Sozialrecht

Schadensersatz, insbesondere Verdienstausfall bei Vollzeittätigkeit trotz Erwerbsminderung, und Schmerzensgeld nach Verkehrsunfall

Aktenzeichen  8 O 1313/16

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40417
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 252, § 253
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Das zögerliche Regulierungsverhalten der Schädigerseite kann sich schmerzensgelderhöhend auswirken. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn Schmerzensgeld nicht gezahlt wird, obwohl infolge eines rechtskräftigen Grund- und Teilurteils bereits feststeht, dass dem Geschädigten weiteres Schmerzensgeld zusteht. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verdienstausfallschaden des Geschädigten ist unter Heranziehung von § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO zu ermitteln. Danach braucht der Geschädigte nicht zu beweisen, dass und in welcher Höhe Einkünfte ohne den Unfall mit Gewissheit erzielt worden wären. Es genügt vielmehr der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit (Anschluss OLG Frankfurt BeckRS 2016, 128132 Rn. 17, mwN).  (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Geschädigte unfallbedingt dauerhaft in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, arbeitet er aber dennoch in Vollzeit, so handelt es sich bei dem seine Erwerbsfähigkeit übersteigenden Teil seiner Tätigkeit um überobligatorische Anstrengungen. Die daraus erzielten Einkünfte braucht sich der Geschädigte auf seinen Schadensersatzanspruch nicht anrechnen zu lassen. (Rn. 62 – 63) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.05.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.142,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.05.2016 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zum 31.03.2020 einen Betrag in Höhe von 138,73 € zu bezahlen und weiterhin jeweils zum 31.03., 30.06., 30.09. und 31.12. eines jeden Jahres, beginnend ab 01.04.2020 einen Betrag in Höhe von 614,40 € zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine vorgerichtliche Nebenforderung in Höhe von 2.251,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.05.2016 zu bezahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 69 % und die Beklagte 31 % zu tragen.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
8. Der Streitwert wird auf 183.668,80 € festgesetzt.

Gründe

A) Ansprüche der Klägerin
Die Klage ist zulässig und auch unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 1/2 begründet, vgl. dazu die Erläuterungen im Grund- und Teilurteil.
I. Höhe des Schmerzensgeldes:
1. Unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion muss die Höhe des Schmerzensgeldes unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen. Mitzuberücksichtigen sind dabei je nach Lage des Falles Ausmaß und Schwere der Verletzung, Dauer der stationären Behandlung, Belastung durch Operationen und andere Behandlungsmaßnahmen, Unsicherheit über den weiteren Krankheitsverlauf und eine endgültige Heilung, Verbleiben von dauernden Beeinträchtigungen oder Entstellungen, das Alter des Verletzten und auch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Zu berücksichtigen ist auch das Regulierungsverhalten der Beklagtenpartei. Dabei kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu.
2. Im hiesigen Fall sind zu berücksichtigten die schwerwiegenden Primärverletzungen der Klägerin. Diese hat eine Vielzahl von Frakturen davongetragen, wobei hinsichtlich der Einzelheiten auf den Tatbestand Bezug genommen wird. Sie wurde umgehend nach dem Unfall operiert und ihr wurde eine Platte in den Arm eingesetzt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin Verletzungen im Gesichtsbereich und somit an besonders exponierter Stelle erlitten hat. Sie musste mehrere Wochen Opiate einnehmen und konnte zunächst auch nicht laufen. Weiterhin hat die Klägerin zwei dauerhaft sichtbare Narben davongetragen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen die dauerhafte leichte strukturelle Hirnschädigung, die bei der Klägerin zu Beeinträchtigungen führt, der Dauerschaden im Sinne von Sensibilitätsstörungen, autonomen Funktionsstörungen und leichten neuropathischen Schmerzen sowie die dauerhaften Schmerzen bei längerem Sitzen oder Fahrradfahren oder beim Heben schwerer Lasten links. Zu berücksichtigen ist auch die dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin für den Beruf der Sozialpädagogin von 20 %, die auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt gilt. Ebenfalls hat Berücksichtigung zu finden das Alter der Klägerin, welche zum Unfallzeitpunkt erst 18 Jahre alt war. Dieses junge Alter der Klägerin wirkt schmerzensgelderhöhend.
