Verwaltungsrecht

Einordnung eines weiteren Schutzbegehrens als Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  RN 12 K 17.33130

Datum:
4.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32789
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 Abs. 1
VwVfG § 51
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 2, Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Ein nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU und Schaffung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG am 01.12.2013 gestellter „Asylfolgeantrag“ ist jedenfalls dann, wenn in einem vor dem 01.12.2013 abgeschlossenen Erstverfahren negativ über ein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG in der damals (vom 28.08.2007 bis 30.11.2013) geltenden, alten Fassung vom 19.08.2007 entschieden wurde, auch im Hinblick auf die begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes als Folgeantrag gemäß § 71 AsylG zu behandeln.
2. Ein dann nach Inkrafttreten des § 4 AsylG am 01.12.2013 auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes, weiteres Schutzbegehren ist dennoch als Folgeantrag zu behandeln. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan hat sich nicht derart verschlechtert, dass die Schutzregelung nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG greift. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Trotz der bestehenden desolaten Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan kann in der Gesamtschau der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer in Afghanistan alsbald in existenzielle Gefahr i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG gerät. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist teilweise unzulässig. Sie ist in der Form, in der sie mit den in der Klageschrift vom 26.05.2017 enthaltenen und wegen des Ausbleibens in der mündlichen Verhandlung nicht weiter präzisierten Anträgen gestellt ist, nicht statthaft, soweit begehrt wird, die Beklagte zu verpflichten, „bei dem Kläger internationalen Schutz gem. §§ 3, 4 AsylG festzustellen“. Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Asylgesetz (AsylG) ergeht seit der Änderung des § 29 AsylG durch das Integrationsgesetz (v. 31.7.2016, BGBl. I. S. 1939) als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Die entsprechende Entscheidung kann allein mit der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – Az. 1 C 4/16 -, juris, Rn. 15 ff.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 – Az. 1 C 4/16 -, juris, Rn. 20 f.) ist ferner geklärt, dass die vom Bundesamt nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu treffende Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, einen eigenen Streitgegenstand bildet. Dieser Streitgegenstand kann – in Fällen, in denen wie vorliegend das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 AsylG mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen – durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung zu richtenden Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden (vgl. zum Ganzen BayVGH, Beschluss vom 08.03.2019 – 10 B 18.50031 -, juris, Rn. 19 m.w.N.). Damit aber ist die Klage nur statthaft und – da im Übrigen gegen ihre Zulässigkeit keine Bedenken bestehen – zulässig, soweit die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 17.05.2017 und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird. Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
Soweit die Klage zulässig ist, erweist sie sich jedoch als nicht begründet. Das Bundesamt hat die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in rechtmäßiger Weise als unzulässig abgelehnt. Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamtes für … vom 17.05.2017 (Az. 5…-423) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Der Kläger erfüllt im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung außerdem nicht die Voraussetzungen für eine Feststellung nationaler Abschiebungshindernisse. Der Bescheid des Bundesamts vom 30.07.2019 ist daher auch in Ziffer 2 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Nicht zu beanstanden sind schließlich Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
1. Das Bundesamt hat die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zu Recht als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1 des Bescheids), weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen, §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Die in Ziffer 1 des Bescheids getroffene Unzulässigkeitsentscheidung erweist sich als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen nicht vor. Der Kläger hat vorliegend bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen. Dies gilt auch, soweit er die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG begehrt, obwohl der Kläger sein erstes Asylverfahren bereits vor dem 01.12.2013 und damit vor Schaffung und Inkrafttreten des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU durchlaufen hat und die inhaltlich im Wesentlichen identischen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG nach der nunmehr geltenden Rechtslage damals in der Sache noch unter der Vorschrift eines Abschiebungsverbots nach § 60 AufenthG in der damals (vom 28.08.2007 bis 30.11.2013) geltenden, alten Fassung vom 19.08.2007 (a.F.) geprüft wurden. Denn dies ändert jedoch jedenfalls dann, wenn wie beim Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 AufenthG a.F. in seinem ersten Asylverfahren verneint wurde, nichts daran, dass ein dann nach Inkrafttreten des § 4 AsylG am 01.12.2013 auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes, weiteres Schutzbegehren dennoch als Folgeantrag zu behandeln ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine positive Entscheidung über § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gleichzusetzen (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 1 C 16/14 -, juris, Rn. 15; BayVGH, Urteil vom 13.12.2016 – 20 B 15.30049 -, juris, Rn. 27) und hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Asylantragsteller, für den im Erstverfahren vor dem 01.12.2013 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt wurde, zur Erlangung des subsidiären Schutzstatus einen weiteren Asylantrag stellen kann, ohne dass dieser insoweit dem Regime des § 71 AsylG unterworfen wäre (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 1 C 16/14 -, juris, Rn. 23). Tragende Erwägung dieser Entscheidungen waren jedoch die unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Folgen bei Feststellung eines Abschiebungsverbotes und bei Gewährung subsidiären Schutzes. Asylantragstellern, bei welchen ein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, wird auf diesem Wege die Möglichkeit gegeben, darüber hinaus den Schutzstatus nach § 4 AsylG zu erlangen, um die zusätzlichen aufenthaltsrechtlichen Vorteile ausschöpfen zu können. Dies trifft jedoch auf Asylantragsteller, in deren vor dem 01.12.2013 durchgeführtem Asylverfahren negativ über die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 AufenthG entschieden wurde, nicht zu, da für sie keine Notwendigkeit und keine Möglichkeit besteht, zur Ausschöpfung zusätzlicher aufenthaltsrechtlicher Folgen ihren Schutzstatus „auszubauen“. Vielmehr ergibt sich nach Sinn und Zweck des § 71 AsylG, doppelte sachliche Prüfungen bereits geprüfter, unveränderter Sachverhalte zu vermeiden, dass in diesen Fällen und deshalb auch vorliegend beim Kläger auch bei einem auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG gerichteten Schutzbegehren von einer Folgeantragskonstellation auszugehen ist (a.A VG Cottbus, Urteil vom 08.02.2017 – 1 K 273/11.A -, juris, Rn. 51). Denn in der Sache wurde, wenn auch im Hinblick auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG a.F., insoweit über ein entsprechendes Schutzbegehren bereits einmal entschieden, sodass für eine erneute Prüfung – wenn und weil darüber im ersten Verfahren schon einmal negativ entschieden wurde, sodass im Hinblick auf aufenthaltsrechtliche Folgen eine „Anreicherung“ eines Abschiebungsverbots zu subsidiärem Schutz nicht in Betracht kommt – Anlass nur unter den sich aus § 71 AsylG ergebenden Voraussetzungen besteht.
