Verwaltungsrecht

Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Aktenzeichen  B 5 E 20.81

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9618
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO§ 80 Abs. 5, § 88,§ 123 Abs. 1
BBG § 66 S. 1
BBesG § 70 Abs. 3
StGB § 86a Abs. 1
BeamtStG § 39 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Anordnung der Antragsgegnerin, welche ihm aufgibt, das Gelände des Bundespolizeiaus- und – fortbildungszentrums … (BPOLAFZ **) zu verlassen.
Der Antragsteller wurde mit Wirkung zum 01.09.2019 bei der Antragsgegnerin zum Polizeimeisteranwärter (PMA) und zum Beamten auf Widerruf ernannt. Kurz nach seiner Ernennung hat der Antragsteller im September 2019 von familiären Problemen zuhause berichtet, die ihn psychisch sehr belasten würden und die ihn hinderten, sich auf die Lerninhalte zu konzentrieren. Zwar hat der Antragsteller mehrere Termine der psychologischen Betreuung wahrgenommen, allerdings sind die unterbreiteten Angebote und Hilfestellungen von ihm nicht angenommen worden. Seit dem 16.09.2019 ist der Antragsteller fast durchgängig, bis auf wenige Ausnahmen, bis heute dauerhaft erkrankt. Am 25.11.2019 wurde dem Antragsteller aufgrund seines Krankheitsbildes der Zugang zu Schusswaffen verwehrt und das Führen von Dienstfahrzeugen untersagt. Weiterhin wurde er angewiesen, sich am 08.01.2020 zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung beim Polizeiärztlichen Dienst … vorzustellen. Dieser Aufforderung kam er nach. Aufgrund diverser Vorkommnisse, die auf eine rechtsradikale Gesinnung des Antragstellers hindeuteten, wurde der Antragsteller am 16.01.2020 im Rahmen von Verwaltungsermittlungen angehört. Insoweit bestritt er die erhobenen Vorwürfe und erklärte, dass er Rechtsextremismus verabscheue. Darüber hinaus handele es sich bei den von ihm angeblich getragenen Springerstiefeln lediglich um Einsatzstiefel der Polizei Sachsen-Anhalt, da sein Vater Polizist in Sachsen-Anhalt sei und ihm diese besorgt habe. Auch sei ihm nicht bekannt gewesen, dass es sich bei seiner Jacke um eine sog. „Bomberjacke“ handele. Nachdem ihm dies mitgeteilt worden sei, habe er diese durch einen schwarzen Mantel ersetzt. Der Antragsteller bestätigte, Videos über den  2. Weltkrieg, Hitler etc. auf YouTube zu schauen. Dies erfolge jedoch aus geschichtlichem Interesse. Das menschenverachtende System der NSDAP würde er verabscheuen. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass er Kontakt zu seiner Familie, insbesondere auch zu seinem Vater, habe. Ebenfalls am 16.01.2020 wurde der Antragsteller in ein neues Seminar und eine neue Wohngemeinschaft integriert. Am 17.01.2020 wurde dem Antragsteller durch den Leiter des BPOLAFZ … mündlich die weitere Dienstausübung untersagt. Im Rahmen der Aussprache des mündlichen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gab der Antragsteller (anders als in seiner Anhörung vom 16.01.2020) an, doch nicht zu seinem Vater zurückkehren zu können, da er mit seiner Stiefmutter nicht zurechtkäme. Eine andere Wohnmöglichkeit habe er nicht.
