Verwaltungsrecht

Im Klageantrag erkennbares Verpflichtungsbegehren neben einem Anfechtungsbegehren

Aktenzeichen  22 ZB 17.1720

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 523
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 88, § 120 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1 Fehlt es an einer schlüssigen Darlegung einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO in Bezug auf einen abtrennbaren Teil eines Urteils, gegen das in seiner Gesamtheit die Zulassung der Berufung beantragt wurde, so hat der Zulassungsantrag insoweit keinen Erfolg. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird verkannt, dass ein Klageantrag neben einem Anfechtungsbegehren auch ein Verpflichtungsbegehren enthält, und befasst sich das Gericht im angegriffenen Urteil nicht erkennbar mit dem Verpflichtungsbegehren, bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. (Rn. 14 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist ein Klageantrag nicht verbeschieden worden, ist zu unterscheiden zwischen einem versehentlichen Teilurteil, das gemäß § 120 VwGO zu behandeln ist, und einem rechtsirrtümlichen Unterlassen einer Entscheidung über einen Teil des Streitgegenstands. Hat das Gericht den gestellten Antrag aus seiner Sicht vollständig verbeschieden, ihn aber unter Verkennung des Rechtsschutzziels zu eng aufgefasst, stehen Rechtsmittel offen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.1077 2017-07-03 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Sperrzeit für die Freischankflächen, wie sie in Nr. 1.1 der gegenüber den Beigeladenen ergangenen Bescheide der Beklagten vom 23. Mai 2016 für die Tage Sonntag bis Donnerstag festgesetzt ist, auch für Freitage, Samstage sowie die einem gesetzlichen Feiertag vorausgehenden Tage festzusetzen.
Im Übrigen wird der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Soweit die Berufung nicht zugelassen worden ist, trägt der Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen insoweit ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Soweit die Berufung nicht zugelassen worden ist, wird der Streitwert für das Zulassungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wehrt sich gegen Lärmbeeinträchtigungen, die von den Freischankflächen der gastronomischen Betriebe der Beigeladenen ausgehen. Der Kläger ist Miteigentümer zweier Anwesen in der G…straße in Fürth, sie werden (auch) zum Wohnen genutzt. Die Gaststätten befinden sich unweit der Anwesen des Klägers; zu jeder Gaststätte gehört eine Freischankfläche. Die vom Kläger erstinstanzlich erhobenen Klagen betreffen insbesondere die für diese Freischankflächen geltenden bzw. vom Kläger begehrten Sperrzeiten.
Die Beigeladenen haben für die Freischankflächen Gaststättenerlaubnisse, in denen – durch Verweis auf die Verordnung der Beklagten über die Sperrzeit von Freischankflächen von Gaststätten vom 17.6.1996 (Fassung der Änderungsverordnung vom 31.1.2012, Amtsbl. Nr. 3 vom 15.2.2012) – der Beginn der Sperrzeit an allen Tagen auf 23:00 Uhr festsetzt wird.
Um die Lärmbeeinträchtigungen in der G…straße werden seit Jahren zahlreiche Rechtsstreitigkeiten geführt. Der Kläger hat hierbei die Verpflichtung der Beklagten erstritten, über geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der durch die Gaststätten verursachten Lärmimmissionen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden (zuletzt BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 -, rechtskräftig). In der Folgezeit ergriff die Beklagte verschiedene Maßnahmen zur Lärmminderung. U.a. erließ sie jeweils unter dem 23. Mai 2016 gegenüber den Beigeladenen einen zwangsgeldbewehrten, für sofort vollziehbar erklärten Bescheid, der überschrieben ist mit „Vollzug des Gaststättengesetzes (GastG) – Erteilung von Auflagen gemäß § 5 Abs. 1 GastG; Sperrzeitfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Sperrzeitverordnung“. Mit diesen Bescheiden werden die Sperrzeiten für die betroffenen Freischankflächen einheitlich wie folgt festgesetzt: Von Sonntag bis Donnerstag: 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr; an Freitagen, Samstagen und Tagen, die einem gesetzlichen Feiertag vorausgehen: 23:00 Uhr bis 07:00 Uhr.
Der erstinstanzlich nicht durch Bevollmächtigte vertretene Kläger hat – in einem gemeinsamen Schriftsatz mit einem weiteren Kläger (jetziges Zulassungsverfahren 22 ZB 18.59) – gegen die an die vorliegend Beigeladenen gerichteten zwei Bescheide vom 23. Mai 2016 jeweils Klage erhoben. Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu weiteren, über die Sperrzeitenfestsetzung in den Bescheiden vom 23. Mai 2016 hinausgehenden Maßnahmen, mit denen der von den Freischankflächen der Beigeladenen ausgehenden Lärmbelästigung entgegengewirkt werden soll. Die im Lauf des Klageverfahrens gestellten Anträge des Klägers (und des weiteren Klägers) auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. August 2016 abgelehnt; die Beschwerden beider damaliger Antragsteller blieben erfolglos (BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 22 CS 16.1713). Die Klagen beider Kläger hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Juli 2017 mit Urteil vom 3. Juli 2017 abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 93 Satz 1 VwGO die von beiden Klägern gemeinsam gestellten und zunächst unter einem einzigen Aktenzeichen geführten Anträge auf Zulassung der Berufung nach Klägern sowie nach den zum jeweiligen Verfahren gehörenden Beigeladenen getrennt.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine Begehren weiter. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend.
Die Beklagte hat die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung beantragt, ohne sich zur Sache zu äußern. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (einschließlich derjenigen zum Verfahren 22 CS 16.1713 und derjenigen des Verwaltungsgerichts) sowie auf die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat nur teilweise Erfolg, weil sich die Antragsbegründung nur mit einem Teil desjenigen Streitgegenstands befasst, über den das Verwaltungsgericht mit seinem insgesamt klageabweisenden Urteil befunden hat, auf den anderen Teil des Streitgegenstands und die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts jedoch auch nicht ansatzweise.
1. Das Verwaltungsgericht hat im Urteil vom 3. Juli 2017 zwei verschiedene Begehren des Klägers unterschieden, die verschiedene Lebenssachverhalte und Rechtsschutzziele betreffen. Dies ergibt sich aus dem Tatbestand des Urteils, in dem die Klageanträge Nr. 1 und Nr. 2 wörtlich wiedergegeben sind (Urteilsabdruck – UA – S. 6 u. S. 7), sowie aus den Entscheidungsgründen, in denen in getrennten Abschnitten ausgeführt wird, hinsichtlich des ersten Klageantrags sei die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig (UA S. 14 Nr. 1), während die Klage bezüglich des zweiten Klageantrags wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig sei (UA S. 15 Nr. 2). Diese Annahme des Verwaltungsgerichts, es handele sich um zwei verschiedene, sachlich und auch rechtlich teilbare Streitgegenstände, trifft zu. Denn mit seinen Klageanträgen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2017 in Übereinstimmung mit dem Klageschriftsatz vom 20. Juni 2016 gestellt hat, begehrte der Kläger zum einen eine Ausweitung der festgesetzten Sperrzeit auf weitere Tage (Klageantrag Nr. 1 bzw. Antrag Nr. 2 im Schriftsatz vom 20.6.2016) und zum andern weitere von der Beklagten zu ergreifende Maßnahmen, damit die in der Nacht geltenden Immissionsrichtwerte eingehalten werden (Klageantrag Nr. 2 bzw. Antrag Nr. 3 im Schriftsatz vom 20.6.2016). Diese beiden Rechtsschutzbegehren stehen zwar – je nach Fallgestaltung – sowohl hinsichtlich ihrer praktischen Durchführung als auch in rechtlicher Hinsicht möglicherweise im Zusammenhang und können sich teilweise überlagern. Dennoch betreffen die Anträge verschiedene Sachverhalte und sind auf verschiedene Ziele gerichtet.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung richtet sich gegen das Urteil insgesamt; der Kläger hat ihn nicht auf einen Teil der Klageabweisung beschränkt. Er hat vielmehr fristgerecht „die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2.8.2017“ beantragt und eine Begründung des Zulassungsantrags mit gesondertem Schriftsatz angekündigt (Antragsschriftsatz vom 28.8.2017), er hat auch nicht innerhalb der Antragsfrist nach § 124 Abs. 4 Satz 1 VwGO den Zulassungsantrag eingeschränkt oder präzisiert, sondern mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 fristgerecht die angekündigte Begründung des Berufungszulassungsantrags eingereicht und hierbei „auf den Antrag mit Schriftsatz vom 28.8.2017“ Bezug genommen; eine weitere Begründung ging nicht ein.
