Sozialrecht

Endgültiges Nichtbestehen kein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel

Aktenzeichen  M 15 K 16.2138

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143298
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO
BAföG § 7 Abs. 3

 

Leitsatz

Das endgültige Nichtbestehen einer Zwischen- oder Abschlussprüfung ist kein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel (§ 7 Abs. 3 S. 1 BAföG). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Bewilligung von Ausbildungsförderung.
Die Klägerin war vom Wintersemester 2012/13 bis zum Wintersemester 2014/15 an der … München (im Folgenden: …) für den Studiengang Lehramt Gymnasium (Biologie und Chemie als Unterrichtsfächer) immatrikuliert. Für diese Ausbildung wurde ihr zuletzt auf Antrag vom 31. Juli 2014 mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 09/2015 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (im Folgenden: BAföG) in Höhe von monatlich 404,- € jeweils hälftig als Zuschuss und als zinsloses Darlehen gewährt.
Seit dem Sommersemester 2015 ist die Klägerin an der … rückwirkend für den Studiengang Biologie (Bachelor) immatrikuliert. Die Einstufung erfolgte dabei unter teilweiser Anrechnung vorheriger Studienleistungen in das zweite Fachsemester. Am 24. Juli 2015 beantragte die Klägerin für diesen Studiengang Förderungen nach dem BAföG für den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 09/2016 und teilte damit erstmals dem Beklagten ihren Studiengangwechsel mit. Zur Begründung ihres Wechsels erklärte die Klägerin am 13. August 2015, dass sie eine Prüfung im Fach Schulpädagogik nicht bestanden habe. Dieses sei ihr zwar einen Tag nach der Prüfung mitgeteilt worden, jedoch habe sie die offiziellen Ergebnisse erst zu Beginn des Sommersemesters erhalten. Eigentlich habe sie in das vierte Semester wechseln wollen, jedoch würden zwei der dafür notwendigen Prüfungen nur im Wintersemester angeboten, weshalb sie in das zweite Semester habe wechseln müssen.
Mit Bescheid vom 23. November 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Ausbildungsförderung vom 24. Juli 2015 betreffend den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 09/2016 ab. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Klägerin zum Sommersemester 2015 nach vier Semestern die Fachrichtung ohne unabweisbaren Grund gewechselt habe. Insbesondere sei das endgültige Nichtbestehen einer Prüfung kein unabweisbarer Grund. Zugleich forderte der Beklagte mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag für den Bewilligungszeitraum 04/2015 bis 09/2015 Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 2.424,00 € zurück.
Den gegen den Bescheid vom 23. November 2015 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2016 mit der Begründung zurück, dass der unstreitig vorliegende Fachrichtungswechsel nicht aus einem unabweisbaren Grund erfolgt sei. Die Klägerin habe ihre vorherige Ausbildung über einen Zeitraum von fünf Semestern betrieben. Aus dieser Ausbildung sei ihr für die nunmehr betriebene Ausbildung ein Semester angerechnet worden. Wie aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG hervorgehe, sei nur die Zahl der Semester abzuziehen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet würden. Keine Berücksichtigung hingegen fänden angerechnete Studienleistungen, die sich letztlich nicht auf das Fachsemester der weiteren Ausbildung unmittelbar nach dem Wechsel auswirkten. Es komme auf das Fachsemester an, in das der Auszubildende formell nach dem Wechsel immatrikuliert sei. Dies gehe bereits daraus hervor, dass das Gesetz auf die Anrechnung durch die Ausbildungsstätte abstelle. Eine eigene Prüfkompetenz des Amtes für Ausbildungsförderung hinsichtlich der angerechneten Studienleistungen bestehe ausdrücklich nicht. Daher liege hier ein Fachrichtungswechsel zum Beginn des fünften Semesters vor. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG sei die Ausbildung von Auszubildenden an Hochschulen nach einem Fachrichtungswechsel nach dem vierten Semester nur förderungsfähig, wenn der Wechsel aus einem unabweisbaren Grund erfolge. Weder der vorgetragene Eignungsmangel noch Neigungswandel stelle einen unabweisbaren Grund dar. Das endgültige Nichtbestehen einer Zwischen- oder Abschlussprüfung sei ebenfalls kein unabweisbarer Grund. Auch sonst seien keine Gründe nach Aktenlage erkennbar, die die Annahme eines unabweisbaren Grundes rechtfertigten. Daher habe die Klägerin für ihre seit dem Sommersemester 2015 betriebene Ausbildung keinen Förderungsanspruch. Die Änderung des Bescheids vom 11. Dezember 2014 sowie Rückforderung erfolgten auf Grundlage des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG.
