Verwaltungsrecht

Herausgabe eines sichergestellten Pkw

Aktenzeichen  Au 8 E 17.1224

Datum:
11.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131435
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
PAG Art. 28 Abs. 1
PAG Art. 25 Nr. 2
PAG Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Der eigenständige Anspruch auf Herausgabe einer sichergestellten Sache ist im Wege einer allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, so dass für den einst-weiligen Rechtsschutz ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft ist (vgl. auch VG München BeckRS 2015, 122039 Rn. 12). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn das Eigentumsrecht an einer Sache nur nach  vollständiger Aufklärung des Sachverhalts und Klärung schwieriger rechtlicher Fragen durch die Zivilgerichte ermittelt werden kann, liegen die Voraussetzungen für ihre Sicherstellung zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt solange vor, wie die Eigentumsfrage nicht geklärt ist; zumal wenn bereits unklar ist, wer im Zeitpunkt der Sicherstellung überhaupt Besitzer der Sache war. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Feststellung, dass die Sicherstellung einer Sache rechtswidrig ist, ist einem Eilverfahren nicht zugänglich. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Herausgabe eines von der Polizei am 30. März 2017 sichergestellten Pkw Mercedes GLS samt Schlüssel und Fahrzeugpapieren.
Die Firma … hat am 9. November 2016 in Rumänien den streitgegenständlichen Mercedes an die Firma … verkauft. Am 21. Dezember 2016 hat die … den gleichen Mercedes an die Firma … ebenfalls in Rumänien für 75.990 € verkauft. Am 27. Januar 2017 wurde der Mercedes von der Firma … an die Beigeladene verkauft. Am 24. März 2017 hat nach Angaben der Antragstellerin diese den Mercedes von der Firma … gekauft. Von der Beigeladenen bzw. der Firma … sind verschiedene Zahlungen an die Firma … und an die Antragstellerin geleistet worden.
Am 30. März 2017 überführte ein Bevollmächtigter der Beigeladenen den Mercedes von Rumänien zu dem Firmensitz der Antragstellerin in Deutschland. Dort wurde die Beigeladene von der Kfz-Zulassungsbehörde in die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen.
Gegen 19.00 Uhr am gleichen Tag hat der Geschäftsführer der Antragstellerin die Polizei zu dem Autohaus gerufen, weil sich ein Kunde mit einem Pkw von dem Gelände entfernen wolle, ohne dafür bezahlt zu haben. Aus dem Aktenvermerk des vor Ort anwesenden Polizisten vom 31. März 2017 (Bl. 11 der beigezogenen Strafakte … wegen Bedrohung) ergibt sich, dass sich der Geschäftsführer der Antragstellerin und der Bevollmächtigte der Beigeladenen darüber gestritten hätten, ob der Kaufpreis für den Mercedes vollständig bezahlt worden sei. Nachdem die Eigentumsfrage nicht habe geklärt werden können, habe er den Bevollmächtigten der Beigeladenen um Aushändigung der Fahrzeugpapiere und des Schlüssels gebeten.
Aus dem Sicherstellungsprotokoll vom 30. März 2017 (Bl. 1 der Behördenakte) ergibt sich, dass der streitgegenständliche Mercedes, die Fahrzeugpapiere und ein Schlüssel einschließlich Kaufvertrag und diverser Unterlagen, die die Kaufpreiszahlungen bestätigen sollten, sichergestellt worden sind. Gegen die Sicherstellung legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte, das Fahrzeug nebst Schlüssel und sämtlicher Fahrzeugpapiere herauszugeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2017 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück, weil dieser bereits nicht statthaft sei. Zudem sei die Sicherstellung rechtmäßig.