Am 21.01.2020 wurde gegen den Antragsteller eine Strafanzeige bei der Kriminalpolizei … wegen des Verdachts, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben, gemäß § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) gestellt. Ebenfalls am 21.01.2020 entschied der Präsident der Bundespolizeiakademie, dass der Antragsteller nur noch bis zum 24.01.2020 im BPOLAFZ … wohnen könne. Diese Entscheidung wurde mit dem Schutz der anwesenden Mitarbeiter im BPOLAFZ … vor weiteren rechtsextremistischen Verhaltensweisen des Antragstellers und zur Eindämmung der Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund seiner potentiell rechtsextremen Überzeugung und seiner psychischen Verfassung, weitere Taten verüben könne, begründet.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22.01.2020 legte der Antragsteller gegen eine dem Antragsteller vorgeblich per Whatsapp mitgeteilte Suspendierung vom 19.01.2020 Widerspruch ein. Weiterhin wurde gegen eine nach dem Vortrag des Antragstellers mündlich ausgesprochene Entlassung sowie die Aufforderung, die Unterkunft zu räumen und das Ausbildungszentrum zu verlassen, Widerspruch erhoben. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung bestritt der Antragsteller die ihm zur Last gelegten Vorkommnisse.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.01.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte der Antragsteller, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzugeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro zu unterlassen, den Antragsteller zu veranlassen, seine Unterkunft und das Ausbildungszentraum … ab 24.01.2020 dauerhaft verlassen zu müssen, soweit dies nicht durch eine rechtskräftige/bestandskräftige Behördenentscheidung in Form eines entsprechenden Verwaltungsaktes im Hinblick auf die Entlassung des Beamten auf Widerruf oder in Form eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes mit entsprechendem Inhalt geregelt ist.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller durch seinen bisherigen Seminarleiter veranlasst worden sei, das Seminar zu wechseln. Auch habe er in der 3. KW 2020 seine Unterkunft innerhalb des Ausbildungszentrums wechseln müssen. Per Whatsapp vom 19.01.2002 um 20.18 Uhr sei dem Antragsteller des Weiteren mitgeteilt worden, dass er durch Anordnung der Bundespolizeiakademie vom 17.01.2020 suspendiert worden sei. Am 21.01.2020 um 18.12 Uhr habe der neue Seminarleiter den Antragsteller in dessen Unterkunft besucht und ihm erklärt, dass er aufgrund persönlichen Beschlusses des Präsidenten der Bundespolizeiakademie entlassen sei und zum 24.01.2020 seine Wohnung zu räumen und das Ausbildungszentrum zu verlassen habe. Eine Anhörung zur Suspendierung und zur Entlassung sei nicht erfolgt. Zudem seien die entsprechenden Verwaltungsakte auch nicht durch schriftliche Ausführungen bestätigt worden. Eine Sofortvollzugsanordnung sei ebenfalls nicht vorhanden. Mit Schreiben vom 22.01.2020 sei gegen die Suspendierung und gegen die Entlassung Widerspruch eingelegt und darauf hingewiesen worden, dass diesen Widersprüchen aufschiebende Wirkung zukomme. Eine termingerechte Reaktion, dass eine Räumung der Wohnung und ein Verlassen des Ausbildungszentrums nicht mehr verlangt werde, sei nicht erfolgt, so dass der Antragsteller auf den nunmehrigen Erlass der einstweiligen Anordnung angewiesen sei. Der Antragsteller habe keinen weiteren zivilen Wohnsitz, zu dem er zurückkehren könne, und wäre bei Erfüllung der Räumungsverpflichtung wohnsitzlos. Es widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen hier eine Entlassverfügung auszusprechen und diese durchzusetzen, obwohl Widerspruch eingelegt worden sei, dem aufschiebende Wirkung zukomme. Für Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei – hier in Ausbildung – bestehe die dienstliche Verpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. Hierfür werde die Unterkunft unentgeltlich gestellt, § 70 Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Weiterhin liege auch die Aufforderung zum Verlassen der Gemeinschaftsunterkunft bislang nicht schriftlich vor. Auch diesbezüglich fehle es an einer Sofortvollzugsanordnung. Darüber hinaus sei auch insoweit Widerspruch eingelegt worden, dem aufschiebende Wirkung zukomme. Soweit in diesem Zusammenhang ausgeführt werde, dass der Antragsteller die Möglichkeit habe, aufgrund seiner Bezüge in Höhe von ca. 1.200 Euro brutto z. B. ein Appartement, WG-Zimmer oder Hotelzimmer anzumieten, seien diese Ausführungen irrelevant und nicht nachvollziehbar. Damit würde gegen die Verpflichtung des Dienstherrn aus § 70 Abs. 3 BBesG verstoßen. Den weitergehenden Mutmaßungen hinsichtlich eines Kontakts des Antragstellers zu seinem Vater und der Möglichkeit beim Vater unterzukommen, werde ausdrücklich widersprochen. Eine bestandskräftige Behördenentscheidung, die den Antragsteller zwinge, die Gemeinschaftsunterkunft und das Kasernengelände zu verlassen, bestehe nicht. Ausnahmen im Hinblick auf eine Notstandsmaßnahme seien weder dargetan noch vorliegend. Die Vorwürfe rechtsextremer Verhaltensweise sowie rechtsstaatlich nicht vertretbarer Verhaltensweisen würden mit Nichtwissen bestritten.
Der Antragsteller legte eine eidesstattliche Versicherung vom 23.01.2020 vor, im Rahmen derer er erklärt, mündlich suspendiert und auf Anordnung des Präsidenten der Bundespolizeiakademie entlassen worden zu sein. Weiter erklärte er, neben der Unterkunft im Ausbildungszentrum keinen Wohnsitz zu haben, an den er bei Verlassen der Liegenschaft der Bundespolizei zurückkehren könne.
Mit Telefax vom 23.01.2020 teilte die Antragsgegnerin auf gerichtliche Verfügung hin mit, dass im Hinblick auf das Verlassen des Antragstellers des Geländes des Bundespolizeiaus- und fortbildungszentrums … bis zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag keine weiteren Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom 24.01.2020, dem Bevollmächtigten des Antragstellers gegen Empfangsbekenntnis am selben Tag zugestellt, wurde dem Antragsteller schriftlich bis auf Weiteres die Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) verboten. Weiterhin wurde die sofortige Vollziehung dieser Verfügung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Verfehlungen des Antragstellers den Verdacht einer rechtsradikalen Gesinnung begründen würden. Die Erkenntnisse beruhten auf Zeugenanhörungen im Rahmen von Verwaltungsermittlungen vom 14. und 15.01.2020. Demnach bestünden folgende Vorwürfe:
Im Oktober 2019 soll der Antragsteller beim Abspülen des Geschirrs in der Unterkunft im BPOLAFZ … gegenüber den Zeugen PMA D… und PMAin S… erzählt haben, dass sein Großvater Scharfschütze bei der SS und Berater Hitlers gewesen sei. Zudem soll er geäußert haben, dass er stolz auf seinen Großvater sei und ihn dafür bewundern würde, dass er mit „so einer hohen Persönlichkeit wie Hitler“ zusammengearbeitet habe. In diesem Zusammenhang soll der Antragsteller den Hitlergruß ausgeführt haben, indem er den rechten Arm ausstreckte und zwei Finger unter die Nase legte, um den Bart Hitlers zu imitieren.
Der Zeuge PMA D… gab in seiner Anhörung vom 14.01.2020 an, dass er seit diesem Vorfall im Oktober jeden Abend mitbekommen habe, dass sich der Antragsteller Dokumentationen und Reden über Hitler, den 2. Weltkrieg, die SS und Goebbels und später Reden von Angehörigen der NSDAP angeschaut/angehört habe. Der Zeuge PMA D… sei der Zimmernachbar des Antragstellers und könne aufgrund der dünnen Zimmerwand und einer Verbindungstür zwischen deren Zimmern gut hören, wenn sich der Antragsteller Videos und Dokumentationen anschaue. Die Zeugin PMAin S… habe dies im Rahmen ihrer Anhörung vom 15.01.2020 bestätigt.
Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle (Saale) am 09.10.2019 soll der Antragsteller, laut Aussage des Zeugen PMA D…, zu einer männlichen Person am Telefon gesagt haben: „Schade, dass die Tür zur Synagoge abgeschlossen war.“ Ferner hätte er den Zeugen PMA D… und PMAin S… ein Video auf seinem Handy gezeigt, bei dem eine Frau auf der Straße vor der Synagoge in den Rücken geschossen worden sei. Der Antragsteller solle nach den Aussagen der beiden Zeugen von dem Video „fasziniert“ gewesen sein. Die Zeugin PMAin S… könne sich daran erinnern, dass der Antragsteller zu ihr in etwa den Satz „Der Attentäter hätte mehr Sprengstoff nehmen sollen.“ gesagt hätte.