Weiterhin zu berücksichtigen und schmerzensgelderhöhend stellt sich auch das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten dar. Der Unfall hat sich bereits am 15.07.2007 ereignet. Die Beklagte hat vor Erhebung der hiesigen Klage lediglich einen Betrag in Höhe von 15.000,00 € gezahlt (wobei dieser nicht einmal auf das Schmerzensgeld anzurechnen ist, siehe dazu spätere Ausführungen). Das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten, insbesondere die ihr zurechenbaren Verzögerungen hinsichtlich vorgerichtlicher Gutachtenserstattung (vgl. dazu insbesondere Ausführungen in der Klageschrift Blatt 7/10 der Akten, die unbestritten sind) sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie das Verhalten der Beklagten im streitigen Verfahren. Auch nach dem Hinweis des Oberlandesgerichts München und der darauffolgenden Berufungsrücknahme mit Schriftsatz vom 22.02.2018 hat die Beklagte keinerlei weitere Zahlungen geleistet, obwohl aufgrund des somit rechtskräftigen Grund- und Teilurteils klar war, dass der Klägerin – auch unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldensanteils – ein weiterer Schmerzensgeldanspruch zusteht.
Für die Entscheidung zu berücksichtigen sind auch gerichtliche Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen. Aufgrund der Schwere der Verletzungen im hiesigen Fall und insbesondere der Vielzahl der Verletzungen war kein Fall auffindbar, der dem hiesigen gleicht.
Jedoch hat etwa das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 13.12.2013 (Az. 10 U 4926/12) bei einem 44-jährigen Verkehrsunfallverletzten, der eine Vielzahl von Frakturen sowie Nervenschädigungen erlitten hat und als Dauerfolgen Bewegungseinschränkungen des Brustkorbs, Kraftminderung und Belastungsinsuffizienz des gesamten Organismus, eine beginnende Hüftgelenksarthrose, eine unfallbedingte Fußheberschwäche sowie auf nervenärztlichem Fachgebiet Muskelverschmächtigungen im Bereich der Schulter und am Fuß, Muskelkrämpfe am linken Oberarm und eine Hautgefühlsminderung an der linken Schulter Außenseite ein Schmerzensgeld von 80.000,00 € zuerkannt. Der dortige Kläger musste längere Zeit stationär im Krankenhaus bleiben, danach eine Reha-Maßnahme aufnehmen und blieb 27 Monate vollständig, danach zu 50 % arbeitsunfähig.
Auch wenn die Arbeitsunfähigkeit im hiesigen Fall als weniger schwerwiegend anzusehen ist, ist die Schwere der Verletzungen dennoch vergleichbar und auch die Schwere der Dauerfolgen. Zudem ist im hiesigen Fall das junge Alter der Klägerin einzubeziehen sowie das erörterte zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten.
Unter diesen Umständen erscheint dem Gericht ebenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 € als angemessen.
Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 50 % steht der Klägerin folglich ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 40.000,00 € zu.
3. Dieser ist auch nicht teilweise durch Zahlung erloschen. Zwar hat die Beklage vorgerichtlich 15.000,00 € an die Klägerin bezahlt. Dass sie anlässlich der Zahlung oder jedenfalls vor Klageerhebung jemals eine Verrechnung auf dem Schmerzensgeldanspruch der Klägerin vorgenommen hat, hat die Beklagte nicht nachgewiesen. Somit erfolgte die erstmalige Verrechnung des Betrages im Rahmen der Klageschrift. Die Klägerin hat hier entsprechend ihr Wahlrecht ausgeübt und somit gerade keine Verrechnung auf das Schmerzensgeld vorgenommen. Folglich konnte die Beklagte in der Klageerwiderung dann die Zahlung von 15.000,00 € nicht mehr auf das Schmerzensgeld verrechnen.
4. Der Klägerin steht somit als Schmerzensgeld ein Betrag in Höhe von 40.000,00 € zu.
II. Verdienstausfall 12.5 Monate
1. Der Verdienst der Klägerin bei der Landeshauptstadt M. ergibt sich aus der Anlage K4. Unstreitig ist, dass die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Stadt M. nach Abschluss ihres Studiums am 01.04.2014 aufgenommen hat.
