Verwaltungsrecht

Veränderte Umstände im Sinn des § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO

Aktenzeichen  22 CS 20.616

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9569
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7 S. 2, § 146 Abs. 4 S. 3, S. 6
UmwRG § 3

 

Leitsatz

1. Der Gesetzeswortlaut „Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO“ differenziert nicht danach, welche Instanz über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden hat, mit welchem Ergebnis und mit welcher Begründung die Entscheidung getroffen wurde. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Differenzierung danach, ob eine Beschwerde entweder wegen der Verfehlung der Anforderungen nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO keinen Erfolg hat oder aus anderen Gründen zurückgewiesen wird, kann im Einzelfall zu beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung führen, ob „veränderte Umstände“ vorliegen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu den Fällen „veränderter Umstände“ zählt nicht nur eine Änderung der Sach- und Rechtslage im engeren Sinn, namentlich eine Gesetzesänderung, sondern in engen Grenzen auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 „Veränderte Umstände“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sind nur solche, die nachträglich, also zeitlich nach dem erstinstanzlichen Beschluss entstanden sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 S 20.270 2020-03-02 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, bekämpft die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Bau und Betrieb einer schon errichteten Windenergieanlage (nachfolgend: WEA).
Die WEA ist mit einer Nabenhöhe von 135,40 m und einem Rotorradius von 50,50 m insgesamt 185,90 m hoch. Das Landratsamt Würzburg hatte die WEA bereits mit Bescheid vom 26. September 2013 der jetzigen Beigeladenen genehmigt. Seit dieser Genehmigung, zu der mehrere Änderungsbescheide ergingen, wurden um den Bau und den Betrieb der WEA mehrere Klage- und vorläufige Rechtsschutzverfahren erster und zweiter Instanz mit verschiedenen Drittbetroffenen und wechselnden prozessualen Beteiligtenstellungen geführt; es gab in dieser Zeit mehrere Bauherrenwechsel, die jeweils dem Landratsamt angezeigt wurden.
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg die Genehmigung vom 26. September 2013 in der Fassung dreier Änderungsbescheide (vom 5.3.2014, vom 31.7.2014 – im vorliegend angegriffenen Beschluss versehentlich: „31. Juni 2014“ – und vom 13.10.2014) auf; der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag der damaligen Beigeladenen auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen (BayVGH, B.v. 22.10.2015 – 22 ZB 15.1584).
Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene erneut die im-missionsschutzrechtliche Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer WEA (Enercon E 101, Nennleistung 3 MW, Nabenhöhe 135,40 m, 50,50 m Rotorradius) am selben Standort. Bereits vor Erlass der beabsichtigten Genehmigung hatte die Betreiberin des Gutshofs im April 2018 vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, dem Landratsamt den Erlass der Genehmigung vorläufig zu untersagen; dieser Antrag war erfolglos (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 22 CE 18.2092).
Mit dem Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die schon errichtete WEA mit Nebenbestimmungen, u.a. zur Verhinderung von Verstößen gegen natur- und artenschutzrechtliche Vorschriften. Unter Nr. IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Am 24. Juli 2019 erhob der Antragsteller Anfechtungsklage gegen die Genehmigung vom 29. Mai 2019 (W 4 K 19.769) und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung dieser Klage nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Oktober 2019 ab. Auf die Beschwerde des Antragstellers änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Januar 2020 – 22 CS 19.2297 – den Beschluss des Verwaltungsgerichts und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Genehmigung vom 29. Mai 2019 wieder her, soweit die Genehmigung den Betrieb der WEA im Zeitraum 1. August bis 31. Oktober in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang zulässt; im Übrigen wies er die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage seien offen. Insbesondere könne nicht mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erforderlichen Gewissheit beurteilt werden, ob es fachlich vertretbar und daher rechtlich bedenkenfrei sei, die mit der angefochtenen Genehmigung verfügte „Tagabschaltung“ der WEA (½ Stunde nach Sonnenaufgang bis ½ Stunde nach Sonnenuntergang) auf die Monate April mit Juli eines jeden Jahres zu beschränken. Dies sei gegebenenfalls im Klageverfahren zu untersuchen. Vorläufig sei es auf der Grundlage der vom Antragsteller fristgerecht substantiiert vorgebrachten Beschwerdegründe geboten und ausreichend, zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan die vom Landratsamt (für den Zeitraum April mit Juli jeden Jahres) angeordnete Tagabschaltung auf weitere Monate (einschließlich Oktober) zu erstrecken. Soweit der Antragsteller geltend mache, die Tagabschaltung sei bereits ab dem März notwendig, sei die Beschwerde erfolglos, weil sein diesbezüglicher Vortrag entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht fristgerecht und hinreichend substantiiert gewesen sei.
2. Unter dem 10. Februar 2020 beantragte der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 7 VwGO, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 – 22 CS 19.2297 – dahingehend zu ändern, dass die aufschiebende Wirkung seiner Klage auch insoweit wiederhergestellt wird, als die Genehmigung den Betrieb der WEA im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. März in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang zulässt.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 2. März 2020 (zugestellt am 6.3.2020) ab. Der Antrag sei wegen fehlender Antragsbefugnis schon unzulässig. Voraussetzung für die Befugnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO sei nämlich, dass sich die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte so geändert hätten, dass objektiv eine andere Beurteilung der Erfolgsaussichten möglich oder zumindest eine neue Interessenabwägung erforderlich sei. Daran fehle es hier. Der Antragsteller meine, die gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erforderliche Änderung liege darin, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 23. Januar 2020 der Beschwerde für den Zeitraum August mit Oktober stattgegeben und sich an einer entsprechenden Stattgabe für den Monat März nur deshalb außerstande gesehen habe, weil der den Monat März betreffende Beschwerdevortrag außerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gelegen habe. Hieraus folgere der Antragsteller, dass diese Beschwerdezurückweisung, da sie nur auf formalen Gründen beruhe, nicht einem Beschluss des Verwaltungsgerichts entgegenstehe, mit dem es gemäß § 80 Abs. 7 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage nunmehr (auch) für den Monat März wiederherstelle. Dieser Rechtsauffassung des Antragstellers sei nicht zu folgen. Denn sein neuerlicher Vortrag, der die geltend gemachte Notwendigkeit einer Tagabschaltung auch im März betreffe, zeige keine neuen oder veränderten rechtlichen oder tatsächlichen Umstände gegenüber der Ausgangsentscheidung i.S.v. § 80 Abs. 7 Satz 2 Alternative 1 VwGO auf, sondern verweise auf den ursprünglichen Vortrag. Unabhängig davon wäre – eine Antragsbefugnis unterstellt – aus demselben Grund der Antrag mangels veränderter Umstände jedenfalls unbegründet. Veränderte Umstände – insbesondere eine Änderung der Rechtslage – ergäben sich auch nicht durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 selbst, zumal sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem als verfristet angesehenen Beschwerdevortrag inhaltlich nicht befasst habe. Denselben Vortrag nunmehr im Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zu berücksichtigen, würde eine Umgehung von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bedeuten und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zuwider laufen.
3. Der Antragsteller verfolgt mit seiner am 17. März 2020 eingelegten Beschwerde sein Rechtsschutzziel weiter; zur Begründung trägt er vor:
3.1. Für die Antragsbefugnis reiche entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus, dass Umstände nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend gemacht würden und auch möglich erschienen; ob sie wirklich vorlägen, sei erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 sei grundsätzlich ein tauglicher Umstand im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, weil die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache in einem anderen, für den Antragsteller günstigeren Licht erscheinen ließen. Insofern sei die Lage demjenigen Fall vergleichbar, dass neue, zumindest ein Überdenken der bisherigen Entscheidung gebietende Beweismittel zur Verfügung stünden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller – eine entsprechend konkrete Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung vorausgesetzt – das von ihm begehrte Rechtsschutzziel im Beschwerdeverfahren hätte erreichen können. Denn im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gehe es allein um die Effektivität des Rechtsschutzes. Die vom Verwaltungsgericht hiergegen vorgebrachten Argumente der Präklusion des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seien daher nicht durchgreifend. Diese Vorschrift bezwecke vielmehr nur, das Beschwerdeverfahren zu straffen und zu verhindern, dass es durch immer neuen Sachvortrag in die Länge gezogen werde. Davon zu trennen sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines einmal getroffenen Beschlusses verlangt werden könne. Nach zutreffender Meinung im Schrifttum sei vorrangig die Gewähr der – fortdauernden – inhaltlichen Richtigkeit eines gefassten Beschlusses; daher gehe es nur darum, ob neue Umstände oder Gesichtspunkte vorlägen, die eine abweichende Bewertung der getroffenen Entscheidung als möglich erscheinen ließen. Wegen der verschiedenen Regelungsgegenstände und Schutzrichtungen von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO einerseits und § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO anderseits bestehe auch nicht die Gefahr der Umgehung der erstgenannten Vorschrift.
3.2. In der Sache seien dieselben Umstände, die den Verwaltungsgerichtshof zu Ausweitung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage auf den Zeitraum August bis Oktober veranlasst hätten, auch für den Monat März gültig.
4. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben jeweils beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2020 hat keinen Erfolg, da die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe keine Änderung des angegriffenen Beschlusses rechtfertigen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO).
1. Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Vorliegend hat der Antragsteller gegenüber dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020 beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 – 22 CS 19.2297 – zu ändern; er erstrebt mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage im selben Maß, wie sie der Verwaltungsgerichtshof für den Betrieb der WEA in den Monaten August mit Oktober eines jeden Jahres vorläufig angeordnet hat, auch für den Monat März.
Dieser Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 ist vorliegend tauglicher und zutreffender Gegenstand des Änderungsantrags. Es handelt sich bei diesem Beschluss um einen „Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO. Außerdem ist Gegenstand des Änderungsantrags der genannte Beschluss mit seinem vollständigen Inhalt, somit auch bezüglich desjenigen Teils des Verfahrensgegenstands, zu dem der Verwaltungsgerichtshof nicht (wie hinsichtlich des stattgebenden Ausspruchs) die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung erstmals wiederhergestellt hat (Monate August mit Oktober), sondern auch bezüglich desjenigen Teils (Monat März), zu dem der Verwaltungsgerichtshof sich mit den geltend gemachten Beschwerdegründen materiell-rechtlich nicht befasst hat, sondern insoweit („im Übrigen“) die Beschwerde zurückgewiesen hat, weil der Antragsteller hierzu nicht fristgerecht substantiiert vorgetragen hatte (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO).
Der Umstand, dass diese Zurückweisung auf ausschließlich formalen Gründen beruhte (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), führt nicht dazu, dass diesbezüglich (Monat März) nicht der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 Gegenstand des Änderungsantrags wäre, sondern der ursprüngliche Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vollständig abgelehnt hatte. Die gegenteilige Ansicht des Oberverwaltungsgerichts – OVG – Greifswald (OVG MV, B.v. 16.5.2011 – 1 M 54/11 – juris Rn. 5) teilt der Senat nicht. Der Antragsteller hat zum Gegenstand desjenigen Beschwerdeverfahrens, in dem der Beschluss vom 23. Januar 2020 ergangen ist, nicht nur einen Teil des vorherigen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses gemacht, sondern diesen Beschluss vom 30. Oktober 2019 ohne Einschränkungen; der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Gegenstand in vollem Umfang entschieden. Der Gesetzeswortlaut „Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO“ ist eindeutig; er differenziert nicht danach, welche Instanz über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden hat, mit welchem Ergebnis (ablehnend, stattgebend, teilweise stattgebend) und mit welcher Begründung die Entscheidung getroffen wurde. Die vom OVG Greifswald als richtig vertretene Differenzierung danach, ob eine Beschwerde entweder wegen der Verfehlung der Anforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keinen Erfolg hat oder aus anderen Gründen zurückgewiesen wird, kann im konkreten Einzelfall zu beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung führen, ob „veränderte Umstände“ vorliegen. Denn im Einzelfall kann es schwierig sein, zu beurteilen und den Gründen eines Beschwerdebeschlusses zu entnehmen, inwiefern die Beschwerdezurückweisung auf Defiziten des Vortrags in Bezug auf § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO beruhte oder inwiefern die Beschwerde „nur“ aus andern Gründen keinen Erfolg hatte. Im Übrigen wäre nach der Auffassung des OVG Greifswald der vorliegend gestellte Beschwerdeantrag untauglich, weil er sich (für den Monat März) auf die damalige Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bezieht; zudem würde das OVG Greifswald darauf abstellen, ob veränderte Umstände (dazu unten 2) in Bezug auf das damalige Frist- und Begründungsdefizit vorlägen, womit die vorliegende Beschwerde auch keinen Erfolg hätte.
2. Ob „veränderte Umstände“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorliegen, ist im Vergleich mit denjenigen Umständen zu prüfen, die im Zeitpunkt des jüngsten vorangegangenen Beschlusses über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegeben waren, vorliegend also im Vergleich mit den Umständen bei Erlass der Beschwerdeentscheidung vom 23. Januar 2020. Nach diesem Maßstab sind vorliegend keine veränderten Umstände zu erkennen. Dass sich die Tatsachenlage seit diesem Beschluss geändert hätte, macht der Antragsteller selbst nicht geltend. Unverändert ist auch die entscheidungserhebliche normative Regelung. Der Antragsteller macht indes geltend, verändert habe sich die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Rechtslage insofern, als der Verwaltungsgerichtshof für seine – unter Änderung der insoweit entgegenstehenden erstinstanzlichen Entscheidung – verfügte teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage für den Zeitraum August mit Oktober Erwägungen angestellt habe, die nach Meinung des Antragstellers auch für den Zeitraum März Geltung beanspruchen würden. Diese von der Rechtsansicht des Erstgerichts abweichenden Erwägungen, die einer Änderung der Rechtslage oder dem Vorliegen eines neuen Beweismittels gleichwertig seien, dürfe der Antragsteller nun für einen – auf den Monat März bezogenen – Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO einbringen. Dem ist aus verschiedenen Gründen nicht zu folgen.
