Angemessenheitsgrenze orientieren, bei denen schon jetzt absehbar ist, dass sie beim Bezug von Altersrente auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sein werden.
Vermieter könnten sich etwa bei der Modernisierung von Wohnungen bei Zeiten mit der Frage beschäftigen, ob die Wohnung von Leistungsberechtigten bezogen werden kann. Dies ist für die Unwägbarkeiten bei einer Investitionsrechnung von besonderer Bedeutung, da bei angemessenen Wohnraum ein Leerstand weniger wahrscheinlich ist. Verallgemeinernd lässt sich feststellen, dass die Kostengrenzen der Jobcenter preisbildend sind (Siebel-Huffmann, NJW 2017 S. 3772 in einer Anmerkung zum Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 – 1 BvR 617/14).
Die Festlegung der Angemessenheitsgrenze berührt auch sicherheitsbehördliche Maßnahmen der Obdachlosenunterbringung, wie Wolf/Wolf (SRa 2018, Seite 41 ff.) ausführlich darstellen.
Schließlich ist anzumerken, dass das kommunale Konzept tendenziell wirkungsgleich wie eine Satzung nach § 22 a SGB II ist. Damit ist das kommunale Konzept auch normersetzend. § 22 a Abs. 2 sieht auch die Möglichkeit der Pauschalierung vor und entspricht damit dem Tatbestand, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2004 zugrunde gelegen hat.
Deshalb zieht das Sozialgericht Dortmund (Urteil vom 01.12.2016 – S 19 AS 965/15 – Rn. 29) einen Erst-Recht-Schluss zur Schaffung der notwendigen Transparenz durch Bekanntmachung für ein schlichtes Konzept, das in einem nicht rechtsförmlichen Verfahren zustande gekommen ist, jedoch für die Leistungsberechtigten dieselben Regelungswirkungen zeitigt wie eine Satzung.
Zusammenfassend ist festzustellen: Das schlüssige Konzept der Stadt O. vom 27.03.2017 auf der Grundlage des Methodenberichts der Firma A. & K. vom Februar 2017 ist eine anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift. Eine solche ist aufgrund der grundrechtsgestaltenden Wirkung wirkungsgleich wie eine Rechtsnorm. Bildlich gesprochen: Die Verwaltungsvorschrift hat eine halbe Stufe auf der Normpyramide nach oben zur Satzung genommen.
d. Bekanntmachung ist kein schlichtes Ordnungsgebot Das BVerwG hat festgestellt, dass bei fehlender und gebotener Bekanntgabe die Verwaltungsvorschrift mit Außenwirkung nicht wirksam ist (Rn. 34).
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Nicht überzeugend ist die Auffassung des SG Dortmund (aaO), wonach die fehlende Bekanntmachung nicht zur Unanwendbarkeit des Konzepts führt, da Veröffentlichung und Begründung lediglich eine objektive Rechtspflicht seien. Das Gericht bezieht sich dabei auf Maurer (Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, Rn. 36). Dieser Autor referiert die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und sieht in der Entscheidung vom 05.11.2004 den Schlusspunkt. Diese hält aber die Bekanntmachung für eine Wirksamkeitsvoraussetzung.
Zutreffend verknüpft Ossenbühl (in Isensee/Kirchhof, Handbuch der Staatsrechts, 3.Aufl. 2007, Bd. 5, § 104, Rn. 82 f.) die Publikationspflicht mit der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften; . „Die Verkündung ist rechtsstaatlich notwendige Voraussetzung für die Normentstehung“.
Im Kontext mit der Pauschalierung der Kosten der Unterkunft weist Nguyen (in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-​SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 169) darauf hin, dass Verwaltungsvorschriften mit abstrakt generellen Regelungen der Exekutive unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsnormen einzustufen sind, die zu ihrer Wirksamkeit ordnungsgemäß zu veröffentlichen sind.
Zwischen Ordnungsvorschrift und Wirksamkeitsvoraussetzung zu differenzieren, erscheint auch zirkelschlüssig. Ist eine Außenwirkung zu bejahen, folgt daraus auch eine Außenkundgabepflicht. Jede andere Auffassung würde der undemokratischen und rechtsstaatsfremden Arkanverwaltung des preußischen Obrigkeitsstaats entsprechen, die unter der Geltung des Grundgesetzes nicht statthaft ist.
e. keine andere Wertung durch das Urteil des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht vom 31.01.2017 Das Gericht meint, dass es einer formellen Bekanntmachung für die Wirksamkeit eines Konzepts nicht bedarf:
„Anderes folgt entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts … Zwar hat das BVerwG entschieden, dass derartige Verwaltungsvorschriften wegen ihrer unmittelbare Außenwirkung gegenüber Dritten wie Rechtsnormen bekanntzumachen sind (BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 – 5 CN 1/03 – BVerwGE 122, 264, juris, Rn. 31). Diese besonderen Verwaltungsvorschriften unterscheiden sich aber von Angemessenheitsrichtlinien wesentlich dadurch, dass – gedeckt allein durch die Experimentierklausel des § 101a BSHG – eine Pauschalierung der Leistungen abweichend vom formellgesetzlichen Leistungskatalog angeordnet haben. Demgegenüber wird mit den Angemessenheitsrichtlinien der formellgesetzliche Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich konkretisiert. Dass diese Konkretisierung ohne formale Bekanntmachung Wirkungen entfalten muss, ergibt sich im Übrigen auch aus der Rechtsprechung des BSG, verpflichtet es doch die Sozialgerichte – wie im vorliegenden Falle geschehen – dazu, ein den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept nicht entsprechendes Trägerkonzept in eigener Verantwortung nachzubessern . . . Zumindest in einem solchen Fall kann es aber eine formale Bekanntmachung des im gerichtlichen Verfahren erst statuierten Konzepts im Anwendungszeitraum noch gar nicht gegeben haben.“ (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2017 – L 6 AS 194/15 -, Rn. 139).
Diese Argumente erscheinen der erkennenden Kammer nicht überzeugend.
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht sieht ein Differenzierungskriterium in Verwaltungsvorschriften, die Pauschalierungen festsetzen und solchen, die eine Obergrenze statuieren. Dabei hat dieses Gericht aber nicht erwogen, dass Pauschalierungen im Sozialrecht bedarfsdeckend auszugestalten sind. Dies hat das Bundessozialgericht etwa für den Anspruch auf Ersterstattung festgelegt: Pauschalen müssen „so bemessen sein, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung (ausgehend von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen) in vollem Umfang befriedigen kann, denn die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung“ (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R -, Rn. 23).
„Pauschalen sind Instrumente des Gesetzgebers, vor allem in den klassischen Bereichen der Massenverwaltung, bestimmte Aufwendungen rechtlich zu konkretisieren, ohne dass es einer Ermittlung oder Überprüfung des tatsächlichen Aufwands im konkreten Einzelfall bedarf. Pauschalen begrenzen den Verwaltungsaufwand und dienen der Verwaltungspraktikabilität.“ (Nguyen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 159).
Dies hat Auswirkungen auf die Eingriffsintensität. Der im Sozialleistungsverhältnis von Pauschalen Betroffene erfährt in aller Regel keine Verkürzung seiner Ansprüche. Im Gegenteil: hat er einen geringeren Geldbetrag als durch die Pauschale gedeckt aufgewendet, steht dem gleichwohl ein Anspruch auf höhere Erstattung zu.
Anders eine Mietobergrenze. Es sei nur exemplarisch auf den Einzelfall der Stadt O. Bezug genommen: 46,82% verweilten in der bisherigen Wohnung, um die bisherigen Lebensumstände wahren zu könne. Für annähernd die Hälfte der SGB II Bedarfsgemeinschaften und für ca. 1/3 der SGB XII-Bedarfsgemeinschaften führt dies zu einer faktischen Kürzung der Regelleistung, die das Menschenwürde bestimmte Existenzminimum garantieren soll.
Eingriffsintensive Verwaltungsvorschriften bedürfen aber der Bekanntmachung „erst recht“.
