Verwaltungsrecht

Tierschutzrechtliche Anordnungen – Kaninchenhaltung

Aktenzeichen  9 CS 18.1002

Datum:
9.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28763
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. In Fällen einer konkreten Gefährdung der Tiere ergibt sich das besondere Vollzugsinteresse regelmäßig aus der Grundverfügung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den tierschutzfachlichen Stellungnahmen eines Amtstierarztes kommt bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten werden nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (BayVGH BeckRS 2017, 102513). Diese fachliche Beurteilung ist grundsätzlich nur durch ein substantiiertes Gegenvorbringen zu entkräften; ein bloßes Bestreiten ist regelmäßig nicht ausreichend. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 S 18.606 2018-04-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.050,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2018 hatte das Landratsamt M. verschiedene für sofort vollziehbar erklärte, zwangsgeldbewehrte tierschutzrechtliche Anordnungen zur Kaninchenhaltung erlassen und mit Schreiben vom 7. Februar 2018 Zwangsgeld in Höhe von 2.200,00 Euro fällig gestellt. Hiergegen haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Februar 2018 Klage erhoben und gleichzeitig beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen sowie festzustellen, dass die Einziehung und Beitreibung des angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 2.200,00 Euro unzulässig ist.
Mit Beschluss vom 17. April 2018 lehnte das Verwaltungsgericht M. den Eilantrag ab. Dagegen legten die Antragsteller am 3. Mai 2018 Beschwerde ein.
Das Klageverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 22. Juni 2018 eingestellt. Das vorliegende Beschwerdeverfahren erklärten die Beteiligten mit Schreiben vom 2. Juli 2018 und 4. Juli 2018 für erledigt, wobei sie jeweils beantragten, die Kosten der Gegenseite aufzuerlegen.
II.
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen war das Beschwerdeverfahren analog § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, die Kosten der Partei aufzuerlegen, die bei Fortführung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. Für die dazu erforderliche überschlägige Überprüfung des Streitstoffes sind Beweise nicht mehr zu erheben und schwierige Sach- und Rechtsfragen nicht mehr zu entscheiden (vgl. Kopp, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 161 Rn. 15 ff.). Dem entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Antragstellern aufzuerlegen, da die Beschwerde der Antragsteller nach überschlägiger Prüfung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre.
1) Soweit die Antragsteller die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO rügen, ist zu berücksichtigen, dass sich das besondere Vollzugsinteresse jedenfalls in Fällen einer konkreten Gefährdung der Tiere regelmäßig aus der Grundverfügung ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 CS 16.2021 – juris Rn. 12). Darüber hinaus hat das Landratsamt M* … hier im Bescheid vom 4. Januar 2018 ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Tiere daran leiden würden, unzureichend untergebracht zu sein und dass nicht länger zugewartet werden könne, bis bei den Tieren sichtbare Schäden auftreten. Damit ist der Forderung, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, auch mit Blick darauf, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsakts angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, entsprochen (vgl. BayVGH, B.v. 14.09.2017 – 9 CS 17.456 – juris Rn. 11).
2) Bei überschlägiger Prüfung dürfte zumindest der überwiegende Teil der gegenüber den Antragstellern mit Bescheid vom 4. Januar 2018 verfügten tierschutzrechtlichen Anordnungen in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG eine hinreichende rechtliche Grundlage haben und der Bescheid insoweit rechtlich nicht zu beanstanden sein. Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass die angeordneten Maßnahmen auf den tierschutzfachlichen Stellungnahmen der Amtstierärztin beruhen, deren fachlicher Einschätzung bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten werden, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 13). Diese fachliche Beurteilung ist grundsätzlich nur durch ein substantiiertes Gegenvorbringen zu entkräften; ein bloßes Bestreiten ist regelmäßig nicht ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2017 – 9 CS 17.456 – juris Rn. 13). Ein solches Gegenvorbringen lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Das von den Antragstellern vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Dr. S* … beurteilt die Kaninchenhaltung der Antragsteller als Nutztierhaltung und legt seiner Bewertung das „Merkblatt Nr. 78 zur Kaninchenhaltung (herkömmlich, intensiv)“ der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT)(Stand Februar 2016) zu Grunde. Dieses Merkblatt zur Kaninchenhaltung ist aber nicht mehr aktuell. Es befindet sich in Überarbeitung und wird deshalb von der TVT seit April 2018 auch nicht mehr im Internet veröffentlicht. Abgesehen davon dürfte die von den Antragstellern praktizierte Kaninchenhaltung ohnehin nicht dem Anwendungsbereich dieses Merkblatts unterfallen, da es sich nach dem maßgeblichen Zweck der Kaninchenhaltung der Antragsteller nicht um eine Nutztierhaltung, sondern um eine Heimtierhaltung aus Liebhaberei handeln dürfte. Denn die Kaninchen werden – wie bereits vom Verwaltungsgericht ausgeführt wurde – weder geschlachtet noch anderweitig gewerblich genutzt oder veräußert. Allein die Haltung auf einem Außenbereichsgrundstück dürfte an der Einstufung als Heimtierhaltung nichts ändern.
Orientierungshilfe für die Beurteilung der Kaninchenhaltung der Antragsteller dürften damit die Merkblätter Nr. 157 „Heimtiere – Kaninchen“ sowie Nr. 131.5 „Tiere im sozialen Einsatz – Kaninchen“ sein (zur Rechtsnatur der Merkblätter vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris Rn. 23). Bei summarischer Prüfung entsprechen die tierschutzrechtlichen Anordnungen der Amtstierärztin im Bescheid vom 4. Januar 2018 im Wesentlichen den in diesen Merkblättern ausgesprochenen Empfehlungen und geben keinen Anlass für Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.
Soweit sich die Antragsteller auch gegen die Fälligkeitsmitteilung vom 7. Februar 2018 hinsichtlich der bezeichneten Zwangsgelder wehren, ist ihre Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes nicht begründet. Die Antragsteller haben – wie bereits vom Verwaltungsgericht ausgeführt wurde – schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
Deshalb entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Antragstellern aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).


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