Verwaltungsrecht

Keine Gefahr der Verelendung für anerkannte, erwachsene, erwerbsfähige Flüchtlinge in Griechenland

Aktenzeichen  AN 17 K 19.50797

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1456
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Einem alleinstehenden, erwachsenen und erwerbsfähigen Mann droht im Falle einer Rückkehr nach Griechenland als dort anerkannter Flüchtling keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verelendung.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klagen sind im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten und ist deshalb nicht zu beanstanden, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.
1.
Die durch den Kläger erhobene Anfechtungsklage ist die statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und die auf ihr aufbauenden Folgeentscheidungen.
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.
Ebenfalls zulässig ist der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, da das Bundesamt diesbezüglich gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG und anders als beim Asylantrag eine inhaltliche Prüfung vorgenommen hat.
Die Klage ist auch nicht verfristet. Die in der Rechtsmittelbelehrungbenannte Klagefrist von zwei Wochen nach § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG ist eingehalten, so dass es nicht darauf ankommt, ob diese korrekt war.
2.
Die zulässige Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und die Folgeentscheidungen ist jedoch unbegründet, da der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Juli 2019 im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtmäßig ist.
Das Gericht geht unter Zugrundelegung aktueller, in das Verfahren eingeführter Erkenntnismittel zur Situation anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland von folgender Sach- und Rechtslage für Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aus:
a)
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL) in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, dass sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der RL 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn die Schutzberechtigten sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befänden. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem einer neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist also weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (sog. Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist. Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
b)
Die Lebensbedingungen für nach Griechenland zurückkehrende, dort bereits anerkannte international Schutzberechtigte stellen sich unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie wie folgt dar:
aa)
Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannte Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden. Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Staatliche Integrationsmaßnahmen gibt es kaum. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen bzw. es fehlt an nennenswerten staatlichen Ressourcen zu einer Implementierung (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die „Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen“ sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.; BFA, a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; UNHCR, Fact Sheets Greece von Mai und August 2020; BFA, a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum vom 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA, a.a.O. S. 30). Zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannte Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind und zudem nur für einen mehrmonatigen Übergangszeitraum (BFA a.a.O., S. 26; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, a.a.O.).
Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020). Dieses steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. November 2019 in Kraft trat, wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft; sie müssen nunmehr unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Anerkennung die ESTIA-Unterkünfte verlassen, wobei es eine einmalige Übergangsfrist von zwei Monaten Anfang 2020 geben soll (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Das Helios-2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht den anerkannten Flüchtlingen zugute, die nach Griechenland zurückkehren, sondern gilt für ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannte nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: derzeit keine Kenntnisse des AA hierüber).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA a.a.O., S. 30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Im Ergebnis bleiben viele anerkannte Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (für alles Vorstehende: Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.). Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht aus der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannten Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden im Allgemeinen und im Speziellen bei der Beantragung der „Social Security Number (AMKA)“. Bezüglich letzterer wird vereinzelt berichtet, dass deren Beantragung seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsangehörige nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26; zwar von Schwierigkeiten berichtend, aber keine Unmöglichkeit annehmend Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 166, 219 f.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannte Schutzberechtigte prinzipiell einschränkungslos gegeben, unterliegt allerdings im Übrigen denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.).
bb)
Speziell im Zusammenhang mit der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 in Europa stellt sich die Lage in Griechenland wie folgt dar:
Griechenland verzeichnet bei etwa 10,7 Millionen Einwohnern laut der Zahlen der Johns-Hopkins-Universität vom 13. Januar 2021 bislang 146.688 Infektionen, wovon 93.764 Menschen bereits wieder genesen sind. 5.354 Menschen sind an einer Erkrankung mit dem Virus gestorben. In der Bundesrepublik Deutschland, dem derzeitigen Aufenthaltsort des Klägers, sind bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 83 Millionen Menschen bisher 2.166.636 Corona-Fälle aufgetreten, 1.881.933 Menschen sind wieder genesen. Die Zahl der Toten wird mit 54.083 berichtet.
In wirtschaftlicher Hinsicht führte das Corona-Virus und der staatliche angeordnete Lockdown zu einem Einbruch der griechischen Wirtschaft im dritten Quartal 2020 von 11,7%. Im wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Sektor, der im Jahr 2019 noch ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hatte, gingen die Urlauberzahlen 2020 um 80% zurück. Im Jahr 2021 erwartet die Regierung statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% nur noch ein Plus von 4,8%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 25. Dezember 2020, „Corona wirft Griechenland weit zurück“, abrufbar unter https://www.rnd.de/politik/corona-wirft-griechenland-weit-zuruck-HJYQGCXHSBGL5GKDIHFW4AOQIQ.html).