Da der Kläger somit bereits erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat, wäre nach § 71 Abs. 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, Beschluss vom 03.03.2000 – 2 BvR 39/98 -, juris, Rn. 32 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 -, juris, Rn. 14). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Eine veränderte Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 VwVfG muss der Asylantragsteller insbesondere schlüssig, substantiiert und – bezogen auf seine individuelle Situation – glaubhaft darlegen. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn sich die für die unanfechtbare Entscheidung maßgeblichen, d.h. ihr zugrundeliegenden Tatsachen ändern. Maßgeblich sind diejenigen Tatsachen, deren Subsumtion unter die einschlägigen Rechtsnormen die Entscheidung tragen. Dabei sind als Tatsachenänderung auch Erkenntnisfortschritte anzusehen, durch die Annahmen widerlegt werden, auf denen der in Frage stehende Bescheid beruht (Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Auflage 2017, § 51 Rn. 29). Die Änderung muss Faktoren betreffen, die im ursprünglichen Verfahren und in einem sich gegebenenfalls anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren für den Inhalt des Verwaltungsaktes entscheidungserheblich waren und sie muss bereits eingetreten sein; lediglich zu erwartende Änderungen fallen nicht unter die Regelung (Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Auflage 2017, § 51 Rn. 25). Beweismittel sind alle Erkenntnismittel, die geeignet sind, das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tatsache zu beweisen (Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Auflage 2017, § 51 Rn. 32a). Ein Beweismittel ist neu, wenn es während des vorangegangenen Verfahrens entweder noch nicht existierte oder dem Asylbewerber nicht bekannt oder von ihm ohne Verschulden nicht beizubringen war. Als neue Beweismittel kommen auch neue Gutachten über die allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat in Betracht. Das Beweismittel muss geeignet sein, eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung herbeizuführen, d.h. für sich alleine oder in Verbindung mit anderen, wenn auch schon bekannten Beweismitteln geeignet sein, der Behörde die Überzeugung zu vermitteln, dass die Behörde damals von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und bei Kenntnis der wirklichen Tatsachen zugunsten des Betroffenen anders entschieden hätte (Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Auflage 2017, § 51 Rn. 35). Als solche Beweismittel kommen neben amtlichen Auskünften u.a. Medienberichte und Stellungnahmen von Menschenrechtsorganisationen in Betracht. Ist das Beweismittel nicht geeignet, in dem durch den Verwaltungsakt entschiedenen Fall bei nochmaliger Sachprüfung eine andere Entscheidung herbeizuführen, so ist der Wiederaufnahmeantrag unzulässig (Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Auflage 2017, § 51 Rn. 35 m.w.N.). Bezieht sich das Beweismittel auf eine neue Sach- oder Rechtslage, kommt § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zur Anwendung. Zeugen kommen als neue Beweismittel in Betracht, sofern sie früher nicht bekannt oder erreichbar waren. Ihre Eignung als Wiederaufgreifensgrund hängt aber davon ab, dass die allgemeinen Anforderungen an dahingehende Beweisanträge eingehalten sind. Die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen müssen also asylerheblich sein (vgl. hierzu insgesamt auch Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 71 AsylG, Rn. 26 ff.).
a. Der Kläger hat aufgrund seines Ausbleibens in der mündlichen Verhandlung von der Gelegenheit, seinen Vortrag zu substantiieren, keinen Gebrauch gemacht. Weder in seinen Angaben beim Bundesamt noch durch das schriftsätzliche Vorbringen im gerichtlichen Verfahren hat er außerdem auch nur ansatzweise neue Gründe für sein Schutzbegehren vorgebracht, die es aufgrund geänderter Umstände möglich erscheinen lassen könnten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan womöglich mit der jeweils erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine individuelle Verfolgung aus einem in § 3b AsylG genannten Grund, die Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 ff. AsylG oder die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG ist, oder ihm individuell ein für die Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 AsylG notwendiger ernsthafter Schaden, insbesondere Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, drohen würde. Im verfahrensgegenständlichen Bescheid wird auf Seite 4 zutreffend dargestellt, dass und warum das Vorbringen des Klägers im Folgeantragsverfahren als nicht glaubhaft anzusehen und überdies auch ohnehin nicht geeignet ist, die Angaben des Klägers im Erstverfahren entgegen der damaligen behördlichen und gerichtlichen Einschätzung nunmehr als glaubhaft erscheinen zu lassen oder für sich Grund zu der Annahme zu geben, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens gemäß § 4 Abs. 1 AsylG, insbesondere Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, oder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte. Das Gericht folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des angegriffenen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers auch daraus ergeben, dass er im Erst- und im Folgeverfahren unterschiedliche Angaben zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang in Afghanistan gemacht hat. Soweit der Kläger in seiner schriftlichen Folgeantragsbegründung auf einen familiären Konflikt verwiesen hat, hat er dies nicht einmal ansatzweise substantiiert, sodass auf Grundlage seiner Angaben nicht ersichtlich ist, dass sich die Sachlage zugunsten des Klägers geändert haben könnte.
b. Auch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan hat sich, wie der Kläger unter Verweis vor allem auf Berichte des UNCHR, nicht derart verschlechtert, dass zugunsten des Klägers die Schutzregelung nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylG greifen würde. Auch unter Berücksichtigung neuerer und neuester Erkenntnismittel liegt eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht vor.
(1) Mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist Art. 15 Buchst. c) EU-QRL (und damit der diesem entsprechende, wortlautgleiche § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) dahingehend auszulegen, dass für die Anwendung dieser Bestimmung vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen ist, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht. Die Feststellung des Vorliegens eines bewaffneten Konflikts darf nicht von einem bestimmten Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder von einer bestimmten Dauer des Konflikts abhängig gemacht werden, wenn diese dafür genügen, dass durch die Auseinandersetzungen, an denen die Streitkräfte beteiligt sind, ein Grad an willkürlicher Gewalt entsteht, so dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, und der Antragsteller somit tatsächlich internationalen Schutz benötigt (EuGH, Urteil vom 30.01.2014 – Rs. C 285/12 ). Bereits in seiner Entscheidung (EuGH, Urteil v. 17.02.2009 – Rs. C 465/07) führte der EuGH aus, das Adjektiv „individuell” in Art. 15 Buchst. c) EU-QRL sei dahin zu verstehen, dass es sich auch auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein.
Im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des EuGH geht das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls davon aus, dass sich auch die allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgeht, individuell so verdichten kann, dass sie eine ernsthafte individuelle Bedrohung i.S.d. Art. 15 Buchst. c) EU-QRL sowie i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 -, juris, Rn. 13 ff.). Eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Die geforderte „individuelle“ Bedrohung muss aber nicht notwendig auf die spezifische persönliche Situation des schutzsuchenden Ausländers zurückzuführen sein. Sie kann unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 -, juris, Rn. 15). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird, d.h. soweit sich dieser nicht bereits vor seiner Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst hat und sich in einem anderen Landesteil auf unabsehbare Zeit niedergelassen hat. Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Klägers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Kläger stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15/12 -, juris, Rn. 13 f.; BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 -, juris, Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 -, juris, Rn. 25). Ergibt sich, dass in der für ihn maßgeblichen Region eine individuelle Bedrohung des Klägers wegen eines außergewöhnlich hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen ist, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Herkunftslandes, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz gemäß §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3e AsylG finden kann (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 -, juris, Rn. 30 ff.).
(2) Es kann dahinstehen, ob unter Berücksichtigung dieses Maßstabes die in Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban sowie anderen oppositionellen Kräften, als neuer Faktor seit 2015 vor allem militante Gruppen, die sich zum „Islamischen Staat“ in der Provinz Khorasan (ISPK) bekennen, und/oder die stattfindenden Terroranschläge landesweit oder in Teilen von Afghanistan als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind. Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson, wie sie der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für die Zuerkennung subsidiären Schutzes voraussetzt, ist es nicht ausreichend, dass ein eventueller Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt und die abstrakte Gefahr besteht, Opfer einer derartigen kriegerischen Auseinandersetzung zu werden (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 10 C 6/13 -, juris, Rn. 24), sondern es bedarf der Feststellung, dass die Gefahr individuell bezogen auf den Schutzsuchenden besteht. Das Tatbestandsmerkmal der „ernsthaften individuellen Bedrohung“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegt in der Person des Klägers aber nicht vor. Dieses erfordert nämlich nach oben dargelegten Maßstäben entweder eine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit im jeweiligen Gebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden oder persönliche Umstände, die das derartige Risiko erheblich erhöhen. Dies ist im Fall des Klägers beides nicht ersichtlich.
Eine Gefahrendichte im Sinne der erstgenannten Alternative ist in Afghanistan im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht gegeben. Deren Annahme erfordert eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Zahl der Opfer von Akten willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie – in qualitativer Hinsicht – eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Schwere der Schädigungen unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 13.02.2014 – 10 C 6/13 -, juris, Rn. 24 und Urteil vom 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, juris, Rn. 23). Bei Anlegung dieses Maßstabs kann trotz der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan die erforderliche Gefahrendichte nicht bejaht werden. Die aktuelle statistisch erkennbare Gefahrendichte gibt keinen Anlass zur Annahme, dass der Kläger einer individuellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Insgesamt waren in Afghanistan im Jahr 2015 3.565 zivile Todesopfer und 7.469 verletzte Zivilpersonen zu beklagen. Im Jahr 2016 sind 3.510 Tote und 7.924 Verletzte erfasst. Im Jahr 2017 sind 3.438 Tote und 7.015 Verletzte erfasst (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, February 2018, S. 9). Das sind im Vergleich zu 2016 2% weniger Tote und 11% weniger Verletzte. Ein Vergleich der Summe der zivilen Opfer in 2017 von 10.453 gegenüber der Übersicht für den gleichen Zeitraum in den Jahren 2014 bis 2016 (2014: 10.535 (davon 3.701 Tote), 2015: 11.034 (davon 3.565 Tote), 2016: 11.434 (davon 3.510 Tote)) ergibt weitgehend gleichbleibende Opferzahlen bei seit 2014 jährlich leicht sinkenden Todeszahlen (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, February 2018, S. 9). Für das Jahr 2018 sind 10.993 zivile Opfer (davon 3.804 Tote) dokumentiert (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2018, February 2019, S. 1), was – trotz eines leichten Anstiegs der Todeszahlen – insgesamt in etwa den Opferzahlen für 2014 und 2017 und einem erkennbaren Rückgang gegenüber den Opferzahlen 2015 und 2016. Zu berücksichtigten ist dabei aber auch, dass 1.007 Opfer (davon 266 Todesfälle) im Jahr 2018 Vorfällen zuzurechnen sind, die im Zusammenhang mit den stattfindenden Wahlen standen, insbesondere zwei Anschlägen am 22. April und am 6. Mai in Kabul bzw. Khost, und damit durch ein nicht