Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unwirksames Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft mangels öffentlicher Bekanntgabe

Aktenzeichen  S 4 AS 1092/14

Datum:
27.10.2016
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 7 Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

1. Die Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das Jobcenter über ein schlüssiges Konzept ist unwirksam, wenn diese Konzeption nicht auch öffentlich bekannt gemacht wurde, denn es handelt sich hier um eine Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten (anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift). Eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts durch das Jobcenter über die Herausgabe einfacher Merkblätter oder Ähnliches ist hier nicht ausreichend.
2. Bei einer ordnungsgemäßen Publikation einer Verwaltungsvorschrift können neu in den Leistungsbezug eintretende Personen bereits vor dem Eintritt des Bezugs öffentlicher Mittel eine kostenmäßig angemessene Wohnung auswählen. Vermieter können sich bei der Modernisierung von Wohnungen ebenfalls frühzeitig mit der Frage beschäftigen, ob eine Wohnung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 7Abs. 1 Satz 1 SGB II) bezogen werden kann.
3. Bestätigung des Kammerurteil vom 26.05.2015 S 4 AS 102/15, infoalso 2015, S. 220 ff.; entgegen SG Augsburg, Urteile vom 24.11.2015, S 8 AS 984/15, vom 07.12.2015, S 8 AS 860/15 und vom 31.05.2016, S 8 AS 266/16).

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 08. August 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2014 sowie in der Fassung der Änderungs-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 22. November 2014, 19. Januar 2015, 17. Februar 2015 sowie 28. Mai 2015 verpflichtet, den Klägern Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt monatlich 383,10 € sowie für Dezember 2014 weitere Kosten der Stromheizung von 285,27 € zu erstatten.
II. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 08.08.2014 – der nach Änderungs-, Widerspruchssowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden (22.08.2014, 14.11.2014, 22.11.2014, 19.01.2015, 17.02.2015) seine endgültige Ausgestaltung im Bescheid vom 28.05.2015 erhalten hat. Die Bescheide regeln die Höhe der SGB II-Leistungen ab 01.09.2014. Zwischen den Beteiligten besteht Übereinstimmung dahingehend, dass aufgrund der umfassenderen Berufstätigkeit des Klägers zu 2) und dem damit verbundenen Einkommen ab 01.01.2015 kein Leistungsanspruch mehr besteht.
Der Streitgegenstand ist durch die Antragstellung auf den abtrennbaren Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. etwa BSG Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 -, Rn. 10) begrenzt.
Die Heizkostennachforderung vom 25.11.2014 ist im Dezember 2015 fällig geworden und damit als einmalige Leistung Gegenstand des Verfahrens (BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 12/10 -, Rn. 14 f.)
Die zulässige Klage ist begründet, da die Bescheide die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende hinsichtlich der zu erstattenden Kosten der Unterkunft zu niedrig festgesetzt haben. Das kommunale Konzept des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge ist unwirksam. Die Aufwendungen der Kläger übersteigen den nach der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag angemessenen Umfang nicht.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3 SGB II, wonach Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den nach der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie als Bedarf der Personen nur anzuerkennen, als es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 3). Anhaltspunkte für eine Abweichung von der Wertung des Gesetzgebers („in der Regel jedoch längstens“, § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB XII) sind im Fall der Kläger nicht ersichtlich. Die Kläger haben nach Ablauf des Kostensenkungszeitraums (spätestens) ab 01.08.2014 nur Anspruch auf die angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Bestimmung der angemessenen Kosten durch den Beklagten durch ein schlüssiges Konzept war unwirksam, da dieses nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist und eine Indexfortschreibung unzulässig ist.
Für die Prüfung der Angemessenheit besteht ein mehrstufiges Verfahren: Zunächst ist die Größe der Wohnung unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen festzustellen und zu überprüfen, ob diese angemessen ist.
