Verwaltungsrecht

Schadensersatz des Dienstherrn, Gewaltakt Dritter (Reifenbeschädigung auf dem Behördenparkplatz), Feststellungslast, Beweis des ersten Anscheins

Aktenzeichen  3 ZB 21.1308

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36759
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 98

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 K 20.5997 2021-03-30 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 249,57 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wurde nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
In der Sache geht es um Sachschadensersatz wegen einer Beschädigung des Privatfahrzeugs des Klägers. Das Fahrzeug war am 17. April 2020 in der Zeit zwischen 5:50 Uhr und 11:00 Uhr auf dem frei zugänglichen Bedienstetenparkplatz der Kriminalpolizeiinspektion in Ingolstadt, bei der der Kläger Dienst leistet, geparkt. Mehrere Nägel hatten insgesamt drei Reifen beschädigt, was der Kläger auf der Fahrt nach Hause bemerkte.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Sachschadensersatz in Höhe von 249,57 € zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG.
Nach dieser Bestimmung kann der Dienstherr Ersatz leisten, wenn durch Gewaltakte Dritter, die im Hinblick auf das pflichtgemäße dienstliche Verhalten eines Beamten begangen werden, Gegenstände beschädigt oder zerstört werden, die dem Beamten, seinen Familienangehörigen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen gehören, oder wenn dem Beamten sonstige, nicht unerhebliche Vermögensschäden zugefügt werden. Gleiches gilt nach Art. 98 Abs. 1 Satz 2 BayBG in den Fällen, in denen sich der Gewaltakt gegen den Dienstherrn des Beamten als solchen gerichtet hat.
Die Feststellungslast für einen Gewaltakt eines Dritten, die Beziehung zum pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten des Beamten und zum Angriff auf den Dienstherrn als solchen sowie für die Beschädigung und Zerstörung von Gegenständen bzw. den Vermögensschaden trifft den Beamten. Auch wenn der Täter nicht ermittelt wurde und deshalb keine Tatsachen festgestellt wurden, die die Beziehung zum pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten des Beamten oder die Beziehung des Gewaltakts zum Dienstherrn dartun, ist nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins eine positive Entscheidung möglich, wenn nach der Art des Gewaltakts und dem ausgewählten Subjekt oder Objekt der nach dem Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 BayBG festzustellende Sachverhalt naheliegt (Baßlsberger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2021, Art. 98 BayBG Rn. 8).
1.1 Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es zwar möglich erscheine, dass eine unbekannte Person drei Reifen des PKW des Klägers durch einen Gewaltakt mit dienstlichem Bezug im Sinne des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG beschädigt habe. Als Hintergrund für die Beschädigung kämen daneben aber auch reiner – nicht zielgerichteter – Vandalismus oder eine auf die Person des Klägers abzielende (Rache-)Tat ohne Bezug zu seinem pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten in Betracht. Die Umstände des Vorfalles ließen gerade nicht auf den Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG als den wahrscheinlicheren Hergang schließen. Vielmehr seien die Sachverhaltsvarianten gleichwertig nebeneinander und damit als Ursachen jeweils ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Der Kläger wendet ein, eine auf die Person des Klägers abzielende (Rache-)Tat scheide aus, weil dieser im 200 km von Ingolstadt entfernten Wohnort seinen Lebensmittelpunkt habe. Er bezieht sich jedoch nicht auf die weitere Überlegung des Verwaltungsgerichts, wonach auch reiner Vandalismus in Betracht zu ziehen sei. Damit hat er ernstliche Zweifel nicht ausreichend dargelegt.
1.2 Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend die Voraussetzungen des Art. 98 Abs. 1 Satz 2 BayBG (Gewaltakt gegen den Dienstherrn als solchen) verneint.
Der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass sich der Vorfall vom 17. April 2020 als zusammenhangloser Einzelfall darstelle, weil er sich nicht in die Serie von Beschädigungen aus den Jahren 2013 und 2018 einreihe (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2007 – 3 B 04.2786 – juris Rn. 22 beim Anscheinsbeweis nach einer Vielzahl von Beschädigungsfällen), vermag der Kläger nichts an Substanz entgegen zu setzen.
3. Das Verwaltungsgericht hat schließlich zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach Art. 98 Abs. 2 BayBG verneint.
Nach dieser Bestimmung kann der Dienstherr Ersatz leisten, wenn in Ausübung oder infolge des Dienstes eines Beamten Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die üblicherweise oder aus dienstlichem Grund im Dienst mitgeführt werden, durch einen Unfall beschädigt oder verloren werden, sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.
Es fehlt bereits an der Voraussetzung eines Unfalls im Sinne des Art. 98 Abs. 2 BayBG.
Der Begriff des Unfalls im Art. 98 Abs. 2 BayBG ist im Zusammenhang mit dem Unfallbegriff des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG zu sehen (Baßlsberger a.a.O. Rn. 11). Der Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzlich, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis, das einen Körperschaden verursacht und in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Die Anmerkung des Klägers, das „Ziehen“ des Fahrzeugs nach rechts stelle bei einem Fahrweg von 200 km eine körperliche Gefährdung dar, weshalb in der Gesamtschau ein von außen auf den Kläger einwirkendes Unfallereignis vorliege, liegt neben der Sache. Der Kläger hat keinen Körperschaden erlitten, sodass der Tatbestand der Bestimmung nicht erfüllt ist.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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