Baurecht

Abgrenzung von halbgeschlossener und offener Bauweise als Doppelhaus

Aktenzeichen  M 8 SN 20.1978

Datum:
17.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17029
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 22 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein im Rahmen offener Bauweise im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO als Grenzbebauung zulässiges Doppelhaus ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbstständige Baukörper erscheinen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 8. Mai 2020 (M 8 K 20.1977) gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. April 2020 nach PlanNr. …  wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,– festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen gerichteten Klage.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks …str. …, Fl.Nr. …, Gemarkung … (im Folgenden: Nachbargrundstück), das mit einem L-förmigen Gebäude bebaut ist. Das Gebäude ist mit einer westlichen Außenwand an der Grundstücksgrenze unmittelbar an die östliche Außenwand des ebenfalls L-förmigen Gebäudes auf dem Grundstück …str. …, Fl.Nr. …, Gemarkung …, das im Eigentum des Beigeladenen steht (im Folgenden: streitgegenständliches Grundstück), angebaut. Dabei grenzt das im Eigentum des Antragstellers stehende Gebäude mit seinem weniger tiefen Gebäudeteil, bestehend aus Souterrain + Erdgeschoss, westlich an den tieferen Teil des im Eigentum des Beigeladenen stehenden Gebäudes an. Dieses ist entlang der Grenze zum Antragsteller in einer Breite von 3 m sowie im südlichen, über das Gebäude des Nachbarn hinausragenden Teil erdgeschossig mit Souterrain, wobei die Dachfläche im südlichen, über das Gebäude des Antragstellers hinausragenden Teil als Dachterrasse genutzt wird; im Übrigen wurde es auf der Grundlage einer Baugenehmigung vom 26. Juli 2007 aufgestockt (Souterrain + Erdgeschoss + Obergeschoss).
Das streitgegenständliche und das Nachbargrundstück liegen nicht im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans. Laut amtlichem Lageplan befindet sich u.a. für diesen Bereich ein Bebauungsplan in Aufstellung.
Vergleiche zur baulichen Situation auf dem streitgegenständlichen und dem Nachbargrundstück sowie zur Umgebungsbebauung folgenden Lageplan im Maßstab 1:1000:
 
(Lageplan nach Scannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)
Am 7. November 2019 (Eingangsdatum bei der Antragsgegnerin) beantragte der Beigeladene bei der Antragsgegnerin die Genehmigung für die Erweiterung des Obergeschosses auf dem bestehenden Erdgeschoss bis zur Grenze zum Nachbargrundstück nach PlanNr. … in Containerbauweise (Bl. 3 ff. BA).
Mit Schreiben vom 28. November 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen mit, dass durch die Erweiterung des ersten Obergeschosses auf dem streitgegenständlichen Grundstück die Abstandsflächen zum Nachbargrundstück nicht eingehalten würden. Zudem werde nach § 15 Baunutzungsverordnung das Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme verletzt. Ferner wurde auf zahlreiche Mängel in den bis dahin vorgelegten Bauvorlagen hingewiesen.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 zeigten die damaligen Bevollmächtigten des Beigeladenen dessen Vertretung an (Bl. 29 BA). Es wurde ausgeführt, dass sich die Zulässigkeit des Bauvorhabens mangels Bebauungsplans nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch richte. In der näheren Umgebung befänden sich ausschließlich Reihenhäuser, die in geschlossener Bauweise errichtet worden seien. Es sei hier also geschlossene Bauweise geboten, sodass gemäß § 22 Abs. 3 Baunutzungsverordnung die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden müssten. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 3 Bayerische Bauordnung besage, dass bei einer Grenzbebauung, wenn diese sich aus planungsrechtlichen Vorschriften ergebe, Abstandsflächen nicht erforderlich seien.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2020 erläuterte die Tochter des Beigeladenen unter anderem, dass in der Nachbarschaft die anderen baugleichen Reihenhäuser alle ohne Abstandsfläche aufgestockt worden seien. Zudem habe der Antragsteller durch den geplanten Anbau keine relevanten Einschränkungen. Es werde gebeten, im Sinne der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme die Wohnbedürfnisse der Familie speziell auch im Kontext der Münchner Immobiliensituation zu sehen.