Angemessen ist eine Wohnung nach dem Wohnungsstandard ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Es genügt jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist. Die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, darf die angemessene Mietobergrenze nicht überschreiten. Als letzter Prüfungsschritt ist zu ermitteln, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am konkreten Wohnort der Leistungsberechtigte tatsächlich auch die Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können.
Die Wohnfläche der Kläger überschreitet mit 105,48 m² den als angemessen anzusehenden Wert von 75,00 m² für 3 Personen (Nr. 22.2 Wohnraumförderbestimmungen 2012, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr vom 11.01.2012, AllMBl 2012, S. 20, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom zum 27.05.2014).
Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus angemessener Miete pro m² und tatsächlicher Wohnfläche, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses, gleichwohl angemessen wäre, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht. Das ist hier der Fall, denn die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger überschreiten im konkreten Fall die Angemessenheitsobergrenze nach der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag für den Vergleichsraum nicht.
Den Klägern kann das kommunale Konzept nicht entgegengehalten werden, das der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge im Anschluss an den Bericht von A & K vom Dezember 2013 erlassen hat und das mit Wirkung ab 01.07.2014 auf der Grundlage des Berichts vom November 2014 fortgeschrieben worden ist. Das Konzept und die Fortschreibung wurden nicht öffentlich bekannt gemacht und sind deshalb unwirksam (1.).
Die fehlende Veröffentlichung ist gerichtsbekannt und auch der Bevollmächtigten der Kläger bekannt geworden (vgl. etwa Vortrag des Beklagten im Verfahren S 4 AS 102/15).
Außerdem hätte eine Indexfortschreibung nicht durchgeführt werden dürfen (2.).
1. Wirksamkeit des kommunalen Konzepts im Abschluss an den Bericht vom Dezember 2013
1.1. Verfahren zum Erlass Neben der Bekanntmachung haben sich keine weiteren Fehler bei Erlass der Verwaltungsvorschrift – die wir eine Rechtsnorm zu behandeln ist (vgl. Nguyen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 169) – eingestellt. Insbesondere haben der zuständige Rechtsträger und das zuständige Organ gehandelt. Das Konzept ist vom zuständigen Träger der Leistungen, soweit das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld für den Bedarf der Unterkunft und Heizung geleistet wurde, dem Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge erlassen worden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Das schlüssige Konzept ist nicht deshalb schon unwirksam, weil es nicht durch den Kreistag verabschiedet worden ist. Die Organzuständigkeit der bayerischen Landkreise richtet sich nach Art. 22 Landkreisordnung (LKrO), der von einer Allzuständigkeit des Kreistages ausgeht. Der Kreisausschuss hat lediglich eine vom Kreistag abgeleitete Befugnis (Art. 26 Abs. 2 2. Alternative LKrO). Die Aufgaben des Kreisausschusses in Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge bemessen sich nach der Geschäftsordnung des Kreistags Wunsiedel in der Ausgestaltung der Legislaturperiode 2008-2014 in der Fassung vom 21.10.2010 (Geschäftsordnung). Nach § 31 Satz 1 Geschäftsordnung ist der Kreisausschuss zuständig für alle Verwaltungsaufgaben, die nicht dem Kreistag, weiteren beschließenden Abschlüssen oder dem Landrat vorbehalten sind. Der Erlass der Verwaltungsvorschrift war insbesondere keine Aufgabe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 LKrO. Eine Zuständigkeit des Kreistages wurde auch nicht nach § 29 Abs. 2 Geschäftsordnung begründet. Keine der in Nrn. 1 bis 8 aufgezählten enumerativen Zuständigkeiten ist einschlägig. Die Aufgabe war auch nicht dem Landrat nach Art. 34 Abs. 1 Satz 2 Landkreisordnung durch die Geschäftsordnung übertragen. Schließlich war kein anderer Ausschuss zuständig. An beschließenden Ausschüssen hat der Kreistag des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge nur den Jugendhilfeausschuss eingesetzt (§ 34 Geschäftsordnung). Möglicherweise thematisch zuständig könnte der Ausschuss für soziale Angelegenheiten sein. Dieser ist aber nach § 36 Abs. 1 4. Spiegelstrich Geschäftsordnung nur ein beratender Ausschuss.
