Sozialrecht

Keine Rente trotz Erwerbsunfähigkeit wegen Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit

Aktenzeichen  S 4 R 750/15

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI SGB VI § 43, § 44, § 51, § 53 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Obwohl das Gericht von der vollen Erwerbsminderung des Klägers überzeugt ist, kann dieser deshalb keine Rente begehren, weil er nicht die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt hat und zudem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein zuvor erlittener Motorradunfall mit Polytrauma und dementsprechend multiplen Verletzungen begründet nicht automatisch eine volle Erwerbsminderung, insbesondere wenn ärztliche Gutachten und anschließender beruflicher Werdegang es anders darstellen. (Rn. 18 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch bei vollschichtigem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegeben sein, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen hätte und keine Tätigkeit benannt werden könnte, die noch vollschichtig hätte verrichtet werden können. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt vor, wenn bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichekeiten versperrt (Anschluss an BSG BeckRS 2004, 40830). Aufgrund der funktionellen Einarmigkeit muss eine konkrete Verweisungstätigkeit, vorliegend die des Pförtners, benannt werden, dessen Tätigkeit dem Kläger zumutbar gewesen wäre. (Rn. 26 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist zulässig (§§ 51, 57, 87 und 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Sie ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2015 erweist sich nicht als rechtswidrig. Die Beklagte hat vielmehr mit zutreffender Begründung die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt, denn der Kläger erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
Nach § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind;
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, die erforderliche Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt haben.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger seit 25.12.2009 voll erwerbsgemindert ist und Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter drei Stunden täglich verrichten kann. Die Kammer stützt dabei ihre Überzeugung auf die im Rentenverfahren sowie im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten insbesondere auf das Gutachten von Dr. D., das schlüssige Darlegungen zu den bestehenden Gesundheitsstörungen sowie nachvollziehbare Folgerungen zur Leistungsfähigkeit des Klägers enthält. Ihm ist zu entnehmen, dass die beigezogenen medizinischen Unterlagen, wie auch das Vorbringen des Klägers zu seiner Krankengeschichte und zu seinen Beschwerden volle Berücksichtigung gefunden haben.
Rente kann dennoch nicht gewährt werden, weil der Kläger die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erfüllt hat. Gemäß § 51 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Beitragszeiten angerechnet. Das Versicherungskonto des Klägers weist statt der erforderlichen 60 Monate mit Beitragszeiten nur 52 Monate mit Beitragszeiten auf. Die allgemeine Wartezeit kann u.a. auch vorzeitig erfüllt werden, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Zwar ist der Kläger vor Ablauf von sechs Jahren nach Abbruch seines Studiums 2008 voll erwerbsgemindert geworden, jedoch hat er in den letzten zwei Jahren vorher nicht mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, selbst dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren verlängert (§ 53 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Auch im verlängerten Zeitraum liegt kein Pflichtbeitrag. Der letzte Pflichtbeitrag wurde im Dezember 1998 im Wege der Nachversicherung als Zeitsoldat entrichtet.
Auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist erforderlich, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen, wobei sich der Fünfjahres-Zeitraum um bestimmte im Gesetz näher bezeichnete Zeiten verlängert (vgl. § 43 Abs. 4 SGB VI). Im maßgeblichen verlängerten Zeitraum vom 01.12.1998 bis 24.12.2009 ist jedoch nur ein einziger Pflichtbeitrag vorhanden.
Wartezeit und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur dann erfüllt, wenn die Erwerbsminderung nicht erst mit dem Schlaganfall am 25.12.2009 sondern bereits mit dem Motorradunfall am 03.11.1996 eingetreten wäre. Dies ist zur Überzeugung der Kammer nicht der Fall, die sich insoweit vollinhaltlich dem Gutachten von Dr. D. anschließt. Auch der Werdegang des Klägers nach dem Unfall mit Erwerb der Fachhochschulreife, Aufnahme eines Studiums mit Erwerb des Vordiploms, lässt nicht auf eine durchgehende Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung seit diesem Zeitpunkt schließen.
Der Motorradunfall am 03.11.1996 hat zu zahlreichen Knochenfrakturen, Weichteilverletzungen mit Schädigung und Zerreißung der den linken Arm versorgenden Arterie und Nerven geführt. Außerdem ist es bei dem Unfall zu einem drittgradigen Schädelhirntrauma gekommen. An die Akutkrankenhausbehandlung schloss sich eine mehrmonatige Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik für Physikalische Medizin und Medizinische Rehabilitation I. an. Aus dem Bericht der Fachklinik I. geht hervor, dass im Hinblick auf den körperlichen Zustand für den Kläger die Lähmung und praktische Funktionslosigkeit des linken Armes sowie die Lähmung des rechten langen Wadenbeinmuskels im Vordergrund standen. Die unfallbedingten Schädigungen der Nervenversorgung des linken Armes erwiesen sich als irreversibel. Von Seiten der linken oberen Extremität ist von einer praktisch kompletten Funktionslosigkeit auszugehen, wobei sich der Zustand in der gesamten Zeit nach der Entlassung im April 1997 auch nicht mehr wesentlich geändert hat. Der Zustand des linken Armes bzw. der linken Hand führt zu einem kompletten Ausfall der Greif- und der sensorischen Funktion der linken Hand und hat eine dauernde erhebliche qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens zur Folge. Grundsätzlich kamen seither für den Kläger nur Tätigkeiten in Betracht, die von Einarmigen ausgeübt werden können.
