Verwaltungsrecht

Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts eines Unionsbürgers durch Inhaftierung

Aktenzeichen  10 ZB 19.2250

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1184
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU § 4a, § 6 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
RL 2004/38/EU Art. 7 Abs. 1 Art. 16 Abs. 1
GG Art. 6
StGB § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Zeiträume, in denen der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat eine Freiheitsstrafe verbüßt (hat), können nicht für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden, weil diese die Kontinuität des Aufenthalts unterbrechen und dem verfolgten Ziel der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat zuwider laufen würden(vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12, BeckRS 2014, 80038; U.v. 16.1.2014 – M.G., C-400/12, BeckRS 2014, 80039; U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u.a., BeckRS 2018, 5388; BayVGH, B.v. 18.3.2015 – 10 C 14.2655,BeckRS 2015, 44249).    (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 17.3672 2019-05-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2017 weiter, mit dem der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt, die Einreise und der Aufenthalt für sechs Jahre untersagt sowie der Kläger zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Polen angedroht wurde.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 8. Mai 2019 ausgeführt, Maßstab für die Verlustfeststellung sei § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU. Die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts beurteile sich nicht nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, weil der Kläger ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU nicht erworben habe. § 4a Abs. 1 FreizügG/EU setze einen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren im Bundesgebiet voraus. Der Kläger sei am 9. April 2012 in das Bundesgebiet eingereist. Seit dem 8. September 2016 habe er sich in Haft befunden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH, wonach “zum Zwecke der Feststellung, ob die Zeiträume der Haft zu einem Abreißen des zuvor geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat der Gestalt geführt haben, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes (des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU) kommen kann, (.) gleichwohl eine umfassende Beurteilungssituation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen ist, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt.” Gemessen daran sei bei Würdigung sämtlicher Aspekte im Falle des Klägers davon auszugehen, dass die zuvor geknüpften Integrationsverbindungen spätestens durch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten abgerissen seien. Das Gericht sei überzeugt, dass der Kläger auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten im Bereich der Eigentumsdelikte begehen werde. Zum einen sprächen Art und Umfang der Eigentumsdelikte dafür, dass er trotz seiner positiven Entwicklung auch in Zukunft Straftaten in diesem Bereich begehen werde. Er habe Fahrzeuge von enormem Wert entwendet und das Vertrauen seines Arbeitgebers wiederholt missbraucht. Die Tatbegehung habe organisierte und nahezu professionelle Strukturen aufgewiesen. Die widersprüchlichen Angaben des Klägers im Rahmen des Strafverfahrens und in der mündlichen Verhandlung ließen darauf schließen, dass er aus der in der Vergangenheit liegenden Straffälligkeit nichts gelernt und sein Verhalten nicht reflektiert habe. Diese Gefahr werde dadurch verstärkt, dass sich der Kläger in einer sehr schwierigen finanziellen Lage befinde. Aktuell laufe ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten Drogen und Alkohol in erheblichem Umfang konsumiert habe und nicht über eine abgeschlossene Drogen- und Alkoholtherapie verfüge. Da die Straftaten jedenfalls auch auf der Suchterkrankung des Klägers beruhten, könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange er nicht eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht habe. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass der Kläger vor seiner Inhaftierung neben seiner Drogen- und Alkoholsucht zudem an einer Spielsucht gelitten habe, welche die Gefahr, dass er wieder in das kriminelle Milieu abgleiten werde, erheblich erhöhe. Für eine Wiederholungsgefahr spreche auch der Umstand, dass der Kläger trotz guter Führung seine Freiheitsstrafe vollständig abgesessen habe und eine Führungsaufsicht für fünf Jahre angeordnet worden sei. Die Ermessensentscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Das Gericht sei davon überzeugt, dass das Verhältnis des Klägers zu seiner Tochter nicht eine gelebte Vater-Kind-Beziehung darstelle.
