Verwaltungsrecht

Keine Hinterbliebenenversorgung bei fehlendem Nachweis der häuslichen Gemeinschaft

Aktenzeichen  21 ZB 16.552

Datum:
21.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1656
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung § 34, § 51
GG Art. 14 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2
BGB § 1356
BMG § 6

 

Leitsatz

1. Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen unterfallen nicht dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zweck der Hinterbliebenenversorgung ist der Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Mitglieds und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Nachweis der häuslichen Gemeinschaft kann durch eine “Melderegisterauskuft” konstitutiv ausgestaltet werden. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 15.3332 2015-10-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 24.732,72 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Ärzteversorgungswerk nach dem Tod ihres Ehemannes die Zahlung einer freiwilligen Leistung (Unterhaltsbeitrag).
Der am 8. März 1943 geborene Ehemann der Klägerin, der in erster Ehe seit 1976 bis zur rechtskräftigen Scheidung am 23. Juli 2009 mit D. verheiratet war, wurde mit Bescheid der Beklagten vom 22. April 2009 ab dem 1. April 2008 (Erreichen der Regelaltersgrenze) in das obligatorische Altersruhegeld (in Höhe von monatlich 2.053,45 EUR) eingewiesen. Seine Versorgungsbezüge wurden laufend angepasst. Er heiratete am 8. Oktober 2010 die Klägerin und verstarb am 26. November 2014.
Nach dem Tod ihres Ehemannes stellte die Klägerin am 10. Dezember 2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung eines freiwilligen Unterhaltsbeitrags. Aus einer vorgelegten Meldebescheinigung der Verbandsgemeindeverwaltung Bad Kreuznach ergibt sich, dass die Klägerin vom 16. Januar 2009 bis 1. Juni 2010 in 5546 Volxheim, Hintergasse 16 und ab 1. Juni 2010 in 5546 Frei-Laubersheim, Rheingrafenstraße 10, gemeldet war. Der Ehemann der Klägerin war vom 1. Januar 2008 bis 1. September 2010 in 5546 Volxheim, Hintergasse 14 und ab 1. September 2010 in 5546 Frei-Laubersheim, Rheingrafenstraße 10, gemeldet. Weiter wurde der notarielle Kaufvertrag vom 8. März 2010 über den gemeinsam erworbenen Grundbesitz in der Rheingrafenstraße 10 in Frei-Laubersheim vorgelegt. Die Klägerin ließ vortragen, sie habe seit Januar 2009 mit ihrem verstorbenen Ehemann in Volxheim in der Hintergasse 14 gelebt. Sie habe unter der Adresse Hintergasse 16 gemeldet sein müssen, weil sie dort Pflegemutter für schwer erziehbare Kinder gewesen sei. Vom Jugendamt habe sie Hilfe für junge Volljährige erhalten. Noch vor ihrer Eheschließung seien sie und ihr verstorbener Ehemann am 1. Juni 2010 in die Rheingrafenstraße 10 in Frei-Laubersheim umgezogen.
Mit Schreiben vom 2. März 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines freiwilligen Unterhaltsbeitrags wegen Haushaltsführung ab. Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 der Satzung seien nicht erfüllt, da mit dem Verstorbenen nicht bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden habe. Ein gemeinsamer Haushalt könne zwar ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung des Verstorbenen vor der Eheschließung anerkannt werden. Aus den Melderegisterauszügen ergebe sich aber, dass die häusliche Gemeinschaft mit dem Verstorbenen in der Rheingrafenstraße 10 in Frei-Laubersheim erst ab 1. September 2010 habe nachgewiesen werden können. Zusammen mit der Ehezeit vom 8. Oktober 2010 bis zum Tod am 26. November 2014 habe die häusliche Gemeinschaft somit vier Jahre zwei Monate und 25 Tage bestanden.