Im Zeitraum von Oktober bis November 2019 soll der Antragsteller des Öfteren gegenüber dem Zeugen D… angegeben haben, dass er die Ansichten der NSDAP nicht für schlecht halten würde. Darüber hinaus soll er ein extremer Fan der Band „Böhse Onkelz“ sein. Bei der Band „Böhse Onkelz“ handele es sich um eine aktive deutsche Rockband, die aufgrund ihrer Nähe zum Rechtsrock zwar stark umstritten, aber nicht verboten sei. Der Antragsteller habe gegenüber den Zeugen zum Ausdruck gebracht, dass er die Texte sehr gut fände und diese auch unterstützen würde. Zudem solle er geäußert haben, dass er seine „Seele“ an die Band verkauft habe und alles für sie tun würde.
Am 06.11.2019 soll der Antragsteller durch seinen Seminarleiter darauf aufmerksam gemacht worden sein, dass er aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes martialisch wirke und er der rechtsextremen Szene zugeordnet werden könne. An diesem Tag soll er schwarze Boots, eine schwarze Cargo-Hose und ein Kapuzenshirt sowie eine Bomberjacke getragen haben. Der Antragsteller soll darauf erwidert haben, dass er sich dieser Wirkung nicht bewusst gewesen sei. Er habe versichert, seinen Kleidungsstil zu ändern, was er für eine kurze Zeit auch getan habe.
Am 13.01.2020 soll der Antragsteller seine Krankmeldung vom 10.01.2020 nicht – wie vereinbart – persönlich, sondern durch seinen Mitbewohner übergeben haben. Daraufhin sei von Seiten der Antragsgegnerin versucht worden, Kontakt zum Antragsteller aufzunehmen, um ihn erneut auf die vereinbarte Verfahrensweise hinzuweisen. Gleichzeitig sollte dem Antragsteller ein Schreiben des Sachgebiets Personal ausgehändigt werden. Eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller sei jedoch erfolglos geblieben, da er auf Anrufe und Mitteilungen nicht reagiert habe. Dieses Verhalten sei für den Antragsteller atypisch, da er sonst während seiner andauernden Krankheitsphase seit dem 16.09.2019 engen Kontakt zum Ausbildungspersonal gehalten habe. Daher suchten Polizeihauptkommissar (PHK) W…, Polizeioberkommissar (POK) O… und Polizeikommissar (PK) L… den Antragsteller in seiner dienstlichen Wohnung auf. Als ihm das Schreiben des Sachgebiets Personal ausgehändigt habe werden sollen, habe er die gesamte Zeit über eine sehr aggressive Haltung gegen das Lehrpersonal an Tag gelegt und sich geweigert, das Schreiben entgegenzunehmen. Im Nachgang hat der Antragsteller Strafanzeige bei der Kriminalinspektion … gegen die anwesenden Beamten wegen des Verdachts der Nötigung gestellt.
Zur Begründung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte wurde ausgeführt, dass aufgrund des Verhaltens des Antragstellers seit Oktober 2019 der dringende Verdacht bestehe, er würde sich nicht an die Verfassungstreuepflicht halten, obwohl er im Rahmen seiner Einstellung am 01.09.2019 den Eid zur Einhaltung dieser Pflicht abgelegt habe. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ergehe daher zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs und des Ansehens des Beamtentums und insbesondere der Bundespolizei. Durch das Zeigen des Hitlergrußes habe der Antragsteller das Ansehen der Bundespolizei und des Beamtentums in erheblichem Maße geschädigt, da er dadurch den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 86a Abs. 1 StGB begründet habe. Durch das Verhalten des Antragstellers bestehe kein Vertrauen seitens des Dienstherrn in seine pflichtgerechte Aufgabenerfüllung und insbesondere an dem Einhalten seiner politischen Treuepflicht. Vielmehr bestünden Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Beruf eines Polizeivollzugsbeamten. Der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb würde daher zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könne dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen mit rechtsextremer Gesinnung, von denen potentielle Gefahren für den demokratischen Rechtsstaat ausgehen könnten, und bilde diese zu Polizeivollzugsbeamten aus. Das Individualinteresse des Antragstellers an einer weiteren Ausübung der Dienstgeschäfte müsse demgegenüber zurücktreten. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ergehe unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeiausbildungseinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und die seitens des Antragstellers getätigten Verbreitungshandlungen, insbesondere in Dienstuniform, sich nicht wiederholten bzw. erstmals aufträten. Des Weiteren sei es der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, einen Straftäter als Polizeibeamten auszubilden und in den eigenen Reihen zu dulden. Insbesondere vor dem Hintergrund der labilen psychischen Verfassung des Antragstellers sei es nicht absehbar, wie er sich zukünftig im Polizeidienst verhalten werde. Das Interesse des Antragstellers an der weiteren Teilnahme an der Ausbildung trete daher hinter dem Vollziehungsinteresse zum Schutz der Allgemeinheit und insbesondere zur Gewährleistung eines sicheren Polizeidienstes in der Bundespolizei zurück.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Telefax vom 23.01.2020, den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2020 trägt die Antragsgegnerin vor, dass die Behauptung des Antragstellers, er sei aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden, nicht zutreffe. Vielmehr sei gegen ihn das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als Sofortmaßnahme ausgesprochen worden. Die Aussprache des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte und die Ankündigung, das BPOLAFZ … bis zum 24.01.2020 zu verlassen, seien rechtmäßig. Das Betretungsverbot sei im Rahmen des dem Dienststellenleiters zustehenden Hausrechts ausgesprochen worden. Zum einen sollten die Beschäftigten im BPOLAFZ … und insbesondere die übrigen Auszubildenden nicht durch die Ansichten und Darstellungen des Antragstellers negativ beeinflusst werden. Zum anderen sei das Ansehen der Bundespolizei zu wahren. Des Weiteren habe der Antragsteller durch seinen Aufenthalt auf dem Gelände des BPOLAFZ … theoretisch die Möglichkeit, sich Zugang zu den Waffen und Einsatzmitteln der Antragsgegnerin zu verschaffen. Insbesondere vor dem Hintergrund seiner Äußerung im Rahmen des Anschlags auf eine Synagoge in Halle (Saale) am 09.10.2029 sei es nicht fernliegend zu befürchten, dass der Antragsteller eine rechtsextreme Tat plane. Um dieser Gefahr präventiv vorzubeugen, sei es unerlässlich und auch verhältnismäßig, dem Antragsteller das Betreten des BPOLAFZ … zu verbieten. Auch um die Verbreitung seiner Ansichten und Verhaltensweisen im BPOLAFZ … zu verhindern, sei kein milderes Mittel ersichtlich. Ferner sei die Aussprache des Betretungsverbots auch angemessen, da der Antragsteller aufgrund seiner fortgezahlten Bezüge in der Lage sei, sich eine Unterkunft in Bamberg zu suchen. Des Weiteren bestehe die grundsätzliche Möglichkeit, in das Wohnhaus seines Vaters zurückzukehren. Dies wolle der Antragsteller zwar aus persönlichen Befindlichkeiten nicht in Anspruch nehmen. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Gefahrenabwehr und aus Fürsorgegründen ihrer übrigen Angehörigen, kein Betretungsverbot gegen den Antragsteller begründen könne. Gerade auch im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen hinsichtlich der Zunahme von Antisemitismus und der Gefahr wieder ansteigender Taten in diesem Bereich, sowie die Berichterstattung über rechtsextreme Personen in Bundesbehörden, sei bei Erkennen einer solchen Gefahr, frühzeitig zu reagieren und seien angemessene Maßnahmen zu treffen. Das Betretungsverbot und die Aufforderung zum vorübergehenden Verlassen des Aus- und Fortbildungszentrums seien als erforderliche (Teil-)Maßnahmen zur Umsetzung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte und als Ausfluss des Sofortvollzugs zu betrachten. Andernfalls würde die bezweckte Wirkung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte – der ungestörte und ordnungsgemäße Verlauf des Dienstbetriebes der Bundespolizeiausbildungseinrichtungen und die Vermeidung einer Wiederholung bzw. das erstmalige Auftreten der vom Antragsteller getätigten Verbreitungshandlungen, insbesondere in Polizeiuniform – unterlaufen bzw. nicht eintreten. Eine dienstliche Verpflichtung als Polizeivollzugsbeamter der Bundespolizei während der Ausbildung in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen, bestehe lediglich im ersten halben Jahr der Ausbildung. Zudem handele es sich bei dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte um eine Sofortmaßnahme. Der Antragsteller sei somit zeitweise ohnehin von der generellen Verpflichtung, am Anfang der Ausbildung in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen, entbunden. Der Sofortmaßnahme komme im Übrigen kein endgültiger Charakter zu und sie ändere dementsprechend auch an dem bestehenden Beamtenverhältnis nichts, sondern unterbinde vielmehr zeitweise eine erforderliche Fortführung der Dienstgeschäfte, schließe aber eine Teilnahme an der weiteren Ausbildung nach weiterer Sachverhaltsaufklärung und Feststellung der Polizeidienstfähigkeit des Antragstellers grundsätzlich nicht aus.
