Aktenzeichen 10 CS 19.612
Leitsatz
Die Herleitung eines Abschiebungs- bzw. Zurückweisungshindernisses aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK setzt regelmäßig voraus, dass das andere Familienmitglied über ein Aufenthaltsrecht verfügt und nicht selbst etwa nur geduldet ist (vgl. BVerfG BeckRS 2009, 30698). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 25 S 19.383 2019-02-28 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2019 ist in den Nrn. I. und II. wirkungslos geworden.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Antragsteller.
IV. In Abänderung von Nr.
III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2019 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 23. April 2019 das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat der Erledigterklärung mit Telefax vom 26. April 2019 zugestimmt. Das Verfahren war daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Außerdem war gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO festzustellen, dass der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2019 in den Nrn. I. und II. wirkungslos geworden ist.
Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist ferner über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit das Gericht davon, abschließend über den Streitstoff zu entscheiden; es erfolgt vielmehr eine lediglich summarische Prüfung.
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, da seine Beschwerde voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, hätten nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gerechtfertigt.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zurückweisung des Antragstellers rechtmäßig ist und er auch keinen Anspruch auf (vorläufige) Einreise hat.
Soweit sich der Antragsteller auf die Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABL. Nr. L 180/31 – Dublin III Verordnung), beruft und damit sinngemäß auf das Ziel der gemeinsamen Bearbeitung der von den Mitgliedern einer Familie gestellten Anträge auf internationalen Schutz durch ein und denselben Mitgliedstaat abhebt (vgl. hierzu: Erwägungsgrund Nr. 15; Art. 10 und 11 Dublin III Verordnung), ist dem schon durch die Klärung der Zuständigkeitsfrage dahingehend Rechnung getragen worden, dass sowohl über den Asylfolgeantrag des Antragstellers als auch über den Asylantrag seiner Ehefrau und Kinder die Bundesrepublik Deutschland entscheidet bzw. entschieden hat.
Soweit der Antragsteller aus dem Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG ein Zurückweisungsverbot oder -hindernis im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bzw. ein Recht auf Gestattung der Einreise herleiten möchte, steht dem bereits entgegen, dass im Bundesgebiet keine schutzwürdige familiäre Beistandsgemeinschaft bestand, welche durch die Verweigerung der Einreise zerrissen werden könnte. Vielmehr beruht die Trennung des Antragstellers von seiner Familie darauf, dass er ohne diese Anfang Juli 2017 seine Heimat verlassen hat (s. Bl. 43 der Behördenakte). Abgesehen davon, dass die Herleitung eines Abschiebungs- bzw. Zurückweisungshindernisses aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK regelmäßig voraussetzt, dass das andere Familienmitglied über ein Aufenthaltsrecht verfügt und nicht selbst etwa nur geduldet ist (vgl. BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14 m.w.N.; Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 60a Rn. 24; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand April 2019, § 60a Rn. 155 m.w.N.), ist auch nichts dafür ersichtlich, weshalb eine Familienzusammenführung mit im Bundesgebiet sich aufhaltenden Familienangehörigen im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG unabweisbar sein sollte (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand April 2019, § 15 Rn. 107).
Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren gegen die Zurückweisung beträgt gemäß § 52 Abs. 2 GKG 5.000 Euro pro Person (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.5.2015 – OVG 6 S 16.15 – juris Rn. 10; B.v. 10.10.2005 – OVG 8 S 108.05 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. 3.9.2012 – 7 B 1596/12 – juris Rn. 19). Im Verfahren über den einstweiligen Rechtschutz wird in der Regel der hälftige Wert zu Grunde gelegt. Wird mit einem Eilantrag – wie vorliegend – nach § 123 VwGO die Gestattung der Einreise beantragt, ist allerdings vom vollen Gegenstandswert der Hauptsache auszugehen, da es sich hier um einen Fall der Vorwegnahme der Hauptsache handelt (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Denn wird dem Eilantrag stattgegeben, erledigt sich die Klage oder der Widerspruch mit der Einreise (vgl. Fränkel in NK-AuslR, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 33).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).