Baurecht

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Gartenhauses im Außenbereich als sonstiges Vorhaben

Aktenzeichen  M 11 K 16.5293

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6625
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92, § 113 Abs. 5 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7
BayBO Art. 59 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Um als beeinträchtigter öffentlicher Belang iSv § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB eine Bebauung ausschließen zu können, muss der Flächennutzungsplan durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die natürliche Eigenart der Landschaft iSd § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB wird beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspricht und deshalb an diesem Standort wesensfremd ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 24.10.2016, Az.: …, verpflichtet, dem Kläger eine Baugenehmigung zum Neubau eines Gartenhauses für Gartengeräte und Fahrräder nach Maßgabe des Antrags vom 27.07.2016 zu erteilen.
II. Die Parteien haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat – soweit über sie noch zu entscheiden war – Erfolg.
1. Soweit die Klage sich ursprünglich auch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung zum Anbau eines Carports mit Mülltonnenunterstand an die bestehenden Garagen und mithin gegen den Ablehnungsbescheid vom 24. Oktober 2016, Az.: … gerichtet hat, ist hierüber nicht mehr zu entscheiden, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit die Klagerücknahme erklärt hat. Diesbezüglich ist somit die Rechtshängigkeit entfallen, § 92 VwGO.
2. Im Übrigen ist die zulässige Klage begründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 24. Oktober 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB.
Danach war die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, da das beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist.
Die beim Augenschein getroffenen Feststellungen haben ergeben, dass das gesamte klägerische Grundstück und mithin auch der Vorhabenstandort im Außenbereich gemäß § 35 BauGB gelegen ist. Es besteht kein Bebauungszusammenhang zu dem Ortsteil, dessen östlichsten Ausläufer das Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. … darstellt. Ein etwaiger Bebauungszusammenhang ist durch die unbebauten Grundstücke FlNrn. …, … und … unterbrochen, da diese sich aufgrund der Verkehrsauffassung nicht mehr als bloße Baulücken darstellen. Die Freiflächen zwischen der Wohnbebauung auf FlNr. … und FlNr. …, entlang des von der Staats Straße … abzweigenden ansteigenden asphaltierten Weges sind zu groß, um als bloße Baulücke angesehen zu werden. Einzig die Freifläche zwischen dem Wohngebäude auf FlNr. … und dem Wohngebäude auf FlNr. …, mithin die Freifläche auf dem Grundstück FlNr. … kommt aufgrund ihrer Dimensionen in Betracht, eine bloße Baulücke darzustellen und einen etwaigen Bebauungszusammenhang weiter nach Osten, in Richtung des klägerischen Grundstücks zu vermitteln. Allerdings ist sie nur von zwei Seiten von prägender Bebauung umgeben. Insbesondere handelt es sich bei den Gebäuden im nordwestlichen Teil der FlNr. … und auf FlNr. … um Garagengebäude und mithin nicht um prägende Gebäude, die einen Bebauungszusammenhang vermitteln können. Hinzu kommt, dass der Augenschein ergeben hat, dass das Gelände auf Höhe der Grundstücke FlNr. … und … nach Osten in Richtung der Staats Straße … deutlich abfällt. Dies verstärkt den Eindruck, dass der im Westen gelegene im Zusammenhang bebaute Ortsteil jedenfalls an der östlichen Außenwand des Wohngebäudes auf FlNr. … endet.
Das somit nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende klägerische Vorhaben ist zulässig, da die vom Landratsamt im Ablehnungsbescheid genannten öffentlichen Belange nicht beeinträchtigt werden.
Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange folgt nicht aus einem Widerspruch zur Festsetzung einer Fläche für Landwirtschaft im Flächennutzungsplan, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Um als beeinträchtigter öffentlicher Belang eine Bebauung ausschließen zu können, muss der Flächennutzungsplan durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden (Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung, 7. Auflage 2013, § 35 BauGB, Rn. 193). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum einen schließt die bereits bestandsgeschützte Wohnbebauung auf dem klägerischen Grundstück eine landwirtschaftliche Nutzung, insbesondere gegen den Willen des Klägers, bis auf weiteres aus. Zum anderen ist bereits sehr fraglich, ob die betreffenden Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung überhaupt geeignet wären, da das Gelände bereits unmittelbar östlich des Wohnhauses des Klägers recht steil abfällt und bereits nach ca. 60 m auf die … trifft.