2. Streitig zwischen den Parteien ist jedoch, ob die Klägerin nach Erwerb des Fachabiturs unfallbedingt ein Jahr lang nicht in der Lage war, ihr Studium anzutreten und somit ein Jahr später ihre Arbeitsstelle angetreten hat, als dies ohne den Unfall der Fall gewesen wäre. Ebenso ist streitig, ob die Klägerin ohne den Unfall tatsächlich ein Jahr früher eine Anstellung als Sozialpädagogin erhalten hätte.
3. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen … der dem Gericht seit langer Zeit als besonders kompetenter Sachverständiger bekannt ist und dessen Ausführungen das Gericht sich vollumfänglich anschließt, hat die Klägerin beim Unfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten mit einer bis heute nachweisbaren Hirnleistungsstörung, welche auch die Aufmerksamkeitsbelastung beeinträchtigt. Eine Hirnleistungsstörung kann sich im Verlauf von drei Jahren nach dem schädigenden Ereignis bessern. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen müssen aufgrund dessen Feststellung für das erste Unfallfolgejahr (für das Jahr 2007 auf 2008) stärke und dann langsam rückläufig bis zum dritten Unfallfolgejahr zuletzt leichtere Hirnleistungsstörungen angenommen werden. Zudem lag bei der Klägerin eine psychoreaktive Störung in der Folge des stattgehabten Ereignisses vor, welche der Sachverständige als Anpassungsstörung assoziiert zur Gesichtsschädelverletzung, zur hirnorganischen Beeinträchtigung, zur bekanntermaßen schmerzhaften Beckenring- und Sacrum-Verletzung und zur abklingenden Fallhand links. Der Sachverständige führt aus, dass diese Anpassungsstörung nicht innerhalb eines halben Jahres abgeklungen war. Vielmehr sei mit Blick auf die stattgehabten körperlichen und hirnorganischen Folgen von einer prolongierten Anpassungsstörung auszugehen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren (bis zum Sommer 2009) anzuerkennen ist. Auch wenn mit Anstrengung das Fachabitur erreicht wurde, führt der Sachverständige aus, dass die Klägerin im Wintersemester 2008/2009 und auch im Sommer 2009 nicht in der Lage war, außerhalb des ihr vertrauten Umfelds ein Studium aufzunehmen. Depressivität, Angst, Rückzug und Einengung, wie sie auch im hiesigen Fall vorgelegen haben (letztendlich wurde auch der Führerscheine erst 2010 gemacht), waren über die bestehende hirnorganische Beeinträchtigung hinaus an dieser Stelle als limitierende Faktoren anzusehen.
Der Sachverständige hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin unfallbedingt nicht in der Lage war, ihr Studium zum Sommersemester 2009 aufzunehmen und erst zum Wintersemester 2009/2010 Studierfähigkeit gegeben war.
Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an.
Somit war die Klägerin unfallkausal nicht in der Lage, ihr Studium im Anschluss an das abgelegte Fachabitur anzutreten, sondern erst ein Jahr später. Entsprechend konnte sie auch erst ein Jahr später eine Arbeit antreten.
4. Der Umfang des nach § 249 ff BGB zu ersetzenden Schadens erstreckt auch auf den Verdienstausfall der Klägerin. Dieser ist unter Heranziehung von § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO zu ermitteln. Danach braucht der Geschädigte nicht zu beweisen, dass und in welcher Höhe Einkünfte ohne den Unfall mit Gewissheit erzielt worden wären. Es genügt vielmehr der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 08.07.2016, Az. 10 U 150/14 mit weiteren Nachweisen). Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO lässt eine völlig abstrakte Berechnung des Erwerbsschadens nicht zu, verlangt wird vielmehr die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung. Denn der zu ersetzende Schaden liegt hier nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, dass sich dieser Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sichtbar im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat. Wegen der Schwierigkeiten bei der Darstellung hypothetischer Entwicklungen in der Zukunft dürfen aber keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung der konkreten Anhaltspunkte für die Ermittlung des Erwerbsschadens gestellt werden.