Die genannte Antragsbegründung (vom 2.10.2017) befasst sich allerdings ausschließlich mit demjenigen Teil des Urteils, in dem das Verwaltungsgericht den Klageantrag Nr. 1 mit der Begründung als unzulässig angesehen hat, die vom Kläger angefochtenen Sperrzeitfestsetzungen enthielten keine den Kläger im Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO beschwerende Regelung, so dass insoweit dem Kläger die Klagebefugnis fehle (UA Nr. 1 auf S. 14/15). Der Kläger macht diesbezüglich geltend, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht erkannt, dass der Klageantrag Nr. 1 auch ein Verpflichtungsbegehren enthalte. Dagegen geht die Antragsbegründung auch nicht ansatzweise auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Klageantrag Nr. 2 ein (UA Nr. 2 auf S. 15/16), mit denen das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten hat, die vom Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten, Lärmminderungsmaßnahmen zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte für die Nachtzeit ab 22:00 Uhr sowie bezüglich des Nachweises einer achtstündigen Nachtruhe zu treffen, sei bereits Gegenstand der vom Kläger (und dem weiteren Kläger) betriebenen noch anhängigen anderen Verfahren (AN 4 K 16.01001 und AN 4 K 16.01002), sodass der Zulässigkeit dieses Verpflichtungsantrags der von Amts wegen zu berücksichtigende Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 173 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG) entgegenstehe.
Zugelassen werden kann die Berufung nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur dann, wenn und soweit einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt wurde und vorliegt. Die schlüssige Darlegung der geltend gemachten Gründe, die in einer konkreten, substantiierten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts bestehen muss, muss innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgen. Die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die fristgerecht vorgebracht wurden und den genannten Anforderungen genügen (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Fehlt es also – wie vorliegend – an jeglicher Begründung in Bezug auf einen abtrennbaren Teil eines klageabweisenden Urteils, gegen das in seiner Gesamtheit die Zulassung der Berufung beantragt wurde, so kann bezüglich dieses „begründungslos“ gebliebenen Teils der Zulassungsantrag keinen Erfolg haben.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat dagegen insoweit Erfolg, als der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass sein Klageantrag Nr. 1 auch ein Verpflichtungsbegehren enthalte. Insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
2.1. Das Verwaltungsgericht hat dem Klageantrag Nr. 1 lediglich ein Anfechtungsbegehren entnommen. Es hat ein solches – was für sich genommen richtig ist – als unzulässig angesehen mit der Begründung, die vom Kläger angegriffenen Bescheide vom 23. Mai 2016 enthielten keine den Kläger im Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO beschwerende Regelung. Denn die mit den Bescheiden festgesetzten, um 22:00 Uhr (statt wie bislang um 23:00 Uhr) beginnenden Sperrzeiten, die sich individuell auf die Freischankflächen an den Gaststätten der Beigeladenen beziehen, seien ausschließlich Auflagen zu Lasten der Beigeladenen. Mit den Bescheiden vom 23. Mai 2016 werde dagegen weder ausdrücklich noch inzident eine Regelung über das „Hinausschieben der Nachtzeit“ getroffen; mit den Bescheiden werde daher auch nicht das Schutzniveau des Klägers neu bestimmt. Das Verwaltungsgericht hat sich dabei auf die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 5. Oktober 2016 – 22 CS 16.1713 – bezogen, der im Beschwerdeverfahren zwischen denselben Beteiligten ergangen ist.
