Verwaltungsrecht

Untergang des Bewerbungsverfahrensanspruchs

Aktenzeichen  6 CE 20.1290

Datum:
23.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20598
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
GRCh Art. 51 Abs. 1 S. 1
VwGO § 146 Abs. 1, § 162 Abs. 2 S. 1
AEUV Art. 267 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Entfällt der Bezugspunkt einer Auswahlentscheidung, weil die Planstelle nicht mehr zur Verfügung steht oder der Dienstherr sich entscheidet, die Stelle nicht mehr zu vergeben, erledigt sich das Auswahlverfahren; der Bewerbungsverfahrensanspruch geht unter. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es verstößt nicht gegen den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Streitigkeiten von Beamten den Verwaltungsgerichten mit einem höheren Kostenrisiko zuzuordnen, während Streitigkeiten sonstiger Arbeitnehmer den Arbeitsgerichten übertragen sind. (Rn. 14 und 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E 18.1987 2020-04-29 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. April 2020 – RO 1 E 18.1987 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13.713,66 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Postamtmann (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst der Antragsgegnerin und ist bei dem Postnachfolgeunternehmen .. AG (im Folgenden: Telekom) beschäftigt. In der Beförderungsrunde 2018/2019 wurde er auf der Beförderungsliste „Beteiligung intern_VCS_nT“ unter sieben Bewerbern um ein (einziges) Beförderungsamt nach A 12 an erster Stelle geführt. Mit Schreiben vom 28. November 2018 teilte die Telekom dem Antragsteller mit, dass er – gleichwohl – nicht befördert werden könne, weil er – anders als der ausgewählte Bewerber – die gesetzlich erforderliche Erprobungszeit von sechs Monaten auf einem höherwertigen Dienstposten nicht erbracht habe.
Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat die Telekom mitgeteilt, der von ihr zur Beförderung ausgewählte Bewerber sei zu einem anderen Dienstherrn gewechselt, weshalb sie die für ihn vorgesehene Planstelle „in den Planstellenhaushalt des Bundesfinanzministeriums zurückgeben“ werde. Der Antragsteller hat daraufhin beantragt, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung die Beförderungsplanstelle nicht an den Bundeshaushalt zurückzugeben und das Auswahlverfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29. April 2020 abgelehnt.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Er beantragt,
den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung die vorgesehene Planstelle freizuhalten, das Auswahlverfahren fortzusetzen und die Planstelle nicht an den Bundeshaushalt zurückzugeben,
hilfsweise, die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Beschlusses so zu ändern, dass die Beteiligten ihre Kosten selbst tragen,
äußerst hilfsweise, den Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für unstatthaft zu erklären und den Rechtsstreit an die Gerichte für Arbeitssachen zu verweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Die Beschwerdegründe, die der Antragsteller fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem (Haupt- und Hilfs-)Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs bezüglich der Auswahlentscheidung in der Beförderungsrunde 2018/2019 um ein nach A 12 bewertetes Amt auf der Beförderungsliste „Beteiligung intern_VCS_nT“ zu entsprechen.
1. Dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite.
Dabei kommt es auf die vom Verwaltungsgericht in den Mittelpunkt gestellte Frage, ob dem Antragsteller – als dem Bestbeurteilten der Bewerber – die fehlende Erprobung auf einem höherwertigen Dienstposten entgegengehalten werden kann (S. 12 bis 20 des angegriffenen Beschlusses), nicht entscheidungserheblich an. Mithin kann dahinstehen, ob § 22 Abs. 2 BBG, § 2 Abs. 7, § 32 Nr. 2, § 34 BLV und die daran anknüpfenden Beförderungsrichtlinien der Telekom eine erfolgreiche Erprobung stets als Beförderungsvoraussetzung verlangen, wie Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht meinen, oder ob sie nur in solchen Fällen Anwendung finden, in denen die Auslese für ein Beförderungs(status) amt auf die Auswahl unter den Bewerbern um einen Beförderungsdienstposten vorverlagert worden ist, wie die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW, B.v. 5.5.2020 – 1 B 202/20 – juris) geltend macht.
Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Auswahlentscheidung stellt sich nicht mehr, weil das Auswahlverfahren erledigt ist und deshalb der vom Antragsteller geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht mehr bestehen kann. Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch ist auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren bezogen und besteht grundsätzlich nur, wenn eine Ernennung oder eine diese vorherbestimmende Dienstpostenvergabe beabsichtigt ist. Entfällt der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung, weil die Planstelle nicht mehr zur Verfügung steht oder der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt entschieden hat, die ausgeschriebene Stelle so nicht zu vergeben, erledigt sich das hierauf bezogene Auswahlverfahren; der Bewerbungsverfahrensanspruch geht unter (BVerwG, U.v. 3.12.2014 – 2 A 3/13 – BVerwGE 151, 14 Rn. 16 m.w.N.). Eine solche Erledigung ist eingetreten. Der ursprünglich ausgewählte Bewerber hat nach den – von der Beschwerde nicht angegriffenen – Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Dienstherrn gewechselt und kann nicht mehr auf die in Rede stehende Planstelle befördert werden. Die Telekom hat deswegen entschieden, die (einzige) Beförderungsplanstelle entsprechend der vom Bundesministerium der Finanzen gebilligten Praxis „zurückzugeben“, also in der Beförderungsrunde 2018/2019 nicht mehr zu besetzen. Ob die Rückgabe im Stellenplan schon „technisch“ umgesetzt oder nur angekündigt wurde, ist unerheblich. Entscheidend ist die entsprechende Organisationsentscheidung. Ihre Wirksamkeit wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen und begegnet auch keinen Bedenken. Sie ist nicht an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen, sondern diesem vorgelagert. Grundsätzlich hat allein der Dienstherr im Rahmen seines weiten organisations- und verwaltungspolitischen Ermessens darüber zu befinden, ob und wann er welche Statusämter zur Besetzung bereithält (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – BVerwGE 145, 185 Rn. 16).
2. Die Hilfsanträge, die sich der Sache nach auf die Kostenfolgen des gerichtlichen Verfahrens beziehen, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
Die Beschwerde ist der Ansicht, es verstoße gegen den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz der Art. 20 und 21 GRCh sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 47 GRCh, dass das nationale Verfahrensrecht Rechtsstreitigkeiten von Beamten, insbesondere den bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigten, den Verwaltungsgerichten mit dem Kostenrisiko nach den §§ 154 ff. VwGO zuordne, während es Rechtsstreitigkeiten sonstiger Arbeitnehmer den Gerichten für Arbeitssachen übertrage; denn nur bei letzteren sei das Kostenrisiko durch § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG dadurch erheblich eingeschränkt, dass in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs – anders als nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO – kein Anspruch der obsiegenden Partei insbesondere auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands bestehe.
Diese Argumentation kann schon deshalb nicht überzeugen, weil der Anwendungsbereich der vom Antragsteller in Anspruch genommenen Grundrechte offenkundig nicht eröffnet ist. Denn die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gilt gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Der in Streit stehende beamtenrechtliche Bewerbungsverfahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG) und seine verfahrensrechtliche Durchsetzung betreffen aber nationales Recht. Daher kommt die von der Beschwerde beantragte Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV von vornherein nicht in Betracht. Im Übrigen wäre es selbst bei unionsrechtlichem Bezug mangels unionsrechtlicher Vorschriften (und Kompetenzen) in diesem Bereich Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (vgl. EuGH, U.v. 16.4.2015 – C-570/13 – juris Rn. 37). Dass die dabei zu beachtenden Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität durch die von der Beschwerde beanstandete Ausgestaltung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten verletzt sein könnten, ist nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand fehl, die Antragsgegnerin könne durch den Arbeitgeberverband für Telekommunikation und IT e.V. wegen der Kostenfolge nicht wirksam vertreten werden (zu dessen Zulassung als Prozessbevollmächtigter nach § 67 Abs. 4 Satz 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO etwa VGH BW, B.v. 26.4.2016 – 4 S 64/16 – juris Rn. 2 ff., NdsOVG, B.v. 6.3.2019 – 5 OA 23/19 – juris Rn. 24 ff.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 40‚ 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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