Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckbestimmung „Laden“ in einer Teilungserklärung

Aktenzeichen  1 S 4188/16 WEG

Datum:
6.7.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135602
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 13
BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

Enthält eine Teilungserklärung die Zweckbestimmung „Laden“, so ist diese zwar einer Auslegung zugänglich. Eine Auslegung nach, tatsächlicher Übung widerspricht jedoch den hierbei zu beachtenden Grundsätzen der objektiv-normativen Auslegung, die zunächst vom Wortlaut und seinem nächstliegenden Sinn ausgeht. Dass Umstände außerhalb der Eintragung für die Auslegung herangezogen werden können, wenn sie für jedermann erkennbar sind, bedeutet nicht, dass tatsächliche vereinbarungswidrige Nutzungen das Verständnis der vereinbarungsbestimmten Nutzung verändern würden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

482 C 18351/15 2016-02-03 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 03.02.2016, Aktenzeichen 482 C 18351/15 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 gennannte Urteil des Amtsgerichts München und der vorliegende Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwehden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 03.02.2016 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte:
Das Urteil des Amtsgerichts München vom 3.2.2016, Az 482 C 18351/15 WEG wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 03.02.2016, Aktenzeichen 482 C 18351/15 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen.
Auch die Gegenerklärung vom 30.6.2016 führt zu keiner anderen Beurteilung durch die Kammer.
Soweit der Berufungsführer die Entscheidung des BGH vom 17.3.1967 Az V ZR 63/64 zur Begründung seiner Auslegung des Begriffs „Laden“ in der Teilungserklärung heranzieht, überzeugt das nicht. Im zitierten Rechtsstreit wurde auf die für jedermann ersichtlichen örtlichen Gegebenheiten zurückgegriffen, weil die im Grundbuch in Bezug genommene Eintragungsbewilligung Art und Größe der zu errichtenden Gebäude nicht näher bezeichnete (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1967 – V ZR 63/64 -, BGHZ 47, 190-196, Rn. 10). Eine solche Situation, in der die Grundbucheintragung selbst keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Auslegung bietet, liegt hier nicht vor. Die Teilungserklärung enthält die Zweckbestimmung „Laden“, die einer normativ-objektiven Auslegung zugänglich ist. Eine solche hat der BGH auch in der Entscheidung vom 10.7.2015 – V ZR 169/14 Rn. 20 vorgenommen. Hierzu wird Bezug genommen auf die Ausführungen S. 2 unten bis Seite 3 oben. Wie dort dargestellt, hat der BGH in dieser Entscheidung unter Randnummern 23 f. auch klargestellt, dass aus real abweichender Nutzung sowie aus deren Duldung keine konkludente Änderung der Zweckvereinbarung hergeleitet werden kann. Die real abweichende Nutzung kann auch nicht dazu führen, dass die Teilungserklärung anders auszulegen wäre. Eine Auslegung nach, tatsächlicher Übung, wie vom Beklagten gefordert, widerspricht den Grundsätzen der objektiv-normativen Auslegung, die zunächst vom Wortlaut und seinem nächstliegenden Sinn ausgeht. Dass Umstände außerhalb der Eintragung für die Auslegung herangezogen werden können, wenn sie für jedermann erkennbar sind, bedeutet nicht, dass tatsächliche vereinbarungswidrige Nutzungen das Verständnis der vereinbarungsbestimmten Nutzung verändern würden.
Die typisierende Auslegung muss die ausnahmsweise möglichen Ausnahmen von den gesetzlichen Ladenschlusszeiten gerade nicht berücksichtigen, weil die typisierende Betrachtung auf die typische und nicht auf die atypische Nutzung und damit auch auf die typischen und nicht auf die atypischen Nutzungszeiten abzustellen hat. So ist auch der BGH in der Prüfung im Urteil vom 10.7.2015 – V ZR 169/14 vorgegangen und hat auf die gesetzlichen Ladenschlusszeiten und nicht auf Ausnahmen abgestellt. Auch, hierzu wird auf den Hinweis S. 3 f. Bezug genommen. Die Überschreitung der gesetzlichen Öffnungszeiten beträgt auch nicht, wie der Berufungsführer ausführt nur eine Stunde, sondern an jedem Werktag abends eine Stunden und zusätzlich an jedem Sonntag zwei Stunden (sind wöchentlich 8 Stunden) sowie einmal monatlich weitere vier Stunden am Sonntag.
Zum Zeitpunkt der klageeinreichung betrug auch die Nutzungszeit der Räume freitags von 18 h bis 23 h, so dass die für den Ünterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr auch für eine solche Nutzung anzunehmen wäre.
Auf die Frage, ob es unstreitig in der Vergangenheit zu Verzehr von Getränken und Speisen in den Vereinsräumlichkeiten gekommen ist, wie im Hinweis S. 4 dargestellt, oder nicht, wie in der Gegenerklärung vom Beklagten angegeben, ist letztlich unerheblich. Denn früherer Verzehr von Getränken und Speisen durch Besucher des Beklagten im Innenhof der Anlage wurde nicht bestritten und würde auch bei mehrstündigen Oster- und Weihnachtsveranstaltungen beispielsweise der Lebenserfahrung widersprechen. Im Anwaltsschreiben vom 25.3.2015 schreibt ein anwaltlicher Vertreter der Beklagten mehrfach von einem „Vereinslokal“. Es wird aber ohnehin auch die Nutzung ohne Ausgabe von Speisen und Getränken untersagt.
Auch die Einwände gegen die Zäsur der Verwirkungsmöglichkeit bei Eigentümerwechsel und bei Nutzungsänderung überzeugen nicht. Nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen, die im Hinweis zitiert werden, aufgestellt hat, dürfte der Eigentümerwechsel allein schon für die Zäsur gelten. Der Rechtsnachfolger kann sich hinsichtlich neuer Nutzung auf fortlaufende Verwirkungssituation gegenüber einer anderen Nutzung durch Rechtsvorgänger nicht berufen. Darauf, welche der Nutzungen mehr oder weniger stört, kann es hierfür nicht ankommen.
Zur Frage der Gleichbehandlung mit den anderen Eigentümern wird auf den Hinweis S. 6 bis 7 Bezug genommen. Welche Nutzung rechtens ist, folgt, wie oben dargestellt, nicht aus der tatsächlichen Übung, sondern aus der Zweckbestimmung in der Teilungserklärung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgen gemäß § 708 Nr. 10, § 709 S. 2, § 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49 a I GKG. Die Kammer hat sich an der zutreffenden und von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung des Streitwerts durch das Amtsgericht orientiert.


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