Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  15 ZB 20.30705

Datum:
30.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9543
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Ein gerichtlicher Aufklärungsmangel als solcher begründet grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 VwGO. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 18.30195 2020-02-07 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Kläger – georgische Staatsangehörige – wenden sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. Januar 2018, mit dem ihre Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt, ihnen die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 7. Februar 2020 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die von den Klägern erhobene Klage mit den gestellten Anträgen, die Beklagte unter (teilweiser) Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2018 zu verpflichten, ihnen den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, hilfsweise ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der ausschließlich von den Klägern geltend gemachte Berufungszulassungsgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht gemäß den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG substantiiert dargelegt worden.
Die Kläger bringen mit ihrer Antragsbegründung vor, es sei in der mündlichen Verhandlung von ihrer Bevollmächtigen angeregt worden, weitergehende Auskünfte hinsichtlich der Behandlungsfähigkeit und auch der finanziellen Erreichbarkeit der medizinischen Behandlung zur Erkrankung des Klägers zu 1 einzuholen. Die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf Berichte des Auswärtigen Amts zur Lage in Georgien sei ohne Prüfung des Einzelfalls nicht ausreichend. Auch sei nicht der Frage nachgegangen worden, ob die in Georgien vorhandenen Medikamente ausreichend seien, um die Erkrankung des Klägers zu 1 zu behandeln und ob diese bei ihm letztlich eingesetzt werden könnten. Aufgrund der bestehenden Amtsermittlungspflicht habe das Verwaltungsgericht dem nachgehen müssen.
Mit diesem Vortrag vermögen die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zu begründen.
Das Verwaltungsgericht stellt hinsichtlich der Verneinung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – unabhängig von der Frage der Behandlungsbedürftigkeit der für den Kläger zu 1 vorgetragenen Erkrankung – bereits entscheidungstragend darauf ab, dass „sich den Arztbriefen des Bezirksklinikums Rehau nicht entnehmen lässt, dass mit der Rückführung nach Georgien für den Kläger zu 1 eine lebensbedrohlich oder schwerwiegende Verschlimmerung seiner Krankheit einherginge“. Dies haben die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht thematisiert. Ist das angefochtene Urteil aber entscheidungstragend auf mehrere selbständige Begründungen gestützt (sog. kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt, da anderenfalls das Urteil mit der nicht in zulassungsbegründender Weise angefochtenen Begründung Bestand haben könnte (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2019 – 15 ZB 19.32569 – juris Rn. 13 m.w.N.). Schon deshalb können die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg haben
Im Übrigen liegt ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs nur vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat, und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 3 m.w.N.). Aus der Antragsbegründung geht nicht hervor, dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sein könnten.
Das Verwaltungsgericht hat sich auf Seiten 11 ff. des angegriffenen Urteils vom 7. Februar 2020 ausführlich mit der Frage der Einschlägigkeit von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AsylG befasst und sich in diesem Zusammenhang u.a. mit der Behandlungsmöglichkeit der vorgetragenen Erkrankung des Klägers zu 1 in Georgien und auch mit der persönlichen Erreichbarkeit der Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 unter Rekurs auf diverse Erkenntnismittel befasst. Die Kläger wenden sich mit ihrer Argumentation in der Sache daher ausschließlich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung bzw. gegen die rechtliche Subsumtion des Erstgerichts, ohne damit jedoch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs substantiiert darzulegen. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gewährleistet aber nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll nur sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2018 – 15 ZB 18.32985 – juris Rn. 5; B.v. 30.4.2019 – 15 ZB 19.31547 – juris Rn. 8; B.v. 5.6.2019 – 15 ZB 19.32063 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2019 – 15 ZB 19.34099 – juris Rn. 10; OVG Saarl., B.v. 16.5.2015 – 2 A 197/14 – juris Rn. 8). Im Asylverfahrensrecht ist der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht eröffnet (vgl. § 78 Abs. 3 AsylG). Ein gerügter Aufklärungsmangel als solcher begründet (unabhängig, ob er berechtigt oder unberechtigt ist) grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO (vgl. SächsOVG, B.v. 4.1.2018 – 5 A 578/17.A – juris Rn. 9; OVG NRW, B.v. 18.10.2018 – 4 A 746/18.A – juris Rn. 18; NdsOVG, B.v. 20.9.2018 – 10 LA 284/18 – juris Rn. 29; VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 17). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) allenfalls ausnahmsweise dann verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2019 – 15 ZB 19.32063 – juris Rn. 5 m.w.N.). Dies zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Zudem ist den bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägern der Erfolg ihres Zulassungsantrags unter Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG auch deswegen zu versagen, weil es ihnen im gerichtlichen Verfahren erster Instanz offen stand, einen förmlichen Beweisantrag in Bezug auf die begehrten weiteren Aufklärungsmaßnahmen zu stellen, um sich selbst vor Gericht das rechtliche Gehör zu verschaffen (vgl. SächsOVG, B.v. 7.2.2018 – 4 A 142/18.A – juris Rn. 6 m.w.N.; vgl zuletzt auch BayVGH, B.v. 16.3.2020 – 15 ZB 20.293 – Rn. 12). Hiervon haben sie aber keinen Gebrach gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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