Mit Schreiben ebenfalls vom 9. Januar 2020 erläuterte der Beigeladene gegenüber dem Oberbürgermeister der Antragsgegnerin unter anderem, dass es keinen Bebauungsplan gebe und geschlossene Bebauung herrschend sei, weshalb Abstandsflächen nicht erforderlich seien. Die benachbarten, baugleichen Häuser ( …straße …) seien sämtlich in geschlossener Weise errichtet und sämtlich nachträglich aufgestockt worden.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2020 wiesen die damaligen Bevollmächtigten des Beigeladenen darauf hin, dass die benachbarte Häuserzeile …straße … sowie … in den 1970er-Jahren von einem Eigentümer gebaut worden seien und die Abstandsflächen insoweit kein Thema gewesen seien, zumal jeweils zwei Häuser auf demselben Flurstück gestanden hätten.
Mit Bescheid vom 2. April 2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung nach PlanNr. … … … für die Erweiterung des Obergeschosses auf dem bestehenden Erdgeschoss auf dem Grundstück …straße …, Fl.Nr. …, Gemarkung …, im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 und 68 Bayerische Bauordnung (Bl. 50 BA). Unter der Überschrift „Nachbarwürdigung“ wird ausgeführt, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Baueingabeplan nicht unterschrieben habe. Das Bauvorhaben entspreche den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen seien (Bl. 50 ff. BA).
Dem Antragsteller wurde am 8. April 2020 eine Ausfertigung des Bescheids zugestellt (Bl. 56 BA).
Mit E-Mail vom 16. April 2020 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass er Probleme mit den Abstandsflächen in der Baugenehmigung habe. Durch den Schatten, den die zu errichtende Wand auf seine Terrasse werfen würde, wäre er sehr beeinträchtigt. Außerdem hätte er morgens beim Blick aus dem Schlafzimmer im ersten Obergeschoss vom Bett aus keinen Himmel mehr vor sich, sondern eine lange und hohe Wand. Auf der Baugenehmigung sei kein Hinweis zu den Abstandsflächen. Es werde um Erklärung gebeten, inwieweit die Abstandsflächen in der Baugenehmigung berücksichtigt worden seien (Bl. 63 BA).
Am 8. Mai 2020 erhob der Antragsteller persönlich bei der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München Klage und beantragte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2020, Az.: …, zugestellt am 8. April 2020, aufzuheben. Diese Klage wird unter dem Aktenzeichen M 8 K 20.1977 geführt; über sie ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung anzuordnen.
Zur Begründung trug er vor, dass er sich durch das genehmigte Bauvorhaben in dem in der Anlage 1 gelb markierten Bereich in seinen nachbarschützenden Rechten durch die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abstandsflächen und den dadurch bedingten verringerten Lichteinfall sowie die Verschattung auf seinem Grundstück etc. verletzt fühle.
Gelb markiert ist auf der Plandarstellung des Erdgeschosses der Bereich des entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers nach Süden auskragenden östlichen Gebäudeteils auf dem streitgegenständlichen Grundstück, der über die südliche Außenwand des weniger tiefen Teils des L-förmigen Gebäudes des Antragstellers hinausreicht. Zudem hat der Antragsteller die unmittelbar an diesen Bereich angrenzende Terrasse seines Anwesens gekennzeichnet.
Mit Beschluss des Gerichts vom 11. Mai 2020 wurde der Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2020, eingegangen am 9. Juni 2020, legte die Antragsgegnerin die Akten vor und beantragte,
den Eilantrag abzulehnen.