Mit Schriftsatz vom 10. August 2017 ließ die Antragstellerin Klage erheben und sinngemäß u.a. beantragen, den Antragsgegner zu verurteilen, der Antragstellerin den Pkw Mercedes GLS herauszugeben. Des Weiteren ließ sie im Wege der einstweiligen Anordnung beantragen,
dem Antragsgegner aufzugeben, den Pkw Mercedes GLS mit der Fahrgestellnummer … nebst dem dazugehörigen Fahrzeugschlüssel und den dazugehörigen Fahrzeugpapieren (Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II) an die Antragstellerin herauszugeben,
hilfsweise festzustellen, dass die Sicherstellung des Pkw Mercedes GLS rechtswidrig ist,
Die Antragstellerin sei Eigentümerin des streitgegenständlichen Pkws. Sie habe diesen mit Vertrag vom 24. März 2017 von der … erworben. Der Pkw sei von der Polizei sichergestellt worden und die Antragstellerin wisse nicht einmal, wie er untergebracht sei. Einen Kaufvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Bevollmächtigten der Beigeladenen gebe es nicht. Die ursprüngliche Käuferin … habe sich mit den Kaufpreiszahlungen in Verzug befunden, so dass dieser Vertrag rückabgewickelt worden sei. Hinzu kämen noch Strafzinsen. Eine Übergabe an den Bevollmächtigten der Beigeladenen habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Weil der Bevollmächtigte der Beigeladenen den Geschäftsführer der Antragstellerin wiederholt bedroht habe, habe dieser die Polizei gerufen. Die Sicherstellung sei nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig. Eine Sicherstellung solle dazu dienen, den Eigentümer zu schützen. Die Antragstellerin als Eigentümerin des Mercedes benötige diesen Schutz jedoch nicht. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, aufgrund der engen Geschäftsbeziehungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zu zwei ausländischen Gesellschaften bestünde hier auch die Gefahr der Vereitelung der Aufklärung der wahren Eigentumslage, sei nicht nachvollziehbar. Der Mercedes sei in den ordnungsgemäß gesicherten Geschäftsräumen bei der Antragstellerin gut aufgehoben gewesen. Die Polizei sei hier zivilrechtlich tätig geworden, was nicht in den Aufgabenbereich der Polizei falle. Die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB spreche für die Antragstellerin, diese sei in den Fahrzeugpapieren eingetragen und auch in Besitz derselben gewesen. Da die Antragstellerin auf die Zusage des Bevollmächtigten der Beigeladenen vertraut habe, den noch offenen Kaufpreis nach der Zulassung komplett zu bezahlen, sei die Zulassung auf die Beigeladene vorgenommen worden. Da der Kaufpreis dann aber nicht mehr bezahlt worden sei, habe der Geschäftsführer der Antragstellerin die Fahrzeugpapiere nicht ausgehändigt. Es gebe diverse Zahlungen auf diverse Fahrzeuge, die aber nicht auf den streitgegenständlichen Mercedes verrechnet hätten werden können. Es hätte auch ausgereicht, nur die Fahrzeugpapiere und/oder die Schlüssel mitzunehmen. Das Fahrzeug erleide einen Wertverlust und es sei die Gefahr von Standschäden zu befürchten. In zivilrechtlicher Hinsicht sei am 3. August 2017 der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Bevollmächtigten der Beigeladenen beantragt worden, der allerdings mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 4. August 2017 (Az. …) zurückgewiesen worden sei, weil eine Zuständigkeit des AG … nicht gegeben sei, da der tägliche Wertverlust des hochpreisigen Mercedes GLS nach Ansicht des Gerichts nicht zur Begründung einer Dringlichkeit im Sinne von § 942 Abs. 1 ZPO ausreiche.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antrag sei in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten, da in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft sei. Der Antrag sei jedoch unzulässig, da die Klagefrist bereits verstrichen sei. Die Sicherstellung und die Verwahrung seien formell und materiell rechtmäßig. Wenn in zivilrechtem Wege rechtzeitiger Rechtsschutz nicht möglich sei und ohne die Sicherstellung die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung des subjektiven Rechts an dem gegenständlichen Pkw vereitelt werde, gehöre auch der Schutz privater Rechte zum Aufgabenbereich der Polizei. Die Eigentumslage sei hier von vornherein nicht eindeutig gewesen. Zur Aufklärung und Entscheidung darüber sei die Polizei nicht zuständig. Dies sei Sache der Zivilgerichte. Um den Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer vor Verlust oder Zerstörung oder anderweitigem Untergang zu schützen, sei die öffentliche Verwahrung vorläufig nicht zu beenden. Das Autohaus habe auch Kontakte ins Ausland und es sei deshalb nicht ausgeschlossen gewesen, dass die Antragstellerin den Pkw unwiederbringlich aus Deutschland entfernen würde. Die Sicherungsmaßnahme sei auch verhältnismäßig. Nur die Sicherstellung des Schlüssels oder der Fahrzeugpapiere sei kein gleich wirksames Mittel, eine eventuelle Weiterveräußerung an Dritte zu verhindern, da ein Pkw auch ohne die zugehörige Zulassungsbescheinigung II übereignet werden könne. Die Maßnahme stehe auch nicht außer Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg, da die Eigentumslage nicht hinreichend belegt worden sei. Die Antragstellerin werde nicht unzumutbar belastet. Eine Herausgabe sei ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für die Sicherstellung eintreten würden. Eine Sachaufklärung sei noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Insbesondere gehe die Polizei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Antragstellerin und ursprüngliche Gewahrsamsinhaberin des gegenständlichen Pkws Eigentümerin sei.