1.2. Bekanntgabe
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der Entscheidung vom 05.11.2004 (5 CN 1/03) vermerkt, dass Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten bekannt zu machen sind. Für die Bekanntgabe ist eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts der Verwaltungsvorschrift nicht ausreichend (Leitsätze nach Juris). Die Entscheidung ist zur Pauschalierung von Sozialhilfeleistungen nach § 101a BSHG ergangen (Rn. 23). Überprüft werden können (abstrakt-generelle) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber den Bürgern entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Regelsatzfestsetzung durch Verwaltungsvorschrift (Rn. 24). In der Subsumtion der pauschalierten Sozialhilfefestsetzung meint das Gericht, dass diese nicht nur eine binnenrechtlich wirkende, allein die Verwaltung bindende Bemessungsrichtlinie darstelle. Sie wären anspruchskonkretisierend, sie gäben den Anspruch des Hilfeempfängers auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Bezug auf die von den Ausführungsbestimmungen erfassten Bedarfe in gleicher Weise die abschließende Gestalt, wie dies in Bezug auf den Regelbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG infolge der Regelsätze erfolgt (Rn. 27). Dem rechtsstaatlichen Publikationsgebot könne nicht durch an den Hilfeempfänger verteilte Merkblätter entsprochen werden (Rn. 30). Das Publikationsgebot habe auch das Bundesverfassungsgericht bei der Bekanntmachung einer Strafgefangene bindende Verwaltungsvorschrift und das Schrifttum angenommen. Es sei im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz, GG) sowie in der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) begründet (Rn. 31). Der Pflicht zur Publikation von Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber den Betroffenen genüge auf jeden Fall die Publikation in dem für den Verwaltungsträger für die Veröffentlichung von Rechtsnormen vorgeschriebenen amtlichen Medium. Ob auch eine andere Art und Weise der Bekanntmachung zum Beispiel durch eine unmittelbare Übergabe des Vorschriftentextes an den Betroffenen ausreichend wäre, bedürfe in dem Verfahren keine Erörterung und Entscheidung (Rn. 33). Fehle die gebotene Bekanntgabe, sei die Verwaltungsvorschrift mit Außenwirkung nicht wirksam (Rn. 34).
Berlit (jurisPR-BVerwG 7/2005 Anm. 1) spricht in der Anmerkung zu der Entscheidung bei der strikten Publikationspflicht für Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung für Dritte von einer rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeit.
1.3. Zuordnung des kommunalen Konzepts
Das schlüssige Konzept des Landkreises Wunsiedel ist nach der Verabschiedung des Berichts von A und K vom Dezember 2013 durch die Kreisausschusssitzung vom 03.02.2014 und der Aufnahme in die Richtlinien eine Verwaltungsvorschrift, die die subjektiv-öffentlichen Rechte berührt. Sie ist damit anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift; dies ist der Begriff des Sozialrechts für normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.
Zur Funktion normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften ist auf die Wesentlichkeitstheorie zu verweisen. Nach dieser Theorie ist unter Umständen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ein Parlamentsgesetz erforderlich. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bei der Bemessung des Regelsatzes für erforderlich gehalten (Urteil vom 09.02.2012) und hat damit mit der langen Tradition, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Bundessozialhilfegesetz und dem SGB XII festzulegen, gebrochen (auf diesen Zusammenhang verweist Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 40 SGB XII, Rn. 4). Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich an der Regelsatzfortschreibung.
Wenn nun ein vergleichbar wesentliches Element der SGB II-Leistungen durch den kommunalen Träger im Wege einer Verwaltungsvorschrift festgelegt wird, treffen ihn die Obliegenheiten wie beim Erlass einer Rechtsnorm.
