Verwaltungsrecht

Unzulässiger Normenkontrollantrag gegen Verwaltungsvorschriften

Aktenzeichen  20 NE 21.838

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6344
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1, Abs. 6
12. BayIfSMV § 18

 

Leitsatz

Allein verwaltungsintern bindende und steuernde Verwaltungsvorschriften wie der Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sind keine Rechtsvorschriften iSv § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller, die in Bayern weiterführende Schulen besuchen, wenden sich mit ihrem Eilantrag gegen den Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (Rahmenhygieneplan Schulen) vom 12. März 2021.
2. Das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus und das Bayer. Staatsministerium für Gesundheit und Pflege haben am 12. März 2021 den o.g. Rahmenhygieneplan Schulen veröffentlicht, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„14. Vorgehen bei (möglicher) Erkrankung einer Schülerin bzw. eines Schülers bzw. einer Lehrkraft
14.1 Bei Erkältungs- bzw. respiratorischen Symptomen gilt Folgendes:
a) 1Bei leichten, neu aufgetretenen, Erkältungs- bzw. respiratorischen Symptomen (wie Schnupfen und Husten, aber ohne Fieber) ist ein Schulbesuch allen Schülerinnen und Schülern nur möglich, wenn ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 (PCR- oder (vorzugsweise) POC-Antigen-Schnelltest durch ein lokales Testzentrum, einen Arzt oder andere geeignete Stellen) vorgelegt wird. 2Satz 1 gilt nicht bei Schnupfen oder Husten allergischer Ursache (z.B. Heuschnupfen), bei verstopfter Nasenatmung (ohne Fieber), bei gelegentlichem Husten, Halskratzen oder Räuspern, d.h. hier ist ein Schulbesuch ohne Test möglich. 3Betreten Schülerinnen und Schüler die Schule dennoch ohne Vorlage eines negativen Testergebnisses auf Sars-Cov-2 (PCR- oder POC-Antigen-Schnelltest durch ein lokales Testzentrum, einen Arzt oder andere geeignete Stellen) oder einer ärztlichen Bescheinigung (z.B. bei allergischen oder chronischen Erkrankungen), werden sie in der Schule isoliert und – sofern möglich – von den Eltern abgeholt oder nach Hause geschickt.“…
3. Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 19. März 2021 machen die Antragsteller geltend, der Rahmenhygieneplan Schulen greife unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte ein. In beiden Schulen, die sie besuchten, werde dieser rigoros durchgesetzt. Grippale Infekte gehörten zu den häufigsten Erkrankungen im Kindesalter und hätten im Herbst und Winter Hochkonjunktur. Die Anordnung, dass bei Symptomen eines grippalen Infekts (leichte Erkältungssymptome bzw. respiratorische Symptome wie Schnupfen und Husten, aber ohne Fieber) ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 für den Schulbesuch erforderlich sei, sei unverhältnismäßig. Eine Münchner Studie habe bei Kindern keine gegenüber der Allgemeinheit erhöhte Infektionsgefahr in Kindergärten und Schulen gezeigt. Kinder und Jugendliche seien generell nicht von SARS-CoV-2 betroffen und trügen nicht maßgeblich zur Pandemie bei.
Die Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsgebot, Isolation bei Befreiung von der Maskenpflicht etc. seien unverhältnismäßig. Fast jedes dritte Kind zeige ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie in Deutschland psychische Auffälligkeiten. Die Maskenpflicht, von der Ausnahmen praktisch kaum erlaubt würden, führe bei vielen Kindern zu erheblichen Konzentrationsschwierigkeiten. Dem Normgeber sei im jetzigen Stadium der Pandemie kein weiter Ermessensspielraum mehr zuzugestehen.
Sie beantragen,
vorläufig festzustellen, dass der Hygieneplan, Stand 12. März 2021, zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (Fassung vom 12.3.2021) für rechtswidrig erklärt wird. Dies gilt insbesondere, soweit bei leichten Erkältungssymptomen (wie Schnupfen und Husten Fieber) ein Schulbesuch nur möglich ist, wenn ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 (PCR- oder (vorzugsweise) POC-Antigen-Schnelltest durch ein lokales Testzentrum, einen Arzt oder andere geeignete Stellen) vorgelegt wird.
4. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt dessen Ablehnung.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits unzulässig.
1. Ein in der Hauptsache zu erhebender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO ist unstatthaft.
Der Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (Rahmenhygieneplan Schulen vom 19.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 209) wird den Schulen und Trägern der Mittagsbetreuung auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV zur Verfügung gestellt. Die Bekanntmachung erfolgt damit erkennbar nicht als Rechtsverordnung, sondern als Verwaltungsvorschrift, wie auch der Antragsgegner unter Hinweis auf § 36 Abs. 1 Nr. 1 IfSG vertritt.
Allein verwaltungsintern bindende und steuernde Verwaltungsvorschriften sind keine Rechtsvorschriften im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Denn ihnen fehlt die für eine Rechtsvorschrift charakteristische Außenwirkung. Zwar gehören zu den im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle und dem danach gebotenen weiten Begriffsverständnis nicht nur Satzungen und Rechtsverordnungen, sondern auch solche (abstrakt-generellen) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.2004 – 5 CN 1.03 – BVerwGE 122, 264 – juris Rn. 24 m.w.N.; Panzer in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 47 Rn. 24 ff.). Dies trifft auf die von den Antragstellern angegriffenen Regelungen des Rahmenhygieneplans Schulen nicht zu. Das dort unter Nr. 14.1 Buchst. a beschriebene Vorgehen der Schule bei (möglicher) Erkrankung einer Schülerin bzw. eines Schülers, wonach bei leichten, neu aufgetretenen, Erkältungs- bzw. respiratorischen Symptomen (wie Schnupfen und Husten, aber ohne Fieber) ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 vorzulegen ist, bedarf eines schulrechtlichen Umsetzungsakts (Isolierung in der Schule und Ausschluss vom Unterricht); erst damit besteht eine rechtliche Außenwirkung gegenüber den betroffenen Schülerinnen und Schülern. Soweit sich die Antragsteller gegen die Regelungen zu Maskenpflicht und Abstandsgebot (einschließlich der Regelung, bei einer Befreiung von der Maskenpflicht solle verstärkt auf eine Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 m – insbesondere in den Klassenzimmern – geachtet werden, vgl. Nr. 6.2 des Rahmenhygieneplans Schulen) wenden, ist nicht erkennbar, inwiefern deren Verwerfung ihre Rechtsstellung verbessern könnte, da die sie beschwerenden Regelungen unmittelbar in § 18 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV normiert sind (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627 – BeckRS 2021, 4746, Rn. 24 f.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt, ist eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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