Die mit Beschluss vom 29. September 2017 Beigeladene führte aus, dass der Antrag zurückzuweisen sei, da die Aufhebung der Sicherstellungsverfügung nicht gerechtfertigt sei. Die Beigeladene sei rechtmäßige Eigentümerin und Besitzerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Die Ummeldung von der letzten gemäß Fahrzeugpapieren Berechtigten/Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf die Beigeladene sei mit Zustimmung der Antragstellerin vorgenommen worden. Das Fahrzeug sei wirksam übereignet worden. Lediglich die Ausstellung einer abschließenden Gesamtrechnung sei am 30. März 2017 noch ausgestanden, weswegen sich der Bevollmächtigte nochmals zu dem Autohaus begeben habe, anstatt mit dem Fahrzeug nebst Überführungskennzeichen, sämtlichen Fahrzeugpapieren und sämtlichen Schlüsseln direkt nach Rumänien zurückzufahren. Der Kaufpreis sei im Rahmen von insgesamt sechs Teilzahlungen in Gänze ausgeglichen gewesen. Dieser Sachverhalt werde auch durch die schriftliche Erklärung des Bevollmächtigten der Beigeladenen bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts-, auf die vorgelegte Behördenakte, auch im Strafverfahren Az., verwiesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat weder im Hauptnoch im Hilfsantrag Erfolg.
1. Der Hauptantrag, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, dem Antragsgegner aufzugeben, den Pkw nebst dem dazugehörigen Fahrzeugschlüssel und den dazugehörigen Fahrzeugpapieren an die Antragstellerin herauszugeben, ist erfolglos.
a) Der Antrag nach § 123 VwGO ist grundsätzlich statthaft. Unabhängig von der Frage, ob gegen die Sicherstellung auch eine Anfechtungsklage in Betracht käme und noch fristgerecht möglich wäre, ist hier ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft, weil die Antragstellerin die Herausgabe begehrt. Dieser eigenständige Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG ist im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen (Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 28 Rn.10) und in diesem Fall ist die Vorschrift des § 80 Abs. 5 VwGO nicht anwendbar (§ 123 Abs. 5 VwGO; vgl. auch VG München, B.v. 2.2.2015 – M 7 S. 13.3045 – juris Rn. 15). Dies ist insofern auch der effektivere Rechtsschutz, als in diesem Verfahren auch geprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Sicherstellung und Verwahrung noch fortdauern.
Ob das Herausgabeverlangen bereits die Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet, was dem Wesen einer vorläufigen Regelung widerspricht, kann dahinstehen, weil es darauf nicht entscheidend ankommt (offengelassen auch BayVGH, B.v. 2.2.2007 – 24 CE 07.9 – juris Rn. 12).
b) Der Antrag ist erfolglos, weil weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch besteht.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen.
aa) Die Angelegenheit ist bereits nicht eilbedürftig. Die Antragstellerin hat weder glaubhaft gemacht, dass durch die Sicherstellung des Mercedes dieser einen wesentlichen Wertverlust erleidet, dies wurde lediglich behauptet, noch dass Standschäden zu befürchten sind. Es ist davon auszugehen, dass der Mercedes bei dem Antragsgegner ordnungsgemäß verwahrt wird. Einen Wertverlust würde das Fahrzeug im Übrigen auch erleiden, wenn es bei der Antragstellerin bis zur zivilrechtlichen Klärung der Eigentumsverhältnisse stehen würde.
bb) Es ergibt sich auch kein Anordnungsanspruch. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG sind die sichergestellten Gegenstände an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind.
Die Voraussetzung für die Sicherstellung und Verwahrung nach Art. 25 Nr. 2 PAG und Art. 26 PAG sind im vorliegenden Fall (noch) nicht weggefallen. Zum einen ist bei der Sicherstellung des streitgegenständlichen Mercedes der Aufgabenbereich der Polizei nach Art. 2 Abs. 2 PAG eröffnet. Danach obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die jetzige Herausgabe des Fahrzeugs aus der polizeilichen Obhut an die Antragstellerin nach der durch die polizeiliche Sicherstellung geschaffenen Sach- und Rechtslage könnte die Verwirklichung des auf das Eigentum gestützten Anspruchs der Beigeladenen wesentlich erschweren und dadurch deren behauptetes Recht beeinträchtigen. Die Herausgabe vor Klärung der Eigentumsfrage würde die mögliche Rechtsposition der Beigeladenen erheblich verschlechtern und eventuell faktisch unmöglich machen, wenn beispielsweise das Fahrzeug ins Ausland verkauft wird. Da die Polizei den derzeitigen Zustand herbeigeführt hat, trägt sie auch die Verantwortung dafür, dass die Interessen der Beigeladenen durch weiteres Verhalten nicht beeinträchtigt werden (BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 10 CE 08.3393 – juris Rn. 14).