regelmäßig stattfindendes Ereignis provoziert wurden (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2018, February 2019, S. 3; UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 September 2018, S. 8). Der zu beklagenden über Jahre sehr hohen, aber dennoch gleichbleibenden Zahl von zivilen Opfern steht aber eine geschätzte Einwohnerzahl von etwa 31,5 Millionen Einwohnern gegenüber (Islamic Republic of Afghanistan Central Statistics Organisation, Estimated Population of Afghanistan 2018-19, S. 1). Im ersten Quartal 2019 ging die Zahl ziviler Opfer um 23% gegenüber dem Vorjahr auf 1.773 Opfer (davon 581 Tote) zurück, was der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019). Im ersten Halbjahr 2019 gab es 3.812 zivile Opfer (1.366 Tote und 2.446 Verletzte), was einen Rückgang von 27% gegenüber dem selben Zeitraum im Vorjahr und den niedrigsten Wert ziviler Opfer in der ersten Hälfte eines Jahres seit 2012 bedeutet (UNAMA, Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2019). Zwar ist die Zahl ziviler Opfer im dritten Quartal 2019 stark angestiegen, insgesamt blieben die Opferzahlen (ingesamt 8.239 zivile Opfer, davon 2.563 Tote und 5.676 Verletzte) in den ersten drei Quartalen 2019 jedoch unter den Opferzahlen in den entsprechenden Zeiträumen der Jahre 2015, 2016 und 2018 und liegen in etwa auf dem Niveau des entsprechenden Zeitraums 2014 und 2017 (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 September 2019), wobei aber zu berücksichtigen ist, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Opfern auf Anschläge im Zusammenhang mit den Präsidentenwahlen und damit mit nicht regelmäßig stattfindenden Ereignissen zurückzuführen ist (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 September 2019, S. 6). Bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für den Zeitraum von Januar bis September 2019 für das Jahr 2019 insgesamt ergäbe sich mit 10.985 zivilen Opfern eine Zahl etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Das statistische Risiko, in Afghanistan Opfer eines Anschlags zu werden, liegt deshalb weiterhin im Promillebereich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist selbst eine Wahrscheinlichkeit von 1:800 (0,125%) nicht ausreichend für eine hinreichende Gefahrendichte (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, juris, Rn. 22). Da das Gefährdungsrisiko in Afghanistan diesen Maßstab auch nicht annähernd erreicht, kann die wertende Gesamtbetrachtung trotz der sehr schlechten humanitären Verhältnisse und medizinischen Versorgung nicht zur Bejahung einer individuellen Gefährdung allein aufgrund des Aufenthalts in Afghanistan führen. Die Bedrohungslage für Zivilisten speziell in der Provinz Kabul lag 2018 mit vier zivilen Opfern auf 10.000 Einwohner zwar über dem landesweiten Durchschnitt (Auswärtiges Amt, Lagebericht Juli 2019, S. 21), erreicht aber die genannte Gefahrenschwelle ebenfalls bei Weitem nicht. Diese Gefahrenschwelle wird daher auch unter Berücksichtigung der für das Jahr 2018 bekannten Opferzahlen in Kabul nicht überschritten (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2018, February 2019, Annex IV, S. 68; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 105 ff.). Auf die Situation in Kabul ist neben der landesweiten Gefährdungslage für die vorliegend vorzunehmende Beurteilung nach den genannten Grundsätzen besonderes Augenmerk zu legen, weil es sich dabei um die Region handelt, in der der Kläger vor seiner Ausreise gelebt hat und weil es sich bei der Provinz Kabul um die Region handelt, in der der Kläger im Falle einer freiwilligen Ausreise oder Abschiebung voraussichtlich ankommen wird. Aber auch in anderen Regionen Afghanistans wird die genannte Gefahrenschwelle nicht erreicht (vgl. zu den Opferzahlen in den einzelnen Regionen (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2018, February 2019, Annex IV, S. 68). Ohnehin kommt es letztlich zudem nicht darauf an, inwieweit sich speziell für die Heimatregion des Klägers Opferzahlen ergeben, aus denen sich ein höheres Opferrisiko errechnet und ob dieses den Anforderungen der genannten Rechtsprechung genügen würde. Es ist dem Kläger nämlich jedenfalls zuzumuten, sich in einem sichereren Gebiet von Afghanistan niederzulassen, was die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausschließt.
Die „Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan aufgrund einer Anfrage des Bundesministeriums des Innern“ vom Dezember 2016 sowie die „UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan“ vom 30. August 2018 begründen kein anderes Ergebnis. Zwar stellen die Anmerkungen vom Dezember 2016 fest, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (April 2016) insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe (a.a.O., S.1). Die Zahl an 1.601 getöteten Opfern im ersten Halbjahr 2016 stelle gegenüber 2015 einen Anstieg um 4% dar und sei die höchste seit 2009 (a.a.O., S.3). In den aktuellen Richtlinien vom August 2018 weist der UNHCR zwar unter anderem daraufhin, dass Gefahren zunehmend von Anschlägen mit Sprengsätzen und Selbstmordattentaten ausgehen, erkennt aber auch, dass die Opferzahlen 2017 zurückgegangen sind (a.a.O., S. 19 ff.). Der UNHCR legt seinen Einschätzungen außerdem, wie die vorliegende Entscheidung, die oben genannten, von UNAMA ermittelten Opferzahlen zugrunde. Soweit vom UNHCR daraus andere Schlüsse gezogen werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Bewertungen des UNHCR – wie auch schon die Bewertungen in den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 – aber auf vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben beruhen, die sich nicht mit den dargestellten Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an einen bewaffneten Konflikt und eine erhebliche individuelle Gefährdung decken (BayVGH, Beschluss vom 11. April 2017 – 13a ZB 17.30294 -, juris, Rn. 6 f.). Wie oben dargestellt, lässt sich den danach maßgebenden – und nach dem Ergehen der Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 fortgeschriebenen – Opferzahlen weder im Jahr 2016 noch im Jahr 2017 eine dramatische Verschlechterung entnehmen, sondern zumindest rechnerisch sogar eine geringfügige Verbesserung im Jahr 2017 gegenüber den Jahren 2016, 2015 und 2014. Gleiches lässt sich anderen neueren Berichte entgegnen, die eine dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan behaupten. Unabhängig davon ist aber auch der UNHCR weiterhin der Auffassung, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage sind, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben, in denen der Zugang zu notwendiger Infrastruktur und Wohnungen gewährleistet ist und die unter Kontrolle des Staates stehen. (UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 110).