c)
Unter Beachtung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes (2. a)) und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte (2. b)) ergibt sich in Zusammenschau mit dem bisherigen Vortrag des Klägers im hier zu betrachtenden Einzelfall eine Klageabweisung. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt, denn dem Kläger droht im Falle einer Rückkehr nach Griechenland als dort anerkannter Flüchtling keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verelendung. Als Rückkehrperspektive ist von einer alleinigen Rückkehr des mittlerweile 20-jährigen Klägers auszugehen. Zwar befindet sich sein Vater … … (geb. … 1967) mit ihm in Deutschland und ist, nachdem sein Asylantrag ebenfalls wegen einer bereits erfolgten Anerkennung in Griechenland als unzulässig abgelehnt worden war, Kläger und Antragsteller in den noch nicht entschiedenen Verfahren AN 17 K 19.50798/AN 17 S 19.50799. Gleichwohl kann eine gemeinsame Rückkehrperspektive nur für die Kernfamilie, also Eltern plus minderjährige Kinder angenommen werden (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158 Ls. 2, 3, Rn. 15 ff., allerdings für § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt bei einem 20-Jährigen grundsätzlich fern. Soweit die Klägerseite – erstmals in der mündlichen Verhandlung – geltend macht, dass der Vater des Klägers krank sei und der Fürsorge seines Sohnes bedürfe, so ist dieser Vortrag nicht substantiiert genug, um zu einer gemeinsamen Rückkehrperspektive zu kommen. Die Angewiesenheit des Vaters auf Pflege und Fürsorge durch seinen Sohn ist nicht konkret beschrieben etwa dergestalt, dass der Vater aufgrund seiner Krankheit zur Lebensführung in Deutschland ohne seinen Sohn, den Kläger, außerstande ist. Im Übrigen ist dieser Belang als mögliches inländisches Abschiebungsverbot bei der Ausländerbehörde geltend zu machen.
Das Gericht geht zunächst davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, 20-Jähriger, bis auf eine Hautallergie gesunder und arbeitsfähiger Mann keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe zuzuordnen ist. Er hat weder in seinen Anhörungen vor dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren konkrete und valide Anhaltspunkte für das Bestehen eines Vulnerabilitätsmerkmals (z. B. besondere medizinische Bedürfnisse, Opferstellung aufgrund erlittener Folter und Gewalt im Herkunftsland o.ä.) in seiner Person vorgetragen bzw. belegt.
Unter weiterer Zugrundelegung des strengen Maßstabes der „Jawo“- und „Ibrahim“-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (s.o.) bei der Beurteilung, ob einem anerkannt Schutzberechtigten trotz zumutbarer, weitgehender Eigenbemühungen aufgrund seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse und der übrigen Rahmenbedingungen (z.B. landsmännisches Netzwerk) die reale Gefahr einer Verelendung droht, kommt das Gericht im Fall des Klägers zu der Überzeugung, dass eine solche Gefahr nicht besteht.
Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters, der sich der Kammerrechtsprechung anschließt (etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 18.50449), nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh dar. Zwar haben international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der Zugang zu Sozialleistungen, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland allerdings durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt (zu den NGOs: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 32 f).
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Einzelrichters grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19 – BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23, 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 bis 54). Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Einzelrichters zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannten Flüchtlings, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Der Kläger ist wie bereits ausgeführt als junger Mann von 20 Jahren und keinen schweren Erkrankungen als grundsätzlich arbeitswillig- und fähig einzustufen. Dies zeigt sich schon darin, dass er seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung nach bereits während seiner Zeit in Griechenland Aushilfstätigkeiten für griechische Händler bzw. Geschäftsleute verrichtet hat, die ihn dafür mit Nahrungsmitteln versorgten. Insofern kommen für den Kläger auch entsprechende Aushilfstätigkeiten etwa in der Bau- oder Landwirtschaft in Frage. Entgegen der Angabe des Klägers besteht auch, bei entsprechendem Willen und Bemühen, die Möglichkeit in Griechenland die griechische Sprache oder wenigstens Englisch zu erlernen und so die Arbeitsmarktchancen zu verbessern. Kurse werden zwar wohl nicht durch den griechischen Staat angeboten, jedoch durch Nichtregierungsorganisationen (BFA, a.a.O. S. 31 f.). Dass der Kläger zum Erwerb von Fremdsprachen grundsätzlich in der Lage ist, zeigt sein Besuch der Berufsschule in Deutschland, der typischerweise ein gehobenes Deutsch-Niveau voraussetzt. Schließlich dürften dem Kläger angesichts seines etwa eineinhalbjährigen Voraufenthalts in Griechenland die grundlegenden Hilfestrukturen insbesondere durch die NGOs und die Anlaufstellen des griechischen Staates geläufig sein. Er ist nach Überzeugung des Einzelrichters damit grundsätzlich befähigt, eigenverantwortlich Sorge für seine Person auch in einer Übergangsphase zu tragen und sich zunächst an die im Raum Athen vorhandenen NGOs für eine erste Hilfe vor Ort zu wenden. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) deutlich höher.