Die natürliche Eigenart der Landschaft i.Sd. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB wird durch das hiesige Vorhaben nicht beeinträchtigt. Eine derartige Beeinträchtigung liegt vor, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspricht und deshalb an diesem Standort wesensfremd ist. Hierbei ist insbesondere die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung, daneben aber auch die der Allgemeinheit zugängliche Erholungsmöglichkeit maßgeblich. Bei der Frage, ob eine derartige Beeinträchtigung vorliegt, kommt es stets einzelfallbezogen darauf an, in welchem Umfang die jeweilige Landschaft der beschriebenen natürlichen Funktion noch gerecht wird (vgl. hierzu Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung, 7. Auflage 2013, § 35 BauGB, Rn. 213 f.). Im vorliegenden Fall liegt der gewählte Vorhabenstandort auf der der Staats Straße zugewandten Seite des Hausgartens des Klägers. Bei dem gesamten Bereich südlich des Wohngebäudes auf dem klägerischen Grundstück handelt es sich um einen eingezäunten Hausgarten, wie er als Nebennutzung zu einer bestehenden Wohnnutzung üblich ist. Er ist in diesem Sinne gestaltet und weithin als solcher erkennbar. Da der Hausgarten eine Nebennutzung zur genehmigten Wohnnutzung auf dem klägerischen Grundstück darstellt, kann der Bereich des Vorhabenstandorts auf absehbare Zeit weder einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung noch einer Erholungsnutzung für die Allgemeinheit zugeführt werden. Auch ist das Gelände aufgrund der Gartennutzung im gesamten Bereich künstlich gestaltet und insbesondere die natürliche Geländeoberfläche nicht mehr vorhanden.
Schließlich steht auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB nicht entgegen. Da der gewählte Vorhabenstandort den Gebäuden auf den FlNrn. … und … zugewandt ist, also im Inneren der Splittersiedlung liegt, kommt von vorneherein allein der Belang der Verfestigung einer Splittersiedlung in Betracht. Die Verfestigung einer Splittersiedlung ist die Auffüllung des bereits bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs, also die Vergrößerung des Baubestands ohne zusätzliche Ausdehnung in den Außenbereich. Das Hinzutreten weiterer Bauvorhaben zu einer unerwünschten, aber bereits verfestigten Splittersiedlung braucht nicht stets eine weitere Zersiedelung darzustellen, die § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt (BVerwG, B. v. 10.11.2010 – 4 B 45/10, ZfBR 2011, 163; OVG Münster U. v. 27.2.1996 – 11 A 1897/94, ZfBR 1996, 286: Eine „Verfestigung“ ist nicht zu befürchten, wenn sich ein Wohnbauvorhaben der vorhandenen Bebauung unterordnet, sich ohne zusätzliche Ansprüche oder Spannungen organisch in eine bestehende Baulücke einfügt und keine Vorbildwirkung hat). So liegt der Fall hier. Die Splittersiedlung bestehend aus den Gebäuden des Klägers sowie auf FlNr. … und … weist bereits einen wesentlichen Grad der Verfestigung auf. Zudem kann selbst bei Hinzutreten weiterer prägender Anlagen, insbesondere Wohngebäuden, die Verfestigung einer Splittersiedlung ausgeschlossen sein. Im vorliegenden Fall handelt es sich sogar lediglich um eine untergeordnete Nebenanlage zur genehmigten Hauptnutzung, die selbst weder prägende Kraft aufweist noch geeignet ist, insbesondere einen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Hinzu kommt, dass ihre zulässige Nutzungsmöglichkeit aufgrund der Akzessorietät zur Hauptnutzung mit Erlöschen des Bestandsschutzes der Hauptanlage endet. In derartigen Fällen ist die Gefahr der Verfestigung einer Splittersiedlung zwar nicht von vorneherein undenkbar, jedoch wesentlich geringer als im Falle der Genehmigung weiterer Hauptanlagen, insbesondere solcher, die aufgrund prägender Kraft geeignet sind, einen Ortsteil zu bilden. Zudem soll das Gartenhaus, das bei Annahme einer Innenbereichslage aufgrund seiner Maße gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a) BayBO sogar verfahrensfrei errichtet werden könnte, keinen zusätzlichen Baukörper darstellen, sondern vielmehr als Ersatz für ein, wenn auch kleineres, aber doch an gleicher Stelle bereits vorhandenes Gartenhaus errichtet werden. Es handelt sich vorliegend mithin letztlich nur um eine minimale Steigerung der Inanspruchnahme des Außenbereichs, deren Bezugsfallwirkung insbesondere aufgrund der bloßen Ersetzung von Altbestand vernachlässigbar erscheint. Aufgrund all dieser Umstände lässt das streitgegenständliche Vorhaben nicht die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten.
Nach all dem war der Klage stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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