Anlass zu Zweifeln an der vorliegenden Beurteilung der Gefahrenlage ergeben sich auch nicht daraus, dass UNAMA, auf deren Zahl sich die Einschätzung des erkennenden Einzelrichters wie auch der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes stützen, ausschließlich Fälle in die Statistik aufnimmt, über die von mindestens drei voneinander unabhängigen Quellen berichtet worden ist. Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – auch höher liegen können, ändert an dieser Bewertung nichts, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen (VG Bayreuth, Urteil vom 26.7.2017 – B 6 K 17.30520 -, juris, Rn. 49). Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften, ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor, so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden. Etwaige Unwägbarkeiten waren im Rahmen der vom Gericht vorgenommenen qualitativen Bewertung zu berücksichtigen, welche vorliegend mangels Anhaltspunkten aber keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung gegeben hat und in welcher im Hinblick auf Kabul aber etwa auch zu berücksichtigen ist, dass dort die medizinische Versorgungssituation typischerweise besser sein dürfte als in anderen Regionen. Außerdem ist bei einem von den Zahlen der UNAMA ausgehenden rechnerischen Risiko von rund 0,042%, als Zivilperson Opfer des Konflikts in der Provinz Kabul zu werden, auch bei tatsächlich wesentlich höheren Opferzahlen eine tatsächliche Gefahr bei Weitem zu verneinen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 133 ff.).
Die vorstehende Einschätzung, dass im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Zentralregion mit der Stadt Kabul und auch für ganz Afghanistan die erforderliche Gefahrendichte für die Bejahung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht generell gegeben ist, ein-schließlich der Einschätzung der aktuellen Stellungnahme des UNHCR, steht schließlich auch in Einklang mit aktuellen zweitinstanzlichen Entscheidungen (vgl. z.B. BayVGH, Beschluss vom 18.04.2019 – 13a ZB 19.30590 -, Rn. 5 f.; BayVGH, Beschluss vom 25.02.2019 – 13a ZB 18.32487; BayVGH, Urteil vom 08.11.2018 – 13a B 17.31918; BayVGH, Beschluss vom 26.03.2018 – 13a ZB 17.30399; Beschluss vom 03.11.2017 – 13a ZB 17.31228; Beschluss vom 03.11.2017 – 13a ZB 17.30625; Beschluss vom 08.11.2017 – 13a ZB 17.30615).
Individuell gefahrerhöhende Umstände, in Afghanistan Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, kann der Kläger nicht erfolgreich geltend machen. Besondere Umstände (z.B. Beruf, Ethnie, Religionszugehörigkeit) dafür, dass er individuell einem besonders hohen Risiko ausgesetzt wäre und diese ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, sind in der Person des Klägers nicht ersichtlich. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Risiko, Opfer von Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder sonstiger Aggressionen zu werden, für Rückkehrer aus dem Ausland erhöht ist (Lagebericht Auswärtiges Amt, Juli 2019, S. 31).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten. Insofern kann dahinstehen, ob sich das Bundesamt – entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – diesbezüglich auf die Prüfung von Wiederaufgreifensgründen beschränken durfte. Die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
a. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Betracht kommt im Zusammenhang mit einer Abschiebung insbesondere eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dazu, dass dies schon allein wegen der Bürgerkriegssituation und der Sicherheitslage in Afghanistan nicht der Fall ist, gelten die Ausführungen zu § 4 AsylG unter 1. entsprechend.
Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kann weiter in Betracht kommen bei der Abschiebung in ein Aufnahmeland, in dem so schlechte humanitäre Bedingungen bestehen, dass der Aufenthalt dort mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – Nr. 30696/06; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 – 1 B 2/19 -, juris, Rn. 6 m.w.N.). Dies gilt aber nur in ganz außergewöhnlichen Fällen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15/12 -, juris, Rn. 22 ff.). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein „Mindestmaß an Schwere“ (minimum level of severity) aufweisen (vgl. EGMR, Urteil vom 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien – Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16.02.2017 – C-578/16 PPU [ECLI:ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a. – Rn. 68); es kann erreicht sein, wenn er seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (s.a. BVerwG, Beschluss vom 08.08. 2018 – 1 B 25.18 -, NVwZ 2019, 61, Rn. 11). In seiner jüngeren Rechtsprechung stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 19.03.2019 – C-297/17 u.a. [ECLI:ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim – Rn. 89 ff. und – C-163/17 [ECLI:ECLI:EU:C:2019:218], Jawo – Rn. 90 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not“ befindet, „die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“ (vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 – 1 C 45/18 -, juris, Rn. 12) .