Der Kläger bringt vor, er sei im April 2012 nach Deutschland gezogen. In der Zeit von 7. September 2016 bis 11. April 2017 habe er sich in Untersuchungshaft und erst dann bis 30. November 2018 in Strafhaft befunden. Das Verwaltungsgericht unterscheide nicht zwischen den verschiedenen Haftzeiten und berufe sich hierbei auf eine Entscheidung des EuGH vom 16. Januar 2019 (richtig: 2014) – C-400/12. Es habe übersehen, dass der EuGH von der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ausgehe. Es sei eindeutig die Strafhaft gemeint und nicht die Untersuchungshaft. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bestehe keine Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft weitere Straftaten begehen werde. Die Bewährungshilfe attestiere ihm eine positive Entwicklung, er gehe einer geregelten unbefristeten Tätigkeit nach und die durchgeführten Drogenscreenings seien alle negativ. Da die Staatsanwaltschaft eine stationäre Therapie abgelehnt habe, habe er versucht, bei einer externen Suchtberatung der Justizvollzugsanstalt eine ambulante Therapie durchzuführen. Er habe an mehreren Therapiesitzungen teilgenommen. Vollzugslockerungen seien ausschließlich aufgrund der Einleitung des streitgegenständlichen ausländerrechtlichen Verfahrens verweigert worden. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen Art. 6 GG vor. Vor der Inhaftierung habe der Kläger zu seiner minderjährigen Tochter eine innige Beziehung gehabt. Nach der Haftentlassung habe er wieder unverzüglich Kontakt zu ihr auf genommen und unterstütze die Mutter des Kindes. Er habe das gemeinsame Sorgerecht und sehe seine Tochter wöchentlich immer sonntags. Es handele sich hierbei um eine gelebte Vater-Kind-Beziehung. Der Kläger habe lediglich während der Untersuchungshaft der Kindesmutter eine Vollmacht für Angelegenheiten der schulischen Belange, der Gesundheitsvorsorge und der Einleitung von Jugendhilfemaßnahmen erteilt.
Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Denn dieses hat zutreffend festgestellt, dass zugunsten des Klägers die Einschränkung des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU mangels Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts im Sinne des § 4a FreizügG/EU nicht greift. Bei dieser Prüfung ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Zeiträume, in denen der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat eine Freiheitsstrafe verbüßt (hat), nicht für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden können, weil der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU von der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig macht, diese Integration nicht nur auf territorialen und zeitlichen Faktoren, sondern auch auf qualitativen Elementen im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat beruht, und die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch ein nationales Gericht dazu angetan ist, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaates in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet, so dass die Berücksichtigung von Zeiträumen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts dem mit der Einführung dieses Aufenthaltsrechts verfolgten Ziel eindeutig zuwider laufen würde (vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12 – juris Rn. 25 und 26; U.v. 16.1.2014 – M.G., C-400/12 – juris Rn. 31 f.; U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u.a. – juris Rn. 58 f.; BayVGH, B.v. 18.3.2015 – 10 C 14.2655 – juris Rn. 23). Nach Auffassung des Senats ist auch eine Untersuchungshaft, die – wie vorliegend – in eine Strafhaft mündet, im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12 – juris Rn. 26 u. 31; U.v. 16.1.2014 – M.G., C-400/12 – juris Rn. 31 f.) dazu angetan, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet, so dass derartige Zeiten grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts unterbrechen (vgl. BayVGH,, B.v. 12.12.2019 – 10 ZB 19.2195 – juris Rn. 8 m.w.N.). In den Entscheidungen des EuGH wurde hinsichtlich der Inhaftierungszeiträume nicht weiter differenziert (siehe EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12 – juris Rn. 12 f.) und die Fragen zur Vorabentscheidung beschränkten sich auf den dort genannten “Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe” (EuGH, U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12 – juris Rn. 16). Andererseits betont der Gerichtshof in seiner jüngsten Rechtsprechung unter Verweis auf den 17. Erwägungsgrund der RL 2004/38/EG, dass unter einem rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne von Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG nur ein Aufenthalt zu verstehen ist, der im Einklang mit den in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen, insbesondere denjenigen, die in deren Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG angeführt sind, steht. Ein Unionsbürger, der die qualitativen Elemente im Zusammenhang mit dem Grad der Integration nicht erfüllt, kann auch nicht das Recht auf Daueraufenthalt erwerben und sich darum auch nicht auf den erhöhten Ausweisungsschutz berufen (vgl. EuGH, U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u.a. – juris Rn. 57-60). Im Lichte dieser Auslegung des Begriffs des “rechtmäßigen Aufenthalts” und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen in der Rechtssache C-378/12 (abrufbar unter: https://curia.europa.eu/ des Gerichtshofs der Europäischen Union) hierzu ist eine Untersuchungshaft, die – wie vorliegend – in eine Strafhaft mündet, jedenfalls dazu angetan, deutlich zu machen, dass es an der für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts erforderlichen (qualitativen) Integration fehlt (vgl. EuGH, U.v. 7.10.2010 – Lassal, C-162/09 – juris Rn. 32 und 37; U.v. 16.1.2014 – Onuekwere, C-378/12 – juris Rn. 24; U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u.a. – juris Rn. 60). Für diese Auslegung streitet im Übrigen auch § 51 Abs. 1 StGB, wonach eine Untersuchungshaft aus Anlass der Tat auf die zeitige Freiheitsstrafe angerechnet wird. Einer gerichtlichen Entscheidung oder Begründung im Urteil bedarf es hierfür nicht (Heintschel-Heinegg in BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, Stand: 1.11.2019, § 51 Rn. 5 und 20; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 51 Rn. 4 m.w.N.). Die durch Anrechnung der Freiheitsentziehung erledigte gilt als verbüßte Strafe (vgl. § 57 Abs. 4, § 57a Abs. 2, § 66 Abs. 4 Satz 2 StGB; Kinzig in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 45a Rn. 6 u. § 51 Rn. 22). Auch der Gerichtshof verwendet u.a. die Begriffe “Haft”, “Haftstrafe”, “Inhaftierung” und “Haftzeitraum” bei der Beurteilung der Frage des Abreißens einer Integrationsverbindung (vgl. U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u.a. – juris Rn. 70 ff.).