Mit Schriftsatz ihres vormals Prozessbevollmächtigten vom 28. Mai 2015 ließ die Klägerin erwidern, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 der Satzung seien erfüllt. Mit den gesetzlichen Beweislastregeln lasse sich nicht in Einklang bringen, dass der Vorlage einer Melderegisterauskunft konstitutive Wirkung zukäme. Im Wege verfassungskonformer Auslegung sei eine Melderegisterauskunft nur eine von mehreren denkbaren Alternativen der Nachweisführung. Ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung des Verstorbenen habe die Klägerin den damaligen Wohnsitz in der Hintergasse 16 nur noch aufrecht erhalten, weil die Wohnung des Verstorbenen für die gesamte Familie zu klein dimensioniert gewesen sei. Gleichwohl hätten der Verstorbene und die Klägerin ab dieser Zeit gemeinsam in einem Haushalt gelebt. Dies könnten neun namentlich benannte Zeugen bestätigen. Unabhängig davon sei bisher von Beklagtenseite noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 der Satzung vorliegen. Danach könnten freiwillige Leistungen zur Vermeidung von Härtefällen gewährt werden.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2015 lehnte die Beklagte den Antrag vom 28. Mai 2015 auf Gewährung von freiwilligen Leistungen (Unterhaltsbeitrag) als Härtefallleistung gem. § 34 Abs. 2 Satz 1, § 51 Abs. 1 der Satzung ab. Nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 der Satzung stehe die Leistung im Ermessen der Bayer. Ärzteversorgung. Obwohl sogar der völlige Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung für verwitwete Ehepartner aus einer Spätehe, die das Versorgungswerkmitglied mit ihm erst nach Beginn einer Rente geschlossen habe, mit dem Grundgesetz vereinbar wäre (vgl. BVerfG, B.v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06), habe das Versorgungswerk in Ausfüllung seines großen Ermessenspielraums in seiner Satzung in solchen Fällen freiwillige Leistungen in Form eines Unterhaltsbeitrags vorgesehen. Diese Regelungen seien Ausnahmeregelungen zu Lasten der Solidargemeinschaft, bei denen in ständiger Verwaltungspraxis der Bayer. Ärzteversorgung hohe Anforderungen an den Nachweis der häuslichen Gemeinschaft zu stellen seien. Zudem seien die zivilrechtlichen Wirkungen der (später) geschlossenen Ehe zu berücksichtigen (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2, § 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB), der die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft zugrunde liege. Sinn und Zweck des Tatbestandsmerkmals „häusliche Gemeinschaft“ sei es, eine (voreheliche) häusliche Gemeinschaft der nachgeheirateten Witwe „als Ehefrau“ zu perpetuieren und im Rahmen dieser Vorschriften zu deren Gunsten anspruchsbegründend zu berücksichtigen. Nachdem in Deutschland Meldepflicht bestehe, habe sich der Satzungsgeber dafür entschieden, dass das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts ausschließlich durch amtliche Melderegisterauskünfte nachgewiesen werden könne. Dies sei konstitutiv. Diese Anknüpfung an das Melderecht sei rechtlich nicht zu beanstanden. Darüberhinaus ergebe sich nicht, worin eine über die Anwendung des § 51 Abs. 1 der Satzung hinausgehende Härte bestehen solle. Es seien keine außergewöhnlichen Umstände vorgetragen worden, die eine Leistungsverweigerung im konkreten Fall als unbillig und ungerecht erscheinen ließen (§ 34 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Aus dem Vortrag der Klägerin ergebe sich vielmehr, dass sie und ihr späterer Ehemann sich wegen der zu klein dimensionierten Wohnung in der Hintergasse 14 bewusst dafür entscheiden hätten, nicht einen gemeinsamen Haushalt, sondern zwei Haushalte in verschiedenen Wohnungen zu unterhalten, um ausreichend Wohnraum für die Betreuung der Pflegekinder durch die Klägerin nachweisen zu können und um ein Pflegegeld zu erhalten. An dieser in der Vergangenheit getroffenen Entscheidung müsse sich die Klägerin nunmehr festhalten lassen.
