Verwaltungsrecht

Berufungszulassung (abgelehnt), Sondernutzungserlaubnis, eigenmächtige Niveauangleichung einer Ortsstraße an die Höhe der Grundstückszufahrt, keine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs, Duldungspflicht, Selbstbindung der Verwaltung

Aktenzeichen  8 ZB 21.1286

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2025
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 5, 124a Abs. 4 S. 4
BayStrWG Art. 18

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 10 K 20.33 2021-03-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Verbleib einer von ihm aufgebrachten, bündig an seine Grundstückszufahrt anschließende Asphaltdecke. Im Zuge dieser Maßnahme hat er das Niveau der als Ortsstraße gewidmeten und im Eigentum der Beklagten stehenden Straße „A …“ selbst dem Niveau seiner Grundstückszufahrt angepasst.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung H …, das mit einem Wohnhaus und einer Doppelgarage bebaut ist.
Nach Abschluss von Kanalverlegungsarbeiten auf der vor seiner Grundstückszufahrt verlaufenden Straße „A …“ ließ der Kläger am 3. April 2019 den Bereich asphaltieren und die Straßenfläche an das Niveau seiner Grundstückszufahrt angleichen, indem ein Gefälle in Richtung des Straßenverlaufs eingebaut wurde.
Am 3. April mündlich und am 4. April 2019 per E-Mail teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie mit der Asphaltierung und Niveauangleichung nicht einverstanden sei. Sie forderte den Kläger zum Rückbau bis spätestens 18. April 2019 auf. Ein Rückbau erfolgte nicht.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 30. April 2019 bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den von ihm asphaltierten Straßenbereich.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 lehnt die Beklagte die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ab. Mit einer auf Zeit oder auf Widerruf erteilten Zustimmung könne das Problem nicht gelöst werden. Eine Rechtsbehelfsbelehrungenthielt das Schreiben nicht. Art. 18 BayStrWG sei nicht passend.
Dem dagegen eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Schreiben vom 13. November 2019 nicht ab. Auf die Bitte des Klägers hin, den Widerspruch der Widerspruchsbehörde nunmehr vorzulegen, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 mit, dass kein (fakultatives) Widerspruchsverfahren möglich sei.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2020 erhob der Kläger Verpflichtungsklage mit den Anträgen, den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 und 4. Dezember 2019 aufzuheben (Nr. 1) und diese antragsgemäß zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu verurteilen (Nr. 2), hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag vom 30. April 2019 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Nr. 3), weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die vorhandene Straße zu dulden (Nr. 4).
Mit Urteil vom 5. März 2021 hat das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage abgewiesen. Es liege schon begrifflich keine Benutzung i.S.d. Art. 18 BayStrWG vor, da eine Veränderung der Straße vorgenommen worden sei. Der Hilfsantrag zu 2 sei mangels einer Duldungspflicht der Beklagten unbegründet. Die Beklagte habe der Höhenangleichung durch den Kläger widersprochen. Die dem Kläger für das Anwesen erteilte Baugenehmigung berechtige nur zur Durchführung des Bauvorhabens auf dem Grundstück selbst, nicht jedoch zur Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums. Ebenso wenig ergebe sich eine Duldungspflicht aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs oder der Selbstbindung der Verwaltung.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil und verfolgt sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 5 VwGO) oder sind nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
A. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Vorbringen der Klagepartei stellt keinen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Ersturteils durch schlüssige Gegenargumente infrage (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Solche sind nicht erst dann gegeben, wenn der Erfolg des Antrags auf Zulassung der Berufung wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.4.2020 – 1 BvR 2705/16 – juris Rn. 22). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel, abzustellen (BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass das Verwaltungsgericht die Versagungsgegenklage zu Recht abgewiesen hat. Im Ergebnis zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO analog) hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG hat. Ebenso wenig hat er einen Anspruch auf Duldung der Baumaßnahme (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vorgenommenen Veränderungen der Straße keine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG erfordert.
Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG bedarf die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die eigenmächtig vorgenommene Höhenangleichung und Asphaltierung eine Sondernutzung darstellen. Die vorgenommenen Maßnahmen bedürfen aber offensichtlich dennoch keiner Sondernutzungserlaubnis, da sie den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen.
a. Der Begriff der Sondernutzung ist in Art. 18 Abs. 1 BayStrWG gesetzlich definiert als Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Gemeingebrauch ist nach der Legaldefinition des Art. 14 Abs. 1 BayStrWG die Benutzung der Straße im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG stellt klar, dass kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt.
aa. Die eigenmächtige Höhenangleichung und Asphaltierung stellen eine „Benutzung“ der Straße i.S.d. Art. 14 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 BayStrWG dar.
Dabei bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort „Benutzung“, so viel wie „Verwenden“ oder „Gebrauchmachen“ von einer Sache; auch das Aufgraben einer Straße stellt eine Straßenbenutzung dar (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ 2018, 511 = beckonline Rn. 14). Der Begriff der „Straße“ umfasst gem. Art. 2 Abs. 1 BayStrWG den gesamten Straßenkörper, insbesondere auch den Straßengrund und den Straßenunterbau.
Mit der Höhenangleichung und Asphaltierung des Straßenstücks hat der Kläger den Straßengrund „verwendet“. Ebenso wie das Aufgraben ist umgekehrt das „Verschließen“ der Straße durch Aufbringen einer Teerdecke eine Straßenbenutzung. Dass vorliegend die Straße in ihrer Neigung (längs und quer) verändert wurde bzw. die Anbindung an die Nachbargrundstücke neu verfugt wurde, ist dabei unerheblich. Denn auch dadurch wird die Straße benutzt, zumal die Höhenangleichung auf dem bisherigen Straßengrund verläuft und den Straßenunterbau verändert.
bb. Wie der Kläger zu Recht vorbringt, stellt diese Benutzung auch eine Sondernutzung i.S.d. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG dar, da sie über den Gemeingebrauch hinausgeht.
Eine Benutzung geht nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG über den Gemeingebrauch hinaus, wenn sie nicht vorwiegend für Zwecke des Verkehrs, und zwar weder im engeren Sinn eines auf Ortsveränderung gerichteten Fortbewegungsverkehrs noch im weiteren Sinne eines auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichteten sog. kommunikativen Verkehrs (BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ 2018, 511 = beckonline Rn. 16 m.w.N.), sondern zu anderen Zwecken erfolgt.
Es mag sein, dass der Kläger durch die Asphaltierung des Straßenabschnitts für sich genommen die Straßenfläche als Verkehrsfläche (wieder) hergestellt hat und die Maßnahme – zumindest auch – für den allgemeinen Verkehr erfolgt ist. Jedoch dient jedenfalls die Höhenangleichung in aller erster Linie dem Zweck, für den Kläger eine möglichst komfortable Zufahrt zu seinem Grundstück zu erhalten und Umbaumaßnahmen auf seinem Grundstück zu vermeiden. Die klägerischen Maßnahmen dienen damit insgesamt nicht vorwiegend verkehrlichen, sondern hauptsächlich eigennützigen, privaten Zwecken, sodass die Maßnahmen jedenfalls in der Gesamtschau als Sondernutzung zu beurteilen sind.
b. Die Sondernutzung unterliegt dennoch offensichtlich keiner Erlaubnispflicht nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG. Denn es fehlt an einer Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs.
Der Gemeingebrauch wird beeinträchtigt, wenn die tatsächliche Benutzung des öffentlichen Verkehrsraums durch andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen oder nicht unerheblich erschwert wird, mithin die Straße den gewöhnlichen Bedürfnissen des Verkehrs (i.S.d. Art. 14 Abs. 1 BayStrWG, also einschließlich des kommunikativen Verkehrs) sowie den Anforderungen der Sicherheit und Leichtigkeit nicht so genügt, wie dies ohne das störende Ereignis der Fall wäre (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 8 ZB 19.270 – BeckRS 2019, 13681 Rn. 13; B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ, 2018, 511 = beckonline Rn. 19 m.w.N; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand März 2020, Art. 18 Rn. 15).
Nach diesen Maßstäben scheidet vorliegend die Möglichkeit einer Gemeingebrauchsbeeinträchtigung durch die Asphaltierung und Höhenangleichung aus (vgl. zur insoweit ähnlichen Gehsteigabsenkung BayVGH U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – BayVBl 2007, 45 = juris Rn. 37; zu im Gehweg verlegten „Stolpersteinen“ BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – NVwZ 2018, 511 = beckonline Rn. 20). Nach den vorgelegten Lichtbildern (Bl. 22 der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts; Anlage K 11 zum Schriftsatz vom 1. Februar 2022) ist der betroffene Straßenabschnitt ohne Beeinträchtigung für die Verkehrsteilnehmer auf seiner gesamten Länge und Breite nutzbar. Dies bestreitet auch die Beklagte nicht. Soweit sie vorträgt, dass sich die Asphaltdecke teilweise auf nachbarlichem Grund befinde und zu einer Vernässung der Garagenmauer eines weiteren Anliegers führen werde, ergibt sich keine Beeinträchtigung des Verkehrs. Diese Einwände betreffen vielmehr die Beklagte als Grundstückseigentümerin und Trägerin der Straßenbaulast. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Beeinträchtigung durch den von der Beklagten monierten fehlenden Regenablauf, da insofern weder vorgetragen noch ersichtlich ist, wie sich dieser Umstand auf die Verkehrssicherheit auswirkt (z.B. erhöhte Rutschgefahr).
c. Da bereits der Tatbestand des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG nicht erfüllt ist, kommt es auf den vom Kläger beanstandeten Ermessensausfall bzw. eine Ermessensreduzierung auf Null nicht an. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis steht zwar im Ermessen der Behörde (Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand März 2020, Art. 18 Rn. 26). Die Struktur einer Ermessensermächtigungsnorm zeichnet sich aber grundsätzlich dadurch aus, dass die Tatbestandsmerkmale als bestimmte Rechtsbegriffe zu subsumieren sind und sich erst an die Subsumtion die Ermessensausübung anschließt (vgl. Geis in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 40 Rn. 20). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend mangels Erfüllung des Tatbestands (s.o.) eine Ermessenausübung nicht durchzuführen. Soweit der Kläger eine fehlende Ermessenentscheidung durch das Verwaltungsgericht bemängelt, steht dem schon § 114 VwGO entgegen.
d. Ebenso wenig ist damit die vom Kläger aufgeworfene Frage der zeitlichen Dauer einer Sondernutzungserlaubnis entscheidungserheblich.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch keine Duldungspflicht der Beklagten nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung.
Der Grundsatz der Selbstbindung gründet im Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV). Er verwehrt der Verwaltung, von einer etablierten Verwaltungspraxis, etwa einer bestimmten Ermessensausübung, ohne sachlichen Grund abzuweichen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 23.4.2003 – 3 C 25.02 – NVwZ 2003, 1384 = beckonline; B.v. 17.2.2020 – 2 VR 2.20 – DRiZ 2020, 186 = beckonline; B.v. 15.12.2020 – 3 B 34.19 – juris Rn. 39; BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – BeckRS 2006, 23189).