Es muss ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür geben, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr („real risk“) läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 – 1 B 2/19 -, juris, Rn. 6 m.w.N.). Ein derartiger extremer Ausnahmefall liegt nicht vor. Zwar ergibt sich aus den in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismitteln, dass das Leben in Afghanistan von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, einer schlechten Versorgungslage und prekären humanitären Gegebenheiten gekennzeichnet ist, was sich unter anderem an einer hohen Arbeitslosigkeit, schwierigen Wohnverhältnissen und im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten geringen Durchschnittseinkommen zeigt. Hinzu kommt eine volatile Sicherheitslage. Bezug genommen wird diesbezüglich neben den Berichten staatlicher und nichtstaatlicher Akteure (vgl. u.a. Auswärtiges Amt, Lagebericht Juli 2019, S. 27 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung 19.06.2018, S. 314 ff.; EASO, Country of Origin Information Report, Key socio-economic indicators, August 2017, S. 19 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 14.09.2017, S. 27 ff.; UNHRCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 16) insbesondere auch auf die umfangreichen Darstellungen zu den Lebensverhältnissen in Afghanistan in den Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 09.11.2017, vom 05.12.2017, vom 17.01.2018, vom 11.04.2018 und vom 12.10.2018 (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2017 – A 11 S 789/17 -, juris, Rn. 58 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 – A 11 S 1144/17 -, juris, Rn. 310 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 – A 11 S 241/17 -, juris, Rn. 289ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 – A 11 S 924/17 -, juris, Rn. 154 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 205 ff.). Verschärfend hinzu kommen nach den Darstellungen in diesen Quellen zunehmende erhebliche Migrationsbewegungen durch Binnenflüchtlinge, aber auch durch Rückkehrer aus dem benachbarten und dem westlichen Ausland, die sich insbesondere nachteilig auf den Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie auf die Versorgungslage auswirken (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung 19.06.2018, S. 309 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 14.09.2017, S. 31 ff.). So geht der UNHCR Ende 2017 von etwa 1,8 Millionen Binnenflüchtlingen sowie von 1 Million Rückkehrern aus Iran und Pakistan im Jahr 2016 und 620 000 Rückkehrern im Jahr 2017 aus (UNHRCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 32 ff.), Dass sich diese vor allem in größeren Städten niederließen, bringe die Aufnahmefähigkeit vieler Städte an ihre Grenzen und trage zur schlechten Versorgungslage bei (UNHRCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 34 f., S. 111 f.). Trotz dieser bestehenden desolaten Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan kann in der Gesamtschau der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel jedoch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer in Afghanistan alsbald in existenzielle Gefahr gerät. Es erwartet damit nicht jeden Rückkehrer generell aufgrund der Versorgungs- und Sicherheitslage eine humanitäre Situation, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK führt. Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Auch unter Würdigung des Gutachtens von Stahlmann für das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28.03.2018 schließt sich der zur Entscheidung berufene Einzelrichter auf Grundlage und in der Gesamtschau der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel der Einschätzung unter anderem des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (zuletzt etwa, jeweils m.w.N. BayVGH, Beschluss vom 25.02.2019 – 13a ZB 18.32487 -, juris, Rn. 5 ff.; BayVGH, Beschluss vom 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 -, juris, Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 21.12.2018 – 13a ZB 17.31059 -, juris, Rn. 5; BayVGH, Urteil vom 08.11.2018 – 13a B 17.31918 -, juris, Rn. 22 ff.; BayVGH, Beschluss vom 12.04.2018 – 13a ZB 18.30135 -, juris, Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 04.01.2018 – 13a ZB 17.31652 -, juris, Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 29.11.2017 – 13a ZB 17.31251 -, juris, Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 -, juris, Rn. 5 unter Bezugnahme auf BayVGH, Urteil vom 12.2.2015 – 13a B 14.30309 -, juris) sowie des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2017 – A 11 S 789/17 -, juris, Rn. 58 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 – A 11 S 1144/17 -, juris, Rn. 310 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2018 – A 11 S 241/17 -, juris, Rn. 289ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 – A 11 S 924/17 -, juris, Rn. 154 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 393 ff.) an, die in ständiger Rechtsprechung davon ausgehen, dass für einen leistungsfähigen, gesunden, jungen, afghanischen Mann im Allgemeinen – wenn nicht besondere, individuell erschwerende Umstände hinzukommen – in Afghanistan trotz der schlechten humanitären Bedingungen und Sicherheitslage keine Gefahrenlage besteht, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führt. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch gelernte, leistungsfähige, erwachsene, männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor.
In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ergibt sich nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters ferner, dass die Annahme, dass ein junger, leistungsfähiger, gesunder, alleinstehender männlicher afghanischer Staatsangehöriger ohne Unterhaltspflichten bei einer Rückkehr aus dem europäischen Ausland nach Afghanistan dazu imstande ist, sein Existenzminimum zumindest so weit zu sichern, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht zu erwarten ist, auch dann gilt, wenn ein Rückkehrer über kein nennenswertes Vermögen, keine abgeschlossene Berufsausbildung und keinen familiären Rückhalt verfügt. Diesbezüglich schließt sich der Einzelrichter ebenfalls der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in den soeben zitierten Entscheidungen an. Auch nach der neuesten Einschätzung des UNHCR haben alleinstehende Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft insbesondere in städtischen Gebieten mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung die Chance, ihr Auskommen zu finden (UNHRCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 110). Zwar weist der UNHCR darauf hin, dass die traditionell erweiterten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der afghanischen Gesellschaft – insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Infrastruktur nicht so entwickelt ist – weiterhin den vorwiegenden Schutzmechanismus bieten und insbesondere rückkehrende Familien ohne männlichen Familienvorstand auf diese familiären Strukturen und Verbindungen zum Zweck der Sicherheit, des Zugangs zur Unterkunft und eines angemessenen Niveaus des Lebensunterhalts angewiesen seien (UNHRCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 30.08.2018, S. 109 f.