Mit ihrer Klage vom 10. Mai 2016 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte beantragen, unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2015 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Ausbildungsförderung über den 31. März 2015 hinaus zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Bestimmung des nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG maßgeblichen Fachsemesters zu berücksichtigen sei, dass § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG Anwendung finde. Danach seien diejenigen Semester von der maßgeblichen Fachsemesterzahl abzuziehen, welche aus der ursprünglichen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet würden. Vorliegend sei eine solche Anrechnung erfolgt, da die Klägerin in das zweite Fachsemester des Bachelorstudiengangs Biologie aufgenommen worden sei. Um nicht viel Zeit zu verlieren, habe die Klägerin bereits im Sommersemester 2015 das Studium „Biologie (Bachelor)“ aufgenommen, so dass sie im Wintersemester 2015/2016 durch Anrechnung von zwei Fachsemestern bereits im 3. Fachsemester gewesen sei. Hätte die Klägerin sofort vom Nichtbestehen der Klausur im Studiengang Lehramt Fach Schulpädagogik erfahren, hätte sie sich bereits zu Beginn des Sommersemesters 2015 exmatrikuliert und die Fachrichtung gewechselt. Dass es hierzu nicht gekommen sei, sei auf die Krankheit des Betreuers und die damit verbundene verzögerte Mitteilung des Prüfungsergebnisses in der Klausur zurückzuführen. Dieser Umstand habe aber nicht in der Sphäre der Klägerin gelegen und könne ihr daher nicht zur Last gelegt werden. Durch die Aufnahme des Studiums „Biologie (Bachelor)“ im Sommersemester 2015 habe die Klägerin vielmehr frühzeitig ihre Fachrichtung gewechselt, wenn dies auch nicht durch Exmatrikulation im Fach Lehramt bestätigt worden sei. Von dem Grundsatz des objektiv nachprüfbaren Zeitpunkts sei daher vorliegend abzusehen und der Fachrichtungswechsel bereits im Sommersemester 2015 als vollzogen anzusehen, d.h. zu Beginn des 5. Fachsemesters. Unter Anrechnung von zwei Semestern sei daher nur ein wichtiger Grund für den Wechsel erforderlich, den die Klägerin auch überzeugend nachgewiesen habe. Die Klägerin habe trotz Wiederholung eine Prüfung im Fach Schulpädagogik nicht bestanden. Grundsätzlich sei das endgültige Nichtbestehen der Zwischen- oder Abschlussprüfung kein unabweisbarer Grund. Dem Fachrichtungswechsel der Klägerin liege aber nicht nur die nicht bestandene Prüfung zugrunde. Vielmehr habe die Klägerin erkennen müssen, dass allein das Studium der Biologie in fachlicher Hinsicht ihren Neigungen und ihrer Eignung entsprach. Die pädagogische Lehre und Ausrichtung des Studiums auf eine spätere Lehrtätigkeit hätten dagegen den Interessen der Klägerin widersprochen, was sich zwangsläufig auch in den Noten widergespiegelt habe. Damit liege ein Umstand vor, der, wenn nicht sogar einen Eignungsmangel, zumindest einen Neigungsmangel für diesen Studiengang und somit einen wichtigen Grund darstelle. Die Klägerin habe auch unverzüglich die erforderlichen Konsequenzen gezogen, sobald sie Gewissheit über den Grund für den Fachrichtungswechsel erlangt habe.
Die Klägerin beantragte ferner, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihre Prozessbevollmächtigte beizuordnen.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Bei der Beurteilung des Zeitpunktes des Fachrichtungswechsels sei bereits davon ausgegangen, dass der Fachrichtungswechsel schon im Sommersemester 2015 vollzogen worden sei, d.h. zu Beginn des sechsten Fachsemesters. Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten führe diese Betrachtungsweise jedoch nicht zu einer Anrechnung von zwei Fachsemestern. Vielmehr werde der Klägerin aus den fünf Semestern im Studiengang Lehramt Gymnasium (Biologie und Chemie) ein Semester anerkannt mit der Folge, dass sie im Sommersemester 2015 (nachträglich) in das zweite Fachsemester im Studiengang Biologie (Bachelor) immatrikuliert worden sei. Bei der Bestimmung des maßgeblichen Fachsemesters sei gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG die Zahl der Semester abzuziehen, die nach der Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet würden. Daher liege rechnerisch ein Fachrichtungswechsel nach vier Fachsemestern vor. Aus diesem Grund sei hier zur Genehmigung des Fachrichtungswechsels das Vorliegen eines unabweisbaren Grundes erforderlich. Da jedoch das endgültige Nichtbestehen einer Prüfung ebenso wie ein etwaig vorliegender Neigungswandel oder Eignungsmangel keinen solchen Grund darstellten, sondern allenfalls einen wichtigen Grund, sei die Förderung der Klägerin für das Studium der Biologie (Bachelor) abzulehnen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin zu dem für die Prüfung der Bedürftigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht teilweise oder in Raten, aufbringen kann.
Jedenfalls hat die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffende Begründung des Bescheids des Beklagten vom 23. November 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2016 Bezug genommen. Zugunsten der Klägerin ist dabei der Klageantrag dahingehend auszulegen, dass sich die Klage sowohl gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. November 2015 als auch gegen den Rückforderungsbescheid vom 23. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2016 richtet.


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