Baurecht

Anspruch auf Errichtung einer Lärmschutzeinrichtung – Wirkungslosigkeit des Urteils nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen

Aktenzeichen  9 B 16.2505

Datum:
9.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24817
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3 S. 1
GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Im Rahmen der  Kostenentscheidung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen findet eine weitere Sachaufklärung ebenso wenig statt, wie eine Klärung schwieriger Rechtsfragen. Lässt sich mit angemessenem, vertretbaren Aufwand keine Aussage über den Ausgang des Verfahrens machen, so entspricht es – beim Fehlen anderer Anhaltspunkte – der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 12.445 2013-04-18 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. April 2013 ist wirkungslos geworden.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. April 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Kläger und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beendet und einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
Über die Kosten des Verfahrens ist nach § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, hier die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Bei der Kostenentscheidung ist zum einen zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der für die Bejahung des geltend gemachten Anspruchs der Kläger in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen aus dem Bauplanungs- und Erschließungsrecht jeweils die Wirksamkeit des zugrundeliegenden qualifizierten Bebauungsplans Voraussetzung ist. Dies könnte hier sowohl hinsichtlich der Frage der Bestimmtheit der Nr. 11 der textlichen Festsetzungen als auch der Frage einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung zweifelhaft sein, weil in der Bebauungsplanurkunde kein Hinweis darauf enthalten ist, dass die Beklagte die in Nr. 11 der textlichen Festsetzungen in Bezug genommene DIN 18005 – Schallschutz im Städtebau – bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält. Bedenken an der Wirksamkeit des Bebauungsplans könnten sich außerdem daraus ergeben, dass hinsichtlich die Abgrenzung der Bereiche der festgesetzten bepflanzten Lärmschutzwand und des Lärmschutzwalls zwischen der Planzeichnung und der Planbegründung nicht übereinzustimmen scheint.
Andererseits kann – bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans – nicht außer Betracht bleiben, dass hier besondere Umstände oder konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen könnten, dass die Beklagte zumindest den Grundeigentümern in der ersten Häuserzeile von der Bundesstraße B 286 aus gesehen – und damit auch den Klägern – mit der auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB basierenden Festsetzung einen Anspruch auf Errichtung der Lärmschutzeinrichtungen im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts einräumen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2011 – 1 ZB 09.225 – juris Rn. 13).
Es erscheint zudem nicht ausgeschlossen, dass sich die nach § 123 Abs. 1 BauGB bestehende allgemeine Erschließungslast der Beklagten hinsichtlich der Errichtung der Lärmschutzeinrichtungen zu einer mit einem korrespondierenden Anspruch der Kläger verbundenen Erschließungspflicht „verdichtet“ haben könnte, weil die Beklagte die Durchführung dieser Erschließung ungebührlich verzögert haben könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.01.1993 – 8 C 46.91 – juris Rn. 29). Dafür könnte auch sprechen, dass sich die Beklagte bei der während des laufenden Verfahrens erfolgten 1. Änderung des Bebauungsplans „P. Straße“, Gemarkung G, im Jahr 2018 auf die bloße Feststellung beschränkt hat, der im Jahre 1995 festgesetzte Lärmschutzwall sei noch nicht errichtet worden (vgl. Nr. 2.3 der Begründung zur 1. Änderung) und für die mit der 1. Änderung neu ausgewiesenen zwei Bauplätze seien auch ohne den Lärmschutzwall gesunde Wohnverhältnisse gegeben.
Im Rahmen dieser Kostenentscheidung findet aber eine weitere Sachaufklärung ebenso wenig statt, wie eine Klärung schwieriger Rechtsfragen. Lässt sich mit angemessenem, vertretbaren Aufwand keine Aussage über den Ausgang des Verfahrens machen, so entspricht es – beim Fehlen anderer Anhaltspunkte – der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2019 – 9 ZB 17.2500 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 5.000 Euro wird der Bedeutung der Sache für die Kläger nicht gerecht. Dem Senat erscheint demgegenüber für die Bewertung des Interesses der Kläger, eine alsbaldige Errichtung der festgesetzten Lärmschutzeinrichtungen durchzusetzen, ein Betrag von 15.000 Euro als angemessen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2011 – 1 ZB 09.2025 – juris Rn. 23).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).


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