Solange die Eigentumsfrage nicht geklärt ist, liegen auch weiterhin die Voraussetzungen für die Sicherstellung des Pkws vor. Nach Art. 25 Nr. 2 PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Die Antragstellerin kann nicht nachweisen oder – was im Eilverfahren genügen würde – glaubhaft machen, dass ihr das Fahrzeug gehört. Die Frage, wer – evtl. nach rumänischem Recht – Eigentümer des sichergestellten Fahrzeugs ist, kann im Verfahren nach § 123 VwGO nicht geklärt werden. Aufgrund der unklaren Situation vor Ort war zu befürchten, dass entweder der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit dem Fahrzeug nach Rumänien fahren würde oder dass aufgrund der Auslandsbeziehungen der Antragstellerin diese das Fahrzeug anderweitig ins Ausland verkaufen würde. Die Polizei hat nicht als Schiedsrichter über das „bessere“ Eigentumsrecht aufzutreten. Die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Frage, wer zivilrechtlich Eigentümer des Mercedes ist, stellt sich als unklar und schwierig dar. Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf § 1006 BGB berufen. Danach wird zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache ist. Der Besitzer braucht dann zwar nur den gegenwärtigen Besitz als Tatsachenbasis der Vermutung darzulegen und zu beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründende Tatsachen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bedarf es gewichtiger Indizumstände im konkreten Einzelfall, die geeignet sind, mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu widerlegen. Dies ist dann der Fall, wenn Indizien oder Erfahrungssätze vorliegen, aufgrund derer „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich“ erscheint als das Eigentum eines Dritten bzw. „die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen“ konkret widerlegt werden (BayVGH, B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – BayVBl 2011, 312 Rn. 11 m.w.N. zur Rspr.). Im vorliegenden Fall ist bereits unklar, wer im Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei im Besitz des Autos war. Insoweit spricht für die Antragstellerin, dass der streitgegenständliche Mercedes wohl auf ihrem Grundstück geparkt war. Die Zulassungspapiere jedoch und wohl auch der Schlüssel waren im Besitz des Bevollmächtigten der Beigeladenen (vgl. Aktenvermerk der Polizei, Bl. 11 der beigezogenen Strafakte 307 Js 112384/17). Hinzu kommt entscheidend, dass die Beigeladene in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) bereits eingetragen war. Dies ist ein Indiz für die Eigentümerstellung dieser Person. Unerheblich ist insoweit, ob die Eintragung mit Wissen und Wollen der Antragstellerin geschah und ob der Kaufpreis vollständig gezahlt oder Strafzinsen fällig geworden ist. Aufgrund dieser Umstände kann das Eigentumsrecht nur nach einer vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Klärung schwieriger rechtlicher Fragen durch die Zivilgerichte ermittelt werden.
Demnach sind zum einen die Voraussetzungen für die Sicherstellung nicht weggefallen und zum anderen entstünden mit der Rückgabe des Autos erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 PAG), da sich der Sachverhalt seit der Sicherstellung nicht verändert hat, insbesondere eine zivilrechtliche Klärung der Eigentumsfrage nicht erfolgt ist.
Die Sicherstellung ist auch verhältnismäßig gewesen und erweist sich weiterhin als verhältnismäßig i.S.v. Art. 4 PAG. Nur die Sicherstellung des Schlüssels oder des Fahrzeugbriefes reicht nicht aus, da zum einen nicht aufgeklärt werden kann, ob weitere Schlüssel existieren und zum anderen theoretisch ein Fahrzeug auch ohne die entsprechenden Papiere weiterveräußert werden kann.
Die Antragstellerin kann demnach keinen Herausgabeanspruch im Wege des einstweiligen Verfahrens geltend machen.
2. Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Feststellung, dass die Sicherstellung des Pkw Mercedes rechtswidrig ist, ist einem Eilverfahren nicht zugänglich. Dafür fehlt es bereits an der Eilbedürftigkeit.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeitsgründen ebenfalls der Antragstellerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Sicherstellung des Fahrzeugs bedeutet keinen Eigentumsentzug, so dass als Streitwert nicht der Wert des Fahrzeuges angesetzt werden kann. Dementsprechend ist der Auffangstreitwert anzusetzen, der im Eilverfahren reduziert wird (BayVGH, B.v. 2.2.2007 – 24 CE 07.9 – juris Rn. 18).


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