Eine solche Selbstbindung liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, dass sich aus dem Vorbringen des Klägers und den vorgelegten Lichtbildern keine vergleichbaren Sachverhalte ergeben, aus denen sich eine Selbstbindung überhaupt ableiten ließe. Dies hat der Kläger nicht durch schlüssige Gegenargumente in seiner Zulassungsbegründung bzw. in seinem Schreiben vom 1. Februar 2022 infrage gestellt. Sein Vorbringen erschöpft sich weitestgehend in der Wiederholung des Vortrags im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Hier wie dort verweist der Kläger mehr oder weniger pauschal auf von der Beklagten geduldete Eingriffe in den Straßenkörper anderer Bewohnern der Stadt, ohne die örtlichen Gegebenheiten näher zu beschreiben. Inwieweit überhaupt von einer Vergleichbarkeit gesprochen werden kann, wenn in einem Fall der Geh- und Radweg verändert wurde und nicht wie hier die Fahrbahn, lässt der Kläger offen. Aus dem Hinweis des Klägers, eine solche Darlegung obliege allein der Beklagten, folgt nichts Anderes, da es zunächst Sache des Klägers ist, die anspruchsbegründenden Umstände näher darzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.1982 – 2 B 126.91 – juris Rn. 5; Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 24 Rn. 124). Auch soweit der Kläger anführt, das Verwaltungsgericht habe aus den Lichtbildern die falschen Schlüsse gezogen, legt er nicht dar, aus welchen Gründen diese fehlerhaft sein sollen.
Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe von Amts wegen auf die „Einwendung“ des sich aus § 242 BGB ergebenden Grundsatzes von Treu und Glauben abgestellt, obwohl sie von der Beklagten nicht erhoben wurde, verkennt er, dass es sich hierbei um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, der selbst im Zivilprozess von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, U.v. 23.5.1962 – V ZR 123/60 – NJW 1962, 1344 = beckonline; Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 242 Rn. 83). Inwieweit auf Grund der „verkehrsrechtlichen Anordnung“ treuwidriges Verhalten ausscheiden soll, begründet der Kläger nicht. Hinzu kommt, dass eine verkehrsrechtliche Anordnung für Straßenbauarbeiten regelmäßig keine Erlaubnis zur Veränderung der Straße enthält.
Ebenso wenig zeigt der Kläger auf, inwiefern auf Grund des Verhaltens der H … … … GmbH & Co. KG treuwidriges Verhalten in Bezug auf die hier im Streit stehende Duldungspflicht ausscheiden soll. Immerhin hat der Kläger die Höhenangleichung ohne Zustimmung der Beklagten vorgenommen, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist. Allerdings mag – wie der Kläger nun zutreffend anführt (S. 4 des Schreibens vom 1. Februar 2022) – eine Beseitigungsanordnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen bzw. unverhältnismäßig sein. Eine solche ist aber vorliegend nicht Streitgegenstand.
B. Soweit der Kläger mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe die von der Beklagten am 21. November 2017 erteilte verkehrsrechtliche Erlaubnis nicht gewürdigt, auf deren Basis die Straße zur Herstellung des Kanalanschlusses von der Firma H … … … GmbH & Co. KG aufgegraben wurde, einen Verfahrensmangel wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen wollte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), genügt der Zulassungsantrag bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Rügt der Beschwerdeführer das Übergehen eines Vortrags, muss er konkret und im Einzelnen schlüssig dartun, welches wesentliche und entscheidungserhebliche Vorbringen die Vorinstanz übergangen haben soll. Mit Blick auf die Entscheidungserheblichkeit muss nachvollziehbar aufgezeigt werden, dass die Vorinstanz auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung bei der angeblich versäumten Gewährung rechtlichen Gehörs möglicherweise anders entschieden hätte. Da ein Gehörsverstoß nur anzunehmen ist, wenn der Betroffene alle ihm gegebenen prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, sich Gehör zu verschaffen, muss in der Zulassungsbegründung gegebenenfalls auch substanziiert und nachvollziehbar aufgezeigt werden, dass diesem Gebot Rechnung getragen wurde bzw. dass insoweit keine zumutbare Möglichkeit bestand (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2020 – 5 PB 2/19 – juris Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
Insbesondere ist nicht dargelegt, inwiefern die verkehrsrechtliche Anordnung einer Verkehrsbeschränkung zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum nach § 44 Abs. 1 Satz 1, § 45 Abs. 1 StVO vom 21. November 2017 für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich angekommen wäre, zumal diese ausweislich ihres Wortlauts den Kläger ersichtlich nicht zur Vornahme von Straßenbauarbeiten und schon gar nicht zur eigenmächtigen Niveauangleichung der Straße an seine Grundstückszufahrt berechtigt hat. Sie diente vielmehr dazu, zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum eine Straßenseite für den Verkehr (Fahrzeug-, Fußgänger- und Radverkehr) zu sperren (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 1 StVO).
C. Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen Hilfsantrag auf erneute Verbescheidung in Nr. 3 übergangen, begründet dies keinen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Insoweit wäre der Kläger gehalten, gem. § 120 VwGO ggf. Antrag auf Urteilsergänzung zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1994 – 9 C 529.93 – NVwZ 1994, 1117/1118 = beckonline; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, vor § 124 Rn. 25). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Antrag nicht übergangen. Vielmehr ist es auf den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Verbescheidung sowohl im Tatbestand (UA S. 7) als auch – wenn auch äußerst knapp – in den Entscheidungsgründen (UA S. 8 unter 1.2) eingegangen. Dass das Gericht den Antrag auf Neuverbescheidung zusammen mit dem Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis behandelt hat, war aus seiner Sicht folgerichtig, da es bereits den Tatbestand des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG als nicht erfüllt angesehen hat, sodass ein Anspruch des Klägers auf Neuverbescheidung aus denselben Gründen abzulehnen war wie der Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis.
D. Schließlich ist der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan.
Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem von einem anderen in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gericht aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent widersprochen hat. Die divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden (vgl. BVerwG, B.v. 4.11.2021 – 9 B 31.21 – BeckRS 2021, 39191 Rn. 10; B.v. 20.4.2017 – 8 B 56.16 – juris Rn. 5).
Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht im Ansatz gerecht. Der Kläger hat schon keinen abstrakten Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet, dem er einen ebensolchen eines in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichts gegenüberstellt. Vielmehr rügt der Kläger in der Sache eine unrichtige Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, wenn er ausführt, dass das Verwaltungsgericht keinen Eingriff in den Straßenköper annehme, der immer eine Sondernutzung darstelle.
Ungeachtet dessen, liegt auch keine Divergenz vor. Der (abstrakte) Rechtssatz, „dass der Eingriff in den Straßenkörper eine Sondernutzungserlaubnis erfordere“, ergibt sich nicht aus der vom Kläger in der Zulassungsbegründung zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 17. Februar 1978 (Az. 5 VIII 75 = juris). Die vom Kläger zitierten Sätze
„Die Sondernutzungserlaubnis ist zu versagen, wenn Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn ein Ladeverkehr in einem dem ruhenden Verkehr und dem Fußgängerverkehr gewidmeten Bereich eröffnet werden soll“
enthalten diesen Rechtssatz nicht. Vielmehr behandelt er die Frage des Vorliegens eines zwingenden Versagungsgrundes (S. 15 der Urteilsgründe). Die Frage, ob die Verladerampe eine Sondernutzung i.S.d. Art. 18 BayStrWG darstellt, lässt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich dahingestellt („…, ist die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 Abs. 1 BayStrWG grundsätzlich denkbar, vorliegend aber rechtlich nicht möglich, weil Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegenstehen.“, vgl. S. 14 unten der Urteilsbegründung). Im Übrigen findet sich das obige Zitat in der angeführten Entscheidung so nicht. Vielmehr handelt es sich um einen aus redaktionellen Gründen in der Zeitschrift „Die öffentliche Verwaltung“ (DÖV 1978, 377) veröffentlichten und von der juris GmbH übernommenen Orientierungssatz, der den Inhalt der Entscheidung zusammenfassen soll (vgl. https://www.juris.de/jportal/portal/page/fshelp.psml?cmsuri=/hilfe/de/r3/dokumentausgabe_1/ansicht/ansicht.jsp, abgerufen am 2. Februar 2022). Es handelt sich damit schon gar nicht um einen Rechtssatz i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) und entspricht der Festsetzung des Streitwerts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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