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Schutzsuchender vom 19.04.2016, S. 10). Auch andere Quellen weisen auf die Bedeutung von Netzwerken für den Zugang vor allem zu Wohnung und Arbeit hin (Auswärtiges Amt, Lagebericht Juli 2019, S. 22; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung 19.06.2018, S. 331 ff.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 10). In diesem Sinne werden dauerhafte familien- und stammesbasierte Netzwerken einerseits und sich dynamisch wandelnde sektorspezifische Netzwerke beispielsweise in der Wirtschaft andererseits (sog. quam) unterschieden (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 10, 18 f.). Aufgrund bereits dargestellter Umstände, nämlich zunehmender Binnenmigration, Landflucht und Verstädterung sowie der Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen kann nach Einschätzung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters solchen Netzwerken trotz ihrer fortbestehenden Bedeutung jedoch keine so überragende Bedeutung mehr zugemessen werden, dass ohne sie die Möglichkeit zur Sicherung des Existenzminimums ausgeschlossen erscheint (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27 ff.). Schon durch die große Zahl von Binnenflüchtlingen und Rückkehrern aus dem Ausland, die sich, wie dargestellt, in wohl überwiegender Zahl in urbanen und semi-urbanen Zentren statt in ihren ländlichen Heimatregionen niederlassen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dort weiterhin jeder Afghane über ein solches Netzwerk verfügt. Dies zeigt sich etwa auch daran, dass die Volksgruppen an ethnisch getrennten Wohnformen nicht mehr festhalten (können): So sind beispielsweise in Kabul fast alle Volksgruppen vertreten, insbesondere Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Baluchen, Sikh und Hindu, ohne dass eine Volksgruppe unter ihnen deutlich vorherrscht. Auch wenn die Angehörigen der Volksgruppen zu einer Ansiedlung bei ihren Familien oder im Kreis ihrer Volksgruppe neigen (Nutzung von quam, EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 17), haben sich doch auch volksgruppenübergreifende Nachbarschaften gebildet (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc., August 2017, S. 17, 68 a.E). Auch angesichts der Bevölkerungsfluktuation kann auf das Vorhandensein von bestehenden Netzwerken gerade nicht maßgeblich abgestellt werden, weil auch solche Netzwerke keine statischen Gebilde sind und ihre Veränderung bzw. Neubildung nicht ausgeschlossen, sondern auch unter Afghanen möglich und zumutbar ist, wie ihre Neubildung auch in Europa zeigt. Auch die Struktur des afghanischen Arbeitsmarktes führt dazu, dass die Bedeutung von Netzwerken für das Finden eines Arbeitsplatzes zurückgehen dürfte. Beim Großteil der Beschäftigungsmöglichkeiten handelt es sich um Gelegenheitsarbeiten für Tagelöhner, unqualifizierte Stellen oder Tätigkeiten auf dem Bau oder in der Landwirtschaft (Auswärtiges Amt, Lagebericht Mai 2018, S. 25; EASO, Country of Origin Information Report, Key socio-economic indicators, August 2017, S. 22), für die es für einen Arbeitgeber weniger ausschlaggebend sein dürfte, den Beschäftigten und seinen familiären bzw. sozialen Hintergrund genauer einschätzen zu können, sodass die Beschäftigungsmöglichkeiten gerade für Rückkehrer von ihrer Bildung und Erfahrung abhängen (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27).
Dabei sind gerade Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher (BayVGH, Urteil vom 12.02.2015 – 13a B 14.30309 -, juris, Rn. 21). Zwar mögen Rückkehrer aus dem Westen mit gewissen Schwierigkeit praktischer Art, aber auch aufgrund von Vorbehalten oder Misstrauen durch Landsleute konfrontiert sein (Auswärtiges Amt, Lagebericht Juli 2019, S. 31; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Individuals targeted under social and legal norms, S. 92 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 – A 11 S 1144/17 -, juris, Rn. 416 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 321 ff. und Rn. 400 ff.). Anhaltspunkte für konkrete und flächendeckende Beeinträchtigungen von Rückkehrern lassen sich den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln jedoch nicht entnehmen. Etwaige Schwierigkeiten, v.a. praktischer Natur, werden durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten speziell für Rückkehrer jedenfalls so ausgeglichen (vgl. beispielsweise Auswärtiges Amt, Lagebericht Juli 2019, S. 31 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 347 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 – A 11 S 1144/17 -, juris, Rn. 441 ff.), dass es auch Rückkehrern aus dem westlichen Ausland möglich erscheint, nach einer Rückkehr in Afghanistan unter den dargestellten Voraussetzungen Fuß zu fassen und alsbald ein Auskommen zu finden, das zumindest zur Sicherung des Existenzminimums genügt. Zu einer anderen Einschätzung veranlasst auch nicht die von Stahlmann durchgeführte Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen (veröffentlich in asylmagazin 10-11/2019, S. 276 ff.). Schon die Repräsentativität ihrer Studie erscheint zweifelhaft, weil sie sich nur auf Angaben von etwa 10% der aus Deutschland abgeschobenen Afghanen stützen kann und auch die Gruppe der aus Deutschland abgeschobenen Afghanen nur einen Teil der Gruppe von freiwillig oder aufgrund von Abschiebungen aus Europa in ihr Heimatland zurückgekehrten Afghanen ausmacht. Fraglich ist die Repräsentativität auch in methodischer Hinsicht, da die Erkenntnisse der Studie auf Selbstauskünften beruhen, welche Stahlmann zudem auch teils nur über Dritte erlangt hat. Hinzu kommt, dass sie derzeit nur die Situation im Zeitraum nach einer Rückkehr betrachten kann, gerade der Aufbau einer gesicherten Existenz aber ein längerer Prozess ist, sodass der Untersuchungszeitraum für nachhaltige Aussagen zu den Möglichkeiten einer Existenzgründung noch zu kurz ist oder der Kontakt zu Rückkehrern abbricht, bevor sie wieder eine ausreichend lange Zeit in Afghanistan gelebt haben. Auch bei inhaltlicher Betrachtung lassen jedoch die von Stahlmann gewonnenen Erkenntnisse nicht den Schluss zu, dass ein Rückkehrer aus Europa in Afghanistan zu einer Sicherung jedenfalls seines Existenzminimums zwangsläufig nicht imstande wäre. Zwar ist nach ihren Angaben keinem der befragten Rückkehrer eine Existenzgründung gelungen. Die Ausführungen vor allem dazu, auf welche Probleme Rückkehrer beim Versuch stoßen, zur eigenständigen Existenzsicherung eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, bleiben jedoch vage und detailarm, sodass die Gründe hierfür unklar bleiben und nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststeht, dass hierfür die Rückkehrereigenschaft von ausschlaggebender Bedeutung ist. Im Hinblick auf die Wohnsituation von Rückkehrern ergibt sich aus Stahlmanns Studie, dass nur ein kleiner Teil und wohl auch nur vorübergehend von Obdachlosigkeit betroffen war, mithin also nicht davon auszugehen ist, dass die Möglichkeiten für Rückkehrer, eine Unterkunft