Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde gegen Aushändigung einer Grenzübertrittsbescheinigung

Aktenzeichen  10 CS 20.1371, 10 C 20.1372

Datum:
3.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20519
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123, § 166
ZPO § 114 Abs. 1
AufenthG § 60a

 

Leitsatz

1. Soweit ein Prozessbevollmächtigter pauschal geltend macht, “coronabedingt” seien “erhebliche Arbeitsrückstände” vorhanden, ergibt sich hieraus nicht, dass ihm die Wahrung der Beschwerdefrist des § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO nicht möglich gewesen wäre. (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Ergibt sich die Ausreisepflicht eines Asylbewerbers aus der rechtskräftigen Ablehnungsentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, kommt einer ihm ausgehändigten Grenzübertrittsbescheinigung keine Regelungswirkung zu. (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 24 K 19.1773 2020-05-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren 10 CS 20.1371 und 10 C 20.1372 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
III. Die Beschwerde im Verfahren 10 CS 20.1371 wird verworfen, die Beschwerde im Verfahren 10 C 20.1372 zurückgewiesen.
IV. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CS 20.1371 wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Verbindung der Beschwerdeverfahren 10 CS 20.1371 und 10 C 20.1372 zur gemeinsamen Entscheidung erfolgt nach § 93 Satz 1 VwGO.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) wendet sich gegen die ihm vom Beklagten und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) am 28. März 2019 ausgehändigte Grenzübertrittbescheinigung und begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Duldung zu erteilen. Erstinstanzlich hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 18. Mai 2020 einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Ziffer II. des Beschlusses) sowie die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren und die Hauptsacheklage (Ziffer V. des Beschlusses) abgelehnt. Hiergegen richten sich die Beschwerden.
1. Die Beschwerde im Verfahren 10 CS 20.1371 ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2020 ist dem Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des in der Akte enthaltenen Empfangsbekenntnisses am 22. Mai 2020 zugestellt worden. Die einmonatige Frist für die Begründung der Beschwerde endete daher nach § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 ZPO sowie § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 22. Juni 2020 (Montag).
Die Beschwerdebegründung ist, sofern sie wie hier nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht einzureichen (§ 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist die Beschwerdebegründung jedoch erst nach Ablauf der Frist am 26. Juni 2020 eingegangen. Eine (nicht beantragte) Fristverlängerung wurde dem Antragsteller – entgegen der Behauptung in der Beschwerdebegründung nicht – auch nicht stillschweigend – gewährt. Gründe für eine – nicht beantragte – Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist sind nicht substantiiert vorgetragen. Soweit der Bevollmächtigte pauschal geltend macht, „coronabedingt“ seien „erhebliche Arbeitsrückstände“ vorhanden, ergibt sich hieraus nicht, dass ihm die Wahrung der Beschwerdefrist nicht möglich gewesen wäre.
2. Die Beschwerde im Verfahren 10 C 20.1372 ist zulässig (§ 146 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller sowohl im Eilverfahren als auch im Hauptsacheverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass Anfechtungsklage und Eilantrag im Hinblick auf die Grenzübertrittsbescheinigung bereits unzulässig seien, weil diese für sich genommen keine Regelung darstelle und den Antragsteller auch nicht beschwere. Soweit der Antragsteller gegen die zunächst erfolgte Ablehnung der Erteilung einer Duldung mit einer Anfechtungsklage bzw. einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgehe, sei dies ebenfalls unzulässig, weil insofern Rechtschutz nur in Form der Verpflichtungsklage und des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt werden könne. Selbst wenn man das Rechtsschutzbegehren in diesem Sinne auslegen wollte, seien die Anträge in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Zwar sei die Abschiebung des Antragstellers mittlerweile durch den Ablauf der Gültigkeit seines Nationalpasses (wieder) unmöglich, was auch der Antragsgegner anerkenne. Der Antragsteller habe jedoch vor der Anrufung des Gerichts keine entsprechenden Anträge bei der Ausländerbehörde gestellt, obwohl ihm das zumutbar gewesen sei.
Die dagegen im Schriftsatz vom 26. Juni 2020 erhobenen Rügen rechtfertigen keine Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Ausreisepflicht ergab sich entgegen der Auffassung des Antragsstellers nicht erst aus der Grenzübertrittsbescheinigung, sondern bereits aus dem – nach gerichtlicher Überprüfung – rechtskräftigen Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2017. Auch insofern kommt der Grenzübertrittsbescheinigung daher kein Regelungscharakter zu. Ob der Antragsteller entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts am 30. November 2018 (konkludent) die Erteilung einer Duldung beantragt hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls nach dem – vom Antragsteller erkannten – Ablauf der Gültigkeit seines Nationalpasses am 3. April 2019 hätte dem bereits zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretenen Antragsteller klar sein müssen, dass ihm der Antragsgegner wieder eine Duldung ausstellen würde. Vom Ablauf der Gültigkeit des Nationalpasses hat der Antragstellers den Antragsgegner erst am 15. April 2019 in Kenntnis gesetzt und noch am selben Tag Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt. Angesichts dessen hat das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für diese Rechtsbehelfe zu Recht verneint. Abgesehen davon ist eine solche Rechtsverfolgung auch mutwillig, sodass auch deswegen keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 CS 20.1371 beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 C 20.1372 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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