Arbeitsrecht

Sozialgerichtliches Verfahren – Rechtsanwaltsvergütung – beigeordneter Rechtsanwalt – Verfahrensgebühr – Terminsgebühr – Synergieeffekt bei parallelen Klageverfahren – hälftige Mittelgebühr – Bestimmung der Rahmengebühr – Berücksichtigung der Bemessungskriterien Umfang und Schwierigkeit – objektiv erforderlicher Aufwand

Aktenzeichen  L 4 AS 498/19 B

Datum:
4.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 4. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:LSGST:2022:0204.L4AS498.19B.00
Normen:
Nr 3102 RVG-VV
Nr 3106 RVG-VV
Vorbem 3 Abs 2 RVG-VV
§ 2 Abs 2 S 1 RVG
§ 3 Abs 1 S 1 RVG
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Bei der Vergütungsfestsetzung nach RVG kann bei parallelen Klageverfahren wegen des Synergieeffekts die hälftige Mittelgebühr bei der Verfahrens- und Terminsgebühr angemessen sein. (Rn.31)


2. Bei den Merkmalen Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit iS von § 14 Abs 1 S 1 RVG ist grundsätzlich auf den objektiv erforderlichen Aufwand abzustellen. (Rn.31)

Verfahrensgang

vorgehend SG Dessau-Roßlau, 4. Juli 2019, S 34 SF 141/16 E, Beschluss

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Juli 2019 und die Prozesskostenhilfefestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Juli 2016 werden geändert: Die aus der Prozesskostenhilfe an den Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt 315,95 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Streitgegenständlich ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer für ein Klageverfahren nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse als Beschwerdegegner zusteht.
In dem seit dem 9. Juli 2014 anhängigen und mittlerweile erledigtem Klageverfahren S 14 AS 1753/14 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) vertrat der Beschwerdeführer einen Kläger im Streit um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der Kläger begehrte mit seiner Klage höhere Leistungen von April bis September 2014 für die Heizkosten nach § 22 SGB II in Höhe von zuletzt insgesamt 68,00 €, denn der Beklagte hatte diese nicht in tatsächlicher Höhe erbracht.
Am gleichen Tag erhob der Beschwerdeführer im Namen des Klägers auch in dem Verfahren S 14 AS 1743/14 Klage, in welchem dieser im Wege des Zugunstenverfahrens ebenfalls höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 in Höhe von zuletzt insgesamt 90,33 € begehrte.
Nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakte begründete der Beschwerdeführer die Klage S 14 AS 1753/14 mit Schriftsatz vom 3. März 2015 und erwiderte unter dem 17. Juni 2015 auf eine Stellungnahme des beklagten Jobcenters. In dem Verfahren S 14 AS 1743/14 begründete der Beschwerdeführer die Klage mit Schriftsatz vom 4. März 2015 und erwiderte unter dem 19. Juni 2015 auf eine Stellungnahme des beklagten Jobcenters.
Mit Beschlüssen vom 13. Juli 2015 bewilligte das SG in beiden Verfahren PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei. Unter dem 3. August 2015 wurde antragsgemäß ein PKH-Vorschuss in Höhe von 325,82 € im Verfahren S 14 AS 1743/14 und in Höhe von 261,80 € im Verfahren S 14 AS 1753/14 an den Beschwerdeführer angewiesen.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2016 wies das Gericht das beklagte Jobcenter in beiden Verfahren auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz im Rahmen einer Gesamtbetrachtung entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung hin und regte zugleich jeweils die Abgabe eines Anerkenntnisses hinsichtlich der ausstehenden Heiz- und Warmwasserkosten an. Hierbei führte das Gericht im Einzelnen die monatlichen Differenzbeträge auf.
Am 22. Juni 2016 fand in beiden Verfahren zusammen ein Erörterungstermin mit einer Dauer von 22 Minuten statt, in dem das beklagte Jobcenter nach richterlichem Hinweis das Klagebegehren in beiden Verfahren sowie die Kosten der Verfahren anerkannte. Der Beschwerdeführer nahm die Anerkenntnisse an.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. Juni 2016 beantragte der Beschwerdeführer in dem hier streitigen Verfahren (S 14 AS 1753/14) die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH wie folgt:

Verfahrensgebühr
 Nr. 3102 VV RVG
 300,00 €
 Terminsgebühr
 Nr. 3106 VV RVG
 280,00 €
 Geschäftsreise, Benutzung eines eigenen Kfz – anteilig zu 1/2
 Nr. 7003 VV RVG
 18,00 €
 Tage- und Abwesenheitsgeld bis 4 h – anteilig zu ½
 Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG
 12,50 €
 Post- und Telekom.Pauschale
 Nr. 7002 VV RVG
 20,00 €
 Anrechnung Geschäftsgebühr
 gem. Vorbem. 3 (4) VV RVG
 – 150,00 €
 Zwischensumme
 480,50 €
 Mehrwertsteuer
 Nr. 7008 VV RVG
 91,30 €
 Kostenforderung
 571,80 €
 Abzüglich Vorschuss
 – 261,80 €
 Erstattungsbetrag Landeskasse
 310,00 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG (UdG) setzte die PKH-Vergütung am 6. Juli 2016 in der beantragten Höhe fest und wies 310,00 € an den Beschwerdeführer an.
Zugleich machte die UdG am 6. Juli 2016 einen Forderungsübergang nach § 59 RVG geltend und forderte das beklagte Jobcenter zur Erstattung von 571,80 € auf. Hiergegen legte das beklagte Jobcenter am 31. August 2016 Erinnerung ein (S 34 SF 108/16 E) und führte aus, der Ansatz einer Terminsgebühr von 300,00 € sei für einen zweiundzwanzigminütigen Termin für zwei Verfahren unbillig. Diese sei lediglich in Höhe von 205,00 € zu rechtfertigen.
Am 26. Oktober 2016 hat auch der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt (S 34 SF 141/16). Die Verfahrens- und Terminsgebühr seien der Höhe nach zu beanstanden. Diese seien jeweils in Höhe der hälftigen Mittelgebühr angemessen. Erhöhungsindizien für einen anzunehmenden Durchschnittsfall in Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit seien aufgrund des nicht unerheblichen Synergieeffekts in einem gleichgelagerten und zur selben Zeit anhängigen Verfahren gegen den Beklagten (S 14 AS 1743/14) nicht zu erkennen. Da sowohl der Klageantrag als auch deren Begründung im Wortlaut sowie der Verlauf der jeweiligen Verfahren ähnlich gewesen seien, sei es zu Einsparungen in Zeit und Aufwand in anrechenbarer Größe gekommen. Unter Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG und des geringen Haftungsrisikos für den Antragsteller seien die Verfahren im Allgemeinen als unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Terminsgebühr sei bei einer Verhandlungsdauer von zweiundzwanzig Minuten für zwei Termine als unterdurchschnittlich zu bewerten. Besondere Schwierigkeiten seien dem Protokoll nicht zu entnehmen. Nach Erörterung des Sachverhalts und Aufklärungshinweisen des Gerichts sei lediglich die Annahme eines Anerkenntnisses erforderlich gewesen, so dass von einem durchschnittlichen Verlauf eines Verhandlungstermins in der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr ausgegangen werden könne. Es ergebe sich folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr
 Nr. 3102 VV RVG
 150,00 €
 Anrechnung Geschäftsgebühr
 gem. Vorbem. 3 (4) RVG
 – 150,00 €
 Terminsgebühr
 Nr. 3106 VV RVG
 140,00 €
 Geschäftsreise, anteilig zu ½
 Nr. 7003 VV RVG
 18,00 €
 Abwesenheitsgeld, anteilig zu ½
 Nr. 7005 VV RVG
 12,50 €
 Post- u. Telekom.Pauschale
 Nr. 7002 VV RVG
 20,00 €
 Zwischensumme
 190,50 €
 Mehrwertsteuer
 Nr. 7008 VV RVG
 36,20 €
 Gesamtsumme
 226,70 €
 bereits gezahlt
 571,80 €
 zurückzuzahlen
 – 345,10 €

Hierauf hat der Beschwerdeführer erwidert und vorgetragen, bei den Vergütungsfestsetzungskriterien könne die wirtschaftliche Situation der Kläger nicht in dem Umfang herangezogen werden, wie in anderen Verfahren. Gerade bei Hartz IV-Fällen mache eine gekürzte Miete einen immensen Anteil der wirtschaftlichen Kapazitäten und Handlungsfähigkeiten im Monat aus. Zudem ginge es bei den KdUH um ein äußerst schwieriges und umfangreiches Problem, welches die Rechtsprechung der Sozialgerichte seit Jahren beschäftige und bereits seit 2012 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) anhängig sei. Hier sei die Einsicht in mehrere Bände Unterlagen notwendig gewesen, die sich der Beschwerdeführer in einem Parallelverfahren besorgt habe.
Mit Beschluss vom 4. Juli 2019 hat das SG die aus der Landeskasse an den Beschwerdeführer zu zahlenden PKH-Vergütung endgültig auf 226,70 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfahrensgebühr sei nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr gerechtfertigt. Die anwaltliche Tätigkeit sei unterdurchschnittlich schwierig gewesen, da nur Leistungen der Unterkunft und Heizung streitig waren. Auch die Bedeutung der Sache und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien als unterdurchschnittlich zu werten. Die Terminsgebühr sei gleichfalls in Höhe der hälftigen Mittelgebühr entstanden. Zeitgleich fanden zwei Termine statt, wobei die Vorsitzende bereits eine Woche vor den Terminen einen konkreten Nachzahlbetrag zur unstreitigen Erledigung vorgeschlagen habe. Sowohl die Schwierigkeit als auch der Umfang des Termins seien daher als unterdurchschnittlich zu bewerten. Da der Beschwerdeführer bereits ein Betrag von 571,80 € erhalten habe, sei ein Betrag von 345,10 € von ihm zu erstatten.
Gegen den ihm am 6. August 2019 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 19. August 2019 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, das Verfahren sei schwierig gewesen, schließlich habe das beklagte Jobcenter trotz ausführlichem richterlichen Hinweis erst nach zwei Jahren im Erörterungstermin ein Anerkenntnis abgegeben. Zudem habe auch ein im Laufe des Klageverfahrens ergangener Änderungsbescheid mit dem Kläger besprochen werden müssen. Die Kontaktaufnahme mit dem Kläger sei schwierig gewesen, da dieser nur über unterdurchschnittliche Kommunikationsmittel verfügt habe. Gerichtliche Schreiben hätten teilweise außerhalb der Bürozeiten fertiggestellt werden müssen.
Der Beschwerdegegner hat auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss verwiesen. Bei der Bearbeitung beider Verfahren seien Synergieeffekte aufgetreten, die sich der Beschwerdeführer zunutze gemacht habe.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist abweichend von § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) der weitere Rechtsbehelf der Beschwerde zum LSG eröffnet (§ 73a Abs. 1 SGG; § 1 Abs. 3 RVG) i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG, § 33 Abs. 3 bis 8 RVG; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017, L 4 AS 141/16 B). Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände, sondern jeweils die gesamte Kostenfestsetzung der UdG vom 6. Juli 2016 in der Fassung des Beschlusses des SG vom 4. Juli 2019. Aufgrund des Rechtsbehelfs des Beschwerdeführers ist die gesamte Kostenfestsetzung noch nicht rechtskräftig. Selbst wenn er nur einzelne Berechnungselemente der Kostenfestsetzung bemängelt, ist eine Begrenzung der Beschwerde auf die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände nicht zulässig. Denn die Gebührentatbestände sind lediglich Elemente der einheitlichen Kostenfestsetzungsentscheidung. Der Rechtsanwalt begrenzt den Umfang der Prüfung und Entscheidung nur durch seinen summenmäßigen Antrag. Erhebt nur der Rechtsanwalt Beschwerde, darf zu seinen Ungunsten nicht von der Kostenfestsetzung des SG abgewichen werden (wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016, L 19 AS 646/16 B, juris Rn. 57 m.w.N.). Anders liegt es nur, wenn auch die Landeskasse mit der Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung vorgeht, was hier nicht der Fall ist.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) eingelegt worden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist teilweise begründet. Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Festsetzung einer Vergütung aus der Landeskasse für seine Tätigkeit als im Rahmen der PKH beigeordneter Rechtsanwalt im Klageverfahren S 14 AS 1753/14 in Höhe von 315,95 €. Die Entscheidung des SG war insoweit abzuändern.
Der Umfang der Rechtsanwaltsvergütung bzw. deren Erstattung durch die Landeskasse bemisst sich nicht nach dem Wert bzw. der Bedeutung des Klagebegehrens (Streitwert), sondern nach Betragsrahmengebühren. Die geltend gemachten Betragsrahmengebühren sind vom Beschwerdeführer nicht nach den maßgeblichen Kriterien des § 14 RVG angemessen bestimmt worden und daher herabzubemessen.
Grundlage des Erstattungsbegehrens des Beschwerdeführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach sind dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren aus der Landeskasse zu erstatten. In den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens kostenprivilegierter Beteiligte im Sinne des § 183 Satz 1 SGG war, scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).
Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1. Im Einzelnen bestimmt sich die Vergütung, das heißt die Gebührentatbestände, die Spannwerte er Betragsrahmengebühren usw., aus dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Bemessung der Beitragsrahmengebühren ist nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmen. Hiernach steht es dem Rechtsanwalt zu, eine solche Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach einem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt, dass auch weitere im Einzelfall vorliegende Kriterien zur Bemessung herangezogen werden können. Aus der Aufzählung der benannten Kriterien kann nicht auf ein vorgegebenes abstraktes Rangverhältnis geschlossen werden. Es obliegt dem Rechtsanwalt, jedenfalls die in § 14 RVG genannten und ggf. noch weiter relevante Kriterien im Einzelfall zu gewichten.
Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat und die angesetzte Gebühr die nach den gesetzlichen Kriterien angemessene Gebühr um mehr als 20 % übersteigt (vgl. Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09, juris Rn. 19). Ist die Bestimmung unbillig, erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren (Thüringer LSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016, L 6 SF 1611/15 B, juris).
Die Forderung des Beschwerdeführers, ihm stünden für die Verfahrens- und für die Terminsgebühr ein Betrag in Höhe von 580,00 € zu, ist nicht berechtigt.
Die Verfahrensgebühr ist hier nach Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 2 i.V.m. Nr. 3102 VV RVG (in der Fassung vom 1. Juni 2016) lediglich in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr gemäß den aus Nr. 3102 VV RVG folgenden Spannwerten (50,00 bis 550,00 €) entstanden.
Aus der Vorgabe von Spannenwerten folgt, dass die Mittelgebühr – rechnerisch die Hälfte der Summe aus Mindest- und Höchstgebühr – nicht der Regelfall der Vergütung ist. Sie ist vielmehr nur für einen Regel- bzw. Durchschnittsfall die angemessene Vergütung. Die Mittelgebühr bietet dann für die Bestimmung der konkret angemessenen Gebühr einen Richtwert, wenn es sich um eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit handelt. Das ist nicht der Fall, wenn teilweise über- oder unterdurchschnittlich zu bewertende Einzelkriterien vorliegen. Dann sind Zu- oder Abschläge vom Richtwert vorzunehmen. Die Mittelgebühr kann sich aber auch daraus ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien die Unterdurchschnittlichkeit anderer Kriterien kompensiert.
Bei Betrachtung der o.g. Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG lag der Rechtsstreit im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich anderer Streitigkeiten nach dem SGB II. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei Streitigkeiten nach dem SGB II regelmäßig eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber anzunehmen ist, da sich diese jedenfalls mit den unterdurchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers aufhebt (so BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, juris Rn. 37 f.). Davon kann auch hier ausgegangen werden.
Die Schwierigkeit und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit lagen indes im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich. Dabei ist einzustellen, dass es im vorliegenden Klageverfahren ebenso wie im parallel geführten Verfahren S 14 AS 1743/14 allein um die Höhe der Leistungen für Heizkosten nach dem SGB II ging. Der daraus resultierende „Synergieeffekt“ minderte den Aufwand und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im konkreten Verfahren erheblich (vgl. auch z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2019, L 10 SF 4412/18 E-B, juris Rn. 27; LSG Thüringen, Beschluss vom 4. März 2019, L 1 SF 258/17 B, juris Rn. 15; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. Februar 2019, L 5 SF 114/18 B E, juris Rn. 14), zumal der Beschwerdeführer außer der Klageerhebung (halbe Seite ohne Rubrum) lediglich eine Klagebegründung im Umfang von anderthalb Seiten und eine weitere Stellungnahme im Umfang von einer Seite fertigte. Zwar können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren, dies verkörpert jedoch einen wichtigen Indikator (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Januar 2016, L 15 SF 386/13 E, juris Rn. 33). Dabei darf die Schwierigkeit einer Angelegenheit nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf einer gewissen Objektivierung. Maßgeblich ist somit, ob der Aufwand objektiv erforderlich war (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 51. Auflage 2021, § 14 RVG Rn. 3; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, § 14 Rn. 22). Entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers waren im zugrundeliegenden Klageverfahren nur noch die Heizkosten streitig. Auf die vom Beschwerdeführer vorgetragene umfangreiche Einarbeitung in die Rechtsprechung des LSG/BSG zum sog. schlüssigen Konzept zur Begrenzung von Angemessenheitswerten bei den Kosten der Unterkunft kam es demnach objektiv nicht an.
Ein besonderes Haftungsrisiko oder sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, sind vorliegend angesichts der Klageforderung nicht ersichtlich.
Die vom Durchschnitt abweichenden Kriterien „Bedeutung der Angelegenheit“ sowie „Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ kompensieren sich. Da – wie dargelegt – sowohl Umfang als auch Schwierigkeit der Tätigkeit deutlich unterdurchschnittlich waren und nicht wenigstens eines dieser beiden Kriterien durchschnittlich ausgeprägt war, kommt eine höhere Verfahrensgebühr als die Hälfte der Mittelgebühr zur Überzeugung des Senats nicht in Betracht.
Die von der UdG angesetzte Terminsgebühr ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Erörterungstermin am 22. Juni 2016 mit zwei Verfahren dauerte 22 Minuten. Daraus ergibt sich eine anteilige Termindauer pro Verfahren 11 Minuten, was eine Herabbemessung der Terminsgebühr auf die Hälfte der Mittelgebühr (140,00 €) rechtfertigt (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. August 2020, L 4 AS 6/20 B, nicht veröffentlicht).
Zu beanstanden ist jedoch, dass die gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nach Teil 2 entstandene Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren in voller Höhe statt zur Hälfte angerechnet worden ist. Dies war zu korrigieren.
Unter Zugrundlegung der angesprochenen Gebührenpositionen sowie der weiteren Kostenfestsetzung, die nicht zu beanstanden ist, ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr
 Nr. 3102 VV RVG
 150,00 €
 Terminsgebühr
 Nr. 3106 VV RVG
 140,00 €
 Geschäftsreise, anteilig zu ½
 Nr. 7003 VV RVG
 18,00 €
 Abwesenheitsgeld, anteilig zu ½
 Nr. 7005 VV RVG
 12,50 €
 Post- u. Telekom.Pauschale
 Nr. 7002 VV RVG
 20,00 €
 Anrechnung Geschäftsgebühr
 gem. Vorbem. 3 (4) RVG
 – 75,00 €
 Zwischensumme
 265,50 €
 Mehrwertsteuer
 Nr. 7008 VV RVG
 50,45 €
 Gesamtsumme
 315,95 €
 bereits gezahlt
 571,80 €
 zurückzuzahlen
 – 255,85 €

Dadurch verringert sich der vom Beschwerdeführer zu zahlende Erstattungsbetrag um 89,25 € auf 255,85 €.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar; eine Beschwerde zum BSG ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


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