Am rechten Bein besteht seither eine Peronäusparese. Wegen der Schädigung des Fibularisnerven ist der Kläger seit dem Unfall mit einer sogenannten Peronäusschiene ausgestattet, die beim Gehen ein Schleifen des Fußes verhindert und ein gefahrloses Gehen ohne weitere Gehhilfe zulässt. Lediglich beim Barfußgang ist der typische Steppergang zu beobachten. In beruflicher Hinsicht wirkt sich die Peronäuslähmung nur insofern einschränkend aus, als Tätigkeiten die mit dauerhaftem Stehen oder permanentem Herumgehen, häufigem Treppensteigen und Begehen unebenen Geländes verbunden sind, hätten gemieden werden sollen. Einer Tätigkeit im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Stehen und Umhergehen mit überwiegenden Sitzanteilen hätte sie nicht entgegengestanden. Von Seiten der rechten Hand lag nach dem Unfall keine Funktionseinschränkung von erwerbsmindernder Bedeutung vor. Auch heute noch sind alle Griffformen mit der rechten Hand problemlos und kraftvoll auszuführen. Die Handgelenksbeweglichkeit rechts ist nur endgradig leicht eingeschränkt, was sich in funktioneller Hinsicht jedoch nicht erkennbar einschränkend auswirkt.
Die traumatischen Wirbelfortsatzbrüche sind folgenlos ausgeheilt. Bei einer Beckenübersichtsaufnahme Anfang 1998 waren auch krankhafte Veränderungen im Bereich des Kreuzbeines nicht mehr erkennbar. Die Berichte des Gesundheitszentrums R. geben keine Hinweise auf Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule. Auch bei der von Dr. D. vorgenommenen Untersuchung fiel zwar eine Fehlhaltung der Wirbelsäule auf bei jedoch guter altersentsprechender Beweglichkeit ohne Hinweise auf relevante Wurzelreizerscheinungen. Auch wenn Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule durchaus nachvollziehbar sind, lagen spätestens seit Januar 1998 keine gesundheitlichen Gründe vor, die gegen die Verrichtung einer körperlich leichten Tätigkeit im Wechselrhythmus ohne körperliche Zwangshaltungen gesprochen hätten.
Dasselbe trifft auf einen Hochstand des linken Zwerchfells zu.
Auch die Folgen der Hirnverletzung hätten einer vollschichtigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegengestanden. Im Rahmen der Reha-Maßnahme in der Fachklinik I. in der Zeit vom Januar bis April 1997 ist der Kläger neuropsychologisch behandelt und einer ausführlichen neuropsychologischen Testung unterzogen worden. Weder aufgrund dieser Testergebnisse noch nach den Ergebnissen einer ausführlichen Befragung ergaben sich zum Zeitpunkt der Entlassung Hinweise auf gravierende kognitive Leistungsbeeinträchtigungen oder auf psychoemotionale Veränderungen. Aus neuropsychologischer Sicht wurde dem Kläger ausdrücklich auch die Eignung zu einer Ausbildung zugesprochen. Anlässlich einer Begutachtung für die private Unfallversicherung im Mai 1998 empfahl Dr. K. dem Unfallversicherer zwar die Anerkennung einer Minderung der Konzentrationsfähigkeit und einer erhöhten Erregbarkeit als Unfallfolge, wobei diese aber zusammen mit dem Zwerchfellhochstand und belastungsabhängiger Luftnot keinen höheren Grad der Minderung der Funktionsfähigkeit als 15 v.H. bedinge. Bei der im Mai 2000 durch das Versorgungsamt veranlassten nervenärztlichen Begutachtung durch Dr. S. stellte dieser fest, dass Auffassung, Konzentration und Gedächtnis nicht gestört seien und der Intelligenzeindruck des Klägers leicht überdurchschnittlich sei. Gleichwohl wertete der Sachverständige die Angabe des Klägers, dass ihm das Lernen in der Schule mitunter etwas schwer falle, als hirnorganisch bedingte Verminderung der Dauerkonzentrationsfähigkeit und bewertete sie mit einem GdB von 30. Dennoch geben die zitierten Befunde keinen Anhalt für eine rentenrechtlich relevante Einschränkung des Leistungsvermögens aufgrund des erlittenen Schädelhirntraumas. Nur zwei Monate nach der Begutachtung durch Dr. S. hat der Kläger die Fachoberschule in der vorgesehenen Regelzeit mit durchaus durchschnittlichen Noten und dem Erwerb der Fachhochschulreife beendet und nach Aufnahme des Studiums der Sozialarbeit/Sozialpädagogik dann die Diplomvorprüfung im September 2002 sogar mit durchschnittlich guten Noten abgeschlossen. Selbst wenn im Laufe der Jahre nach Studienbeginn eine gesundheitliche Entwicklung eingesetzt haben sollte, die mit einem merklichen Nachlassen des geistigen Leistungsvermögens und Depressionen einherging, was aber nicht nachgewiesen ist, denn ärztliche Befunde zwischen 2001 und 2009 liegen nicht vor und der Kläger konnte auch auf Nachfrage keine behandelnden Ärzte oder Kliniken benennen, wo entsprechende Unterlagen hätten angefordert werden können, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der Kläger deswegen nicht doch zur Verrichtung einer in geistiger Hinsicht etwas weniger anspruchsvollen Tätigkeit, als ein Studium sie darstellt, im Stande gewesen wäre.