Die Klägerin hat am 5. August 2015 Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 2. März 2015 und 23. Juni 2015 zu verpflichten über die Anträge der Klägerin auf Gewährung von freiwilligen Leistungen (§§ 51 Abs. 1, 34 Abs. 2 der Satzung) unter Beachtung der Rechtauffassung des erkennenden Gerichts erneut zu entscheiden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Oktober 2015 abgewiesen. Mit Bescheiden vom 2. März 2015 und 23. Juni 2015 sei von der Beklagten zu Recht ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag bzw. Beitrag wegen besonderer Härte abgelehnt worden. Insbesondere habe zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Eheteil nicht bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden (§ 51 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, in der Fassung vom 4.12.2013, BayStAnz 2013 Nr. 50/2013; in Kraft ab 1. Januar 2014). Erst ab 1. September 2010 habe eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bis zur Heirat am 8. Oktober 2010 bestanden. Bis zum Todestag, den 26. November 2014, ergäbe sich als berücksichtigungsfähige Zeit: vier Jahre, zwei Monate und 24 Tage. Die Anwendung der ab 1. Januar 2014 geltenden Satzungsbestimmung verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.
Die Klägerin hat gegen das Urteil die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt es nicht die Berufung zuzulassen.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
1.1 Die Klägerseite wendet Folgendes ein: Dem Verwaltungsgericht sei zwar beizugeben, dass allein auf der Grundlage des § 51 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 4.12.2013 kein Anspruch der Klägerin bestehe, da sie keinen Melderegisterauszug vorlegen könne, der das mindestens fünfjährige Bestehen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Verstorbenen zu dokumentieren vermöge. Auch werde nicht § 6 Abs. 3 der Satzung verkannt, wonach etwaige Satzungsänderungen auch für bestehende Versorgungsverhältnisse, insbesondere für vor einer Satzungsänderung eingetretene Versorgungsfälle gelten sollen. Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung – und damit einhergehend gegen eine uneingeschränkte Anwendung auf den Zeitraum vom 24. Juli 2009 (Rechtkraft der Scheidung des Verstorbenen) bis zum 1. September 2010 – bestünden jedoch unter dem Gesichtspunkt des sog. „Rückwirkungsverbots“ durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken.
Die nach Auffassung der Klägerseite im vorliegenden Fall maßgebliche Satzungsänderung stellt sich wie folgt dar:
§ 51 Abs. 1 (Freiwillige Leistungen) der Satzung der Bayer. Ärzteversorgung i.d.F. vom 1. Dezember 1995, zuletzt geändert durch Satzung vom 28. November 2012 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 49/2012), gültig bis 31. Dezember 2013, lautete:
„Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten, kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbeitrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewähren, wenn er dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen den Haushalt geführt hat.“
Gem. § 1 Nr. 2 der Satzung zur Änderung der Satzung der Bayer. Altersversorgung vom 4. Dezember 2013 – Inkrafttreten am 1. Januar 2014 (Bayer. Staatsanzeiger, Nr. 50/2013) – erhielt § 51 Abs. 1 folgende Fassung:
„Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten, kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbeitrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewähren, wenn mit dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Zeiten einer gleichzeitig bestehenden anderweitigen Ehe bleiben außer Ansatz.“
Nach Auffassung der Klägerseite liege schon eine unzulässige „echte Rückwirkung“ vor, wenn die neue Satzungsregelung auf den hier maßgeblichen Zeitraum (24.7.2009 bis 1.9.2010) angewandt würde (§ 6 Abs. 3 der Satzung), in dem die Klägerin zwar nicht am Wohnsitz des Verstorbenen gemeldet gewesen sei, aber gleichwohl mit diesem einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Aber auch im Falle des Vorliegens „unechter Rückwirkung“ müsse die Klägerin die nachträgliche Beschränkung ihrer Rechtsposition nicht hinnehmen und ihr schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Rechtslage enttäuscht sehen. Die Anwartschaften, die die Klägerin im Zeitraum vom 24.7.2009 bis einschließlich 8.10.2010 erworben habe, seien daher allein nach der zu dieser Zeit maßgeblichen Satzungslage zu beurteilen.