Leistungsbezieher erhalten nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und auch nicht Kosten nach der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. Der Beklagte kann nicht auf das nachfolgende Kostensenkungsverfahren verweisen, da schon aus Gründen der Gleichbehandlung das kommunale Konzept durch eine Umzugsaufforderung durchgesetzt wird – das Konzept wirkt damit unmittelbar, das BVerwG hält ein unmittelbares „Berühren“ der subjektiv-öffentlichen Rechte für ausreichend.
Die Erstattungsmöglichkeit der verauslagten Kosten wird – in vielen Fällen erheblich – beeinträchtigt. Die Leistungsbezieher werden zwar beim Umzug aus dem Bereich eines anderen Trägers durch das Genehmigungserfordernis vor dem Abschluss nicht erstattungsfähiger Mietverhältnisse geschützt. Gleichwohl ist beim Inkrafttreten des Konzepts auch die Fallgestaltung zu beobachten, dass bislang angemessene Unterkunftskosten nach Inkrafttreten des Konzepts unangemessen geworden sind. Ein dann im Regelfall notwendiger Umzug beeinflusst schon deshalb subjektiv-öffentliche Rechte der Leistungsbezieher, da damit unter Umständen Schäden am Umzugsgut einhergehen.
Bei einer Publikation der Verwaltungsvorschrift könnten neu in den Leistungsbezug eintretende Personen schon weit vor dem Eintritt des Bezugs eine angemessene Wohnung wählen. Da das schlüssige Konzept auch für Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt, können sich Arbeitnehmer bei der Wohnungswahl an der Angemessenheitsgrenze orientieren, bei denen schon jetzt absehbar ist, dass sie beim Bezug von Altersrente auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sein werden.
Vermieter könnten sich etwa bei der Modernisierung von Wohnungen bei Zeiten mit der Frage beschäftigen, ob die Wohnung von Leistungsberechtigten bezogen werden kann. Dies ist für die Unwägbarkeiten bei einer Investitionsrechnung von besonderer Bedeutung, da bei angemessenen Wohnraum ein Leerstand weniger wahrscheinlich ist.
Schließlich ist anzumerken, dass das kommunale Konzept tendenziell wirkungsgleich wie eine Satzung nach § 22 a SGB II ist. Damit ist das kommunale Konzept auch normersetzend. § 22 a Abs. 2 sieht auch die Möglichkeit der Pauschalierung vor und entspricht damit dem Tatbestand, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2004 zugrunde gelegen hat.
Im Kontext mit der Pauschalierung der Kosten der Unterkunft (allerdings bei § 35 Abs. 3 SGB XII) weist Nguyen (in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 169) darauf hin, dass Verwaltungsvorschriften mit abstrakt generellen Regelungen der Exekutive unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsnormen einzustufen sind, die ordnungsgemäß zu veröffentlichen sind.
Zusammenfassend ist festzustellen: Das schlüssige Konzept des Landkreises Wunsiedel auf der Grundlage der Berichte der Firma A & K vom Dezember 2013 und vom November 2014 ist anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift. Eine solche wird aufgrund der grundrechtsgestaltenden Wirkung wirkungsgleich wie eine Rechtsnorm. Bildlich gesprochen: Die Verwaltungsvorschrift hat eine halbe Stufe auf der Normpyramide nach oben zur Satzung genommen.
Damit kam es auf die Schlüssigkeit des Konzepts nicht mehr an. Allerdings hat das Sozialgericht Bayreuth gegenüber anderen Jobcentern, die auf der Grundlage von Berichten der Firma A und K die angemessenen Kosten der Unterkunft festgelegt haben, die Unwirksamkeit des jeweiligen schlüssigen Konzepts festgestellt (Gerichtsbescheid vom 16.08.2016, S 13 AS 941/15 und Urteil vom 14.10.2015, S 17 AS 768/13).