Weiter stellt das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht auf die Nachbesserungspflicht von Gerichten bei unzureichenden Verwaltungsvorschriften ab. Die Nachbesserungspflicht ist keineswegs eine Besonderheit kommunaler Konzepte. Bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften kann das Gericht prüfen, ob sich die Norm innerhalb der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertungen hält, also innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen bleibt (Ossenbühl aaO. Rn. 73). Ist dies nicht der Fall, greift die allgemeine Auslegungsverpflichtung der Gerichte. Dies ist eine aus dem Gewaltenteilungsprinzip und Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Selbstverständlichkeit. Da Gerichte außerhalb der abstrakten Normenkontrolle keine (negative) Rechtsetzungsbefugnis in Anspruch nehmen können, wirkt das Unwirksamkeitsverdikt einer Inzidentprüfung der Verwaltungsvorschrift nur zwischen den Beteiligten. Die Anmaßung einer Allgemeinverbindlichkeit durch Bekanntmachung der Gerichtsentscheidung wäre ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung.
d. Umfang der Bekanntmachung
Der Beklagte hat lediglich die Bruttokaltmiete je nach Umfang der Bedarfsgemeinschaft öffentlich bekannt gemacht; dies ist aber nicht ausreichend.
Die erkennende Kammer hat schon in der Vergangenheit festgestellt, dass allein die Bekanntmachung der ermittelten Kostenobergrenzen nicht ausreichend sein dürfte (Urteil vom 27.10.2016 – S 4 AS 1092/14 -, Rn. 69). Das Bundesverwaltungsgericht hat – wie bereits ausgeführt – eine selektive Wiedergabe nicht ausreichend erachtet, Ossenbühl (aaO. Rn. 84) stellt dazu fest, dass sich die Mindestanforderungen an die Verkündung nach den personellen, zeitlichen und räumlichen Dimensionen der durch den Inhalt der Verwaltungsvorschriften angesprochenen Personenkreise bemessen.
Durch die Verwaltungsvorschrift werden etwa Personen angesprochen, die bei aktuell stattfindenden Wohnungswechsel und absehbarer zukünftige Hilfebedürftigkeit schon jetzt die Erstattungsfähigkeit ihrer zukünftigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erfahren wollen. Für diesen Personenkreis ist nicht nur die Bruttokaltmiete, sondern auch der Hinweis auf das Kostensenkungsprodukt (grundlegend BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 40 AS 60/12 R -, Rn. 21 ff.) essenziell. Eine vergleichsweise neu gebaute Wohnung mag oberhalb der angemessenen Bruttokaltmiete liegen, aber durch Planung nach der aktuellen Energieeinsparverordnung besonders geringe Heizkosten aufweisen. Der Wohnungswechsler wird durch die alleinige Bekanntmachung der Bruttokaltmiete vom Bezug einer solchen Wohnung abgehalten, obwohl er einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Kosten haben könnte.
Rechtsfolge ist damit die Unwirksamkeit des Konzepts.
e. Überholung des Konzepts durch einen Preissprung Das Konzept vom 27.03.2017 hat sich zudem überholt. Im Hinblick auf den Zuzug von Flüchtlingen hat das Konzept eine Angebotsmietenerhebung auch bereits nach einem Jahr für erforderlich gehalten, wenn es zu gravierenden Veränderungen in der Nachfrage- oder Angebotssituation bei den Bedarfsgemeinschaften gekommen ist.
Mit dieser Bedingung nahm das Konzept die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Preissprung vorweg. Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 12.12.2017 (B 4 AS 33/16 R -, Rn. 19) eine bloße Fortschreibung mit dem Verbraucherpreisindex dann für nicht möglich erachtet, wenn Preissprünge vorliegen, die über reine Schwankungen am Wohnungsmarkt deutlich hinausgehen müssen, die nicht nur punktuell vorliegen, sondern die Marktentwicklung über längere Zeiträume in aussagekräftiger Weise in einer Verlaufsbeurteilung widerspiegeln.
Eine derartige Marktentwicklung ist in der Stadt O. im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Konzepts am 01.06.2016 und dem geplanten Wirksamwerden der Kostensenkungsaufforderung am 01.11.2017 eingetreten.