1.2 Daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung ihrer Anträge auf Gewährung von freiwilligen Leistungen gem. § 51 Abs. 1 (Unterhaltsbeitrag) und § 34 Abs. 2 i.V.m. § 51 Abs. 1 (Härtefall) der Satzung. Die Tatbestandsvoraussetzungen der auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Anspruchsnorm des § 51 Abs. 1 der Satzung in der ab 1. Januar 2014 geltenden Fassung (n.F.) liegen nicht vor.
1.2.1 Entgegen der Ausführungen des vormals Prozessbevollmächtigten der Klägerin entfaltet die Satzungsbestimmung des § 51 Abs. 1 n.F. weder echte noch unechte Rückwirkung. Ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes liegt nicht vor.
Eine Norm entfaltet Rückwirkung, wenn sie in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (echte Rückwirkung) oder wenn sie nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (unechte Rückwirkung) und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwertet (BVerfG, B.v.23.3.1971 – 2BvL 17/69 – Rn. 29, 32).
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der maßgeblichen Fassung des § 51 Abs. 1 der Satzung – am 1. Januar 2014 – hatten weder die Klägerin noch ihr Ehegatte eine bestehende Rechtsposition im Hinblick auf die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags inne, die sich hätte verschlechtern können. Eine solche schützenswerte Rechtsposition kann weder aus dem Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG) hergeleitet werden, noch ergibt sie sich aus einem auf der Satzung als Rechtsgrundlage beruhenden Anspruch. Es lag vielmehr nur eine bloße Aussicht auf eine Leistung vor, die nicht nach Ablauf einer Wartezeit und Eintritt des Versorgungsfalles zum Vollrecht erstarkt, sondern unter weiteren Voraussetzungen steht, wie Fortbestand der Ehe, Vorversterben des Partners.
1.2.1.1 Die die Hinterbliebenenversorgung regelnden Vorschriften der Satzung begründen keine Rechtsposition, die dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterliegt. Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen unterfallen nicht dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG. Öffentlichrechtliche Rentenansprüche und Anwartschaften auf Leistungen genießen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen. Nach der Konzeption des Satzungsgebers ist die Hinterbliebenenversorgung den Versicherten weder als Rechtsposition privatnützig zugeordnet, noch beruht sie auf einer dem Versicherten individuell zurechenbaren Leistung, die eine Zuordnung der zugrunde liegenden gesetzlichen Ansprüche zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie rechtfertigen könnte. Während der Versichertenrente Beiträge zugrunde liegen, wird die Hinterbliebenenrente als eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt (vgl. BVerfG, B.v.18.2.1998 – 1 BvR 1318, 1484/86 – BVerfGE 271ff, 283, 284 zur gesetzlichen Rentenversicherung).
Entgegen der Auffassung des vormals Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatten mithin weder die Klägerin noch ihr Ehemann zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ab 1. Januar 2014 geltenden Fassung des § 51 Abs. 1 ein Anwartschaftsrecht noch eine sonst den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießende Position inne.