2.2. Mit der Begründung des Zulassungsantrags rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass in dem im Urteil mit Nr. 1 bezeichneten Klageantrag (UA S. 6) nicht nur ein Anfechtungsbegehren, sondern auch ein Verpflichtungsbegehren enthalten sei. Der Kläger habe nämlich (auch) geltend gemacht, die individuelle Sperrzeit müsse nicht nur – wie in den Bescheiden vom 23. Mai 2016 geschehen – an fünf Tagen in der Woche, sondern an allen Tagen für den Zeitraum von 23:00 Uhr bis 7:00 Uhr festgesetzt werden. Deswegen bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (Antragsbegründung vom 2.10.2017, S. 2, Mitte des fünften Abschnitts, und S. 3, die ersten beiden Abschnitte).
Diese Zweifel erscheinen berechtigt. Die Klagebegehren, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts streitgegenständlich gewesen sind und zu denen sich infolgedessen das Urteil verhalten musste, ergeben sich vorrangig aus den beiden einzelnen Klageanträgen, wie sie im Tatbestand des Urteils (auf S. 6) formuliert sind. Diese auf S. 6 des Urteils verwendete Formulierung entspricht den Klageanträgen im Klageschriftsatz vom 20. Juni 2016, den der Kläger (zusammen mit dem weiteren Kläger) selbst – ohne Bevollmächtigten – eingereicht hat. Diese ursprünglichen Klageanträge wurden ausweislich der Niederschrift auch in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2017 gestellt, indem das Gericht bei der Stellung der Klageanträge beide Kläger auf die Klageschrift vom 20. Juni 2016 Bezug nehmen ließ. Das als Klageantrag Nr. 1 bezeichnete Begehren lautet demzufolge „die Bescheide teilweise aufzuheben, sofern es sich um die Festsetzung der Sperrzeiten gemäß Punkt 1.2 von 23:00 Uhr bis 7:00 Uhr handelt, und die Sperrzeit entsprechend Punkt 1.1 für Freitage und Samstage sowie für Tage, die einem gesetzlichen Feiertag vorausgehen, festzulegen“. Dieser Formulierung lässt sich deutlich entnehmen, dass der Kläger nicht nur die Aufhebung der (unter „Punkt 1.2“ der Bescheide vom 23.5.2016 verfügten) aus seiner Sicht unzureichenden individuellen Sperrzeitenfestsetzung von 23:00 Uhr bis 7:00 Uhr begehrt, sondern dass er mit der Klage diejenige individuelle Sperrzeit (nämlich von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) für alle Wochentage erstreiten will, die bisher (unter „Punkt 1.1“ der Bescheide vom 23.5.2016) nur für den Zeitraum Sonntag bis Donnerstag festgesetzt worden ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 5. Oktober 2016 – 22 CS 16.1713 – (auf den sich das Verwaltungsgericht mit seiner Ansicht, das Anfechtungsbegehren sei unzulässig, bezieht, vgl. UA, S. 15, zweiter Abschnitt), das Klageziel beider damaliger Antragsteller in eben diesem Sinn verstanden. Denn er hat unter Nr. 2.3 des genannten Beschlusses vom 5. Oktober 2016 (Rn. 20, S. 9 unten) ausgeführt: „Denn die Antragsteller haben gerichtlichen Rechtsschutz begehrt, weil sie die von der Antragsgegnerin zu ihrem Schutz vor Lärm ergriffenen Maßnahmen für unzureichend halten, nämlich den mittels einer Nebenbestimmung zur Gaststättenerlaubnis für die Wochentage Montag bis Donnerstag verfügten Beginn der Sperrzeit um 22:00 Uhr auch an den restlichen Tagen fordern“. Anhaltspunkte dafür, dass der Klageantrag Nr. 1 nicht in diesem Sinn verstanden werden könnte, dass er unklar oder auslegungsbedürftig wäre, finden sich im angegriffenen Urteil nicht. Der Klageantrag Nr. 1 mag teilweise laienhaft und juristisch nicht vollständig korrekt formuliert sein; das Klageziel (nämlich eine Verpflichtung der Beklagten) ist mit dem o.g. Inhalt aber zweifelsfrei erkennbar (§ 88 VwGO). Soweit der Grund dafür, dass das Verwaltungsgericht das Verpflichtungsbegehren beider Kläger nicht erkannt hat, im Beschwerdebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2016, der die Ablehnung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO betraf, liegen sollte, ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof schon aus Rechtsgründen gehindert war, sich zu Einzelheiten des (oder der mehreren) mit der Klage geltend gemachten Verpflichtungsbegehren(s) der Kläger zu befassen. Denn rechtliche Beschränkungen des Prüfungsumfangs für den Verwaltungsgerichtshof ergaben sich zum einen aus der Beschränkung des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und zum andern daraus, dass auch eine Umdeutung der erstinstanzlich gestellten Anträge (auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) in Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bereits deshalb nicht sachgerecht gewesen wäre, weil es insoweit am notwendigen Vortrag der damaligen Antragsteller zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mangelte (vgl. den B.v. 5.10.2016, Nr. 2.4 der Gründe).
2.3. Das Verwaltungsgericht hat zwar die Klage insgesamt abgewiesen, sich mit dem im Klageantrag Nr. 1 enthaltenen Verpflichtungsbegehren („Sperrzeitbeginn an allen Wochentagen um 22:00 Uhr“) im angegriffenen Urteil aber nicht erkennbar befasst. Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einem Verpflichtungsbegehren der Kläger betreffen nur den im Tatbestand unter Nr. 2 wiedergegebenen Verpflichtungsantrag (vgl. UA, Entscheidungsgründe Nr. 2 auf S. 15/16); dessen Formulierung ist – im Detail – identisch mit dem Klageantrag unter Nr. 3 des Klageschriftsatzes vom 20. Juni 2016. Sie betreffen dagegen nicht den Klageantrag Nr. 1.
Ist ein Klageantrag im Urteil eines Verwaltungsgerichts nicht verbeschieden worden, so ist zu unterscheiden zwischen einem „versehentlichen“ und einem „rechtsirrtümlichen“ Unterlassen einer Entscheidung über einen Teil des Streitgegenstands (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1994 – 9 C 529/93 – juris). Der erstgenannte Fall (versehentliches Teilurteil) ist gemäß § 120 VwGO zu behandeln, während der letztgenannte Fall (Vollendurteil) dadurch gekennzeichnet ist, dass das Gericht den gestellten Antrag – aus seiner Sicht – vollständig verbeschieden hat, ihn aber unter Verkennung des Rechtsschutzziels enger auffasste, als es geboten gewesen wäre. In einem solchen Fall stehen Rechtsmittel offen (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 120 Rn. 4 m.w.N.). Ein derartiger Fall (Verkennung des weiter gehenden Rechtsschutzziels) ist vorliegend anzunehmen.