In Erwiderung hierauf trägt der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dass sich die Ausführungen im Bescheid als nicht stichhaltig erweisen würden. Eingeleitete Strafverfahren seien inzwischen eingestellt worden. Mithin sei nicht erwiesen, dass der Antragsteller ein Straftäter sei. Auch führe das bloße Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht dazu, dass der Antragsteller kein Anrecht auf Verbleiben in der Einrichtung habe. Denn das Dienstverhältnis bestehe nach wie vor. Auch werde die inhaltliche Richtigkeit der Darstellungen im Bescheid vom 24.01.2020 ausdrücklich bestritten. Die Wegnahme der Unterkunft bei bestehendem Dienstverhältnis ohne zugrundeliegenden sofortvollziehbaren oder bestandskräftigen Bescheid stelle sich als rechtswidrig dar. Die Antragsgegnerin verkenne ihre Verpflichtung, dem Antragsteller weiterhin eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Es gebe keinerlei Anlass ein Hausrecht auszuüben, da nicht ansatzweise ersichtlich sei, dass das Verbleiben des Antragstellers in der Gemeinschaftsunterkunft und in dem Ausbildungszentrum sich in irgendeiner Weise negativ auf die Führung der Dienstgeschäfte durch die übrigen Beteiligten auswirke. Weiterhin legt der Bevollmächtigte des Antragstellers ein Schreiben der Staatsanwaltschaft … vom 09.02.2020 vor, wonach das Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden sei. Weiterhin habe der Antragsteller am 19.02.2020 den Untersuchungstermin beim Sozialmedizinischen Dienst zur Prüfung seiner Dienstfähigkeit wahrgenommen. Nachdem sich auf Basis der entsprechenden ärztlichen Untersuchung zeigen werde, dass der Antragsteller wieder dienstfähig sei und sich auch die psychische Situation deutlich stabilisiert habe, werde angestrebt, dass der Antragsteller zu Beginn des nächsten Ausbildungszeitraums ab März 2020 die Ausbildung neu beginne und auf Basis einer entsprechenden Zurückstellung an der Ausbildung teilnehme.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag hat keinen Erfolg.
a) Der Antragsteller wendet sich vorliegend gegen die Anordnung der Antragsgegnerin, die Unterkunft sowie das Gelände des Ausbildungszentrums in … verlassen zu müssen. Entsprechend seiner Antragstellung begehrt er im Wege einer einstweiligen Anordnung seinen (vorläufigen) Verbleib auf der Liegenschaft der Antragsgegnerin, da er daneben über keinen zivilen Wohnsitz mehr verfüge. Gegen das seitens der Antragsgegnerin weiterhin verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wandte sich der Antragsteller bisher lediglich im Wege eines Widerspruchs, da sein Bevollmächtigter rechtsirrig davon ausgeht, dass diesem Rechtsmittel gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt. Insoweit übersieht der Bevollmächtigte des Antragstellers allerdings, dass die Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Verbots im Rahmen der Verfügung vom 24.01.2020 angeordnet hat. Da es sich bei dem seitens der Antragsgegnerin ausgesprochenen Betretungsverbot für das Ausbildungszentrum um eine flankierende Maßnahme zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte handelt, wäre das antragstellerische Begehren richtigerweise mittels eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22.01.2020 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu verfolgen gewesen. Der von Antragstellerseite erhobene Antrag nach § 123 VwGO ist daher bereits nicht statthaft und somit unzulässig (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 123, Rn. 8).
b) Doch selbst wenn man das Begehren des anwaltlich vertretenen Antragstellers als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO versteht (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO), hätte dieser in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde – wie hier die Antragsgegnerin das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem privaten Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung ab. Der Antrag hat Erfolg, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung einer solchen Maßnahme kein öffentliches Interesse bestehen kann, oder wenn das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Vollzugsinteresse aus anderen Gründen überwiegt. Formales Erfordernis für die behördliche Vollziehungsanordnung ist darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß begründet wurde.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 7; VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 20 m.w.N.). Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können. Für die Begründung der sofortigen Vollziehung sind deshalb grundsätzlich keine weiteren Gründe erforderlich als für die Anordnung des Verbots (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 18; B.v. 13.10.2006 – M 5 S 06.3478 – juris Rn. 15).
Die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.01.2020 gegebene Begründung für die Sofortvollzugsanordnung genügt den formalen Anforderungen von § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat nicht lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt, sondern die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angegebenen Gründe lassen erkennen, dass eine Einzelfallprüfung erfolgte und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen wurden. So rekurrierte die Antragsgegnerin neben dem drohenden Ansehensverlust der Bundespolizei auf die labile psychische Verfassung des Antragstellers, aufgrund derer sein künftiges Verhalten im Polizeidienst nicht absehbar sei. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Gründe der Verbotsverfügung regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung tragen (vgl. VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 21; VG Düsseldorf, B.v. 18.5.2016 – 13 L 832/16 – juris Rn. 6ff. m.w.N.).
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Verbotsverfügung (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 12) grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (OVG Hamburg, B.v. 3.8.1954 – Bs II 32/54 – VerwRspr 1955, 216 f.; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 19). Ergibt sich, dass der vom Antragsteller eingelegte Rechtsbehelf – hier der mit Schriftsatz vom 22.01.2020 erhobene Widerspruch – voraussichtlich erfolglos sein wird, scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus.
Hiervon ausgehend ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Verbotsverfügung vom 17.01.2020 bzw. 24.01.2020 bestehen.
Gemäß § 66 Satz 1 BBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiell-rechtlichen Eilmaßnahme handelt – denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 12). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem etwaig eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.
Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 13).
Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 14; vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 -, juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 17.6.2013 – 6 A 2586/12 – juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 30.7.2015 – 6 A 1454/13 – juris Rn. 7ff. m.w.N.).
Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – juris).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung der Verbotsverfügung begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner mutmaßlich rechtsextremen Gesinnung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.71 – juris Rn. 20).
Aufgrund der Aussagen der Zeugen PMA D… und PMAin S… bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller eine rechtsextreme Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers. So habe er geäußert, stolz auf seinen Großvater zu sein, der der SS angehört habe und ein Berater Hitlers gewesen sei. Weiterhin sympathisierte der Antragsteller seinen Kollegen gegenüber mit den Positionen der NSDAP und zeigte mutmaßlich den Hitlergruß. Ferner soll er sich fasziniert von dem rechtsradikalen Attentat auf eine Synagoge in Halle gezeigt haben. Darüber hinaus berichteten die Zeugen, dass sich der Antragsteller wiederholt Videobild- und Tonaufnahmen mit mutmaßlich nationalistischen Inhalten angesehen bzw. angehört habe. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufs eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung vortrug, dass er sich lediglich aus historischem Interesse Dokumentationen zur NS-Zeit angesehen habe, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen seiner Kollegen über das Verhalten des Antragstellers – auch im Zusammenhang mit seinem offenbar martialischem Kleidungsstil, der ebenfalls eine Nähe des Antragstellers zum rechten Rand impliziert, – als Schutzbehauptung zu werten. Gleiches gilt letztlich für seine Ausführungen im gerichtlichen Verfahren, die sich in einem pauschalen Bestreiten der Inhalte der Zeugenaussagen und dienstlichen Vermerke erschöpfen.
