Verwaltungsrecht

Verfassungsbeschwerde, Beschwerde, PKH, Prozesskostenhilfe, Migration, Bundesamt, Rechtsmittel, Antragstellung, Verfahren, Wiedereinsetzung, Frist, Eilverfahren, Zustellung, Verweisung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Zeitpunkt der Antragstellung, inhaltliche Richtigkeit

Aktenzeichen  Vf. 96-VI-20

Datum:
15.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17419
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Wegen Verfristung beziehungsweise mangels Substanziierung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen zwei verwaltungsgerichtliche Verweisungsbeschlüsse.

Verfahrensgang

AN 16 E 20.01199 2020-07-10 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 1.500 € auferlegt.

Gründe

I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind zwei Verweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Ansbach.
Der Beschwerdeführer, ein zuletzt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Außenstelle Berlin beschäftigter Bundesbeamter, ist seit 2. Oktober 2017 erkrankt. Im August 2018 stellte das Bundesamt die Zahlung der Dienstbezüge ein, da keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt worden seien. Zum 1. Juli 2019 meldete sich der Beschwerdeführer von Berlin nach Ungarn ab. In der Folgezeit hielt er sich nach seinen Angaben in diesem Verfahren in Ungarn, der Türkei und zuletzt in Russland auf; er ist danach seit 21. August 2020 ohne festen Wohnsitz.
1. Am 22. Juni 2020 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax ohne Angabe einer Postanschrift eine Klage verbunden mit einem Eilantrag. Neben der Verpflichtung zur Fortzahlung von Dienstbezügen machte er weitere Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis geltend. Er bat dabei um Zustellung aller Schriftstücke per Fax an die angegebene Nummer; gern nehme er die Schreiben des Gerichts zusätzlich per E-Mail in Empfang.
Mit einem auf dem Postweg an seine frühere Wohnadresse in Berlin versandten Schreiben vom 29. Juni 2020 wurde der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Verweisung der Rechtsstreitigkeiten an das Verwaltungsgericht Berlin angehört. Am 7. Juli 2020 teilte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgericht mit, dass ihn ein vom Gericht telefonisch angekündigtes Faxschreiben vom 29. bzw. 23. Juni 2020 nicht erreicht habe. Die Kommunikation solle per Fax und E-Mail mit Eingangsbestätigungen erfolgen; er bitte um Mitteilung, wie das Verwaltungsgericht dies realisieren wolle.
Das Anhörungsschreiben vom 29. Juni 2020 kam laut Eingangsstempel erst am 6. August 2020 mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ an das Verwaltungsgericht Ansbach zurück.
Mit Beschlüssen jeweils vom 10. Juli 2020 erklärte sich das Verwaltungsgericht Ansbach im Eilverfahren (Az. AN 16 E 20.01199) und im Hauptsacheverfahren (Az. AN 16 K 20.01200) für örtlich unzuständig und verwies beide Rechtsstreite an das Verwaltungsgericht Berlin. Es handle sich um Streitigkeiten aus einem gegenwärtigen Beamtenverhältnis. Der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen dienstlichen Wohnsitz in Berlin gehabt, sodass die Verfahren gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG entsprechend an das nach §§ 45, 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsgericht Berlin zu verweisen seien. Die an die frühere Postanschrift des Beschwerdeführers in Berlin versandten Beschlüsse kamen am 12. bzw. 14. August 2020 mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ an das Verwaltungsgericht Ansbach zurück.
Das Verwaltungsgericht Berlin teilte dem Beschwerdeführer mit Telefaxschreiben vom 16. Juli 2020 den Eingang der dorthin verwiesenen Verfahren und die dortigen Aktenzeichen (VG 5 L 245/20, VG 5 K 246/20) mit. Mit Telefax vom 21. Juli 2020 übersandte es ihm auf seine unter beiden Aktenzeichen gestellte Bitte hin (nur) den Verweisungsbeschluss im Eilverfahren (Az. AN 16 E 20.01199).
