Baurecht

Darlegungserfordernis im Beschwerdeverfahren

Aktenzeichen  9 CS 16.269

Datum:
24.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44355
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 212a Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

1. Um dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO zu genügen, muss die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Darlegung und Auseinandersetzung im Sinne des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Dem wird ein Beschwerdevorbringen nicht gerecht, welches nahezu wortgleich die Begründung im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 S 15.2435 2016-01-11 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Antragsgegnerin an die Beigeladenen.
Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 433/8 Gemarkung F., das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Die Antragsteller sind Eigentümer des nord-östlich gelegenen Grundstücks Fl.Nr. 433/18 Gemarkung F. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin, der hier ein allgemeines Wohngebiet festsetzt und u. a. Festsetzungen zur Wandhöhe, der Zahl der zulässigen Wohnungen, der Geschoßfläche und der Grundfläche beinhaltet.
Mit Unterlagen vom 21. Juli 2015 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Aufstockung ihres Einfamilienhauses mit Einbau einer zweiten Wohnung, Anbau eines Treppenhauses und eines Wintergartens. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2015 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung und die beantragten Befreiungen hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenzen im Südwesten und Südosten sowie einer Überschreitung der Grundflächenzahl und der Geschossflächenzahl. Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage (Az. AN 3 K 15.02194), über die noch nicht entschieden ist. Ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2016 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie beantragen,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach die aufschiebende Wirkung der am 6. November 2015 erhobenen Anfechtungsklage gegen „die Bescheide“ der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2015 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen jeweils,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
Das Beschwerdevorbringen genügt im Wesentlichen bereits nicht dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach muss die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Dem wird das Beschwerdevorbringen jedoch weitgehend nicht gerecht, da dort nahezu wortgleich die Begründung im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt wird (vgl. BayVGH, B. v. 1.12.2010 – 15 CS 10.2780 – juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 146 Rn. 41). Eine gegenüber dem ursprünglichen Antragsvorbringen neue und auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abstellende Begründung fehlt nahezu vollständig. Daran ändert auch der Austausch eines Rechtsprechungszitats unter Nr. I. 1. b) aa) im Schriftsatz vom 15. Februar 2016 (S. 7) gegenüber dem Schriftsatz vom 2. Dezember 2015 (S. 5) nichts, da auch insoweit keine Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgt. Gleiches gilt für die Ergänzung unter Nr. I. 1. b) aa) (1) bis (4) im Schriftsatz vom 15. Februar 2016 (S. 8 f.), da hier lediglich die Argumentation des erstinstanzlichen Vorbringens vertieft wird, ohne jedoch auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung einzugehen oder einen Bezug hierzu herzustellen. Im Übrigen wurde der erstinstanzliche Vortrag noch um Erwiderungen auf die „Ausführungen der Antragsgegnerin“ (vgl. Schriftsatz vom 15.2.2016, S. 4 unter Nr. I. 1. a) aa), S. 6 unter I. 1. a) dd) und S. 7 unter I. 1. a) ee) – Bl. 51 ff. der Gerichtsakte) ergänzt. Dies stellt jedoch ebenfalls keine den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts dar.
Einziger Ansatzpunkt für eine diesbezügliche Auseinandersetzung in der Beschwerdebegründung ist der Vortrag, dass das Erstgericht die im Rahmen der summarischen Prüfung vorzunehmende Interessenabwägung „schlicht nicht durchgeführt“ habe und Ausführungen hierzu vergeblich gesucht würden. Dieser Einwand ist jedoch nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht stellt im Rahmen der Interessenabwägung zu Recht auf die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache ab und führt bereits zu Beginn der Gründe seines Beschlusses vom 11. Januar 2016 aus, dass „nach Überzeugung der Kammer (…) die Klagen gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. Oktober 2015 keine so hinreichende Aussicht auf Erfolg“ haben, „dass das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bereits bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Baugenehmigung ausnahmsweise zurücktreten müsste.“ Ferner stellt das Verwaltungsgericht am Ende der Gründe des Beschlusses fest, „dass im Hinblick auf das Erfordernis einer Verletzung nachbarschützender Rechte, auf die allein sich die Antragsteller berufen könnten, nach summarischer Prüfung ein Erfolg ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2015 nicht wahrscheinlich scheint.“ Dies spreche „für ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen am Beibehalten der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der ihr erteilten Baugenehmigung. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Antragstellerinteresse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen dennoch höher zu bewerten,“ seien „nicht ersichtlich, so dass es bei der vom Gesetzgeber in § 212a Abs. 1 BauGB getroffenen Entscheidung bleibt.“ Der Einwand fehlender Interessenabwägung geht daher hier eindeutig fehl. Eine weitere, den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Begründung lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1, Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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