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erweist sich auch weder als ermessensfehlerhaft (vgl. zur Frage, ob § 39 Satz 1 BeamtStG die Ausübung von Ermessen verlangt z.B. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.291 – juris Rn. 13) noch als unverhältnismäßig. Die Schwere des Verdachts lässt hier eine weitere Tätigkeit des Antragstellers derzeit als unvertretbar erscheinen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass ihm durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte angesichts der Fortzahlung der Bezüge keine erheblichen finanziellen Nachteile entstehen. Darüber hinaus ist es nicht von der Hand zu weisen und damit auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers einen erheblichen Ansehensverlust der Bundespolizei befürchtet.
Schließlich stand der Antragsgegnerin auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Die Integrität des Antragstellers in seiner Stellung als Beamter steht insgesamt in Frage, so dass es der Antragsgegnerin auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung nicht zuzumuten ist, den Antragsteller nur von einzelnen Tätigkeiten auszuschließen, ihn im Übrigen aber weiterzubeschäftigen. Die Gründe, die für das Verbot sprechen, betreffen die gesamte dienstliche Tätigkeit des Antragstellers. Auch das angeordnete Verlassen der Liegenschaft der Bundespolizei ist als flankierende Maßnahme nicht zu beanstanden. Zum einen hat der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an einem Betreten der Diensträume, solange er keine Dienstgeschäfte führen darf (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250 – juris Rn. 33; VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – juris Rn. 34). Zum anderen kann der Antragsteller insoweit nicht mit Erfolg einwenden, dass ihm kein anderweitiger „ziviler Wohnsitz“ mehr zur Verfügung stehe. Denn auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt, weshalb es ihm nicht möglich sein sollte, Obdach bei seinem Vater, mit dem er nach wie vor in Kontakt stehe, zu finden. Gegenüber der Antragsgegnerin verwies er lediglich auf Konflikte mit seiner Stiefmutter, ohne insoweit Einzelheiten darzulegen. Darüber hinaus erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb es dem Antragsteller angesichts der Fortzahlung seiner Bezüge nicht möglich sein sollte, sich einen anderweitigen Wohnsitz zu verschaffen. In Anbetracht der Ausführungen der Antragsgegnerin in der gegenständlichen Verbotsverfügung ist nicht einzusehen, weshalb es der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht obliegen sollte, dem Antragsteller weiterhin Obdach zu gewähren. Ein überwiegendes Interesse auf Antragstellerseite ist nicht ersichtlich. So verwies die Antragsgegnerin insbesondere auch auf die labile psychische Verfassung des Antragstellers, aufgrund derer es nicht absehbar sei, wie sich der Antragsteller künftig verhalte. Entsprechend der Aussagen seiner Kollegen sowie des Ausbildungspersonals habe sich der Antragsteller in den letzten Wochen und Monaten stark isoliert und zuletzt auch aggressives Verhalten dem Lehrpersonal gegenüber gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Antragsgegnerin, das Interesse des Antragstellers habe hinter dem Vollziehungsinteresse zum Schutz der Allgemeinheit und insbesondere zur Gewährleistung eines sicheren Polizeidienstes in der Bundespolizei zurückzutreten, nicht zu beanstanden. Auch aus
§ 70 Abs. 3 BBesG ergibt sich kein Anspruch des Antragstellers auf einen weiteren Verbleib im Ausbildungszentrums trotz Ausspruchs des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte.
§ 70 Abs. 3 BBesG besagt lediglich, dass die Unterkunft für Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei, die auf Grund dienstrechtlicher Verpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, unentgeltlich bereitgestellt wird. Daraus ergibt sich allerdings kein Rechtsanspruch des Anwärters auf Zurverfügungstellung einer Unterkunft. Im Übrigen wies die Antragsgegnerin im Verfahren bereits zutreffend darauf hin, dass dem Antragsteller vorliegend wegen des sofort vollziehbaren Verbots der Führung der Dienstgeschäfte derzeit keine Dienstverpflichtung obliegt und damit eine dienstliche Verpflichtung i.S.d. § 70 Abs. 3 BBesG in der Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, aktuell nicht besteht.
2. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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