Hierfür sprechen die Zahlen, die das I. Institut ermittelt hat. Der Preisspiegel Bayern Wohnimmobilien Herbst 2017 sowie eine ergänzende telefonische Auskunft wurden zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Es haben sich gegenüber Frühjahr 2017 erhebliche Preissteigerungen ergeben. Diese beziehen sich bei Mietwohnungen auf „Altbau“ und „Bestand“. Unter Altbau werden Mietwohnungen vor 1950, und als Bestand solche ab 1950 definiert (Preisspiegel Seite 32). Neubauwohnungen mit Erstvermietung sind im Preisspiegel nicht gelistet (Preisspiegel Seite 21). Untersucht wurden nur Neuvertragsmieten (Preisspiegel Seite 32). Die Objekte wurden in einfachen Wohnwert (vor allem keine Ausstattung mit einem zentralen Heizungssystem), mittlerer Wohnwert mit normalen Ausstattung (zentrale Heizanlage, neuzeitliche sanitäre Einrichtung und Lage der Wohnungen in allgemeinen Wohngebieten mit gemischter Bevölkerungsstruktur), guter Wohnwert mit gehobener Durchschnitt (keine extravaganten Spitzenwohnungen und mit Lage in reinen Wohngebieten) sowie sehr guter Wohnwert durch ein hochwertiges Objekt mit erstklassiger Ausstattung in sehr guten Wohnlagen definiert. Es ergibt sich folgendes Zahlenbild:
Mietwohnungen Altbau Mietwohnungen Bestand
Einfacher Wohnwert Mittlerer Wohnwert Guter Wohnwert Sehr guter Wohnwert Einfacher Wohnwert Mittlerer Wohnwert Guter Wohnwert Sehr guter Wohnwert
Frühjahr 2017 3,00 € 3,80 € 4,80 € 6,50 € 3,30 € 4,30 € 5,00 € 7,00 €
Herbst 2017 3,20 € 4,00 € 5,00 € 6,80 € 3,40 € 4,50 € 5,10 € 7,00 €
Differenz 0,20 € 0,20 € 0,20 € 0,30 € 0,10 € 0,20 € 0,10 € – €
Prozent 6,25% 5,00% 4,00% 4,41% 2,94% 4,44% 1,96% 0,00%
Aus den Zahlen erschließt sich, dass im guten und sehr guten Wohnwert eine geringe Mietensteigerung stattgefunden hat. Altbau- und Mietwohnungen (Bestand) haben aber eine erhebliche Preissteigerung erfahren. Der rechnerische Durchschnitt aus Preissteigerung für einfacher und mittlerer Wohnwert jeweils im Altbau und Bestand liegt bei 4,6% in einem halben Jahr.
Der von der Preissteigerung überproportional betroffene Wohnungsmarkt entspricht dem Bereich, in dem die Bezieher der SGB II Leistungen, der SGB XII Leistungen, aber auch der Leistungsbezieher nach dem AsylbLG, die dezentral untergebracht sind, ihre Wohnungen „im unteren Drittel“ des Wohnungsmarktes nachsuchen.
Ursache dieser Preissteigerung ist nach Auffassung der Kammer ein besonderer Zuzug von Ausländern. Die Stadt hat mitgeteilt, dass im Juni 2016 422 Ausländer gemeldet waren, im November 2017 1836. Die ca. 1400 zusätzlichen Nachfragenden haben den Markt beeinflusst. In elastischen Preismärkten kann unterstellt werden, dass die zusätzliche Nachfrage bei gering steigerungsfähigem Angebot (zum Beispiel Aufschub von Abbruch und Neubau der Mietwohnungen) zu einer Preissteigerung geführt haben.
Die Preissteigerung konnte im Konzept vom 27.03.2017 auf der Grundlage des Stichtags vom 01.06.2016 nicht abgebildet werden. Das Konzept hat 4620 Bestandsmieten und 262 Angebotsmieten in der Mietkategorie 3 (Gebiet der Beklagten) einbezogen. Das Konzept ermittelt das relevante untere Marktsegment (Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II, Wohngeldempfängerhaushalte, Empfänger nach dem SGB XII, Geringverdiener ohne Leistungsbezug und Leistungsempfänger AsylbLG) mit 6710 bei insgesamt 23.580 Haushalten. Damit liegt auf der Hand, dass die Prognose verfügbaren Wohnraums im für angemessen gehaltenen Preisniveau im November 2017 bei Zuzug von ca. 1400 Personen (auch wenn nicht 1400 Haushalte neu gebildet wurden) überholt war.