Die Kammer geht daher mit Dr. D. davon aus, dass mit Abschluss der akuten Behandlung und Nachsorge aber spätestens mit dem Besuch der Fachoberschule dem Kläger eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen bzw. im Wechselrhythmus, in geschlossenen Räumen, ohne Zwangshaltungen und ohne Notwendigkeit der vollen Gebrauchsfähigkeit beider oberer Extremitäten wieder vollschichtig zugemutet werden konnte.
Trotz des festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegeben gewesen, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen hätte und keine Tätigkeit genannt werden könnte, die trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch vollschichtig täglich hätte verrichtet werden können. Eine „schwere spezifische Leistungsbehinderung“ meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG Urteil vom 10.12.2003, Az. B 5 RJ 64/02 R). In diesem Fall besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen.
Die Kammer geht aufgrund der funktionellen Einarmigkeit davon aus, mit der Folge, dass eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Nach Überzeugung der Kammer hätte der Kläger zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners verwiesen werden können. Das BSG hat in seiner ständigen Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass sich in der Berufsbezeichnung „Pförtner“ eine Vielzahl von konkreten Pförtnertätigkeiten verbirgt, die je nach Einsatz und Aufgabenbereich unterschiedliche Anforderungen an den Versicherten stellen (Urteil des BSG vom 20.06.2002, Az. B 13 RJ 13/02 R).
Die Tätigkeit des Pförtners ist eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen temperierten Räumen, die überwiegend im Sitzen, zeitweise auch im Stehen oder Gehen, ausgeübt wird. Sie erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit entfaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich, Zwangshaltungen fallen nicht an. An die Funktionstüchtigkeit der Arme und Beine werden keine besonderen Anforderungen gestellt (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 13.05.2015, Az. L 13 R 160/14).
Pförtner kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen, kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Des weiteren können einfache Bürotätigkeiten oder Telefondienste zu ihren Aufgaben gehören.
Der Ausübung der so beschriebenen Pförtnertätigkeit stehen nach Auffassung der Kammer die beim Kläger vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen nicht entgegen, insbesondere nicht die Gesundheitsstörungen der oberen Extremitäten, wobei die Handgelenksbeweglichkeit rechts nur endgradig leicht eingeschränkt war, was sich in funktioneller Hinsicht nicht erkennbar einschränkend auswirkte. Selbst für faktisch Einarmige gibt es insoweit Tätigkeitsbereiche (LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2000 – L 11 RJ 3316/98). Die Kammer hegt keinen Zweifel, dass der Kläger die notwendigen Schreibarbeiten hätte verrichten können, wenn er gleichzeitig in der Lage war, die Fachoberschule zu besuchen und ein Studium zu absolvieren.
Es ist nicht erforderlich, dass der Kläger auf jedem Pförtnerarbeitsplatz hätte eingesetzt werden können. Vielmehr genügt die prinzipielle Eignung für eine derartige Tätigkeit. Die Unfähigkeit, gewisse Teilbereiche eines Berufes ausüben zu können, reicht nicht aus. Insofern ist eine typisierende Betrachtungsweise insoweit ausreichend wenn feststeht, dass der Versicherte wesentliche Teilbereiche eines Verweisungsberufes zumutbar verrichten kann und derartige Verweisungstätigkeiten auch in der Berufswirklichkeit in nicht ganz unerheblicher Anzahl allgemein angeboten werden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsamtes Hessen, auf die das Bayerische LSG in seiner oben zitierten Entscheidung Bezug nimmt, gibt es hinreichend viele Pförtnerstellen in der Bundesrepublik Deutschland. Um Schonarbeitsplätze handelt es sich hierbei nicht (vgl. Urteil des BayerLSG a.a.O.). Ob mögliche Arbeitsplätze frei oder besetzt sind, ist unbeachtlich, denn das Risiko keinen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, geht nicht zu Lasten der Rentenversicherung (BSG v. 25.01.1994 -4 RA 35/93).
Eine derartige Tätigkeit als Pförtner wäre dem Kläger nach Überzeugung der Kammer bis zum Schlaganfall im Dezember 2009 zumutbar gewesen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken. Da bei einem Leistungsfall im Dezember 2009 aber weder Wartezeit noch versicherungsrechtliche Voraussetzungen – und zwar unabhängig von der Anerkennung von nach dem Leistungsfall liegenden Kindererziehungszeiten – erfüllt sind, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.


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