Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – Kein Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulwegs oder Übernahme der Beförderungskosten

Aktenzeichen  7 ZB 17.228

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105411
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2, § 166 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine aufgrund einer unvollständigen richterlichen Verfügung unterbliebene Übersendung der Niederschrift über eine mündliche Verhandlung von Amts wegen stellt keinen die Berufungszulassung begründenden Verfahrensmangel dar, soweit weder geltend gemacht noch ersichtlich ist, dass das angefochtene Urteil auf dem späteren Zugang der Niederschrift beruht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht muss ein anwaltlich vertretener Kläger, der in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, insbesondere darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2010, 47843). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 15.254 2016-12-09 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten des Klägers wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 750 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Klägerbevollmächtigten ist – wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt – mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Antragsbegründung legt weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch beachtliche Verfahrensfehler dar.
Der Kläger, der die weitere Übernahme der für den Schulweg seiner 1999 geborenen Tochter anfallenden Kosten erstrebt, hält das erstinstanzliche Urteil für inhaltlich falsch, weil das Verwaltungsgericht die persönliche Situation seiner Tochter verkannt habe und für verfahrensfehlerhaft, weil ihm das Protokoll der mündlichen Verhandlung erst auf Anforderung übersandt, er von einer nicht erfolgten Stellungnahme des Beklagten nicht in Kenntnis gesetzt und der Amtsermittlungsgrundsatz verletzt worden sei.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen allerdings nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulwegs bzw. Übernahme der Beförderungskosten für seine in A … wohnende Tochter im Hinblick auf den Besuch der Realschule in H* … über das Schuljahr 2013/2014 hinaus. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Ebenso wie zuvor bereits das Verwaltungsgericht ist auch der erkennende Senat im Ergebnis der Auffassung, dass der nach Ansicht des Klägers bestehende Zusammenhang zwischen einem bereits im Jahr 2012 erfolgten sexuellen Übergriff auf seine Tochter und der von ihm aufgrund dessen erkannten Notwendigkeit ihres Verbleibs in der Schule in H … nicht ausreichend belegt ist. Abgesehen davon, dass der bereits in erster Instanz anwaltlich vertretene Kläger diesen Sachverhalt erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 30. Mai 2016 – mithin nach Ergehen der ablehnenden Entscheidung des Beklagten und Einreichen der Klagebegründung – zur Sprache gebracht und geschildert hat, hat er zum Nachweis einer seiner Ansicht nach fortwirkenden diesbezüglichen Belastung und Gefährdung seiner Tochter lediglich zwei ärztliche Atteste vorgelegt. Ein von einer Ärztin für Allgemeinmedizin am 6. Dezember 2012 ausgestelltes „Attest zur Vorlage bei der Schule“ bestätigt nur, dass sich die Tochter des Klägers am 6. Dezember 2012 von 9.06 Uhr bis 9.50 Uhr zur Behandlung in ihrer Praxis befunden habe und bis zum 23. Dezember 2012 die Schule nicht habe besuchen können. Ein weiteres, durch zwei praktische Ärzte (Naturheilverfahren und Chirotherapie) erstelltes Attest vom 26. August 2014 führt u.a. aus, die Tochter des Klägers sei durch eine länger andauernde familiäre Problematik erheblich belastet und habe bereits mehrere Wohnortwechsel erlebt – ein Verbleiben an der Realschule in H … sei ärztlicherseits zwingend erforderlich. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Schluss von Seiten zweier Allgemeinmediziner belastbar gezogen werden kann, denn jedenfalls bestätigt auch diese ärztliche Einschätzung nicht den Vortrag des Klägers im Zulassungsverfahren, seine Tochter bedürfe angesichts des einmal erfolgten sexuellen Übergriffs im Jahr 2012 weiterhin des Schutzes eines Freundinnenkreises, der sie – wie bereits zuvor – durch eine „Kesselbildung“ vor dem Versuch einer erneuten Kontaktaufnahme des (mittlerweile verstorbenen) Täters aus dem Bekanntenkreis schützen könne.
2. Das Urteil beruht auch nicht auf i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beachtlichen Verfahrensmängeln. Zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass ihm die Niederschrift über die am 30. Mai 2016 stattgefundene mündliche Verhandlung – infolge einer unvollständigen richterlichen Verfügung, vgl. Bl. 45 der Akte des Verwaltungsgerichts – nicht von Amts wegen (vgl. dazu: Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 105 Rn. 2), sondern erst auf entsprechende Nachfrage seiner Bevollmächtigten übersandt worden ist. Allerdings ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, inwieweit das angefochtene Urteil auf dem späteren Zugang der Niederschrift beruht. Dasselbe gilt für den Umstand, dass dem Kläger seitens des Gerichts nicht ausdrücklich mitgeteilt worden ist, dass der Beklagte keine (weitere) Stellungnahme abgegeben hat – ohnehin werden zur Wahrung rechtlichen Gehörs nur tatsächlich eingehende Schriftsätze der Gegenseite zugestellt.
Im Übrigen liegt auch kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor: Wer die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er – wie der Kläger -anwaltlich vertreten war und in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, muss insbesondere darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der gezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 -juris Rn. 9 m.w.N.). Die Rüge unzureichender Sachaufklärung stellt kein Mittel dar, um insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in einer mündlichen Verhandlung zu kompensieren. Sind – wie hier – keine förmlichen Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung gestellt worden, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Grenzen dieses Ermessens überschreitet das Gericht nur, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste, d.h. wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen (BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris m.w.N.). Nach diesen Maßstäben musste es sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, weitere Beweise zu erheben und insbesondere die staatsanwaltschaftlichen Akten aus dem Jahr 2013 anzufordern. Denn es hat den entsprechenden Vortrag des Klägers zu dem stattgefundenen sexuellen Übergriff auf seine Tochter ohne Weiteres als zutreffend unterstellt – damit setzt sich der Zulassungsantrag in keiner Weise auseinander.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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