Dieser Befund wird auch durch die momentane Pandemie-Lage in Griechenland infolge der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 nicht grundlegend erschüttert. Zwar ist nach den oben unter 2. b) bb) aufgeführten Erkenntnismitteln von einem wirtschaftlichen Einbruch insbesondere im Tourismussektor infolge der Corona-Pandemie in Griechenland auszugehen, was die Arbeitsmarktchancen für anerkannte zurückkehrende Schutzberechtigte mindert, da gerade die Tourismusbranche Einstiegsmöglichkeiten auch für gering Qualifizierte bietet. Allerdings wird für das Jahr 2021 immerhin noch mit einem, wenn auch nach unten korrigiertem Wachstum der griechischen Wirtschaft gerechnet, was darauf schließen lässt, dass nicht sämtliche Wirtschaftsbereiche derartige Einbußen aufweisen wie die Tourismusbranche. Der griechische Staat ist diesbezüglich auch nicht untätig geblieben, sondern hat für 2020 Wirtschaftshilfen von knapp 24 Milliarden Euro bereitgestellt – eine angesichts eines Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2020 von 183 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/Europa/DE/ Staat/EU-Staaten/Griechenland.html) erhebliche Summe – und ist trotz der angespannten Haushaltslage weiter finanziell handlungsfähig.
Im Ergebnis stellt sich somit die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts vom 22. Juli 2019 als rechtlich zutreffend dar und hat die Anfechtungsklage diesbezüglich keinen Erfolg.
3.
Auch der als Hilfsantrag für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gestellte Antrag auf Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG ist zulässig, jedoch unbegründet.
a)
Es stellen sich bezüglich eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK dieselben rechtlichen Fragen, die das Gericht bereits unter 2. zum Hauptantrag erörtert hat. Es wird deshalb auf die obigen Ausführungen verwiesen. Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht im Hinblick auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland für den Kläger daher nicht.
b)
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG scheidet ebenfalls aus.
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die da-mit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn nämlich der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Rückführungsstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt 2. der Entscheidungsgründe verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris). Eine etwaige schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung hat der Kläger schon nicht vorgetragen.
c)
Auch das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 rechtfertigt keine andere Beurteilung mit Blick auf § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Eine diesbezüglich die Rückkehr unzumutbar machende Situation hat der Kläger weder vorgetragen noch hat sich diese zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG, im erforderlichen Maß verdichtet, wie die Zahlen der Johns-Hopkins-Universität belegen (146.688 Infektionen, 93.764 wieder Genesene, 5354 Verstorbene im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion bei einer Gesamtbevölkerung Griechenlands von ca. 10,7 Mio. Einwohnern).
4.
Schließlich begegnet die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
Die gesetzte einwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise entspricht zunächst den Vorgaben der § 35, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dies könnte zwar mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 -C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen, allerdings sprechen nach Ansicht des Einzelrichters zum einen keine erheblichen Gründe für deren Übertragbarkeit auf Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn die RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202). Eine Differenzierung zwischen Bescheiden, die einen Asylantrag inhaltlich ablehnen und bloßen Unzulässigkeitsentscheidungen erscheint auch nicht unbillig, da die Eingriffstiefe bei einer angedrohten Abschiebung in den Herkunftsstaat nach inhaltlicher Ablehnung des Asylantrages eine andere ist als bei der bloßen Rückführung gleichsam der Zuständigkeit halber in einen EU-Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller bereits internationalen Schutz genießt (zur Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung wohl anders Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 25. Edition Stand 1.3.2020, § 36 AsylG Rn. 3 ff.).
Zum anderen hat das Bundesamt, selbst wenn man die Argumentation zur fehlenden Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Drittstaatenbescheide ablehnt und eine solche annimmt, durch die in Ziffer 5 des Bescheides vom 22. Juli 2019 erklärte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 4 VwGO einen europarechtskonformen Zustand hergestellt (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – BeckRS 2020, 8209 Rn. 54 ff.).
5.
Rechtmäßig ist auch die implizite Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Abschiebungsandrohung unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung, spätestens mit der Abschiebung erlassen werden.
Die nicht dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 4, dass „das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (…) auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet [wird]“ sowie die entsprechende Annahme in der Begründung des Bescheides unter 4., dass es sich um ein qua Gesetz eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot handele, ist insoweit unschädlich.
Die nunmehr durch § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung anhand des Art. 11 Abs. 1 der RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL) regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; s.a. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
Hinsichtlich der festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von 30 Monaten gemäß § 11 Abs. 1 und 2 Satz 3, Abs. 3 AufenthG sind Ermessensfehler der Beklagten (§ 114 VwGO) nicht ersichtlich oder vorgetragen. Der Kläger verfügt über keine in Deutschland dauerhaft bleibeberechtigte Kernfamilie.
6.
Da die Klage vollumfänglich abzuweisen war, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.


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