Verwaltungsrecht

Dreijährige Bewährungszeit nach Beförderung

Aktenzeichen  6 CE 19.1322

Datum:
20.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19814
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Eine am Regelbeurteilungszeitraum orientierte dreijährige Bewährungszeit vor Einbeziehung in ein Auswahlverfahren für eine höherwertige Stelle ist mit dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) vereinbar, weil sie sicherstellt, dass sich der Beförderungsbewerber in dem niedrigeren Amt über eine gewisse Mindestzeit bewährt hat, so dass eine sichere Beurteilungsgrundlage für den Beförderungsdienstposten besteht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 E 19.858 2019-06-19 VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Juni 2019 – AN 16 E 19.858 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 12.690,27 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Regierungsamtmann (BesGr A 11) und steht im Dienst der Antragsgegnerin. Er beantragt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Besetzung des mit der Besoldungsgruppe (BesGr) A 12 bewerteten Dienstpostens „Sachbearbeiter/-in im Personalmanagement PM 1“ beim Bundeswehr-Dienstleistungszentrum I. mit der Beigeladenen, die als Arbeitnehmerin bei der Bundeswehrverwaltung in der Entgeltgruppe E 10 TVöD beschäftigt ist.
Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller nicht in den Leistungsvergleich mit den anderen Bewerbern einbezogen, weil er zuletzt am 30. Mai 2018 zum Regierungsamtmann befördert worden war und deshalb die in Nr. 335 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/16 „Personalentwicklung für Beamtinnen und Beamte“ vorgesehene Bewährungszeit von drei Jahren noch nicht erfüllt. Gegen die ihm mit Schreiben vom 27. März 2019 bekanntgemachte Negativmitteilung hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2019 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt‚ dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe, weil die Auswahlentscheidung für die Vergabe des Dienstpostens seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nicht verletze. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller bei ihrem gestuften Auswahlverfahren bereits deshalb zu Recht nicht in den Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern einbezogen, weil er angesichts seiner Beförderung zum Regierungsamtmann (BesGr A 11) am 30. Mai 2018 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im März 2019 noch nicht die nach Nr. 335 der ZDv A-1340/16 für die Übernahme eines Amtes der Besoldungsgruppe A 12 geforderte Verwendungsdauer von drei Jahren in einem Amt der Besoldungsgruppe A 11 erfüllt habe. Das Erfordernis einer dreijährigen Bewährungszeit stehe mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang und entspreche dem bei der Antragsgegnerin praktizierten Regelbeurteilungszeitraum von drei Jahren.
Hiergegen macht der Antragsteller mit seiner Beschwerde u.a. geltend, dass die Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin nicht mit dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang stehe. Die Obergrenze einer zulässigen Bewährungszeit werde in Nr. 335 ZDv überschritten, weil dort eine Verwendungsdauer von mindestens drei Jahren festgeschrieben werde, während die einschlägige Rechtsprechung höchstens drei Jahre zulasse. Außerdem sei die ZDv A-1340/16 als verwaltungsinternes Regelwerk schon von der Rechtsqualität her nicht geeignet, den Leistungsgrundsatz einzuschränken. In der Stellenausschreibung hätte zwingend auf die ZDv verwiesen werden müssen. Wenn bezüglich eines Beamten eine dreijährige Verwendungsdauer gefordert werde, Angestellte dieses Erfordernis aber nicht erfüllen müssten, verletze dies den Bewerbungsverfahrensanspruch und führe zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Beamten.
Der Antragsteller beantragt‚
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 19. Juni 2019 der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, die ausgeschriebene Stelle vorläufig nicht zu besetzen und keinem anderen Bewerber zu übertragen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt‚
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerdegründe‚ die fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegt worden sind und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO)‚ rechtfertigen es nicht‚ dem mit der Beschwerde weiter verfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG zu entsprechen.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2004 – 2 VR 3.03 – juris Rn. 8). Die Antragsgegnerin durfte ihn bei dem Stellenbesetzungsverfahren um einen nach Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstposten schon deshalb auf einer ersten Stufe außer Betracht lassen, weil er die in Nr. 335 ZDv A-1340/16 vorgegebene dreijährige Bewährungszeit seit seiner letzten Beförderung (bei weitem) noch nicht erfüllt hat. Der Antragsteller wird hierdurch nicht in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Die in Nr. 335 ZDv A-1340/16 festgelegte Wartezeit von drei Jahren seit der letzten Beförderung verstößt nicht gegen die allgemeinen Grundsätze, welche die Zulässigkeit solcher Regelungen als Voraussetzung für eine Beförderung oder die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens beschränken.
Da Wartezeiten der hier in Rede stehenden Art (sog. „Bewährungszeiten“) nicht an unmittelbar leistungsbezogene Gesichtspunkte anknüpfen‚ darf von ihnen der Zugang zu einer den Grundsätzen der Bestenauswahl unterliegenden Beförderung oder der Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens nur unter besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Wartezeiten stehen nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang‚ wenn sie der sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes dienen und mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers im bisherigen Statusamt festgestellt werden soll. Dieser Zweck‚ die zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen‚ setzt dem zeitlichen Umfang solcher „Bewährungszeiten“ Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein‚ als es typischerweise erforderlich ist‚ um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose zu schaffen. Danach hängt die Dauer von Wartezeiten entscheidend vom Inhalt der jeweiligen Ämter bzw. von der betroffenen Laufbahn ab‚ wobei der (diesbezüglich) für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum in aller Regel die Obergrenze darstellt (vgl. BVerwG‚ U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 17; U.v. 28.10.2004 – 2 C 23.03 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 6 CE 17.2444 – juris Rn 17; OVG NW‚ B.v. 2.10.2018 – 1 B 1357.18 – juris Rn. 7; B.v. 13.9.2017 – 1 B 910/17 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Die Bewährungszeit von drei Jahren nach Nr. 335 ZDv A-1340/16 überschreitet diese zeitliche Obergrenze entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht. Vielmehr entspricht sie nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts exakt dem bei der Antragsgegnerin praktizierten (Regel-)Beurteilungszeitraum von drei Jahren. Die von der Antragsgegnerin festgelegte Bewährungszeit ist daher grundsätzlich mit dem Leistungsprinzip vereinbar; sie trägt darüber hinaus sogar zur Verwirklichung des Leistungsgrundsatzes bei, weil sie mit einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgeht, dass die Wartezeit sicherstellt, dass sich der Beförderungsbewerber in dem niedrigeren Amt über eine gewisse Mindestzeit hinweg bewährt, so dass sie typischerweise eine sichere Beurteilungsgrundlage für den Beförderungsdienstposten gewährleistet (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 6 CE 17.2444 – juris Rn 18; VGH BW, B.v. 13.12.1999 – 4 S 2518/97 – juris Rn. 11). Der Antragsteller, der zuletzt am 30. Mai 2018 zum Regierungsamtmann (BesGr A 11) befördert worden war, erfüllt diese Mindestbewährungszeit (bei weitem) noch nicht; er war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin im März 2019 noch nicht einmal ein Jahr in der Besoldungsgruppe A 11 beschäftigt.
Auch die weiteren mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg.
Verwaltungsvorschriften wie die ZDv A-1340/16 sind ermessensregelnde und -bindende Rechtssätze der Verwaltung; sie entfalten ihre Bindungswirkung erst mit ihrer Bekanntgabe und gegebenenfalls Publikation (vgl. BVerwG, B.v. 26.4.2006 – 1 WB 46.05 – juris – Rn. 24). Nach den unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin ist die ZDv A-1340/16 allen betroffenen Beschäftigten in ihrem Geschäftsbereich bekannt gemacht worden und kann durch diese jederzeit über das Intranet der Antragsgegnerin abgerufen und eingesehen werden. Angesichts dessen war ein ausdrücklicher Verweis auf die Geltung dieser Zentralen Dienstvorschrift in der Stellenausschreibung nicht erforderlich.
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Antragstellers, dass es seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletze und zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden, gleichheitswidrigen Benachteiligung führe, wenn von Beamten das Erfordernis einer dreijährigen Verwendungsdauer gefordert werde, Angestellte dieses Erfordernis aber nicht erfüllen müssten. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, liegt bereits keine unterschiedliche Behandlung wesentlich gleicher Sachverhalte vor. Während der Beamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn steht, das maßgeblich durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums geprägt wird (vgl. Art. 33 Abs. 4 und Abs. 5 GG), werden die Rechte und Pflichten des Tarifbeschäftigten maßgeblich durch seinen Arbeitsvertrag bestimmt. Für beide Berufsgruppen gelten zahlreiche unterschiedliche rechtliche Regelungen; sie unterscheiden sich wesentlich voneinander. So werden Beamte beispielsweise anhand der Anforderungen ihres Statusamtes dienstlich beurteilt, während Tarifbeschäftigte anhand der Aufgaben ihres konkreten Arbeitspostens gemessen werden. Es stellt daher keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte dar, wenn die Antragsgegnerin als Dienstherrin von Beamten bestimmter Besoldungsgruppen eine (mindestens) dreijährige Bewährungszeit im bisherigen Statusamt fordert, während sie als Arbeitgeberin bei Arbeitnehmern eine mehrjährige, erfolgreiche Sachbearbeitungstätigkeit im entsprechenden Verwendungsbereich voraussetzt. Die Ausführungen des Antragstellers zu einer Konkurrenzsituation zwischen Beamten und Angestellten, einer fehlenden Vergleichbarkeit der (Beurteilungs-)Grundlagen und einer zeitlichen Inkongruenz (Beschwerdeschrift S. 6 bis 9) gehen daher bereits im Ansatz fehl.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit‚ etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären‚ weil diese im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und damit selbst kein Kostenrisiko eingegangen ist. (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge (vgl. BayVGH‚ B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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