Die Würdigung des Gerichts steht keineswegs im Widerspruch zu den Feststellungen des Oberbürgermeisters der Beklagten bei der Beschlussfassung über die Verwaltungsvorschrift am 27.03.2017. Die in der Vergangenheit niedrigeren Preise und die vergleichsweise hohe Verfügbarkeit von Wohnraum hat vermutlich eine besondere Sogwirkung auf diejenigen gehabt, die im Kalenderjahr 2017 ohnehin umzugswillig waren. Denkbar wäre etwa, dass bestimmte Migrantengruppen sich schwerpunktmäßig in O. angesiedelt haben. Nach Beobachtung dieses Phänomens, das bereits frühzeitig in der Tagespresse beschrieben wurde und dass die Reaktionen der Kommunalpolitik nach sich gezogen hat (Zeitungsartikel in der F. vom 07.09.2017 „Freistaat siedelt Flüchtlinge aus O. um“ und vom 27.09.2017 „N. [der Oberbürgermeister] erhöht den Druck auf München“), war die Bedingung der Firma A. & K. zum Erfordernis der Angebotsmietenfortschreibung erkennbar eingetreten.
Damit können weitere Rügen der Klägerin, insbesondere die mangelnde Konformität des Konzepts gegenüber der satzungsrechtlicheren Vorschrift des § 35a in Verbindung mit § 22b Abs. 3 SGB II dahingestellt bleiben.
Vorhandene Wohnungsalternative
Die Klägerin kann sich – auch wenn keine entsprechende Suche dokumentiert ist – auf eine fehlende angemessene Wohnungsalternative berufen.
Grundsätzlich ist eine Kostensenkung dann nicht möglich, wenn die objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative besteht. Zwar wird eine solche einerseits nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein (BSG, Urteil vom 19.02.2009 – 4 AS 30/08 R -, Rn. 36). Andererseits liegt im Bereich der Beklagten ein besonders hoher Anteil an kostensenkungsverpflichteten Haushalten vor. Zudem konkurrierten diese Wohnungssuchenden zumindest im Sommer und Herbst 2017 mit zahlreichen zuziehenden Flüchtlingen und Ausländern.
Das Bayerische Landessozialgericht hat unterstellt, dass bei einem Großteil der unangemessen wohnenden Bedarfsgemeinschaften die Senkung der Unterkunftskosten nur durch die Suche nach einer neuen, angemessenen Wohnung möglich ist. Bei einem Anteil von 59,6% würde dies zu einer Erhöhung der Perzentilgrenzen für Einpersonenhaushalte führen müssen. Ohne diese wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend angemessener Wohnraum angeboten (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2018 – L 11 AS 52/16 -, Rn. 55 f.).
Im Fall der Klägerin besteht über alle Größen der Bedarfsgemeinschaft ein Anteil von Wechselpflichtigen von 46,82%. Wenn zudem die erhöhte Nachfragesituation einbezogen wird, führt dies zumindest zu einer substantiierten Darlegungslast über verfügbaren angemessenen Wohnraum. Dies wird in der Regel nicht ohne Wohnungsdatenbank (zum Beispiel aus den Umzugsgenehmigungen) möglich sein, über die aber die Beklagte nicht verfügt.
Da sich die Klägerin keine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorhalten lassen muss, hat sie Anspruch auf Erstattung der hälftigen tatsächlichen Kosten, die gegenwärtig 232,55 € betragen. Im Hinblick auf die alsbald zu erwartende Betriebskostenabrechnung 2017 hat die Klägerin zutreffend keine Bezifferung des Klageantrags vorgenommen, da keine sichere Prognose der tatsächlichen Kosten im streitgegenständlichen Zeitraum möglich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs., 1 Satz 1 SGG.
Die Berufung war zuzulassen; sie ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da die der Klage zu Grunde liegende Geldleistung gegenwärtig weniger als 750,00 € beträgt. Die damit notwendige Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Rechtssache hat grundlegende Bedeutung. Die Rechtsbeständigkeit des Konzepts der Stadt O. vom 27.03.2017 („Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“) ist bislang obergerichtlich nicht geklärt. Die Berufung liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit (auch im Hinblick auf die Verfahren den Jobcenter O.) zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 144, Rn. 28).


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