Aktenzeichen 24 CS 22.884
Leitsatz
Verfahrensgang
RO 4 S 22.28 2022-03-07 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.000, – € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist (1.) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen (2.).
1. Die durch den Bevollmächtigten des Antragstellers am 30. März 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangene Beschwerde ist nicht fristgerecht erhoben worden. Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist wird gemäß Absatz 2 auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehene Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 7. März 2022 ist dem Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Empfangsbekenntnisses, welches der Bevollmächtigte am 14. März 2022 um 17:20 Uhr elektronisch aus einem besonderen Anwaltspostfach an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg per EGVP übermittelt hat, am 14. März 2022 elektronisch per EGVP übermittelt worden. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde begann damit am 15. März 2022 und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB mit Ablauf des 28. März 2022. Bis zu diesem Zeitpunkt ging weder beim Verwaltungsgericht Regensburg noch beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Beschwerdeschriftsatz ein.
2. Dem Antragsteller ist bezüglich der Frist zur Einlegung seiner Beschwerde auch nicht die mit Schreiben vom 30. März 2022 begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren. Vielmehr ist sein betreffender Antrag abzulehnen, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, die Frist zur Einlegung der Beschwerde unverschuldet nicht eingehalten zu haben (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO). Es verbleibt die Möglichkeit, dass die Überschreitung der Einlegungsfrist auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Antragsteller wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). In einem solchen Fall kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers macht als Wiedereinsetzungsgrund geltend, er – ein Einzelanwalt – sei am 8. März 2022 trotz dreifacher Impfung an Covid19 erkrankt. Auch der am 14. März 2022 durchgeführte Schnelltest habe noch ein positives Ergebnis ergeben. Er sei daher auf Weisung des Gesundheitsamts Weilheim-Schongau alleine zu Hause im Home-Office geblieben. Auch nach seinem „Freitesten“ hätten die Symptome weitergewirkt, sodass er sich auf ärztlichen Rat seines Hausarztes weiterhin geschont habe und erst am 29. März 2022 wieder in der Kanzlei erschienen sei.
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Ein Verschulden liegt dann vor, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.1995 – 6 C 13.93 – juris Rn. 5; B.v. 28.4.1967 – 9 C 100.66 – NJW 1967, 2026, juris Rn. 10). Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung eine (unvorhersehbare) Erkrankung einer Partei oder ihres Vertreters einen Grund für die Wiedereinsetzung darstellen. Die Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten stellt aber nur dann eine unverschuldete Verhinderung dar, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwerwiegend ist, dass es für diesen unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (vgl. BGH, B.v. 5.4.1989 – VIII ZB 4/89 – juris Rn. 6; BFH, B.v. 27.7.2015 – X B 107.14 – juris Rn. 7) Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu seiner Erkrankung sowie die diesbezüglich vorgelegten Nachweise der Glaubhaftmachung – vorgelegt wurde ausschließlich ein Corona-Zertifikat des Labors Karlsfeld vom 8. März 2022 – sind nicht geeignet, seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 28. März 2022 infolge der Corona-Erkrankung und damit sein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis hinreichend glaubhaft zu machen. Eine Erkrankung und eine daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit als Wiedereinsetzungsgrund kann nämlich in der Regel nur durch Vorlage eines ärztlichen Attests glaubhaft gemacht werden (vgl. BFH, B.v. 3.2.1993 – IX R 95.92 – juris Rn. 6; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 76). Denn nur ein Arzt ist dafür ausgebildet, Krankheiten zu diagnostizieren und zu beurteilen, inwieweit diese zu einer Arbeitsunfähigkeit führen oder etwa durch Medikamente schnell behoben bzw. jedenfalls gelindert werden können. Dies gilt insbesondere bei den vom Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Symptomen der Corona-Erkrankung wie Husten und Verspannungen, die nicht zwangsläufig zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Der Prozessbevollmächtigte hat aber weder die Weisung des Gesundheitsamts Weilheim-Schongau, der zufolge er angeblich im Home-Office bleiben musste, noch das Attest seines Hausarztes, der ihm angeblich geraten hat, zu Hause zu bleiben, zur Glaubhaftmachung seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 29. März 2022 vorgelegt.
Zweifel an dem Vortrag, dass er bis zum 29. März 2022 aufgrund seiner Corona-Erkrankung in dem Maße arbeitsunfähig war, dass ihm die Fristwahrung unmöglich oder bei vernünftiger Betrachtung unzumutbar war (vgl. BGH, B.v. 5.4.1989 – VIII ZB 4/89 – juris LS), ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass er offenbar am 14. März 2022, also sieben Tage nach dem ersten positiven Corona-Testergebnis, in der Lage war, den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg in seinem Anwaltspostfach zu empfangen und das entsprechende Empfangsbekenntnis zurückzuschicken. Entsprechend wäre es ihm wohl auch möglich gewesen, an diesem Tag vorsorglich Beschwerde einzulegen, um sicherzustellen, dass er, falls er doch länger arbeitsunfähig sein sollte – schließlich hat er sich angeblich an diesem Tag immer noch krank gefühlt -, die Beschwerdefrist nicht versäumt.
Zudem erfordert ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag aber darüber hinaus die Darlegung einer geeigneten Notfallvorsorge, die die Funktionsfähigkeit des Büros auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung gewährleistet (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2013 – 5 ZB 13.340 – juris Rn. 3 m.w.N.). Ein Rechtsanwalt muss grundsätzlich zur Wahrung laufender Fristen Vorsorge für den Fall einer plötzlichen Arbeitsunfähigkeit treffen. Nur wenn er aufgrund einer plötzlich auftretenden, nicht vorhersehbaren Erkrankung an der fristgebundenen Erledigung oder Bestellung eines Vertreters gehindert war, kann eine Fristversäumnis unverschuldet sein (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2015 – 7 ZB 14.2138 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 23.4.2010 – 8 PA 63/10 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 28.8.2008 – 6 B 22.08 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dass der Antragsteller derartige organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, wozu er insbesondere angesichts der Tatsache, dass er als Einzelanwalt agiert im besonderen Maße verpflichtet ist, hat er nicht vorgetragen. Schon aus diesem Grund kommt eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist daher nicht in Betracht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).