2. Mit einem an die Verwaltungsgerichte Ansbach und Berlin gerichteten Schreiben vom 27. Juli 2020 erhob der Beschwerdeführer gegen den Verweisungsbeschluss vom 10. Juli 2020 unter Angabe des Aktenzeichens AN 16 E 20.01199 „Beschwerde“. Es bestünden bereits Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe. Er habe dem Verwaltungsgericht Ansbach am 22. Juni 2020 mitgeteilt, dass er in Deutschland keine Meldeanschrift mehr habe. Sein letzter Wohnort sei, wie sich aus dem ebenfalls am 22. Juni 2020 vorgelegten Personaldokument ergebe, Budapest und nicht Berlin gewesen. Sein Ersuchen um Kommunikation per Fax habe das Verwaltungsgericht Ansbach komplett ignoriert. Er beantrage weiter, dass das Verfahren nicht auf den Einzelrichter übertragen werde, lege gegen die Anordnungen des Verwaltungsgerichts Berlin vorsorglich Widerspruch ein und beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Weiter bitte er um Beachtung der ab sofort gültigen ladungsfähigen Anschrift wie auf Seite 1 des Schreibens angegeben. Er warte auf Mitteilung, wie die Zustellung genau erfolgt sei.
In einem nur an das Verwaltungsgericht Ansbach gerichteten Schreiben vom 15. August 2020 trug der Beschwerdeführer vor, er habe sich per Fax am 25. und 27. Juli 2020 beim Verwaltungsgericht Ansbach nachweislich beschwert, da ihm vor Erlass des Verweisungsbeschlusses kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Damit habe er unter anderem eine Anhörungsrüge gemäß § 152 a VwGO erhoben, auch wenn er die Vorschrift nicht genannt habe, wozu er nicht verpflichtet sei.
3. Bereits zuvor hatte der Beschwerdeführer mit einem an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerichteten Faxschreiben vom 22. Juli 2020, das er am 25. Juli 2020 auch dem Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax zuleitete, unter Angabe einer Postanschrift aus Istanbul „Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss AN 16 E 20.01199“ vom 10. Juli 2020 erhoben. Eingeleitet war das Schreiben mit dem Satz: „Meine am 22.06.2020 per Fax beim VG Ansbach erhobene Klage und die gestellten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz sowie die am 07.07.2020 gestellten Anträge (u. a. auf Prozesskostenhilfe) sind durch den oben bezeichneten Beschluss des VG Ansbach an das VG Berlin abgegeben worden.“; abschließend wurde „im Eilverfahren die Verweisung zurück an das VG Ansbach“ beantragt. Der Beschluss sei ihm nicht bekanntgegeben worden und daher nicht rechtskräftig. Vom zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach habe er kein einziges Fax oder einen telefonischen Hinweis erhalten, dass das Verfahren abgegeben worden sei. Besonders schwer wiege daher, dass ihm kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Der Verweisungsbeschluss sei deswegen sowie wegen eines Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter als nicht bindend anzusehen.
Mit weiterem Schreiben vom 23. Juli 2020 beantragte der Beschwerdeführer die Beiordnung eines Notanwalts. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte mit zwei Beschlüssen vom 28. Juli 2020 jeweils unter Ziffer I. Anträge des Beschwerdeführers auf Anwaltsbeiordnung zum einen (Az. 6 C 20.1710) für eine Beschwerde „gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 – AN 16 E 20.01199 -“, zum anderen (Az. 6 C 20.1716) für eine ebensolche Beschwerde „gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 – AN 16 K 20.01200 -“ ab. Unter Ziffer II. der Beschlüsse verwarf er jeweils die Beschwerde des Beschwerdeführers „gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020“, wobei an dieser Stelle in beiden Beschlüssen als Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts Ansbach „- AN 16 E 20.01199 -“ benannt ist. In den Gründen ist im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2020 Az. 6 C 20.1710 als Gegenstand des Rechtsstreits „Eilantrag auf Zahlung von Dienstbezügen und Durchführung des Zurruhesetzungsverfahrens“ angeführt, im Beschluss Az. 6 C 20.1716 „Klage im Zusammenhang mit einer gescheiterten Entsendung zum EAD“.
4. Vom Beschwerdeführer gestellte Anträge auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 53 Abs. 3 VwGO lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. September 2020 unter Verbindung der beiden betroffenen Verfahren Az. 2 AV 2.20 (2 PKH 1.20) und 2 AV 3.20 (2 PKH 2.20) zur gemeinsamen Entscheidung ab. Zugleich verwarf es „die Beschwerden des Beschwerdeführers gegen die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2020 – 6 C 20.1710 und 6 C 20.1716 – und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 – AN 16 E 20.01199 und AN 16 K 20.01200 -“. Ein weiterer Antrag nach § 53 Abs. 3 VwGO wurde mit Beschluss vom 10. August 2021 (Az. 6 AV 7.21) abgelehnt.
5. Eine u. a. gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 Az. AN 16 E 20.01199 erhobene Verfassungsbeschwerde verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nahm das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26. November 2020 (Az. 2 BvR 1622/20) nicht zur Entscheidung an. Mit Beschluss vom 20. Januar 2021 (Az. VerfGH 198/20, 198 A/20) verwarf der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine dort u. a. gegen den genannten Verweisungsbeschluss erhobene Verfassungsbeschwerde, womit sich der dort zugleich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigte.
II.
Mit Telefaxschreiben vom 2. November 2020 erhob der Beschwerdeführer, der sich hierbei als obdachlos bezeichnete und nur eine E-Mail-Adresse sowie eine Faxnummer angab, beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Verfassungsbeschwerde „wegen eines rechtswidrigen und nicht bindenden Verweisungsbeschlusses des VG Ansbach vom 10.07.2020 mit Aktenzeichen AN 16 E 20.01199“. Die Verweisung an das Verwaltungsgericht Berlin sei politisch motiviert gewesen; die Bayerische Verfassung sei damit vorsätzlich verletzt worden. Durch den Verweisungsbeschluss sei dem Beschwerdeführer der gesetzliche Richter entzogen worden (Art. 86 BV). Die Vorschrift des § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO sei für sein Klagebegehren nicht passend. Die Personalabteilung Nürnberg des Bundesamts habe die angegriffenen Verwaltungsakte erlassen, sodass nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO das Verwaltungsgericht Ansbach zuständig sei. Da dem Verfahren, wie in der Klageschrift vorgetragen, geheimdienstliche Vorgänge mit Auslandsbezug und verfassungsrechtliche Vorgänge zugrunde lägen, könne auch eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts gegeben sein; das Verwaltungsgericht Berlin sei jedenfalls nicht zuständig (Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 3 a, 85, 118 Abs. 1 Satz 1 BV). Der Beschwerdeführer könne auch nicht die Behauptung des Verwaltungsgerichts Ansbach bestätigen, dass er vor Erlass des Verweisungsbeschlusses angehört worden sei. Weder habe er in seiner Klageschrift die in dem Beschluss genannte Adresse angegeben noch sei er dort tatsächlich gemeldet. Einen Anhörungsbogen habe er weder per Fax noch per E-Mail erhalten. Der Verweisungsbeschluss sei dadurch nicht bindend, das Vorgehen verstoße gegen Art. 91 Abs. 1 BV. Gegen den Verweisungsbeschluss habe er Rechtsmittel bei den Verwaltungsgerichten Ansbach und Berlin sowie beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und beim Bundesverwaltungsgericht wegen der fehlenden Anhörung erhoben und die Rückverweisung an das Verwaltungsgericht Ansbach beantragt, wobei er mit einer sonstigen rechtmäßigen Zuständigkeitsbestimmung einverstanden sei. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit habe die grundgesetzliche Pflicht zur Gewährung eines Maximums an Rechtsschutz; sie müsse auch auf die richtige Bestimmung der Rechtsbehelfe und auf eine Erläuterung unklarer Anträge hinwirken. Dem Beschwerdeführer sei aber nur das absolute Minimum an Rechtsschutz gewährt worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe ihm nach Erhebung der Rechtsmittel unterstellt „(siehe Beschlüsse vom 28.07.2020, Aktenzeichen 6 C 20.1716 & 6 C 20.1710)“, unzulässigerweise den Rechtsbehelf der Beschwerde erhoben zu haben, und sein Begehren als aussichtslos verworfen. Das Verwaltungsgericht Ansbach habe sich nach Erhebung der Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss nicht mehr schriftlich geäußert. Im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts würden falsche Tatsachen zugrunde gelegt. In der Außenstelle Berlin des Bundesamts sei der Beschwerdeführer nicht einen einzigen Tag beschäftigt gewesen; er sei dieser Außenstelle nur zugeordnet gewesen. Im Dezember 2014 sei er als Liaisonbeamter für drei Jahre nach Ungarn abgeordnet worden. Nach Deutschland sei er danach aus verschiedenen Gründen nicht mehr zurückgekehrt und lebe auch nicht mehr in der Türkei, sondern befinde sich nun sicher, aber obdachlos in der Russischen Föderation. Deren Dienste hätten ihn vor einer politisch motivierten Ermordung im Mai 2016 in Budapest gerettet, die ein Hauptgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei. Entgegen der Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts seien die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Ansbach und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht unanfechtbar. Gegenüber dem Empfangsgericht Verwaltungsgericht Berlin habe er am 27. Juli 2020 seinen Unmut über die Verweisungsentscheidung erfolglos schriftlich vorgetragen.
Der Verfassungsbeschwerde beigefügt waren u. a. das an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerichtete Schreiben vom 22. Juli 2020, dessen Beschlüsse vom 28. Juli 2020, das an das Verwaltungsgericht Ansbach gerichtete Schreiben vom 15. August 2020, dessen Beschluss vom 10. Juli 2020 Az. AN 16 E 20.01199 – nicht hingegen der vom 10. Juli 2020 Az. AN 16 K 20.01200 – sowie der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 2020.
Mit Telefax vom 14. Oktober 2021 trug der Beschwerdeführer ergänzend zu seiner Verfassungsbeschwerde vor, das Verwaltungsgericht Berlin habe ihm auf seine telefonische Anfrage hin nur einen Verweisungsbeschluss unter Angabe des Berliner Haupt- und Nebensache-Aktenzeichens zur Verfügung gestellt. Der Versand des zweiten, wohl existenten Verweisungsbeschlusses sei nicht erfolgt. Er beantrage die Aufnahme dieses Beschlusses mit dem Aktenzeichen AN 16 K 20.01200 in die Verfassungsbeschwerde (so wie er es konkludent seit Beginn beantragt habe) sowie die Zustellung des Beschlusses. Die Verweisungsbeschlüsse seien rechtswidrig, da nach § 52 Abs. 4 Satz 2 VwGO das Gericht zuständig sei, in dessen Bezirk die den Verwaltungsakt erlassende Behörde ihren Sitz habe. Dies sei hier die Zentrale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach sei mangels Anhörung des Beschwerdeführers nicht bindend. Auch § 321 a ZPO (Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) sei missachtet worden. Am 25. und „28.“ Juli 2020 habe er sich nicht nur beim Verwaltungsgericht Ansbach aufgrund der Verweisung beschwert, sondern auch die unterbliebene Anhörung und die Verwendung einer falschen Rechtsnorm für seinen Einzelfall gerügt. Die Erhebung der Rüge sei vor einer Verfassungsbeschwerde sogar unbedingt erforderlich (Subsidiaritätsprinzip).
III.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hält die Verfassungsbeschwerde wegen Nichteinhaltung der Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 5 Nr. 2 VfGHG für unzulässig und im Übrigen auch für unbegründet.
IV.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Ihrer Zulässigkeit steht allerdings nicht der Umstand entgegen, dass es sich bei den angegriffenen Verweisungsbeschlüssen um Zwischenentscheidungen im Rahmen laufender Verwaltungsstreitverfahren handelt. Auch bloße Zwischenentscheidungen können ausnahmsweise selbstständiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn sie Bindungswirkung entfalten und daher im weiteren fachgerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (VerfGH vom 26.1.1990 VerfGHE 43, 12/17; vom 21.7.2020 – Vf. 56-VI-17 u a. – juris Rn. 81; BVerfG vom 15.6.2015 – 1 BvR 1288/14 – juris Rn. 8; VerfGH Brandenburg vom 19.2.2021 – VfGBbg 9/20 – juris Rn. 19). Das ist hier der Fall, da Verweisungsbeschlüsse, die wegen örtlicher Unzuständigkeit ergehen, für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, bindend sind (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG); ihre inhaltliche Richtigkeit wird auch bei späteren Entscheidungen über Rechtsmittel in der Hauptsache nicht mehr geprüft (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 a Abs. 5 GVG).
2. Die Verfassungsbeschwerde wurde, soweit sie sich gegen den im Eilverfahren (Az. AN 16 E 20.01199) ergangenen Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 richtet, nicht fristgerecht erhoben.
a) Ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Rechtsweg zulässig, ist die Verfassungsbeschwerde nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG spätestens zwei Monate nach der schriftlichen Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung an den Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einzureichen. Als letztgerichtliche Entscheidungen im Sinn dieser Vorschrift sind hier die beiden mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen, nach § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbaren Verweisungsbeschlüsse vom 10. Juli 2020 anzusehen. Deren schriftliche Bekanntgabe erfolgte allerdings nicht bereits durch die vom Verwaltungsgericht Ansbach veranlasste Zustellung an eine (in der Klage- und Antragsschrift nicht angegebene) frühere Anschrift des Beschwerdeführers in Berlin, da die dorthin versandten Postsendungen ungeöffnet mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ an das Gericht zurückgingen, ihren Adressaten also nicht erreicht haben.
Der Beschluss im Eilverfahren Az. AN 16 E 20.01199 wurde dem Antragsteller jedoch mit Telefax des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juli 2020 übermittelt, sodass mit diesem Tag der schriftlichen Bekanntgabe die Zwei-Monats-Frist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG zu laufen begann. Da sie gemäß Art. 17 Abs. 1 VfGHG i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 21. September 2020 endete, ging die mit Telefax vom 2. November 2020 erhobene Verfassungsbeschwerde gegen diesen ersten Verweisungsbeschluss erst nach Fristende beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein.
b) Dem Fristablauf steht nicht der Umstand entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den genannten Beschluss zunächst eine Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und gegen deren Verwerfung wiederum eine Beschwerde erhoben hat, die vom Bundesverwaltungsgericht ebenfalls verworfen wurde. Die gemäß § 83 Satz 2 VwGO unstatthaften Rechtsmittel und die dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen hatten nicht zur Folge, dass die zweimonatige Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde erst danach zu laufen begann. Grundsätzlich sind, um Umgehungen des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG auszuschließen, nur zulässige Rechtsmittel und darauf ergehende Entscheidungen geeignet, die Frist zur Einreichung einer Verfassungsbeschwerde offen zu halten (VerfGH vom 21.7.1995 – Vf. 43-VI-93 – juris Rn. 10 m. w. N.; vom 15.3.2002 – Vf. 31-VI-01 – juris Rn. 14). Etwas anderes gilt nur, wenn der Beschwerdeführer berechtigterweise im Ungewissen sein konnte, ob das fragliche Rechtsmittel nicht doch zulässig ist, die Zulässigkeit also zumindest nicht völlig ausgeschlossen erschien (vgl. VerfGH vom 21.7.1989 VerfGHE 42, 117/120; BVerfG vom 6.6.1978 BVerfGE 48, 341/344). Ein solcher Ausnahmefall lag hier nicht vor, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 83 Satz 2 VwGO Beschlüsse über eine Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit generell unanfechtbar sind, ohne dass dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerwG vom 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 4).
c) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beschwerdeführers im Schreiben vom 14. Oktober 2021, wonach er beim Verwaltungsgericht Ansbach am 25. und 28. Juli 2020 die fehlende Anhörung vor Erlass des Verweisungsbeschlusses gerügt habe.
aa) Die genannte Aussage ist allerdings dahingehend zu verstehen, dass gegen die unanfechtbare Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine förmliche Anhörungsrüge gemäß § 152 a VwGO erhoben worden sei. Diese wäre nach überwiegender Auffassung ungeachtet des § 152 a Abs. 1 Satz 2 VwGO als statthaft anzusehen, da ein Verweisungsbeschluss mit der gerichtlichen Endentscheidung nicht mehr korrigiert werden kann (vgl. OVG LSA vom 17.9.2019 – 1 O 88/19 – juris Rn. 2 f. m. w. N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 152 a Rn. 5; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, § 152 a Rn. 20; Kautz in Fehling/Kastner/ Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 152 a VwGO Rn. 20 jeweils unter Hinweis auf BVerfG vom 23.10.2007 BVerfGE 119, 292 Rn. 26; a. A. etwa LSG BW vom 15.2.2008 – L 7 AS 619/08 A u. a. – juris Rn. 3; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 152 a Rn. 11). Insoweit läge jedenfalls kein Fall vor, bei dem die Erhebung einer Anhörungsrüge wegen ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit den Beginn der Verfassungsbeschwerdefrist unberührt lässt (dazu VerfGH vom 20.4.2021 BayVBl 2021, 516 Rn. 30 m. w. N.). Wäre gegen den Beschluss vom 10. Juli 2020 fristgerecht eine Anhörungsrüge erhoben worden, über die bisher nicht entschieden wurde, stünde dies somit der Versäumung der Frist nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG entgegen (vgl. VerfGH vom 14.12.2021 – Vf. 91-VI- 20 – juris Rn. 27 m. w. N.).
bb) Der Beschwerdeführer hat aber, nachdem ihm die angegriffene Entscheidung im Eilverfahren am 21. Juli 2020 bekanntgeworden ist, nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Kenntnisnahme von der darin – aus seiner Sicht – liegenden Gehörsverletzung (§ 152 a Abs. 2 Satz 1 VwGO) eine Anhörungsrüge erhoben. Seine allein an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof adressierte „Beschwerde“ vom 22. Juli 2020, die er am 25. Juli 2020 in Abdruck auch dem Verwaltungsgericht Ansbach übermittelt hat, war ausdrücklich auf Rückverweisung und nicht unmittelbar auf Fortführung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gerichtet. In dem (u. a.) an das Verwaltungsgericht Ansbach gerichteten weiteren Schreiben vom 27. (nicht wie vorgetragen: 28.) Juli 2020, das ebenfalls als „Beschwerde“ bezeichnet war, hat der Beschwerdeführer nur die Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe in Zweifel gezogen und Anträge bezüglich des weiteren Verfahrens gestellt, nicht dagegen die unterbliebene Anhörung vor Erlass des Verweisungsbeschlusses gerügt. Bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) konnte daher in keinem der beiden Schreiben bereits eine im Sinn von § 152 a Abs. 2 Satz 6 VwGO hinreichend substanziierte Anhörungsrüge gesehen werden.
cc) Der Beschwerdeführer hat sich zudem innerhalb der Verfassungsbeschwerdefrist (Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG) weder auf seine am 25. und 27. Juli 2020 an das Verwaltungsgericht Ansbach übersandten Schreiben berufen noch die beiden Schriftstücke im Verfahren vorgelegt, sodass es auch an dem in Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG geforderten Nachweis der Rechtswegerschöpfung fehlt. Seiner Verfassungsbeschwerde war als Anlage nur das – nach Ablauf der Zwei-WochenFrist des § 152 a Abs. 2 Satz 1 VwGO versandte – Schreiben an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 15. August 2020 beigefügt, in dem auf eine bereits zuvor konkludent erhobene Anhörungsrüge verwiesen wurde. Dass die dort erwähnten früheren Faxschreiben vom 25. und 27. Juli 2020 tatsächlich an das Verwaltungsgericht Ansbach versandt wurden, geht aber aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Die Verfassungsbeschwerde genügt daher, soweit es um die möglicherweise fristwahrende Erhebung einer Anhörungsrüge geht, nicht den Darlegungsanforderungen.
3. Ebenfalls unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen den im Hauptsacheverfahren (Az. AN 16 K 20.01200) ergangenen Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juli 2020 richtet.
Dieser weitere Beschluss, den das Verwaltungsgericht Berlin dem Beschwerdeführer nicht zusammen mit dem zeitgleich ergangenen Verweisungsbeschluss im Eilverfahren übermittelt hat, war noch nicht Gegenstand der am 2. November 2020 erhobenen ursprünglichen Verfassungsbeschwerde. Er wurde vom Beschwerdeführer vielmehr erst mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 in das Verfassungsbeschwerdeverfahren einbezogen, nachdem das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration in seiner Stellungnahme vom 9. September 2021 darauf hingewiesen hatte, dass dieser parallele Verweisungsbeschluss jedenfalls nicht ausdrücklich zum Verfahrensgegenstand gemacht worden war.
Dass auch für das Hauptsacheverfahren eine Verweisungsentscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach ergangen war, dürfte dem Beschwerdeführer allerdings schon sehr viel länger bekannt gewesen sein. Bereits aus der Eingangsmitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juli 2020 ging klar hervor, dass beide von ihm anhängig gemachten Verfahren dorthin verwiesen worden waren. Im Schreiben des Beschwerdeführers an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 22. Juli 2020 war demgemäß ausdrücklich von einer Abgabe auch der Klage an das Verwaltungsgericht Berlin die Rede. Die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2020 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 2020 ließen ebenfalls eindeutig erkennen, dass auch im Hauptsacheverfahren ein Verweisungsbeschluss ergangen war.
Ob in Anbetracht der somit anzunehmenden frühzeitigen Kenntnis des Beschwerdeführers von der Existenz dieses weiteren Verweisungsbeschlusses – ungeachtet der fehlenden schriftlichen Bekanntgabe – eine Verwirkung des Rechts zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde anzunehmen ist, bedarf hier keiner abschließenden Prüfung. Der insoweit erstmals mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde fehlt es jedenfalls an der gebotenen Substanziierung.
Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG hat der Beschwerdeführer die konkrete Handlung oder Unterlassung, gegen die er sich wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung er geltend macht, zu bezeichnen. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt hiernach nicht nur die genaue Bezeichnung des als verletzt gerügten verfassungsmäßigen Rechts voraus, sondern auch die vollständige und nachvollziehbare Darlegung des Vorgangs, der die behauptete Grundrechtsverletzung enthält. Der Beschwerdeführer hat den wesentlichen Sachverhalt so vorzutragen, dass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß zumindest möglich erscheint (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 18.3.1983 VerfGHE 36, 44/45; vom 9.8.1991 VerfGHE 44, 96/98; vom 12.1.2022 – Vf. 19-VI-21 – juris Rn. 16). Zur notwendigen fristgerechten Substanziierung der Verfassungsbeschwerde gehört regelmäßig insbesondere, dass innerhalb der Verfassungsbeschwerdefrist die angegriffenen Entscheidungen vorgelegt werden (VerfGH vom 20.3.2018 BayVBl 2019, 207 Rn. 14 m. w. N.).
Diese Mindestanforderung hat der Beschwerdeführer nicht erfüllt. Er hat den im Hauptsacheverfahren (Az. AN 16 K 20.01200) ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach, gegen den er sich nunmehr ebenfalls wendet, dem Verfassungsgerichtshof zu keinem Zeitpunkt vorgelegt, sondern stattdessen die nachträgliche Zustellung dieses Verweisungsbeschlusses beantragt. Es ist aber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, sich die mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung im Weg der Rechts- oder Amtshilfe von anderen staatlichen Stellen zu beschaffen und sie dem Beschwerdeführer erstmals zugänglich zu machen.
V.
Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.500 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


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