1.2.1.2 Auch aus der anzuwendenden Satzungsregelung des § 51 Abs. 1 n.F. ergibt sich kein Anspruch der Klägerin bzw. kein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der Ehemann der Klägerin verstarb am 26. November 2014. Gem. § 49 Abs. 1 der Satzung beginnt der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung mit dem auf den Todestag des Mitgliedes folgenden Tag oder, falls das Mitglied Ruhegeld bezogen hatte, am ersten Tag des folgenden Monats. Erst ab diesem Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles entsteht bei Vorliegen der Voraussetzungen der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung der Satzung. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist § 6 Abs. 3 der Satzung nicht einschlägig, da die Satzungsänderung bereits vor Eintritt des Versorgungsverhältnisses erfolgt ist.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 der Satzung n.F., d.h. einer fünfjährigen ununterbrochen bis zum Tod des verstorbenen Eheteils durch Melderegisterauskunft nachgewiesenen häuslichen Gemeinschaft, liegen – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) – unstreitig nicht vor.
1.2.1.3. Gegen die Satzungsregelung § 51 Abs. 1 n.F. bestehen auch im Übrigen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie hält sich im Rahmen des der Beklagten kraft Satzungsautonomie zustehenden rechtlichen Gestaltungsspielraums, der ihr bei der Erfüllung ihrer Aufgabe (hier: Versorgung der Mitglieder und deren Hinterbliebenen) zusteht. Wie das Verwaltungsgericht (UA S. 27 ff.) unter Heranziehung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2010 (Az.: 1 BvR 2584/06 – juris Rn. 13 ff.) ausgeführt hat, ist Zweck der Hinterbliebenenversorgung der Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Mitglieds und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann. Eine Regelung, die die Gewährung von Hinterbliebenenrente dem Grunde oder der Höhe nach davon abhängig macht, ob und in welchem Umfang der Wegfall von Unterhaltsleistungen kompensiert werden muss, kann sich daher auf einen legitimen, im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG hinreichenden Differenzierungsgrund berufen. Dabei ist der Normgeber befugt, die möglichen Sachverhalte typisierend zu erfassen. Damit sind dem Satzungsgeber unter dem Aspekt, dass die Hinterbliebenenversorgung der berufsständischen Versorgungswerke Unterhaltsersatzfunktion aufweist, gestalterische Möglichkeiten eröffnet, den Kreis der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen der Mitglieder in generalisierender und typisierender Form abzugrenzen.
Die streitgegenständliche Satzungsregelung knüpft typisierend an das Ausmaß an, in dem der Wegfall des Unterhalts kompensiert werden soll. Ist – wie hier – die Eheschließung erst nach Eintritt der Regelaltersgrenze des verstorbenen Mitgliedes erfolgt, entfällt oder verringert sich der Grund für diese Kompensation. Mit der Regelung des § 51 Abs. 1 der Satzung hat der Satzungsgeber seinen Gestaltungsspielraum sachgerecht genutzt und die gefundene Lösung erscheint nicht willkürlich. Aus der von der Beklagten vorgelegten „Begründung einer Satzung zur Änderung der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung“ vom 4.12.2013 geht hervor, dass es Sinn und Zweck des Tatbestandsmerkmals „Haushaltsführung“ in § 51 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung in der bis 31.12.2013 gültigen Fassung (a.F.) gewesen sei, die (ggf.) voreheliche Pflichtengemeinschaft zu perpetuieren und im Rahmen dieser Vorschriften zu Gunsten des überlebenden Eheteiles anspruchsbegründend zu berücksichtigen. Nach der ständigen Verwaltungspraxis setze die „Haushaltsführung“ als Tatbestandsvoraussetzung für einen freiwilligen Unterhaltsbeitrag das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts an einem gemeinsamen Wohnsitz, d.h. eine häusliche Gemeinschaft, voraus. Dabei werde auf die zivilrechtlichen Wirkungen der (ggf.) später geschlossenen Ehe abgestellt. Gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB seien die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Ein wesentlicher Ausfluss der ehelichen Lebensgemeinschaft sei die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft. Als Folge dieser häuslichen Gemeinschaft hätten die Ehegatten die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für die Dauer der Ehe werde die häusliche Gemeinschaft unterstellt (s. Schriftsatz der Beklagten vom 23.6.2015, Verwaltungsakte Bl. 83).