Nach alldem ist davon auszugehen, dass die Klägerin ohne den Unfall jedenfalls kein schlechteres Studienergebnis erzielt hätte als mit dem Unfall. Somit ist auch davon auszugehen, dass sie dann ein Jahr früher eine Anstellung bei der Landeshauptstadt M. als Sozialpädagogin antreten hätte können mit dem gleichen Verdienst wie dann ein Jahr später. Es lag also nicht nur eine gewisse, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass die Klägerin ohne den Unfall ein Jahr früher ins Arbeitsleben eingetreten wäre und zwar unter den gleichen Bedingungen wie sodann tatsächlich erfolgt.
5. Aus diesem Grund ist der von der Klägerin für 12,5 Monate geltend gemachte Verdienstausfall in Höhe von 24.576,00 € nachgewiesen. Anzurechnen sind hierbei aber die von der Klägerin bei ihrer Tätigkeit in der Tankstelle erzielten Einkünfte in Höhe von 4.340,00 €. Der Verdienstausfall beläuft sich somit auf 20.236,00 €.
Unter Berücksichtigung des 50 %igen Mitverschuldens der Klägerin ergibt sich zunächst ein Anspruch in Höhe von 10.118,00 €.
Dieser ist jedoch erloschen durch die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 15.000,00 €. Auf die obigen Ausführungen wird zunächst Bezug genommen. Ausweislich Seite 12 der Klage hat die Klägerin die Zahlung zunächst auf den Verdienstausfall verrechnet. Dieser Zahlungsanspruch ist somit erfüllt/erloschen.
III. Überobligatorische Tätigkeit
Bei der Klägerin liegt eine unfallbedingte dauerhafte Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 % vor. Dies ist zwischen den Parteien aufgrund der Ausführungen des seitens der Beklagten selbst beauftragten Dr. N.  (Anlage K 1) zwischenzeitlich unstreitig.
Deshalb begehrt die Klägerin für die Zeiten, in denen sie einer Vollzeittätigkeit nachging, Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt überobligatorischer Leistungen. Die Klägerin macht dabei vom 01.04.2014 bis 31.12.2014 einen Betrag von 8.601,60 € geltend, vom 01.06.2016 bis 19.03.2017 einen Betrag von 5.993,81 € und vom 01.11.2017 bis 02.02.2018 einen Betrag in Höhe von 1.228,80 €.
In diesen Zeiträumen war die Klägerin in Vollzeit beschäftigt. Dies ist nachgewiesen durch das Schreiben der Landeshauptstadt M. vom 05.11.2018 (Blatt 205 der Akten).
Der Klägerin steht für diese Zeiten der geltend gemachte Anspruch auch zu. Da bei ihr eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % vorliegt, hat sie in Zeiten der Vollzeitbeschäftigung zu 20 % überobligatorisch gearbeitet.
Zwanzig Prozent ihres Einkommens hat die Klägerin somit durch überobligatorische Tätigkeit erwirtschaftet. Überobligatorische Anstrengungen entlasten den Schädiger jedoch nicht, der Geschädigte braucht sich diese nicht anrechnen zu lassen (OLG Frankfurt, a.a.O.; BGH, NJW 1971, 836).
Somit liegt grundsätzlich ein Schaden in Höhe von 15.824,21 € vor. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 7.912,10 €.
Auf diesen Betrag hat die Beklagte vorgerichtlich bereits 4.882,00 € (Rest aus 15.000,00 €) bezahlt, so dass sich noch ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 3.030,10 € ergibt.
IV. Haushaltsführungsschaden
Im Hinblick auf einen Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum 15.07.2007 bis 31.12.2015 kann der Klägerin lediglich ein Betrag in Höhe von 112,00 € zuerkannt werden.
Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt und noch bis Oktober 2009 im elterlichen Haushalt gelebt. Sie gab an, vor dem Unfall dort pro Woche zwei Stunden an Haushaltstätigkeiten ausgeübt zu haben. Diese Angaben der Klägerin sind für das Gericht ohne Weiteres nachvollziehbar. Das Gericht glaubt der Klägerin und legt diese Angaben der Entscheidung zugrunde.