Denn das Verwaltungsgericht hat zwar den Klageantrag Nr. 1 vollständig im Tatbestand aufgeführt (einschließlich der Forderung gegenüber der Beklagten, „die Sperrzeit entsprechend Punkt 1.1 für Freitage und Samstage sowie für Tage, die einem gesetzlichen Feiertag vorausgehen, festzulegen“), es hat aber in den Entscheidungsgründen lediglich Ausführungen zur (fehlenden) Beschwer der mit dem Anfechtungsteil des Begehrens bekämpften Sperrzeitenfestsetzung gemacht. Es hat anscheinend – möglicherweise aufgrund einer verkürzten Würdigung des Beschwerdebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 5.10.2016 – 22 CS 16.1713) – gemeint, mit der (für sich genommen zutreffenden) Begründung, die Sperrzeitenfestsetzung stelle gegenüber dem Kläger keine (belastende) Regelung dar, habe es sein Bewenden. Verkannt hat das Verwaltungsgericht dabei allerdings das weitere (im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren 22 CS 16.1713 gerade nicht streitgegenständliche) Begehren des Klägers, der nicht nur die (vermeintlich ihn belastende) Sperrzeitenfestsetzung bekämpft, sondern auch für weitere Tage eine ebensolche Sperrzeitenfestsetzung begehrt, wie sie für die Zeit von sonntags bis donnerstags verfügt worden ist. Dies spricht dafür, dass das Verwaltungsgericht zwar den gestellten Antrag vollständig bescheiden wollte, ihn aber unter Verkennung des Rechtsschutzziels enger auffasste, als es geboten war. Eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht das Verpflichtungsbegehren zwar zweifelsfrei erkannt, aber lediglich versehentlich nicht darüber entschieden hätte (so dass der prozessuale Weg nur über § 120 VwGO eröffnet wäre), sind nicht ersichtlich.
Bezüglich dieses Klagebegehrens und der hierauf bezogenen Klageabweisung war daher die Berufung zuzulassen.
3. Die Kostenentscheidung betrifft nur denjenigen Teil des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Streitgegenstands, bezüglich dessen die Berufung nicht zugelassen worden ist (Klageantrag Nr. 2); sie beruht insoweit auf § 154 Abs. 2 VwGO. Weil die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben und damit kein Kostenrisiko eingegangen sind, entspricht es im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen.
Soweit die Berufung zugelassen worden ist (Klageantrag Nr. 1), bleibt die Kostenentscheidung der abschließenden Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.
4. Die Streitwertfestsetzung betrifft gleichfalls nur den Klageantrag Nr. 2, bezüglich dessen die Berufung nicht zugelassen worden ist. Dieser Klageantrag ist auf die Verpflichtung der Beklagten zu (nicht näher bezeichneten) Maßnahmen gerichtet, mit denen die Einhaltung der nächtlichen Immissionsrichtwerte sowie nachweislich eine achtstündige Nachtruhe gewährleistet werden sollen. Dieses Klageziel hängt zwar zusammen mit der schon getroffenen oder vom Kläger begehrten, noch weiter gehenden Sperrzeitenfestsetzung. Gleichwohl ist es rechtlich von einer solchen Sperrzeitenfestsetzung zu unterscheiden und entzieht sich einer bezifferbaren Bewertung anhand der Beispielsfälle des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere gemäß Nr. 54.4 des Streitwertkatalogs. Hinzu kommt der vom Verwaltungsgericht angeführte Zusammenhang mit bereits anhängigen Verfahren (nach der Annahme des Verwaltungsgerichts liegen insoweit identische Streitgegenstände vor). Die vom Kläger begehrten, von der Beklagten zu ergreifenden in Betracht kommenden Lärmminderungsmaßnahmen sind auch nicht zwangsläufig im Fall des vorliegenden Klägers, in dem es um zwei Gaststätten geht, nur zwei Drittel des Betrags „wert“, der im Parallelverfahren (Zulassungsverfahren 22 ZB 18.59), das drei Gaststätten betrifft, anzusetzen ist. Nach allem bietet bezüglich des Klageantrags Nr. 2 der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so dass der Auffangwert (5.000 €) angemessen ist (§ 52 Abs. 2, § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs 2013).
Soweit die Berufung zugelassen worden ist, wird das Verfahren als Berufungsverfahren unter einem noch zu vergebenden Aktenzeichen fortgesetzt.
Belehrung
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwig Straße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelas Platz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.


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