Baurecht

Beschwerde gegen Ablehnung einer Beiladung

Aktenzeichen  8 C 19.2198

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32407
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 65, § 121 Nr. 1, § 152 Abs. 1
BayStrWG Art. 6, Art. 8, Art. 9

 

Leitsatz

1. Eine notwendige Beiladung kommt nur in Betracht, wenn der klägerische Antrag und damit das Klageziel den Dritten in negativer Weise betrifft. Kann sich ein Obsiegen des Klägers nur zugunsten des Dritten auswirken, kann allenfalls eine einfache Beiladung angezeigt sein.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da kein Anspruch der Anlieger auf Widmung eines gemeindlichen Parkplatzes besteht, kann sich hieraus kein Anspruch auf eine notwendige Beiladung erbeben.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine einfache Beiladung ist nicht ermessensgerecht, wenn sich das Interesse des die Beiladung Begehrenden mit dem Interesse der beklagten Gemeinde an der Aufrechterhaltung der Widmung des gemeindlichen Parkplatzes deckt.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 K 19.4232 2019-10-14 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I. 
Die Beschwerdeführerin erstrebt ihre Beiladung zum Klageverfahren gegen die straßenrechtliche Widmung von Parkplätzen durch die Beklagte (Az. M 2 K 19.4232).
Die Beschwerdeführerin und die Klägerin sind Wohnungseigentümergemeinschaften mit Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 62 „Südlich K* …weg“ der Beklagten. Die Klägerin verwaltet das gemeinschaftliche Eigentum betreffend die Grundstücke FlNr. 100/102 und 100/71 Gemarkung T* …, die Beschwerdeführerin betreffend die FlNr. 100/72. Das Grundstück FlNr. 100/72 liegt (süd-)westlich der FlNr. 100/102 und 100/71; dazwischen verläuft der als Ortsstraße gewidmete „…ring“.
Am 26. März 2015 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, den „…ring“ als Ortsstraße zu widmen. Eine Beschlussfassung zur Widmung von Parkplätzen auf den Grundstücken FlNr. 100/102 und 100/71 ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Akten der Beklagten nicht. Mit von der Klägerin angegriffener Verfügung vom 15. Juli 2019 wurden die mit Bebauungsplan Nr. 62 „Südlich K* …weg“ festgesetzten Parkplätze zum 1. August 2019 der Ortsstraße Nr. 91, „…ring“, hinzugefügt.
Das Verwaltungsgericht hat die Beiladung mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 abgelehnt. Ein rechtliches Interesse der Beiladungsbewerberin sei weder vorgetragen noch erkennbar. Ob ihre Mitglieder von öffentlichen Parkplätzen Gebrauch machen könnten, sei ein bloßer Reflex zur Frage der Rechtmäßigkeit der Widmung.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass kein Fall notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) vorliegt; es ist auch nicht geboten, die Beschwerdeführerin nach § 65 Abs. 1 VwGO (einfache Beiladung) zum Verfahren beizuladen.
1. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass Dritte an dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die von der Klagepartei begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (BVerwG, B.v. 18.6.2013 – 6 C 21.12 – Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 18 = juris Rn. 10; B.v. 9.1.1999 – 11 C 8.97 – NVwZ 1999, 296 = juris Rn. 2; vgl. auch Hoppe in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 14). Nach dem Sinn und Zweck des § 65 Abs. 2 VwGO kommt eine notwendige Beiladung immer nur dann in Betracht, wenn der klägerische Antrag und damit das Klageziel den Dritten in negativer Weise betrifft. Kann sich dagegen ein Obsiegen des Klägers allenfalls zugunsten des Dritten auswirken, so mag unter Umständen eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO angezeigt sein; ein Fall der notwendigen Beiladung liegt dann nicht vor (BVerwG, B.v. 27.9.1995 – 3 C 11.94 – NVwZ-RR 1996, 299 = juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 14.4.2016 – 4 B 860.15 – ZfWG 2016, 358 = juris Rn. 8).
Die Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 VwGO sind hier nicht gegeben. Der von der Beschwerde herangezogene Vergleich mit der notwendigen Beiladung des Bauherrn bei einer Nachbarklage gegen die ihm erteilte Baugenehmigung (vgl. hierzu Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 120; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 65 Rn. 19), geht fehl. Die Beschwerdeführerin ist nicht „Genehmigungsadressatin“ der straßenrechtlichen Widmung (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG). Die Widmung ist eine Pflicht, die aus der Straßenbaulast (Art. 9 BayStrWG) erwächst. Sie wird aus dieser objektiven Pflichtenstellung und nicht aus Ansprüchen einzelner Personen, wie Straßennutzer, Verkehrsteilnehmer oder Straßenanlieger hergeleitet. Dritte haben deshalb grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Widmung (BayVGH, U.v. 5.12.2002 – 8 B 96.3098 – BayVBl 2003, 526 = juris Rn. 29; Häußler in Zeitler, Bay-StrWG, Stand März 2019, Art. 6 Rn. 28). Dass die Straßenbaubehörde bei der Widmung einer Reihe von Bindungen unterliegt, sodass ihr Ermessenspielraum eher gering ist (BayVGH, U.v. 5.12.2002 – 8 B 96.3098 – BayVBl 2003, 526 = juris Rn. 31; Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kapitel 8 Rn. 35), ändert daran nichts. Ein Anspruch der Anlieger auf Widmung folgt vorliegend auch nicht daraus, dass die Parkplätze Bestandteil des Erschließungskonzepts des Bebauungsplans Nr. 62 „Südlich K* …weg“ sind. Das Beschwerdevorbringen, die Parkplätze dienten auch der Erschließung der auf Grundstück FlNr. 100/72 liegenden Häuser, greift insoweit zu kurz. Zwar wird vertreten, dass ein Anspruch auf Widmung im Einzelfall auf ein Erschließungsrecht des Grundstückseigentümers gestützt werden kann (so Kodal, Straßenrecht, Kapitel 8, Rn. 40). Ein solches Erschließungsrecht betrifft aber allenfalls die verkehrsmäßige Anbindung an die Straße (vgl. dazu BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – KommJur 2019, 303 = juris Rn. 16; Tophoven in Spannowsky/ Uechtritz, BauGB, 3. Aufl. 2018, § 30 Rn. 37), die vorliegend durch die Ortsstraße „…ring“ gesichert ist, nicht aber die hier gegenständlichen Parkplätze. Diesbezüglich ist nämlich nicht erkennbar, dass das Grundstück ohne ihre Widmung nur sehr eingeschränkt benutzbar wäre und deshalb auf Dauer ein untragbarer Zustand drohte (vgl. Kodal, Straßenrecht, Kapitel 8, Rn. 40).
2. Ob die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) vorliegen, kann dahinstehen, weil eine Beiladung jedenfalls nicht ermessensgerecht ist.
2.1 Das Gericht kann einen Dritten gemäß § 65 Abs. 1 VwGO zum Verfahren beiladen, wenn dessen rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden (einfache Beiladung). Dies ist der Fall, wenn dieser in einer solchen Beziehung zu wenigstens einer der Parteien oder zum Streitgegenstand steht, dass das Unterliegen eines der Hauptbeteiligten in der Sache seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern kann (BVerwG, B.v. 20.6.1995 – 8 B 68.95 – Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 119 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 5 C 18.2513 – juris Rn. 3). Ausreichend ist die Möglichkeit, dass die Entscheidung in der Hauptsache auf rechtliche Interessen des Beizuladenden einwirken kann (BVerwG, U.v. 16.9.1981 – 8 C 1.81 u.a. – BVerwGE 64, 67 = juris Rn. 10; B.v. 4.3.2008 – 9 A 74.07 – Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 151 = juris Rn. 2). Die Anforderungen, die an die Zulässigkeit einer einfachen Beiladung zu stellen sind, erreichen dabei nicht den Grad der Anforderungen, die nach § 42 Abs. 2 VwGO an die Zulässigkeit einer Klage zu stellen wären (BVerwG, B.v. 20.6.1995 – 8 B 68.95 Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 119 = juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 65 Rn. 9). Die Einwirkung auf ideelle, soziale oder wirtschaftliche Interessen reicht aber nicht aus (BayVGH, B.v. 14.2.2007 – 1 C 07.23 – juris Rn. 9; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 9).