1.4. Kritik am Urteil der erkennenden Kammer vom 26.05.2015 (S 4 AS 102/15), info also 2015, S. 220 ff.
Die Notwendigkeit einer Bekanntmachung des schlüssigen Konzepts im Landkreis Wunsiedel hat die Kammer bereits im rechtskräftigen Urteil vom 26.05.2015 dargelegt.
Diesem Urteil ist namentlich das Sozialgericht Augsburg entgegengetreten (Urteile vom 24.11.2015, S 8 AS 984/15, vom 07.12.2015, S 8 AS 860/15 und vom 31.05.2016, S 8 AS 266/16).
Das Sozialgericht Augsburg vermerkt, dass ein Konzept im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift sei, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R) und des Landessozialgerichts Thüringen (Urteil vom 26.05.2015, L 4 AS 102/15), ergebe (Urteil des Sozialgerichts vom 24.11.2015, aaO., Rn. 40). Der Vorschriftenteil des Konzepts sei allein die ermittelten Kostenobergrenzen (Rn. 41). Der Vergleich mit §§ 22a ff. SGB II trage nicht, weil einer Satzung eine rechtlich andere Qualität und Verbindlichkeit zukommt (Rn. 42). Es bestehe eine ähnliche Situation wie beim Auswahlrecht nach § 200 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch. Es müsste eine unverzügliche Rüge noch im Verwaltungsverfahren erfolgen (Rn. 43).
Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 19.10.2010 (aaO., Rn. 26) argumentiert:
„Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat . . .“
Erkennbar wird, dass das Bundessozialgericht gerade kein schlüssiges Konzept subsumiert hat. Nach dem Willen der erlassenen Stelle war ein solches nicht beabsichtigt. Wegen der Festsetzung eines Gesamtprodukts einschließlich Bruttowarmmiete wäre die Verwaltungsvorschrift auch ungeeignet gewesen.
Das Zitat des Amtsblatts des Landes Berlin deutet eher an, dass die Bekanntmachung zum Prüfraster des Bundessozialgerichts gehört.
Ähnlich gelagert ist auch der Sachverhalt, den das Landessozialgerichts Thüringen beurteilt hat (Urteil vom 08.07.2015 – L 4 AS 718/14 – Rn. 59). Eine alte Richtlinie, die offensichtlich im Januar 2011 nicht mehr gegolten hat, wurde durch ein schlüssiges Konzept (Richtlinie auf der Grundlage der „Mietwerterhebung der A. & K. GmbH vom März 2011“) ersetzt, das offensichtlich formal erst am 01.08.2011 in Kraft getreten ist. Der Hinweis auf die fehlende unmittelbare Rechtswirkung einer Richtlinie als bloße Verwaltungsvorschrift bezieht sich damit auf die alte Richtlinie und das „Interregnum“ bis zum Inkrafttreten des schlüssigen Konzepts auf der Basis eines Berichts vom März 2011, vermutlich der Firma A & K GmbH.
Welche Elemente des Berichts zu veröffentlichen sind, war vom erkennenden Gericht nicht zu entscheiden. Allein die ermittelten Kostenobergrenzen dürften aber nicht ausreichen, da geradezu regelmäßig die kommunalen Gremien Anwendungsmaßgaben bei dem in Kraft setzen der Verwaltungsvorschrift statuiert haben.
Die Analogie einer anspruchskonkretisierenden Verwaltungsvorschrift als halbe Stufe auf der Normpyramide zur Satzung im Verhältnis zu §§ 22a ff. SGB II wurde bereits hinreichend erläutert und wird in der Literatur geteilt (Nguyen, aaO.).
Eine Analogie zur Gutachterauswahl im Unfallversicherungsrecht nach § 200 Abs. 2 SGB VII und zu einer entsprechenden Rügeverpflichtung ist eher fernliegend. Die Rüge formeller Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit einer Norm ist grundsätzlich durch jedermann und jederzeit möglich. Eine Beschränkung vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit findet sich etwa in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (Anfechtung binnen Jahresfrist). Eine solche Beschränkung setzt aber eine Bekanntmachung voraus.
