Sozialrecht

Vermögensanrechnung infolge rechtsmissbräuchlicher Übertragung eines Kraftfahrzeugs

Aktenzeichen  AN 2 K 15.02519

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 11 Abs. 2 BAföG
BAföG § 27 BAföG

 

Leitsatz

1 Ein Pkw rechnet grundsätzlich nicht nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG zu Haushaltsgegenständen, sondern stellt als bewegliche Sache nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BAföG Vermögen des Auszubildenden dar (BVerwG BeckRS 2010, 52827). (Rn. 14) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Vermögenswerte sind auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen hat (BVerwG BeckRS 2013, 51598). Eine derart rechtsmissbräuchliche Übertragung liegt vor, wenn der Auszubildende im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausbildung bzw. mit der Beantragung von Ausbildungsförderungsleistungen oder im Laufe der förderfähigen Ausbildung Teile seine Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an Eltern oder Verwandte, übertragen hat (wie BVerwG BeckRS 2013, 51598). (Rn. 14) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Es kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da beide Parteien einverstanden sind.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2014 in Form des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2015 ist rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Der Klägerin kommt für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 09/2014 kein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsge-setz zu, § 113 Abs. 5 VwGO.
Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung, da das anzurechnende Vermögen den Bedarf der Klägerin überschreitet. Der Beklagte hat zu Recht den Zeitwert des Pkws als Vermögen angerechnet, da die Klägerin als ursprüngliche Eigentümerin den Pkw rechtsmissbräuchlich auf ihre Mutter am 4. September 2014 übertragen hat.
Nach § 11 Abs. 2 BAföG ist auf den Bedarf des Auszubildenden sein Einkommen und Vermögen anzurechnen. Ein Pkw ist gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BAföG als bewegliche Sache, die grundsätzlich kein Haushaltsgegenstand im Sinne von § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2010 – 5 C 3/09 – juris Rn. 29 ff.), Vermögen im Sinne des BAföG. Vermögenswerte sind auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12- juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 13.1.1983 – 5 C 103/80 – juris Rn. 22). Eine rechtsmissbräuchliche Übertragung liegt vor, wenn der Auszubildende im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausbildung beziehungsweise mit der Stellung des Antrages auf Leistung von Ausbildungsförderung oder im Lau fe der förderungsfähigen Ausbildung Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an seine Eltern oder andere Verwandte, übertragen hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12- juris Rn. 18 f.; BVerwG, U.v. 13.1.1983 -5 C 103/80 – juris Rn. 24; Tz. 27.1.3a BAföGVwV). Eine solche rechtsmissbräuchliche Übertragung von Vermögenswerten steht im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschriften über die Vermögensanrechnung. Diese sollen dem Grundsatz des Nachrangs der Ausbildungsförderung nach § 1 BAföG Geltung verschaffen. Der Auszubildende soll unter Anerkennung von Freibeträgen zunächst sein eigenes Vermögen für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Auszubildende im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Antragstellung Vermögenswerte unentgeltlich auf Dritte überträgt (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12- juris Rn. 19).
Eine solche rechtmissbräuchliche Vermögensübertragung liegt hier vor, insbesondere muss sich die Klägerin als ursprüngliche Eigentümerin des Pkws behandeln lassen. Die Klägerin ist in mehrfacher Form nach außen als Eigentümerin des Pkws aufgetreten (vgl. VG Ansbach, B.v. 18.12.2006 – AN 2 K 05.00975 – juris Rn. 33; VG Ansbach, U.v. 12.10.2006 – AN 2 K 05.03043 – juris Rn. 26).
Zunächst wurde das Auto laut Fahrzeugschein auf die Klägerin zugelassen. Es ist zwar richtig, dass Halter und Eigentümer eines Pkws nicht zwingend identisch sein müssen. Dem Fahrzeugbrief kommt jedoch zumindest eine gewisse Indizwirkung zu. Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Inanspruchnahme des „Junge-Fahrer-Programms“ des Automobilherstellers nach außen deutlich zu erkennen gegeben hat, dass sie Eigentümerin des Fahrzeugs werden wollte. Das Prämienangebot ist ersichtlich darauf gerichtet, Fahranfängern ihr erstes eigenes Auto zu ermöglichen und nicht den Eltern von Fahranfängern Rabatt auf ihren Autokauf zu geben. Die von der Klägerin vorgelegten Prämienbedingungen sehen als Prämienberechtigten ausdrücklich den Führerscheinneuling und nicht etwa die Eltern des Führerscheinneulings an. Zudem ist Voraussetzung, dass das Fahrzeug auf den Führerscheinneuling bestellt wird und auch die Rechnung auf ihn lautet. Dies zeigt, dass der Automobilhersteller davon ausgeht, dass der Führerscheinneuling Eigentümer des Autos wird.
Dass vorliegend die Mutter das Auto bestellen und bezahlen konnte, liegt einzig an der Ausnahme für Führerscheinneulinge unter 18 Jahren. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Au tomobilhersteller bei Führerscheinneulingen unter 18 Jahre den Eltern die Inanspruchnahme der Prämie für den Kauf eines Fahrzeugs ermöglichen wollte. Vielmehr ist diese Ausnahme vor dem Hintergrund zu sehen, dass die volle bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit erst mit 18 Jahren erreicht wird. Der Werbeflyer eines identischen Prämienprogramms desselben Autoherstellers macht deutlich, dass die Prämie dem Führerscheinneuling sein erstes eigenes Auto ermöglichen soll. So heißt es dort u.a.: „Mit dem Junge Fahrer’-Programm zum eigenen Auto“ beziehungsweise „[…] wäre doch klasse, wenn ihr erstes eigenes Auto ein […] ist.“
Der Klägerin ist nicht zuzustimmen, soweit sie vorträgt, der Automobilhersteller hätte gewusst, dass eigentlich ihre Mutter Eigentümerin des Fahrzeugs werden sollte. Dem Automobilhersteller wurde lediglich bekannt, dass die Bestellung und die Finanzierung durch die Mutter durchgeführt wurden. Dies besagt aber nichts darüber, wer Eigentümer des Autos werden soll. Das von der Klägerseite vorgelegte Schreiben des Automobilhändlers vom 8. Januar 2016 besagt ebenfalls nur, dass die erforderlichen Unterlagen beim Automobilhersteller eingereicht wurden und als aktionskonform abgewickelt wurden. Die beim Autohersteller eingereichten Unterlagen geben jedoch an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass eigentlich die Mutter Eigentümerin werden wollte. Die Tatsache, dass die Mutter das Fahrzeug bestellt und bezahlt hat, führt nicht automatisch dazu, dass die Mutter Eigentümerin wird. Wäre es für den Automobilhersteller tatsächlich nicht relevant, wer im Rahmen der Teilnahme des „Junge Fahrer“-Programms Eigentümer des Fahrzeugs wird, hätte er auch auf die Bedingung der Erstzulassung auf den Führerscheinneuling verzichten können.
Die Klägerin muss sich somit die Zulassung des Fahrzeugs auf ihren Namen und die gegenüber dem Automobilhersteller dargetane Eigentümerstellung zurechnen lassen und ist als ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs anzusehen. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich zudem entnehmen, dass sie das Fahrzeug tatsächlich genutzt hat.
Am 4. September 2014, also in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung am 24. September 2014, hat die Klägerin das Fahrzeug ohne Gegenleistung und damit rechtsmissbräuchlich auf die Mutter übertragen. Die Anrechnung des Zeitwertes des Fahrzeugs erfolgte daher rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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