Der Beigeladene äußerte sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte dieses Verfahrens sowie des Verfahrens M 8 K 20.1977 und der von der Antragsgegnerin übermittelten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. April 2020, ist zulässig und begründet und hat damit in der Sache Erfolg. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist eine für den Erfolg seiner Anfechtungsklage erforderliche Verletzung von Rechten des Antragstellers, die zum Prüfungsumfang des Genehmigungsverfahrens gehören, gegeben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog, Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO)), so dass das Suspensivinteresse des Antragstellers gegenüber dem Interesse an der Vollziehung der Baugenehmigung vom 2. April 2020 überwiegt.
a) Nach § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 80 Rn. 146; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Genehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (vgl. Hoppe, a.a.O., § 80 Rn. 89 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
b) Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zudem zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
c) Dies zugrunde gelegt, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber entgegenstehenden Vollzugsinteressen insbesondere des Beigeladenen. Denn die Klage des Antragstellers wird nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben. Sie erweist sich voraussichtlich als zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin – die Baugenehmigung vom 2. April 2020 – verstößt voraussichtlich gegen drittschützende Rechte des Antragstellers, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (Art. 59 Satz 1 BayBO), und verletzt ihn daher voraussichtlich in seinen Rechten, sodass ihm ein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstößt nach summarischer Prüfung gegen die Abstandsflächenvorschriften gemäß Art. 6 BayBO, die in ihrer Gesamtheit auch dem Schutz der angrenzenden Nachbarn dienen, da sie auch die ausreichende Belichtung, Besonnung, Belüftung und den Brandschutz der vorhandenen und zukünftigen Nachbargebäude sowie einen dem nachbarlichen „Wohnfrieden“ dienenden Sozialabstand gewährleisten sollen (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.1985 – 14 B 85 A.1244 – BayVBl. 1986, 143 ; B.v. 21.10.1991 – 2 CS 91.2446 – BeckRS 1991, 09074 m.w.N.; U.v. 10.11.1998 – 14 B 96.2645 – juris Rn. 31; (grundsätzlich) B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.25235 – BeckRS 2005, 17740; Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 258 m.w.N.). Zudem gehören die Vorschriften über Abstandsflächen gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 lit. b BayBO zum Prüfprogramm des sog. vereinfachten Genehmigungsverfahrens.
aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von überirdischen Gebäuden freizuhalten. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen. Die östliche Außenwand der vorliegend bis zur Grenze zum Grundstück des Antragstellers geplanten Erweiterung des Obergeschosses des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück hält keine Abstandsfläche auf eigenem Grundstück ein. Ein Fall des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO ist insoweit ebenfalls nicht gegeben bzw. ersichtlich.
bb) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche zwar nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Dies ist nur dann der Fall, wenn der geplante Grenzanbau in dem abstandsflächenrelevanten Bereich insgesamt, d.h. unter allen planungsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkten, bauplanungsrechtlich zulässig ist; die insoweit notwendige Prüfung ist nicht auf die Frage der Bauweise beschränkt (vgl. BayVGH, U.v. 15.4.1992 – 14 B 90.856 – juris Rn. 17; U.v. 10.11.1998 – 14 B 96.2645 – juris Rn. 33 ff.; VG München, B.v. 14.3.2018 – M 8 SN 18.877 – Umdruck S. 19). Bei der Prüfung dieser Frage kann zudem dahinstehen, ob das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück in seiner bisherigen Gestalt bauplanungsrechtlich zulässigerweise errichtet werden durfte. Denn aus der planungsrechtlichen Zulässigkeit des vorhandenen Baubestandes folgt nicht, dass die beabsichtigte Erweiterung ebenfalls planungsrechtlich zulässig ist. Dies ist vielmehr gesondert zu beurteilen (vgl. BayVGH, U.v. 15.4.1992 – 14 B 90.856 – juris Rn. 19).
Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.
aaa) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens bestimmt sich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gegebenenfalls in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB, da es in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil ausgeführt werden soll, für den (noch) kein wirksamer Bebauungsplan besteht. Ein Fall von § 33 BauGB ist nicht gegeben; insoweit fehlt es jedenfalls an der Voraussetzung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
bbb) Das streitgegenständliche Bauvorhaben fügt sich jedenfalls hinsichtlich seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein.
(1) Die nähere Umgebung, die für jedes Kriterium des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert abzugrenzen ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7 m.w.N.), wird, soweit aus dem amtlichen Lageplan und Google Maps ersichtlich, durch die tatsächlich vorhandene und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tretende Bebauung auf den Grundstücken …straße 9-25b und 17-23b, also grundsätzlich einschließlich der vorhandenen Bebauung auf dem Vorhabengrundstück (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 13 m.w.N., U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – juris Rn. 15), bestimmt.
(2) Diese weist – abgesehen von der Bebauung auf dem streitgegenständlichen und dem Nachbargrundstück – entgegen der Auffassung des Beigeladenen und seiner früheren Bevollmächtigten durchgängig eine offene Bauweise im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) auf. § 22 BauNVO enthält definitorische Grundsätze für die Begriffe der offenen und geschlossenen Bauweise und kann in Gebieten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB als Auslegungshilfe entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 12 m.w.N.; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – juris Rn. 12).
(a) Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden die Gebäude in offenener Bauweise mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Gebäude …straße 17, 19-19c, 23-23b, 25-25b und 21-21b liegen jeweils auf einem selbständigen Grundstück und halten jeweils seitliche Grenzabstände zu den benachbarten Grundstücken ein. Auch wenn sie jeweils auf verschiedenen Grundstücken lägen, bildeten die Gebäude …straße 19-19c, 23-23b, 25-25b und 21-21b als klassische „Reihenhäuser“ mit – soweit ersichtlich – weitgehend einheitlicher Gebäudekubatur jeweils eine Hausgruppe im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO mit einer Länge von weniger als 50m. Die Gebäude …straße 9-13a, die nach Google Maps einheitlich aufgestockt worden sind und insgesamt ebenfalls eine weitgehend identische Kubatur aufweisen, sind durch ein Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt und halten mit dem westlichsten und östlichsten Gebäude jeweils einen seitlichen Grenzabstand ein. Diese Reihenhäuser bilden daher eine sog. Hausgruppe im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, die zudem entsprechend dem amtlichen Lageplan nicht länger als 50 m ist (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO). Einseitig ohne seitlichen Grenzabstand und damit in halbgeschlossener Bauweise errichtet sind dagegen die Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück und dem Nachbargrundstück. Die beiden an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinandergebauten Gebäude sind zumindest zwischenzeitlich, d.h. seit der Aufstockung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück um ein Obergeschoss, kein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO mehr.
Ein im Rahmen offener Bauweise im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO als Grenzbebauung zulässiges Doppelhaus ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbstständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 13 m.w.N.). Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – juris Rn. 20; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – juris Rn. 19; B.v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris Rn. 5), deren Vorliegen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22). In quantitativer Hinsicht sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu berücksichtigen. In qualitativer Hinsicht kommt es unter anderem auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur des Gebäudes an (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 14 u. 18; U.v. 14.9.2015 – 4 B 16/15 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 27; B.v. 15.9.2015 – 2 CS 15.1792 – juris Rn. 13).
Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne aller planungsrechtlichen Vorschriften und ist damit auch für den unbeplanten Innenbereich von Bedeutung (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 13; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 12).
Im System der offenen Bauweise, das durch seitliche Grenzabstände zu den benachbarten Grundstücken gekennzeichnet ist, ordnet sich ein aus zwei Gebäuden zusammengefügter Baukörper nur ein und kann somit als Doppelhaus gelten, wenn das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird. Ein einseitiger Grenzanbau ist in der offenen Bauweise unzulässig. Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt daher in Gebieten der offenen Bauweise den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundeigentümer zugleich begünstigt und belastet, ist Ausdruck einer planungsrechtlichen Konzeption. Sie ist aus städtebaulichen Gründen (Steuerung der Bebauungsdichte, Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes) gewollt und begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf (BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22; vgl. auch U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 22).
(b) Jedenfalls durch die bereits in der Vergangenheit realisierte Aufstockung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück wurde die enge Wechselbeziehung des nachbarlichen Austauschverhältnisses zwischen den Gebäuden auf dem streitgegenständlichen Grundstück und auf dem Nachbargrundstück einseitig aufgehoben. Die Erhöhung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück um ein Vollgeschoss findet auf Seiten des Gebäudes des Antragstellers keine Entsprechung. Mit der Aufstockung wurde in erheblichem Umfang ohne Fortsetzung auf dem Nachbargrundstück über die übliche Gestaltung eines Doppelhauses hinausgegangen. Wird bei einem Doppelhaus nur eine Haushälfte aufgestockt, fehlt es regelmäßig an der Abstimmung der beiden Hälften in quantitativer Hinsicht, wenn dadurch auf absehbare Zeit ein eingeschossiges und ein zweigeschossiges Gebäude aneinandergebaut sind (vgl. BayVGH, U.v. 31.1.2011 – 1 N 09.582 – juris Rn. 28). Dieser Effekt wird vorliegend dadurch verstärkt, dass das zusätzliche Vollgeschoss aufgrund der Pultdachkonstruktion und der unterhalb der Traufkante vorgesehenen Lüftungsfenster von Süden im Vergleich zum Gebäude auf dem Nachgrundstück besonders hoch und andersartig wirkt. Darüber hinaus ergibt sich eine Verletzung des nachbarlichen Austauschverhältnisses gerade auch durch das Abrücken bzw. Zurückbleiben des aufgestockten Obergeschosses von der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Aus gestalterischen Gründen machte dieses Abrücken eine Aufstockung auf Seiten des Antragstellers durch Grenzanbau unmöglich, da zwischen beiden Obergeschossen eine Lücke von drei Metern entstanden wäre. Durch die damals vom Beigeladenen gewählte Gestaltung wurde dem Antragsteller die Möglichkeit der Wiederherstellung des Doppelhauscharakters genommen. Diese Aufstockung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück widersprach dem nachbarlichen Austauschverhältnis, das wegen der verbleibenden Bebauung auf Seite des Antragstellers mit einer Geschossigkeit von Souterrain + Erdgeschoss nicht einseitig aufgelöst werden konnte.
Die jedenfalls infolge der Aufstockung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück entstandene halbgeschlossene Bauweise der Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen und dem Nachbargrundstück ist ein Fremdkörper in der ansonsten einheitlich durch offene Bauweise geprägten Umgebung und vermag diese daher nicht, wie für die „Eigenart“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderlich, zu prägen (vgl. BVerwG, U.v. 7. 12. 2006 – 4 C 11.05 – juris Rn. 9; U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 11; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 13; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – juris Rn. 15). Diese Bauweise ist vielmehr als Ausreißer innerhalb des maßgeblichen Bereichs anzusehen, da sie in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Hinblick auf die Bauweise homogenen Bebauung steht.
(3) Die geplante Erweiterung des Obergeschosses des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück hält den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen der offenen Bauweise nicht ein (vgl. zu diesem Erfordernis vgl. BVerwG, U.v. 26. 5.1978 – 4 C 9/77 – juris Rn. 45 ff.). Die geplante Erweiterung des Obergeschosses hält keinen seitlichen Abstand zur Grenze zum Nachbargrundstück ein und stellt auch nicht den Doppelhauscharakter im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zu dem Gebäude des Antragstellers (wieder) her, so dass der geplante Anbau bis zur Grenze zum Nachbargrundstück in halbgeschlossener – und nicht in der Umgebungsbebauung entsprechender offener – Bauweise errichtet würde.
Auch mit der geplanten Erweiterung des Obergeschosses des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück verbleibt es dabei, dass dieses Gebäude auf absehbare Zeit ein Vollgeschoss mehr hat als das Gebäude auf dem Nachbargrundstück, wodurch die beiden Gebäude in quantitativer Hinsicht unabgestimmt bleiben. Ferner wird die durch die Pultdachkonstruktion der bereits erfolgten Aufstockung und die unterhalb der Traufkante vorgesehenen Lüftungsfenster bedingte besonders hohe Wirkung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück von Süden im Vergleich zum Gebäude auf dem Nachgrundstück durch den den Höhenunterschied abstufenden Anbau an das Obergeschoss allenfalls marginal abgemildert. Durch die Erweiterung des bereits bestehenden zusätzlichen Vollgeschosses auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird der hinsichtlich der Geschossigkeit bestehende Unterschied zum Nachbargebäude in seinem Volumen zudem weiter verstärkt. Ferner intensiviert sich in qualitativer Hinsicht der Unterschied zwischen den Dachformen und der Gesamtkubatur der Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück und dem Nachbargrundstück. Letzteres hat laut Bauvorlagen und Google Maps auf beiden L-Schenkeln ein Flachdach, wobei der östliche Bauteil geringfügig niedriger ist als der westliche, an das streitgegenständliche Grundstück angrenzende. Die L-Förmigkeit des bungalowartigen Gebäudes bestehend aus zwei im Wesentlichen gleichwertigen Gebäudeteilen ist hier deutlich zu erkennen. Das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird auch nach der geplanten Erweiterung des Obergeschosses durch den bereits in der Vergangenheit um ein Vollgeschoss aufgestockten und aufgrund der Dachkonstruktion von Süden besonders hoch wirkenden Gebäudeteil dominiert. Es erscheint auch nach der geplanten Erweiterung – anders als das Gebäude auf dem Nachbargrundstück – nicht mehr ansatzweise als L-förmiger Flachdach-Bungalow. Zudem weist die Bedachung des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück nach seiner Erweiterung im Vergleich zum Nachbargebäude mit Flachdach nicht nur teilweise eine andere Dachform (Pultdach), sondern auch eine größere Uneinheitlichkeit der Dachgestaltung (Pultdach auf bereits aufgestocktem Obergeschoss + Flachdach auf geplantem Anbau) auf. Insofern bleibt der Eindruck zweier selbständiger Baukörper auf dem streitgegenständlichen und dem Nachbargrundstück bestehen.
(4) Zudem begründet bzw. verstärkt die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitende Bauweise der geplanten Erweiterung des Obergeschosses des Gebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück bodenrechtliche Spannungen in der maßgeblichen Umgebung, die nur durch Bauleitplanung zu bewältigen sind. Das Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zwingt zwar nicht zur „Uniformität“, wohl aber zur städtebaulichen „Harmonie“ (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 47). Bodenrechtliche Spannungen ergeben sich vorliegend jedenfalls aus der Vorbildwirkung, die von dem hinsichtlich des Obergeschosses einseitigen Grenzanbau auf dem streitgegenständlichen Grundstück gerade in der vorliegend einheitlich durch offene Bauweise geprägten Umgebung ausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 25. 1. 1974 – IV C 72/72 – juris Rn. 17; U.v. 26. 5. 1978 – 4 C 9/77 – juris Rn. 47). In diesem Zusammenhang ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die für das Gebot des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien abschließend sind und weder der Anreicherung um zusätzliche bauplanungsrechtliche Zulassungshürden noch einer Berücksichtigung von personenbezogenen Aspekten, wie z.B. die individuellen Wohnbedürfnisse des Bauherrn oder der (künftigen) Bewohner des in Rede stehenden Bauvorhabens, zugänglich sind (vgl. BVerwG, U.v. 11. 2. 1993 – 4 C 15/92 – juris Rn. 19; OVG Magdeburg, B.v. 3. 2. 2015 – 2 M 152/14 – juris Rn. 15).
(5) Infolgedessen fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben jedenfalls hinsichtlich seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein. Daher sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht gegeben und müssen auch vor östlichen Außenwand des streitgegenständlichen Anbaus an das Obergeschoss auf dem streitgegenständlichen Grundstück gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO Abstandsflächen auf diesem Grundstück selbst eingehalten werden, was aufgrund des geplanten Grenzanbaus nicht der Fall ist. Eine für eine dahingehende Legalisierung des geplanten Bauvorhabens erforderliche Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO wurde weder gemäß Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO beantragt noch erteilt.
Daher ist die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 2. April 2020 jedenfalls wegen Verstoßes gegen die Anforderungen des Art. 6 BayBO rechtswidrig und verletzt den Antragsteller daher auch in seinen Rechten.
Ob das streitgegenständliche Bauvorhaben daneben gegenüber dem Antragsteller auch gegen das im Gebot des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot verstößt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
2. Vor diesem Hintergrund war dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung vom 2. April 2020 mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Beigeladene seine Kosten selbst trägt, da er mangels Antragstellung auch kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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