2. Wirksamkeit der Indexfortschreibung im Anschluss an den Bericht vom November 2014 Der Beklagte hat die angemessenen Werte der Unterkunft der Fassung des schlüssigen Konzepts entnommen, die dieses durch die rückwirkend zum 01.07.2014 in Kraft gesetzte Indexfortschreibung gefunden hat. Eine Indexfortschreibung ist aber generell unzulässig (2.1.).
Sie hätte vom Kreistag oder Kreisausschuss beschlossen werden müssen (2.2). Sie ist auch unzulässig, da im Bereich des Beklagten besondere örtliche Verhältnisse bestehen (2.3.)
2.1. Die Indexfortschreibung orientiert sich an den Vorschriften für qualifizierte Mietspiegel und zitiert ausdrücklich § 585d BGB.
Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) empfiehlt im Schreiben vom 02.08.2016 (I3/6074-1/4) den kommunalen Trägern der SGB II-Leistungen:
„Im Hinblick auf die zeitlichen Abstände, in denen Daten erhoben werden sollten, verweisen wir auf die in § 22c Abs. 2 SGB II und § 196 Abs. 1 S. 5 BauGB zum Ausdruck kommende Wertung: Um eine möglichst realitätsgerechte und transparente Abbildung des Marktes zu gewährleisten, sind die per Satzung festgesetzten bzw. durch Gutachterausschuss ermittelten Werte zumindest alle zwei Jahre zu überprüfen und ggf. anzupassen. Entsprechend dieser Wertung empfehlen wir grundsätzlich eine den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genügende Datenerhebung im Abstand von zwei Jahren. Insoweit dürfte die Beschränkung der Kontrolle auf eine “Stichprobe” bzw. Hochrechnung (z.B. analog § 558d Abs. 2 S. 2 BGB) aus unserer Sicht problematisch sein, da es hier um staatliche Leistungen zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Existenzminimums geht und nicht um die Grenzen der im zivilrechtlichen Mietverhältnis zulässigen Mieterhöhungen durch den Vermieter. Auch für den Regelbedarf, der zusammen mit dem Bedarf für Unterkunft und Heizung im Wesentlichen den Lebensbedarf abdeckt, werden (soweit keine Neuermittlung aufgrund einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfolgt) Daten in relativ geringen zeitlichen Abständen (jährlich nach § 28a Abs. 2 SGB XII) erhoben und die Regelbedarfsstufen dann fortgeschrieben . . .
Der Wohnungsmarkt sollte im Hinblick auf die Einflüsse besonderer Umstände regelmäßig beobachtet werden (z.B. erheblicher Zu- oder Wegzug, deutliche Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur). Entsprechend gravierende Entwicklungen können eine erneute Datenerhebung bereits vor Ablauf von zwei Jahren erfordern. Auch (wiederholte) Rückmeldungen aus der konkret-individuellen Angemessenheitsprüfung, dass Wohnraum zur (in der Vergangenheit ordnungsgemäß festgesetzten) Referenzmiete nun nicht mehr verfügbar ist, dürften Anlass für eine erneute Datenerhebung sein.”
Das Sozialgericht Bayreuth macht sich die „Empfehlung“ nach eigener Prüfung zu Eigen. Vor dem Hintergrund einer anspruchskonkretisierenden Verwaltungsvorschrift ist mit den genannten Argumenten von einer verbindlichen Ermittlungspflicht des kommunalen Konzepts durch Neuaufstellung im Turnus von 2 Jahren auszugehen. Das Konzept hätte deshalb zum 01.07.2014 neu erstellt werden müssen. Gerichtsbekannt ist, dass der Beklagte ab 01.07.2016 die Indexfortschreibung nicht mehr anwendet. Ein (neues) schlüssiges Konzept zur Bemessung der angemessenen Kosten der Unterkunft existiert derzeit nicht.