Aufgrund des fachorthopädischen und unfallchirurgischen Gutachtens steht aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. … fest, dass die Klägerin über einen Zeitraum von drei Monaten die vor dem Unfall von ihr ausgeübten Tätigkeiten unfallbedingt nicht ausüben konnte. In diesem Zeitraum war sie nämlich auf die Benutzung von Unterarmgehstützen, zumindest einseitig, angewiesen. Somit steht der Klägerin ein Haushaltsführungsschaden für diese drei Monate zu, mithin für 12 Wochen à zwei Stunden à 8,00 € (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München) und somit in Höhe von 192,00 €.
Der augenärztliche Sachverständige und der mund- kiefer- und gesichtschirurgische Sachverständige bestätigen keine darüber hinausgehende Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit der Klägerin.
Ausweislich des nervenärztlichen Gutachtens (dort Seite 29) lag für das erste Unfallfolgejahr ein Haushaltsführungsschaden von 5 % auf neurologischem Gebiet vor. Somit war eine entsprechende Einschränkung vom Gericht bis August 2008 anzunehmen und somit weitere 10 Monate über den vorher erörterten Zeitraum hinaus. 40 Wochen à zwei Stunden à 8,00 € ergeben 640,00 €. Der Sachverständige hat eine Minderung von 5 % angenommen, woraus sich 32,00 € ergeben.
Insgesamt ergibt sich somit ein Haushaltsführungsschaden von 224,00 €.
Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 50 % ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 112,00 €.
V. Zukünftige Zahlungen
Aufgrund der festgestellten dauernden Erwerbsminderung von 20 % war die Beklagte auch zu verurteilen, an die Klägerin zukünftig Schadensersatz für überobligatorische Tätigkeiten (siehe obige Ausführungen) zu zahlen, jedoch unter Berücksichtigung des Mitverschuldens nur in Höhe von 50 % der geltend gemachten Beträge.
Klarstellend wird ausgeführt, dass der Anspruch nur besteht, wenn und so lange die Klägerin tatsächlich einer Vollzeittätigkeit nachgeht. Weiterhin hat die Beklagte gegebenenfalls einen Anspruch auf Anpassung hat.
VI. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten konnten nur im tenorierten Umfang zuerkannt werden. Zum einen können sie nur geltend gemacht werden im Hinblick auf den Streitwert, mit dem die Klägerin im hiesigen Verfahren tatsächlich obsiegt.
Im Übrigen erscheint dem Gericht – den Umfang der vorgerichtlichen Tätigkeit berücksichtigend – auch nur eine 1,5 Gebühr angemessen. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG kann zudem nicht begehrt werden, auch wenn ein Besprechungstermin mit der Beklagten stattgefunden haben mag. Ausweislich der genannten Vorschrift entsteht die Gebühr nur den dort genannten gerichtlichen Verfahren.
VII. Feststellungsantrag
Im Übrigen war das Urteil vom 09.08.2017 in seiner berichtigten Fassung bereits Endurteil, so dass hier keine weitere Entscheidung, insbesondere über den Feststellungsantrag, erforderlich war.
VIII. Zinsen
Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
B. Kosten:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerin hat in Höhe von 40.000,00 € hinsichtlich des Schmerzensgeldes, 3.142,10 € hinsichtlich materieller Forderungen, 8.601,60 € hinsichtlich zukünftiger Zahlungen sowie in Höhe der Hälfte des Feststellungsantrags (5.000,00 €) obsiegt, gesamt mithin in Höhe von 56.743,70 €.
Hieraus ergibt sich dann die Kostenquote.
C. Vorläufige Vollstreckbarkeit:
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
D) Streitwert:
Der Streitwert wurde auf 183.668,80 € festgesetzt wie folgt:
„Ziffer 1) der Klage: 120.00,00 € (bezifferter Antrag)
Ziffer 2) der Klage: 24.177,60 € (bezifferter Antrag)
Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 05.09.2018: 12.288,00 € (bezifferter Antrag)
Ziffer 3) der Klage: 17.203,20 € (3,5-facher Jahresbetrag; § 9 ZPO)
Ziffer 4) der Klage (Feststellungsantrag): 10.000,00 € (geschätzt nach § 3 ZPO)


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben