Verwaltungsrecht

Zur Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten eines Prozessvertreters

Aktenzeichen  15 C 20.2283

Datum:
10.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38213
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 162 Abs. 1, § 164
BayVwVfG Art. 29
GG Art. 19 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1. Hauptsacheverfahren und Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO haben mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG komplementäre Rechtsschutzfunktionen. Das Verwaltungsgericht kann daher Kosten der Akteneinsicht auf das Hauptsache- und das Eilverfahren hälftig aufteilen. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Notwendig und damit erstattungsfähig kann eine Reise dann sein, wenn sie aus Sicht der Partei, also nach ihrem Erkenntnisstand und ihren Beurteilungsmöglichkeiten, nicht nur sinnvoll oder förderlich, sondern zumindest vorsorglich dringend ratsam ist.  (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten eines Prozessvertreters kommt es auch darauf an, was die kürzeste Fahrtstrecke und wann der früheste Zeitpunkt des Antritts der Dienstreise gewesen sein könnte. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 M 19.1428 2020-09-11 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der Kläger vertritt sich als Rechtsanwalt selbst und wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. September 2020, mit dem seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juni 2019 verworfen worden ist, soweit das Verwaltungsgericht der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Oktober 2020 nicht abgeholfen hat. Dem Kostenfestsetzungsbeschluss liegt ein Klageverfahren zugrunde, mit dem sich der Kläger als Nachbar erfolgreich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an den Beigeladenen für einen Verbrauchermarkt gewandt hatte.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung ist umstritten, ob die Kosten der Akteneinsicht beim Landratsamt D. und der Stadt P. am 15. Mai 2013 (Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld) nach Zustellung des Baugenehmigungsbescheids vom 6. Mai 2013 an den Kläger vor Erhebung der Klage am 6. Juni 2013 sowie des Eilantrags am 27. September 2013 auf das Eil- und das Hauptsacheverfahren hälftig aufgeteilt werden konnten. Des Weiteren ist streitig ob Kosten für weitere Fahrten zum Landratsamt am 28. Oktober 2013 und zur Stadt P. im März 2014 zu erstatten sind. Darüber hinaus steht im Streit, ob die Kosten für die Übernachtung des Klägers in P. am 18. September 2014 und Literaturkosten von über 700 Euro erstattungsfähig sind. Im Übrigen ist umstritten, ob Porto- und Computernutzungskosten, die im Kostenfestsetzungsverfahren angefallen sind (insgesamt 7,80 Euro), im Kostenfestsetzungsverfahren bezüglich der Hauptsache geltend gemacht werden können.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die Kosten für die Fahrt am 15. Mai 2013 seien zu Recht zur Hälfte dem Eilverfahren zuzurechnen, da die Akteneinsicht mit beiden Verfahren im Zusammenhang stehe. Die Fahrt am 28. Oktober 2013 zum Landratsamt sei nur zur Akteneinsicht im Eilverfahren durchgeführt worden. Diese Fahrt und die im März 2014 durchgeführte Fahrt nach P. seien aber auch nicht erforderlich gewesen, da die Akten nach Art. 29 Abs. 3 Satz 3 BayVwVfG hätten versendet werden können und der Bebauungsplan bei der Stadt P. schon am 15. Mai 2013 eingesehen worden sei. Dass die Jahresfrist des § 215 BauGB ab der Bekanntmachung der Satzung am 20. März 2013 zu laufen begonnen habe, sei schon bei der ersten Akteneinsicht am 15. Mai 2013 aus der Bekanntmachung ersichtlich gewesen. Die Übernachtungskosten vor dem am 19. September 2014 angesetzten Augenscheinstermin seien nicht erstattungsfähig, da der Gesamtzeitaufwand weniger als zehn Stunden betragen habe und eine Abfahrt um 5:40 Uhr im konkreten Fall zumutbar gewesen sei. Die Literaturkosten seien nicht notwendig i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO, denn der Kläger habe Zugang zur Datenbank Juris gehabt. Sowohl die bayerischen Vorschriften als auch die Bundesvorschriften seien kostenfrei im Internet abrufbar. Darüber hinaus hätte er die juristische Bibliothek einer Universität aufsuchen können und es habe die Möglichkeit zur Fernleihe bestanden. Im „Bamberger Katalog“ sei zahlreiche baurechtliche Literatur enthalten. Porto- und Computernutzungskosten des eigenständigen Kostenfestsetzungsverfahrens seien nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung für das Hauptsacheverfahren erstattungsfähig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, der der Beklagte und die Beigeladene entgegentreten. Der Kläger macht geltend, die Kosten für die Akteneinsicht am 15. Mai 2013 stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Eilverfahren. Dieses sei erst deutlich später aufgrund des Verhaltens des Landratsamts eingeleitet worden. Die Fahrten zum Landratsamt D. und zur Stadt P. seien erforderlich gewesen. Die Fahrt vom 28. Oktober 2013 habe auch nicht nur dem Eilverfahren gedient, sondern habe dazu geführt, dass er den Bescheid vom 23. Oktober 2013 in das Klageverfahren einbezogen habe. Art. 29 Abs. 3 Satz 3 BayVwVfG sei ihm nicht bekannt gewesen und die Behörden hätten darauf auch nicht hingewiesen. Eine Versendung der Akten hätte auch zu lange gedauert oder wäre möglicherweise sogar verweigert worden. Die Übernachtung in P. am 18. September 2014 sei notwendig gewesen, da nach der tageszeitgerechten Verkehrslage eine Abfahrt um 5:40 Uhr nicht hinreichend sicher als ausreichend habe angesehen werden können. Zudem müsse man mindestens fünf Minuten vor der Abfahrt das Haus verlassen. Ein Reiseantritt vor 6 Uhr sei jedoch nicht zumutbar. Die Literaturkosten seien zu Unrecht nicht anerkannt worden. Sie würden unter den Kosten eines für den Streitfall notwendigen Fachanwalts liegen. Er habe die Kosten deutlich niedriger gehalten, weil er es versäumt habe, mitzuteilen, dass er seit Januar 2014 als Anwalt tätig sei. Er habe als Privatperson geringere Kosten verursacht, als er als Anwalt erstattet erhalten hätte. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, Universitätsbibliotheken aufzusuchen oder Bücher per Fernleihe einzusehen. Die Fahrt-, Park- und Kopierkosten hätten dabei die Literaturkosten voraussichtlich erheblich überstiegen. Dass für die Porto- und Computernutzungskosten beim Verwaltungsgericht Regensburg ein gesonderter Antrag zu stellen sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. Da die Handhabung bei den Gerichten unterschiedlich sei, habe er den Antrag nur vorsorglich gestellt und es sei nicht angebracht ihn insoweit zurückzuweisen.
Der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts Regensburg hat telefonisch mitgeteilt, dass über den Antrag auf Erstattung der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens nach der Entscheidung im Beschwerdeverfahren entschieden wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
II.
Die überwiegend zulässige Beschwerde des Klägers nach §§ 146 ff. VwGO gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung (§§ 165, 151 VwGO) ist, soweit ihr das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, unbegründet.
1. Hinsichtlich der Ablehnung der Festsetzung der Porto- und Computernutzungskosten für das Kostenfestsetzungsfahren ist die Beschwerde unzulässig, denn es fehlt ihr am Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen er durch die diesbezügliche Ablehnung seines Kostenfestsetzungsantrags im vorliegenden Verfahren in seinen Rechten verletzt sein soll. Er macht nur geltend, die Zurückweisung seines Antrags sei nicht angebracht, da er nicht gewusst habe, wie die Handhabung beim Verwaltungsgericht Regensburg sei. Er habe deshalb vorsorglich die Kosten in seinen Festsetzungsantrag mit aufgenommen, aber gleichzeitig darum gebeten, ggf. einen gesonderten Antrag anzunehmen. Nach telefonischer Auskunft des Kostenbeamten des Verwaltungsgerichts wird dieser Antrag nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens gesondert behandelt. Durch die Nichtberücksichtigung dieser Kosten im Rahmen des streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsverfahrens ist eine Rechtsverletzung des Klägers daher nicht ersichtlich, denn er selbst hat von Anfang an zwei Alternativen zur Festsetzung dieser Kosten in Erwägung gezogen. Dass davon nur eine zum Erfolg führen kann, war ihm stets bewusst. Das Verwaltungsgericht hat sich für die Alternative einer gesonderten Festsetzung der Kosten des Festsetzungsverfahrens entschieden (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Juli 2020, § 164 Rn. 19). Damit sind für den Kläger keine Nachteile verbunden, insbesondere entstehen ihm dadurch im vorliegenden Verfahren keine höheren Kosten oder sonstigen Aufwendungen.
2. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen die Ablehnung der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im noch streitigen Umfang im Übrigen zu Recht zurückgewiesen, weil die geltend gemachten Aufwendungen des Klägers nicht erstattungsfähig sind.
2.1 Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Kosten der Akteneinsicht am 15. Mai 2013 auf das Hauptsache- und das Eilverfahren hälftig aufzuteilen sind. Die Erstattungsfähigkeit von angefallenen Kosten richtet sich nach § 162 Abs. 1 VwGO. Danach sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten objektivierten Maßstab ist die Notwendigkeit außergerichtlicher Aufwendungen aus der Sicht eines verständigen Beteiligten zu beurteilen, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist ex ante auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlungen abzustellen. Es ist deswegen ohne Belang, ob sich diese im Nachhinein als erforderlich oder unnötig herausstellen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2020 – GrSen 1.19 – UPR 2020, 247 = juris Rn. 15 m.w.N.).
Hauptsacheverfahren und Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO haben mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG komplementäre Rechtsschutzfunktionen. Während der Rechtsstreit im Klageverfahren endgültig entschieden wird, wird im Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht darüber befunden, ob der angegriffene Verwaltungsakt bereits vor Rechtskraft eines Urteils in der Hauptsache vollzogen und damit vollendete Tatsachen geschaffen werden dürfen. Ohne die aufschiebende Wirkung der gegen einen Verwaltungsakt erhobenen Klage würde der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf die notwendige Dauer der Verfahren häufig hinfällig, weil bei sofortiger Vollziehung eines Verwaltungsakts regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.2020 a.a.O. Rn. 16 f.). Gerade deshalb muss sich ein Betroffener anhand der behördlichen Vorgänge darüber informieren, ob ein Eilverfahren Aussicht auf Erfolg verspricht und er muss auch in einem Eilverfahren hinreichend substantiiert zu den Erfolgsaussichten im Klageverfahren vortragen (vgl. zur Aufteilung der Kosten eines Privatgutachtens auf Eil- und Hauptsacheverfahren bei Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses BVerwG, B.v. 3.2.2020 a.a.O. Rn. 16 ff.). Dass der Kläger das Eilverfahren erst später eingeleitet hat, und daher die Bauarbeiten zu diesem Zeitpunkt schon sehr weit fortgeschritten waren, ändert nichts daran, dass er durch die erste Akteneinsicht Erkenntnisse gewonnen hat, die zur Erhebung des Eilantrags geführt haben. Der vom Kläger genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 1981 (Az. 14 B 1244/80 – juris), die die Kosten eines Privatgutachtens betraf, kann angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 3.2.2020 a.a.O.; B.v. 29.9.2020 – 9 KSt 3.20 – juris) nicht gefolgt werden.
2.2 Zutreffend geht das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass die Kosten für die Akteneinsicht beim Landratsamt D. am 28. Oktober 2013 sowie bei der Stadt P. im März 2014 nicht erstattungsfähig sind. Grundsätzlich erstattungsfähig sind Reisekosten zum Zwecke der Terminswahrnehmung oder zur Information des Prozessbevollmächtigten in jeder Instanz (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.1996 – 23 C 96.463 – BayVBl 1997, 604 m.w.N.). Notwendig und damit erstattungsfähig kann eine Reise aber auch dann sein, wenn sie aus Sicht der Partei, also nach ihrem Erkenntnisstand und ihren Beurteilungsmöglichkeiten, nicht nur sinnvoll oder förderlich, sondern zumindest vorsorglich dringend ratsam ist. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Gebot einer sparsamen Prozessführung ergibt sich jedoch auch bei Reisekosten die Pflicht, den Aufwand im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu halten (vgl. BayVGH a.a.O. m.w.N.).
Dabei kann dahinstehen, ob die Fahrt vom 28. Oktober 2013 tatsächlich nur dem Eilverfahren gedient hat, so wie das Verwaltungsgericht meint. Denn unter Beachtung der oben genannten Maßgaben sind die im Zusammenhang mit den beiden Fahrten geltend gemachten Aufwendungen (Reisekosten, Zeitversäumnis etc.) nicht erstattungsfähig. Der Kläger ist Volljurist und seit Januar 2014 als Rechtsanwalt zugelassen. Deshalb hätte er wissen müssen oder zumindest unschwer klären und in Erfahrung bringen können, dass sein Recht auf Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG nicht ausschließlich bei der aktenführenden Behörde wahrgenommen werden kann. Zur Vermeidung der beiden weiteren langen Anfahrten von seinem Wohnort nach D. und P. hätte es daher ihm oblegen, auf eine Versendung der Akten an das seinem Wohnsitz nächstgelegene Gericht, eine andere Behörde oder ab Januar 2014 an seinen Kanzleisitz hinzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.1996 – 23 C 96.463 a.a.O.) und dort die Akten einzusehen. Eine solche Vorgehensweise hätte der vollen Wahrung seines berechtigten prozessualen Interesses unter Beachtung einer möglichst wirtschaftlichen Prozessführung entsprochen, denn es ist nicht ersichtlich, dass die betroffenen Behörden eine Versendung der Akten verweigert oder verzögert hätten. Die bloße Befürchtung des Klägers, die Akten hätten für eine notwendige Reaktion verspätet eintreffen können, rechtfertigt die Verursachung derartig hoher Kosten für eine zweite Akteneinsicht nicht, denn hinsichtlich des neuen Bescheids vom 23. Oktober 2013 stand ihm erneut eine Klagefrist von einem Monat zur Verfügung und bezüglich des Bebauungsplans war keine Änderung der Sachlage eingetreten. Soweit er geltend macht, die persönliche Akteneinsicht beim Landratsamt sei erforderlich gewesen, um seinen Antrag im Eilverfahren weiter zu begründen, kann dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Damit hat er selbst zu erkennen gegeben, dass jedenfalls die hohen Kosten der persönlichen Akteneinsichtnahme nur für das Eilverfahren erforderlich waren und damit keine notwendigen Aufwendungen des Klageverfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind.
2.3 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Übernachtungskosten in P. vom 18. auf den 19. September 2014 könnten nicht erstattet werden, trifft ebenfalls zu. Zum einen geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass dem Kläger auch eine Abfahrt um ca. 5:40 Uhr zumutbar gewesen wäre, da es sich dabei nur um eine geringfügige Überschreitung des Nachtzeitraums handelt und nicht damit zu rechnen war, dass der Augenschein länger als eine bis zwei Stunden dauern wird. Es war daher nicht zu befürchten war, dass die Grenze von 10 Stunden am 19. September 2014 selbst bei Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag überschritten werden wird. Die vom Kläger in Bezug genommenen Vorgaben des Reisekostenrechts besagen nichts Anderes. Nach Nr. 3.1.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKG) sollen Dienstreisen grundsätzlich nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein. Ein früherer Beginn oder ein späteres Ende aus dienstlichen Gründen (z.B. zweckmäßige Verkehrsmittel, dienstlich bereitgestellte Mitfahr- oder Mitfluggelegenheiten) bleiben unberührt. Daraus ist ersichtlich, dass es sich bei der vorgesehenen frühesten Antrittszeit für eine Dienstreise um 6 Uhr nicht um eine von den Umständen des Einzelfalls völlig losgelöste Vorgabe handelt. Zwar soll grundsätzlich darauf geachtet werden, dass Reisen nicht vor 6 Uhr angetreten werden müssen, Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte lassen aber Abweichungen davon zu (vgl. Meyer/Fricke/Baez u.a., Reisekosten im öffentlichen Dienst, Stand 1.7.2019, Update 9/2020, zu § 3 Abs. 1 BRKG Rn. 11). Im vorliegenden Fall war allenfalls eine geringfügig vor 6 Uhr liegende Abfahrt erforderlich, da das Verkehrsgeschehen regelmäßig nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die kürzeste Fahrtstrecke zwischen dem Wohnort des Klägers und dem Ort des Augenscheins nach verschiedenen im Internet verfügbaren Routenplanern ca. 240 Kilometer beträgt und außer am Ziel- und Endpunkt ausschließlich auf Autobahnen verläuft. Bei einer eingegebenen Abfahrtszeit um 6:00 Uhr beträgt die Fahrzeit zwischen 2:20 Stunden (Minimum Google Routenplaner), 2:24 Stunden (BayernInfo), 2:25 Stunden (Falk Routenplaner), 2:26 Stunden (Routenplaner 24), 2:42 Stunden (ADAC-Maps bei 6 min. Verzögerung) und 3:20 Stunden (Maximum Google Routenplaner). Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Höchstwert von 3:20 Stunden anzusetzen. Mit einem angemessenen Sicherheitszuschlag von 20 Minuten zur Regelfahrzeit von ca. 2:25 Stunden (vgl. zum Ansatz einer Reisezeit von ca. 3:00 Stunden für eine Fahrt über 289 km OLG Braunschweig, B.v. 26.5.2015 – 3 U 31/14 – juris Rn. 5) und einer kurzen Pause von 15 Minuten erscheint es im vorliegenden Fall möglich, bei einer Abfahrt um 6:00 Uhr das Ziel rechtzeitig zu erreichen, denn es war am Zielort weder eine Parkplatzsuche noch das Aufsuchen eines Sitzungssaals erforderlich, sondern es konnte am Ort des Augenscheins auf dem Parkplatz des umstrittenen Verbrauchermarkts geparkt werden. Es war auch nicht erforderlich, mehr als wenige Minuten vor 9:00 Uhr am Ort des Augenscheins einzutreffen, denn eine persönliche Vorbereitungszeit ist bei einer Ortseinsicht nicht erforderlich. Ob der Kläger tatsächlich schon fünf Minuten vor Fahrtantritt seine Wohnung verlassen muss, spielt keine Rolle, denn dabei handelt es sich in jedem Fall um eine geringfügige Zeitspanne, die selbst bei einem zusätzlichen Zeitpuffer von 10 Minuten nur dazu geführt hätte, dass er seine Wohnung um 5:45 Uhr hätte verlassen müssen, was in Anbetracht der gesamten Umstände als zumutbar anzusehen ist.
2.4 Darüber hinaus geht das Verwaltungsgericht auch zu Recht davon aus, dass die vom Kläger aufgewendeten Kosten für Literatur in Höhe von 730,70 Euro nicht erstattet werden müssen, da es sich nicht um notwendige Kosten i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO handelt. Der Kläger konnte mittels seines Juris-Zugangs zumindest Rechtsprechung recherchieren. Darauf aufbauend hätte es keinen unzumutbaren Aufwand dargestellt, einschlägige Literatur entweder in der Staatsbibliothek Bamberg, einer Universitäts- oder einer Gerichtsbibliothek nachzuschlagen oder per Fernleihe zu bestellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in den genannten Bibliotheken teilweise Zugriff auf die Datenbank Beck-Online mit juristischen Kommentaren möglich ist. Die Ausführungen des Klägers, es sei ihm neben seinen Aufgaben in Haus und Garten sowie bei der Enkelbetreuung nicht möglich gewesen, sich in eine Bibliothek zu begeben, überzeugen nicht. Um die Anschaffung umfangreicher aktueller juristischer Literatur durch einen Rechtsanwalt als Privatperson für die Führung eines privaten Rechtsstreits als notwendig anzusehen, muss zumindest dargelegt werden, dass ein anderweitiger Zugriff auf diese Werke versucht worden ist, aber mit zumutbarem Aufwand nicht möglich war. Dass es komfortabler ist, über eigene Werke zu verfügen und möglicherweise nicht sofort ein Parkplatz bei der ca. drei Kilometer von seinem Wohnort entfernten Universitätsbibliothek oder der ca. zwei Kilometer entfernten Staatsbibliothek zu finden ist, reicht dabei nicht aus, die Anschaffung von juristischer Fachliteratur als notwendig i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen es nicht ausreichend gewesen wäre, sich durch den Erwerb gebrauchter Vorauflagen einen Überblick über die Rechtsmaterie zu verschaffen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 66 Abs. 8 GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es angesichts der in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) genannten Festgebühr nicht.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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