2.2. Nach dem Beschluss des Kreisausschusses vom 03.02.2014 kann diese nur in Fällen von nicht grundlegender Bedeutung die Richtlinie ändern. Die Anpassung mittels Index über alle Wohnungsmarkttypen und Wohnungsgrößen hat aber grundlegende Bedeutung.
2.3. Eine Indexfortschreibung nach einem bayernweiten Index ist auch deshalb unzulässig, da im Gebiet des Beklagten gegenüber der Bezugsgröße des Index, dem Gebiet des Freistaats Bayern, besondere Verhältnisse bestehen.
Das Sozialgericht Augsburg verweist insofern auf die Verpflichtung des Bundessozialgerichts methodisch-inhaltlich mindestens eine bestimmte Datenerhebung und Datenauswertung vorzunehmen (Urteil vom 07.12.2015 – S 8 AS 860/15 – Rn. 50, Urteil vom 15.06.2016 – S 11 AS 92/16 – Rn. 49), also zumindest eine Stichprobenverpflichtung.
Auch das Sozialgericht Augsburg hat die maßgeblichen lokalen Verhältnisse gewürdigt („drittgrößte bayerische Stadt“ also Augsburg, Urteil Rn. 56, vgl. auch Urteil vom 15.06.2016 – S 11 AS 92/16 – Rn. 50). Auch im Bereich des Beklagten bestehen Lebensverhältnisse, die mit durchschnittlichen in Bayern nicht vergleichbar sind. Dies ist schon deswegen der Fall, da der Landkreis Wunsiedel „Rekordhalter“ beim Bevölkerungsverlust ist. Das Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung hat in Heft 541 prognostiziert, dass der Bevölkerungsverlust im Jahr 2029 gegenüber 2009 20,9% betragen wird.
Nach der Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei (Bericht aus der Kabinettssitzung vom 19.09.2016) haben die Landkreise B-Stadt, Kronach und Wunsiedel in den letzten 10 Jahren Bevölkerungsrückgänge zwischen 7,9 und 10,1% zu vermelden gehabt. In der Kabinettssitzung wurde ein Förderprogramm für Stadt- und Ortskerne aufgelegt, das der Modernisierung und Instandhaltung der leerstehenden Gebäude sowie dem Abbruch von Gebäuden dient.
3. Leistungsanspruch der Kläger
Die Aufwendungen der Kläger für die Bruttokaltmiete halten sich im Rahmen, der durch die Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag gesetzt wird. Die tatsächlichen Heizkosten sind zu übernehmen, da der Beklagte bislang keine Kostensenkung hinsichtlich der Heizkosten verlangt hat.
Die Bruttokaltmiete unterschreitet mit 383,10 € den Wert der Wohngeldtabelle von 424,00 € (Mietenstufe 1, zwei Personen) mit Sicherheitszuschlag von 10%, entspricht 466,40 €.
Entsprechend der Antragstellung hat das Gericht den Beklagten verpflichtet, eine Bruttokaltmiete von 383,10 € zu erstatten. Im Hinblick auf die Vielzahl von erlassenen Bescheiden ist diese Vorgehensweise angemessen.
Die Heizkostennachforderung vom 25.11.2014 von 285,27 € ist im Dezember 2015 fällig geworden und damit als einmalige Leistung Gegenstand des Verfahrens (BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 12/10 – Rn. 14 f.). Ein Anspruch auf Erstattung besteht schon deshalb, da eine Kostensenkung hinsichtlich der Heizkosten nicht ergangen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009, – B 4 AS 50/09 R – Rn. 28).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da die der Klage zu Grunde liegende Geldleistung weniger als 750,00 € beträgt. Die damit notwendige Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Rechtssache hat grundlegende Bedeutung. Die Frage der Publizität eines schlüssigen Konzepts ist bislang von den Sozialgerichten obergerichtlich – soweit ersichtlich – nicht geklärt. Es liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit (mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts) zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144, Rn. 28).


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