Verwaltungsrecht

Aussetzung des Verfahrens

Aktenzeichen  7 C 16.1226

Datum:
26.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 94

 

Leitsatz

Die Bindungswirkung einer strafrechtlichen Entscheidung ist für die Rechtmäßigkeit eines Aussetzungsbeschlusses nicht notwendig. Es genügt vielmehr jeder rechtliche Einfluss, auch etwa auf die Beweiswürdigung (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2016, 44293). (redaktioneller Leitsatz)
Die Durchführung wesentlicher, auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren entscheidungserheblicher Beweiserhebungen in einem Strafprozess kann die Aussetzung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 K 15.293 2016-05-19 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Mai 2016 (Aussetzung des Verfahrens) wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) vor.
Zwar ist es – wie die Klägerin in ihrer Beschwerde zu Recht vorträgt – für die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit (Klage eines EU-Mitgliedsstaats auf Rückgabe eines unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbrachten Kulturguts) tatsächlich unerheblich, ob der Beklagte (Rückgabeschuldner) im Zusammenhang mit dem Ankauf des Kulturguts den strafrechtlichen Tatbestand der Hehlerei (§ 259 StGB) erfüllt hat oder nicht. Das Verwaltungsgericht geht jedoch ebenso zu Recht davon aus, dass – wenn das Amtsgericht Aschaffenburg (Schöffengericht) die gegen den Beklagten gerichtete Anklage zulässt, was nach Aktenlage noch nicht der Fall ist – wesentliche, auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren entscheidungserhebliche Beweiserhebungen durchgeführt werden. Diese betreffen – wie das Verwaltungsgericht in seinem Aussetzungsbeschluss ausführt – insbesondere Fragen nach den Besitzverhältnissen des von der Klägerin beanspruchten Kulturguts und nach den näheren Umständen des Erwerbs des Kulturguts und der Kenntnis des Beklagten über dessen unrechtmäßige Verbringung aus dem Hoheitsgebiet der Klägerin, welche für die Bemessung einer dem Beklagten bei Rückgabe des Kulturguts (Zug um Zug) zu zahlenden etwaigen angemessenen Entschädigung von Bedeutung sind.
Diese Fragen bleiben auch nach Außerkrafttreten des Kulturgüterrückgabegesetzes (KultGüRückG) vom 18. Mai 2007, auf welches das Rückgabeverlangen der Klägerin bisher wesentlich gestützt war, unverändert von Bedeutung (vgl. § 9 KultGüRückG a. F.; § 66 des Kulturgutschutzgesetzes [KGSG] in der seit dem 6.8.2016 geltenden Fassung, das mit dem Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts vom 31.7.2016 – ohne Übergangsregelung – anstelle des bisherigen Kulturgüterrückgabegesetzes in Kraft getreten ist).
Eine Bindungswirkung der strafrechtlichen Entscheidung ist für die Rechtmäßigkeit des Aussetzungsbeschlusses nicht notwendig. Es genügt vielmehr jeder rechtliche Einfluss, auch etwa auf die Beweiswürdigung (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 3.3.2016 – 3 C 15.2578 – juris Rn. 9 m. w. N.). Auch sonst ist die aufgrund prozessökonomischer Erwägungen getroffene Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichts zur Aussetzung des Verfahrens rechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht kann den Aussetzungsbeschluss jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag eines Betroffenen aufheben, etwa weil ein weiterer Stillstand des Verfahrens für einen der Beteiligten mit der Gefahr der Rechtsvereitelung verbunden wäre (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 3.3.2016 – 3 C 15.2578 – juris Rn. 13). Eine solche Gefahr besteht im Hinblick auf das nach Aktenlage von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Kulturgut gegenwärtig jedoch nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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