Ob die Parkmöglichkeit auf den gewidmeten Parkplätzen für die Mitglieder der Beschwerdeführerin ein bloßer Rechtsreflex zur Widmung ist, der kein subjektiv-öffentliches Recht begründet, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein bloßer Rechtsreflex ist anzunehmen, wenn ein Nachbar durch die Erschließung eines angrenzenden Grundstücks begünstigt wird (BayVerfGH, E.v. 30.3.2010 – Vf. 94-VI-09 – juris Rn. 23; Wolf in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2019, Art. 4 Rn. 24 f.). Allerdings erleichtern die gewidmeten Parkflächen, die im Bebauungsplan Nr. 62 „Südlich K* …weg“ entlang des „…rings“ als „öffentliche Parkbucht“ festgesetzt sind (vgl. dort A.4.8), nicht nur den Zugang zu den von der Klägerin verwalteten Grundstücken, sondern auch zu dem gegenüberliegenden, von der Beschwerdeführerin verwalteten Grundstück. Gleichwohl ist in den Blick zu nehmen, dass Anlieger die Einziehung einer Straße (Art. 8 BayStrWG), die der Beschwerdeführerin im Klageverfahren faktisch droht (Aufhebung der Widmung), nur angreifen können, wenn es um die Erreichbarkeit ihres Grundstücks in der Weise geht, dass diese vollständig wegfällt oder in schwerwiegender Weise eingeschränkt wird und sie dadurch gravierend betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2015 – 8 ZB 13.647 u.a. – BayVBl 2017, 235 = juris Rn. 13; B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 16.2351 – juris Rn. 12). Dieser Grad der rechtlichen Betroffenheit, der über die Anforderungen einer einfachen Beiladung hinausgeht, wird hier weit verfehlt.
2.2 Jedenfalls ist eine Beiladung nicht ermessensgerecht. Über die Beiladung entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird ein Beiladungsantrag abgelehnt, ist das Beschwerdegericht nicht auf die Nachprüfung der Ermessensausübung durch das erstinstanzliche Gericht beschränkt, sondern übt eigenes Ermessen aus (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 5 C 18.2513 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 29.8.2016 – 4 E 409/16 – juris Rn. 6 f. m.w.N.).
Ausgangspunkt der Ausübung des Ermessens nach § 65 Abs. 1 VwGO ist der Zweck der einfachen Beiladung (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 65 Rn. 27). Dieser liegt in erster Linie darin, Dritten die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in Bezug auf den Streitgegenstand zu ermöglichen, damit sie sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör verschaffen können. Zudem soll durch die Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf sie (§ 121 Nr. 1 VwGO) weiteren Rechtsstreitigkeiten mit der Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen vorgebeugt werden (BayVGH, B.v. 23.6.2015 – 10 C 15.772 – ZfWG 2015, 465 = juris Rn. 37; OVG NW, B.v. 14.4.2016 – 4 B 860/14 – ZfWG 2016, 358 = juris Rn. 19; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, § 65 Rn. 7).
Ausgehend davon ist die Beiladung der Beschwerdeführerin nicht ermessensgerecht. Ihr Interesse am Fortbestand der Widmung der Parkplätze deckt sich mit dem Prozessziel der Beklagten, sodass ihre Beteiligung am Rechtsstreit nicht erforderlich ist, um sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör zu verschaffen (vgl. OVG NW, B.v. 12.9.2019 – 4 E 635/19 – juris Rn. 10; B.v. 14.4.2016 – 4 B 860.15 – ZfWG 2016, 358 = juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 21.7.2009 – 11 C 09.712 – juris Rn. 16). Hinzu kommt, dass sich die Gefahr weiterer Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf den Streitgegenstand, ausgehend von der Beschwerdeführerin, nicht stellt. Denn diese kann die Möglichkeit eines Anspruchs auf Widmung der gegenständlichen Parkplätze (§ 42 Abs. 2 VwGO) nicht geltend machen (vgl. bereits oben unter 1.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich aus Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr für das Beschwerdeverfahren ergibt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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