2.1. „Veränderte Umstände“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ergeben sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht schon daraus, dass (wie im vorliegenden Fall) das Beschwerdegericht eine – unveränderte – Tatsachenlage in rechtlicher Hinsicht anders bewertet als das Erstgericht und deswegen die rechtliche Situation des Antragstellers, der erstinstanzlich mit seinem Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage unterlegen ist, insofern zu Gunsten des Antragstellers ändert, als es die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage (ganz oder teilweise) anordnet bzw. wiederherstellt. Dies gilt – aus den oben unter 1 dargestellten Gründen – auch für denjenigen Teil des Streitgegenstands, zu dem sich das Beschwerdegericht in der Sache nicht geäußert hat. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass zu den Fällen „veränderter Umstände“ nicht nur eine Änderung der Sach- und Rechtslage im engeren Sinn, namentlich eine Gesetzesänderung, gehört, sondern in engen Grenzen auch eine Änderung der Rechtsprechung; es muss sich hierbei aber um eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder um die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage handeln (vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 80 Rn. 153 m.w.N.; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 134 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 197 m.w.N.). Eine einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung, die sich von derjenigen der Vorinstanz unterscheidet, aber keine fallübergreifende Änderung der Rechtsprechung darstellt, genügt nicht. Hinter dieser nur sehr eingeschränkten Gleichstellung einer Änderung der Rechtsprechung mit dem Fall einer Änderung des Gesetzeslage oder der entscheidungserheblichen Tatsachen steht der Zweck, der § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zugrunde liegt: Ein im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Beteiligter soll nicht an der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung (die ungeachtet ihres vorläufigen Charakters beträchtliche Auswirkungen auf die Interessen der Beteiligten haben kann) festgehalten werden, wenn die Entscheidung ihre Berechtigung durch solche Umstände verloren hat, die der Beteiligte nicht im Verfahren vorbringen konnte – sei es aus objektiven Gründen (weil die Umstände erst nach der Entscheidung entstanden sind), sei es aus subjektiven, aber unverschuldeten Gründen. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bezweckt dagegen nicht, neben der Beschwerde gemäß § 146 VwGO eine weitere Möglichkeit zur Korrektur des gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses deswegen zu eröffnen, weil der gleiche oder ein sehr ähnlicher Sachverhalt oder die gleiche oder eine ähnliche entscheidungserhebliche Rechtsfrage von einem anderen Verwaltungsgericht erster oder zweiter Instanz anders entschieden worden ist. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bezweckt auch nicht, einem im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Unterlegenen das Risiko abzunehmen, dass er von einer Beschwerde wegen – nach seiner eigenen Einschätzung – zu geringer Erfolgsaussicht absieht, und ferner auch nicht das Risiko, dass er zwar eine Beschwerde einlegt, mit dieser aber (entweder aus materiell-rechtlichen oder aus formalen Gründen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ganz oder teilweise keinen Erfolg hat. Die letztgenannte Erwägung hat überdies zur Folge, dass ein im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Unterlegener, der sich für die Beschwerde entschieden hat, sogar die nachträglich innerhalb der Beschwerdefrist eintretenden veränderten Umstände ins Beschwerdeverfahren einbringen muss, andernfalls er mit einem späteren Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht mehr gehört werden kann (Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 134).
2.2. Unabhängig von den unter 2.1. genannten Gründen liegen vorliegend auch deswegen keine „veränderten Umstände“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor, weil sie nicht nachträglich entstanden sind. Zeitlicher Bezugspunkt ist – wie oben unter 1 ausgeführt – der Beschwerdebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 in demjenigen Umfang, in dem der Antragsteller als Beschwerdeführer den vorangegangenen erstinstanzlichen Beschluss vom 30. Oktober 2019 ins Beschwerdeverfahren gebracht hat. „Veränderte Umstände“ im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sind aber nur solche, die nachträglich, also zeitlich nach diesem Beschluss entstanden sind (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 197). Im vorliegenden Fall dagegen beruft sich der Antragsteller auf Gesichtspunkte, die (unabhängig davon, ob sie überhaupt als „veränderte Umstände“ angesehen werden könnten, siehe oben 2.1) nicht nach dem Beschluss vom 23. Januar 2020 eingetreten, sondern schon in diesem Beschluss enthalten sind und sich auf die – unveränderte – damalige Sach- und Rechtslage beziehen. Auch „veränderte Umstände“, die – wie der Ast. meint – gerade durch den Erlass des Beschlusses vom 23. Januar 2020 bewirkt würden, wären nicht zeitlich nach diesem Beschluss eingetreten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene ist mit ihrem eigenen Prozessantrag selbst ein Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Es entspricht daher der Billigkeit im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt (wie von der Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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