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Satzungsgeber vorliegend sachgerecht u.a. Versorgungsansprüche für die sog. „nachgeheiratete Witwe“, die die Solidargemeinschaft aller Mitglieder belasten, in engen Grenzen vorgesehen und dabei die Grenze zulässiger Typisierung nicht überschritten. Es hält sich im Rahmen des Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers zum Zweck der Perpetuierung der (vorehelichen) Haushaltsführung der nachgeheirateten Witwe „als Ehefrau“ zu ihren Gunsten anspruchsbegründend eine „bis zum Tod des verstorbenen Eheteils fünf Jahre ununterbrochen durch eine Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft“ festzulegen. Entgegen der Auffassung des vormals Prozessbevollmächtigen der Klägerin handelt es sich bei der „Haushaltsführung“ im Sinne der Satzungsregelung nicht um eine rein tatsächliche Verrichtung, die von der Begründung eines gemeinsamen Hausstandes strikt zu unterscheiden sei. Vielmehr ging der Gesetzgeber, was sich aus der Begründung der Satzungsänderung vom 4. Dezember 2013, vor dem Hintergrund des § 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie dem praktizierten Verwaltungsvollzug ergibt, bereits zur Zeit der Geltung der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vom Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft aus. Darüber hinaus ist das tatbestandliche Erfordernis einer „häuslichen Gemeinschaft“ der hier anzuwendenden ab 1. Januar 2014 geltenden Fassung der Satzungsbestimmung klar dem Wortlaut der Regelung zu entnehmen.
Es bestehen auch keine Bedenken, dass der Nachweis der häuslichen Gemeinschaft durch eine „Melderegisterauskunft“ konstitutiv ausgestaltet wurde. In Deutschland besteht Meldepflicht (zur Gesetzeslage bis 30. Oktober 2015: §§ 11, 12 Melderechtsrahmengesetz – MRRG – neugefasst durch G v. 19.4.2002, BGBl. I S. 1342, aufgehoben durch Artikel 4, G v. 3.5.2013, BGBl. I. S. 1084, 2014 BGBl I S. 1738; Art. 13, 15 Bayer. Gesetz über das Meldewesen – MeldeG – v. 8.12.2006, GVBl. 2006, 990, aufgeh. durch Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes – BayAGBMG – v. 23.6.2015, GVBl. S. 178; zur Gesetzeslage ab 1. November 2015: §§ 17 ff. Bundesmeldegesetz – BMG – vom 3.5. 2013, BGBl. S. 1084, zuletzt geändert durch Art. 11 Abs. 4 des Gesetzes v . 18.7.2017, BGBl. S. 2745).
Von der Richtigkeit und Vollständigkeit des Melderegisters (§ 6 BMG) kann ausgegangen werden. Es oblag der Satzungsgeberin im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums als Nachweis der häuslichen Gemeinschaft pauschalierend und konstitutiv eine Melderegisterauskunft zu verlangen, um von eigenen zeit- und kostenintensiven Erhebungen und Überprüfungen zu den von den Antragstellern angegebenen Wohnsitzen und ggf. der vorgetragenen „häuslichen Gemeinschaft“ bei getrennten Wohnsitzen absehen zu können. Solche eigenen Erhebungen wären mit einem erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand zu Lasten der Solidargemeinschaft verbunden. Das Vorliegen einer „häuslichen Gemeinschaft“ könnte ggf. bei den vorhandenen rechtlichen und tatsächlichen Ermittlungsmöglichkeiten des Ärzteversorgungswerks in komplizierten Einzelfällen nicht durchwegs zutreffend festgestellt werden. Wie die Beklagte ausgeführt hat, gewährleistet der Rückgriff auf die Rechtsinstitute des Melderechts auch, dass ein einheitlicher Anknüpfungspunkt bei jedem einzelnen Mitglied gewährleistet ist, so dass der Rückgriff auf das Rechtsinstitut des Melderechts letztlich einem gleichmäßigen und gleichzeitig praktikablen und rationellen Verwaltungsvollzug sicherstellt. Mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum der Satzungsgeberin sind gewisse aus notwendigen und sachgerechten Pauschalierungen resultierende nicht jeder einzelnen Fallgestaltung in vollem Umfang gerecht werdende Nachteile hinzunehmen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist der Nachweis einer amtlichen Melderegisterauskunft grundsätzlich und im Hinblick auf den mit der Satzungsregelung verfolgten Zweck geeignet, das Bestehen einer „häuslichen Gemeinschaft“ zu dokumentieren.
1.2.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Neuverbescheidung ihres Antrags auf Gewährung von freiwilligen Leistungen wegen des Vorliegens einer besonderen Härte (§ 34 Abs. 2 i.V.m. § 51 Abs. 1 der Satzung). Solche Umstände sind nicht ersichtlich. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 5) wird Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
2. Schließlich wurde der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), nicht hinreichend dargelegt oder liegt nicht vor.
Der vormals Bevollmächtigte der Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe den von Klägerseite in der Klageschrift angebotenen Zeugenbeweis zum Beweis dafür, dass die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann seit Rechtskraft der Scheidung des Verstorbenen bis zum 1.9.2010 einen gemeinsamen Haushalt geführt habe, unberücksichtigt gelassen. Unter Zugrundelegung der durch das Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung zur konstitutiven Wirkung der Melderegisterauskunft sei der Verzicht auf die zeugenschaftliche Einvernahme der benannten Zeugen zwar letzten Endes konsequent und folgerichtig., gleichwohl liege darin ein Verfahrensfehler begründet, da die Einvernahme dieser Zeugen zu einem anderen Ergebnis bei der Beurteilung der Tatbestanderfüllung zumindest hätte führen können.
Der vormals Bevollmächtigte der Klägerin hat damit eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) erhoben, die den Darlegungsanforderungen des § 124a VwGO nicht genügt. Eine Aufklärungsrüge setzt regelmäßig die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, v.a. das Unterlassen des Stellens von Beweisanträgen zu kompensieren. Bloße Ankündigungen von Beweisanträgen in vorbereitenden Schriftsätzen ersetzen weder förmliche Beweisanträge, noch lösen sie für sich genommen eine Ermittlungspflicht aus ( Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 75 m.w.N.). In der mündlichen Verhandlung hat der vormalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin keine Beweisanträge gestellt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2015), so dass sein Vortrag sich nicht gegen die Behandlung von Beweisanträgen (§ 86 Abs. 2 VwGO) richtet, sondern als Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) einzuordnen ist.
Ob das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft vorgegangen ist, muss dabei stets aus dem Blickwinkel seines materiellrechtlichen Standpunktes beurteilt werden, selbst dann, wenn dieser Standpunkt nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts falsch sein sollte (Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 Rn. 48; BVerwG NVwZ-RR 2017, 1037 Rn 4). Vorliegend hat die Klägerseite selbst vorgetragen, dass es für das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung im Hinblick auf die in der Satzung festgelegte konstitutive Wirkung des Nachweises der häuslichen Gemeinschaft durch eine Melderegisterauskunft nicht entscheidungserheblich auf Zeugenaussagen zu diesem Thema ankommt. Auch unter diesem Blickwinkel ist daher ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Verwaltungsgerichts weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Nach Nr. 14.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 ist bei Ansprüchen auf Versorgungsleistungen aus berufsständischen Versorgungswerken bei der Streitwertbemessung der dreifache Jahresbetrag der einzuweisenden Versorgungsleistung zum Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist (vgl. § 52 Abs. 1 i.V.m § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Anspruch auf einen freiwilligen Unterhaltsbetrag in Höhe des halben Witwengeldes in Höhe von 687,02 EUR monatlich geltend gemacht. Der Streitwert wird daher auf 24.732,72 EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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