Soweit der Kläger einwendet, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine Wiederholungsgefahr aufgrund seines (früheren) Drogenkonsums angenommen habe, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Erding (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2017) hat der Kläger die Straftaten, die zur Verlustfeststellung führten, begangen, um die Schulden aus seinem Drogenkonsum zu begleichen. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht einen Zusammenhang zwischen der Straffälligkeit und dem Drogenproblem des Klägers angenommen und auf die Rechtsprechung des Senats zur Wiederholungsgefahr bei nicht therapierten Suchterkrankungen abgestellt (stRspr, siehe z.B. BayVGH, B.v. 26.11.2019 – 10 C 19.2267 – juris Rn. 10 m.w.N.). Auch wenn sämtliche Drogenscreenings seit der Inhaftierung negativ verlaufen sind, fehlt es dennoch an einer entsprechenden Therapie, um die aktuelle Drogenabstinenz zu stabilisieren. Die Gespräche bei C. dienten der Vorbereitung einer Therapie und stellten selbst keine Therapiemaßnahme dar. Zudem geht der Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt vom 27. Juli 2018 davon aus, dass beim Kläger eine behandlungsbedürftige Suchtproblematik mit stationärem Therapiebedarf besteht. Unerheblich ist insoweit, aus welchen Gründen der Kläger die erforderliche Therapie nicht antreten konnte. Weiterhin hat das Verwaltungsgericht seine Auffassung zur vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr nicht nur mit der untherapierten Kokain- und Alkoholsucht begründet, sondern auch mit der Art und dem Umfang der begangenen Straftaten, der fehlenden Auseinandersetzung mit seiner Delinquenz und Spielsucht, erheblichen finanziellen Problemen bzw. hohen Schulden und der Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung. Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Die positive Entwicklung des Klägers in der Haft und die Zeit der Drogenabstinenz während der Haft hat das Verwaltungsgericht demgegenüber bei seiner Prognose zur Wiederholungsgefahr berücksichtigt.
Das Verwaltungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die bestehenden Kontakte des Klägers zu seiner mittlerweile 15-jährigen Tochter die Verlustfeststellung nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig machen. Die Beziehung des Klägers zu seiner Tochter ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht so eng, dass eine Gefährdung des Kindeswohls eintreten würde, wenn er gezwungen wäre, die Bundesrepublik zu verlassen. Weder aus dem Vorbringen der Ex-Ehefrau vor dem Verwaltungsgericht noch aus der Begründung des Zulassungsantrags ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine enge geistig-emotionale Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Tochter besteht und der Kontakt bzw. die Beziehung über wöchentliche Besuche und Mathematiknachhilfe hinausgeht. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich die Weigerung der Tochter, den Kläger in der Justizvollzugsanstalt zu besuchen, sowie die Erteilung einer Vollmacht an die Kindsmutter für Angelegenheiten der schulischen Belange, der Gesundheitsfürsorge und der Einleitung von Jugendhilfemaßnahmen zu Recht als Indizien dafür gewertet, dass die Tochter keinen intensiveren Kontakt mehr zum Kläger haben möchte und er auch keinen Einfluss auf die Entscheidungen, die ihr tägliches Leben betreffen, nehmen soll. Die Vollmachtserteilung an die Kindesmutter erfolgte entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht aus Anlass seiner Inhaftierung, sondern war Bestandteil der Scheidungsvereinbarung (siehe Protokoll der Sitzung vom 28. März 2017, Bl. 80 ff. der VG-Akte). Die Kindesmutter hatte ursprünglich die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragt, die Parteien haben sich im Scheidungsverfahren dann auf die Erteilung der Vollmacht geeinigt. Die geringe Intensität der Vater-Kind-Beziehung seit der Trennung von der Ehefrau Anfang 2015, der Inhaftierung des Klägers und auch nach der Haftentlassung kann auch durch digitale Kommunikationsmedien und Besuche aufrecht erhalten werden, zumal sich die Ex-Ehefrau bereit erklärt hat, mit der Tochter in den Ferien nach Polen zu fahren, falls diese das wünscht (Bl. 75 der VG-Akte).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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