zu finden, insgesamt unzureichend wären. Soweit Stahlmann feststellt, dass nahezu alle von ihr befragten Rückkehrer in Verstecken unterkommen mussten, steht dies dieser Einschätzung nicht entgegen, da auch Verstecke Obdach bieten. Zudem werden Verstecke oft aufgrund vermeintlich bestehender Gefahren für Rückkehrer aufgesucht. Dass jeder aus Europa in sein Heimatland zurückkehrende Afghane jedoch ohne weiteres von speziell gegen Rückkehrende gerichteter Gewalt betroffen wäre, ist jedoch nicht feststellbar. Von den von Stahlmann befragten 55 Rückkehren waren 17 von – nach Stahlmanns Einschätzung – speziell gegen Rückkehrer gerichteter Gewalt betroffen. Damit aber ist auch die bei Stahlmann dokumentierte Zahl von Beispielen zu gering, um daraus Rückschlüsse auf jedem oder zumindest der weit überwiegenden Zahl von Rückkehren drohende Gefahren ziehen zu können. Hinzu kommt, dass auch bei den von Stahlmann geschilderten Fällen häufig weitere, speziell in der Person des Betroffenen liegende oder sich aus anderen Umständen des Einzelfalls ergebende Gründe für Gewalterfahrungen vorlagen, sodass die angeblichen Vorfälle nicht nur an die bloße Rückkehrereigenschaft anknüpften, sondern individuell gefahrerhöhende Faktoren von Bedeutung waren. Die aus den Befragungen von Stahlmann erkennbare Tendenz von Rückkehrern, sich aufgrund ihrer subjektiven (Fehl) Einschätzung ihnen aufgrund ihrer Rückkehreigenschaft drohender Gefahren in Verstecke zu begeben, erschwert außerdem auch den Zugang zum Arbeitsmarkt, sodass insoweit Probleme nicht allein auf die allgemein angespannte Arbeitsmarktsituation zurückzuführen sind. Deshalb und auch im Lichte der sich aus Stahlmanns Studie insgesamt ergebenden Erkenntnisse ist nach alledem nicht davon auszugehen, dass schon allein aufgrund der allgemein schlechten Lebensverhältnisse und der Versorgungslage in Afghanistan jeder Rückkehrer zwangsläufig von existenzbedrohender Armut betroffen wäre.
Bei dieser Ausgangslage ist nach den soeben dargestellten Maßstäben davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr ausreichende Möglichkeiten hat, sein Existenzminimum zumindest so weit zu sichern, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht zu erwarten ist. Der Kläger ist als junger Mann, der gesundheitliche Einschränkungen nicht geltend gemacht hat, nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters arbeits- und leistungsfähig. Er hat in Afghanistan nach seinen eigenen Angaben im Folgeverfahren eine zumindest durchschnittliche Schulbildung erhalten und in Afghanistan in verschiedenen Bereichen, zuletzt als Koch gearbeitet. Das Gericht geht deshalb nach dem Gesagten davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest Gelegenheitsarbeiten finden und ausüben kann, mit denen er jedenfalls sein Existenzminimum selbst sichern kann. Besondere, individuell erschwerende Umstände, die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit zur Existenzsicherung nach den obigen Ausführungen zur nachlassenden Bedeutung familiärer oder sonstiger Unterstützungsnetzwerke nicht, wie der Kläger vorgetragen hat, entgegen, dass er in Afghanistan über keinerlei Verwandte, die ihn unterstützten könnten, oder kein anderes Unterstützungsnetzwerk verfügen will.
b. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Vom Tatbestand des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG werden existentielle Gefahren wie Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung umfasst sowie insbesondere auch solche auf Grund von Krankheit.
Dabei reicht es entsprechend dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt. Vielmehr muss sie bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend vorliegen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung gerechtfertigt ist, die für eine Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände also größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen, wobei auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung sind (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 17.01.2018 – A 11 S 241/17, Rn. 515 m.w.N. – juris).
Neben den genannten individuellen Gefahren für Leib und Leben können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch die generell herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, aber bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, d.h. im Wege einer generellen politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörden zu berücksichtigen. Derartige allgemeine Gefahren, insbesondere also die die Bevölkerung insgesamt treffenden (schlechten) Lebensbedingungen oder die allgemeine Sicherheitslage, können daher grundsätzlich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Eine Ausnahme liegt aber bei einer extremen Gefahrenlage vor, welche sich wiederum auch aus den den Ausländer erwartenden Lebensbedingungen ergeben kann. So können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage einen Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise begründen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 – 10 C 10.09 -, juris, Rn. 14 f.; BayVGH, Urteil vom 12.02.2015 – 13a B 14.30309 -, juris, Rn. 15). Letztlich bedarf es damit aber jedenfalls einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage in einem Maße, wie sie wohl auch zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde. Von diesem Maßstab ausgehend gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage aber keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen – über welches unabhängig vom möglicherweise für den Ausländer positiven Ergebnis einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG entschieden wird, die neben der hier streitgegenständlichen Einzelfallentscheidung des Bundesamts ergeht – nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus. Dahinstehen kann vorliegend, ob vor diesem Hintergrund eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dahingehend, dass bei extremen Gefahrenlagen die genannte Ausschlusswirkung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG entfällt, überhaupt weiterhin geboten ist. Denn jedenfalls wären die Voraussetzungen hierfür, wie sich aus den obigen Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt, deshalb im Fall des Klägers nicht gegeben.
Individuelle Gründe, die die Feststellung eines nationalen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen könnten, hat der Kläger weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger gesundheitliche Einschränkungen noch nicht einmal geltend gemacht.
3. Mangels Anspruchs auf Zuerkennung eines Schutzstatus oder der Feststellung von Abschiebungshindernissen sind die Voraussetzungen für den Erlass der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheids) nach §§ 71 Abs. 4, 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gegeben. Einwendungen hinsichtlich der Dauer der gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG erfolgten Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wurden nicht erhoben, Gründe für die Rechtswidrigkeit sind auch nicht ersichtlich.
Die Klage war demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben