Verwaltungsrecht

Keine Unterhaltssicherung für Reservisten ohne Verdienstausfall

Aktenzeichen  6 ZB 18.2012

Datum:
5.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28761
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
USG § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 11
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Erhält ein Reservist während einer Wehrübung sein Gehalt als Angestellter weiter und erleidet deshalb keinen Verdienstausfall, wird keine Unterhaltssicherung gewährt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Er hat auch keinen Anspruch auf Mindestleistungen nach § 9 Abs. 1 S. 1 USG, wenn sein anrechenbares Einkommen über dem hiernach vorgesehenen Tagessatz liegt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 15 K 16.4689 2018-08-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 2. August 2018 – M 15 K 16.4689 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 255,64 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist, liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger, ein Reservistendienst leistender Oberfeldwebel, begehrt für die Zeit einer Übung vom 10. bis zum 13. März 2016 Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (USG in der einschlägigen bis zum 30.3.2017 geltenden Fassung vom 29.6.2015). Sein monatliches Gehalt als Angestellter bezog er in diesem Zeitraum weiter. Mit Bescheid vom 25. Juni 2016 setzte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Bundesamt) den Betrag der Mindestleistung auf 0,00 € fest, weil der Kläger keinen Verdienstausfall nach § 6 oder § 7 USG geltend gemacht habe und auf die Mindestleistung nach § 9 USG das ihm weiter gewährte Arbeitsentgelt, gemindert um die gesetzlichen Abzüge, anzurechnen sei. Dieses sei höher als die dem Kläger zustehende Mindestleistung. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 wies das Bundesamt den vom Kläger eingelegten Widerspruch zurück.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 2. August 2018 die vom Kläger erhobene Klage zurückgewiesen und dabei mit überzeugenden Erwägungen ausgeführt, dass dem Kläger weder Leistungen an Nichtselbstständige nach § 6 USG noch die Mindestleistung nach § 9 USG zustünden. Die vom Kläger mit dem Zulassungsantrag erhobenen Einwände überzeugen nicht und bedürfen keiner weiteren Überprüfung in einem Berufungsverfahren.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen an Nichtselbstständige gemäß § 6 Abs. 1 USG.
Nach dieser Vorschrift wird Arbeitnehmern, die Reservistendienst leisten, der Verdienstausfall in Höhe des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) ersetzt. Nach der Gesetzesbegründung dient die Vorschrift der Sicherung des Nettoerwerbseinkommens der Reservistendienst Leistenden, das ohne den Reservistendienst erzielt worden wäre. Wenn sich durch den Reservistendienst die Einkünfte des Arbeitnehmers vermindern, besteht ein Anspruch auf Ausgleich. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes soll ausschließlich der Nachteil, der dem Reservistendienst Leistenden durch die Einberufung entsteht, ausgeglichen werden. Sofern Reservistendienst Leistende kein Arbeitsentgelt einbüßen, weil sie am Wochenende oder anderen arbeitsfreien Tagen Reservistendienst leisten, besteht kein Anspruch auf Ausgleich (BT-Drs. 18/4632 S. 29).
In Anwendung dieses Maßstabs steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterhaltssicherung nach § 6 Abs. 1 USG zu, auch wenn er den Reservistendienst in seiner Freizeit absolviert hat. Entscheidend ist allein, dass er nach der vorgelegten Verdienstbescheinigung im maßgeblichen Zeitraum der Übung (10. bis 13.3.2016) als Angestellter seine monatliche Vergütung in Höhe von 3.049,34 € weiterbezogen hat, ohne einen Verdienstausfall zu haben. Da § 6 Abs. 1 USG eine kausale Verknüpfung zwischen dem Reservistendienst und dem Verdienstausfall voraussetzt, kommt eine Verdienstausfallentschädigung in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. Decker in Eichler/Oestreicher/Decker, USG, Bd. 1, Teil 2B § 6 Rn. 8, 11).
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Mindestleistung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 USG.
Aufgrund dieser Regelung erhalten Reservistendienst Leistende, die keinen Anspruch auf Leistungen nach § 6 oder § 7 USG haben oder deren Anspruch geringer ist als der Tagessatz nach der Tabelle in Anlage 1, für jeden Tag der Dienstleistung den Tagessatz nach der Tabelle in Anlage 1. Auf die Mindestleistung anzurechnen sind Arbeitsentgelte, Dienstbezüge sowie Erwerbsersatzeinkommen, die dem Reservistendienst Leistenden weitergewährt werden, gemindert um die gesetzlichen Abzüge.
Reservistendienst Leistende, die ein geringes oder kein Erwerbseinkommen erzielen, erhalten danach die Tabellenleistung, die an die Nettobesoldung von Soldaten angeglichen wurde. Soweit (Netto-)Arbeitsentgelt, (Netto-)Dienstbezüge, (Netto-)Erwerbsersatzeinkommen und Einkünfte an Reservistendienst Leistende aus ihrem privaten Betrieb, Arbeits- oder Dienstverhältnis – auch ohne Rechtsanspruch – an Tagen des Reservistendienstes gewährt werden, sind diese auf die Mindestleistungen anzurechnen. Es soll aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit eine dadurch auch bislang nicht gewollte Besserstellung oberhalb des Niveaus der Mindestleistungen ausgeschlossen werden (s. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4632 S. 31).
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, ist die vom Bundesamt insoweit durchgeführte Berechnung nicht zu beanstanden. Dieses hat aus der Verdienstbescheinigung des Klägers einen Tagessatz von 101,64 € ermittelt, der dem Kläger täglich aufgrund seiner Erwerbstätigkeit zustand (3.049,34 € : 30 Tage = 101,64 €). Dieser Satz liegt deutlich über dem in Anlage 1 zu § 9 USG genannten Tagessatz von 63,91 € für einen Reservistendienst leistenden Oberfeldwebel ohne Kind. Da das Arbeitsentgelt auf die Mindestleistung anzurechnen ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 USG), bleibt somit beim Kläger für eine Mindestleistung kein Raum.
Für eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG ist entgegen der Ansicht des Klägers nichts ersichtlich. Sein Einwand, dass er die Reservistendienstleistungen – als Angestellter in Teilzeit – in seiner Freizeit absolvieren müsse, wohingegen ein Vollzeitarbeitnehmer dies während seiner regelmäßigen Arbeitszeit erledige und hierfür entschädigt werde, greift nicht durch. Es liegt schon keine Ungleichbehandlung vor, weil sowohl bei Teilzeit- als auch bei Vollzeitbeschäftigten nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 USG Arbeitsentgelte auf die Mindestleistung anzurechnen sind. Die Ansicht des Klägers, dass bei ihm als Teilzeitbeschäftigten die Anrechnung des Arbeitsentgelts auf die Mindestleistung rechtswidrig sei, würde im Gegenteil zu einer dem Gleichheitssatz zuwiderlaufenden Bevorzugung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten führen. Das Unterhaltssicherungsgesetz bezweckt, dem Herangezogenen eine seinen bisherigen wirtschaftlichen Lebensverhältnissen entsprechende Lebenshaltung zu ermöglichen, aber keine Besserstellung von Teilzeitbeschäftigten (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.1995 – 8 C 16.93 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 9.10.2015 – 6 ZB 15.259 – juris Rn. 10). Für die vom Kläger begehrte analoge Anwendung des § 6 USG ist mangels eines Verdienstausfalls des Klägers und mangels einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke kein Raum; darauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen (S. 8 des Urteils).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG (63,91 € x 4 Übungstage = 255,64 €).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben