Baurecht

Drittanfechtungsklage gegen Gaststättenerlaubnis

Aktenzeichen  W 6 K 19.717

Datum:
16.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29688
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TA-Lärm Nr. 6.1
GastG § 2, § 3, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3
BauNVO § 6
GSG Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG kommt aufgrund der Bezugnahme auf den Begriff der schädlichen Umweltweinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG, der ausdrücklich die Nachbarschaft in den durch das BImSchG vermittelten Schutz einbezieht, insoweit ein nachbarschützender Charakter zu. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen in der TA-Lärm ist insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung von Geräuschimmissionen vorschreibt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Baugenehmigung der Gaststätte entfaltet eine dahingehende Bindungswirkung, dass die Gaststättenbehörde die entsprechende Gaststättenerlaubnis nicht aus baurechtlichen Gründen versagen darf. Damit ist auch bindend entschieden, dass sich die vom Lokal typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG halten. Diese Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Genehmigungsverfahren kommt einer bestandskräftigen Baugenehmigung jedoch nur insoweit zu, als sich die Verhältnisse seit der Erteilung der Baugenehmigung in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung, insbesondere maßgebliche Rechtsvorschriften, nicht ändern. (Rn. 80 – 81) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis der Beklagten vom 17. April 2019 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage gegen die dem Beigeladenen zum Betrieb der Gaststätte “…bar” erteilte Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 ist zulässig und begründet.
1. Die fristgerecht erhobene Klage ist als sog. Drittanfechtungsklage zulässig.
1.1 Der Kläger beantragte die Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zum Betrieb der “…bar”. Gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) begehrt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann das Gericht auch selbst die angegriffene Gaststättenerlaubnis aufheben, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.2. Der Kläger ist nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er kann als Bewohner und Eigentümer des Anwesens am …markt … geltend machen, dass ihn die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis zum Betrieb der “…bar” im benachbarten Anwesen …gasse … möglicherweise in eigenen Rechten verletzt.
Die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gaststättengesetz (GastG) unter anderem voraus, dass der Gewerbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) befürchten lässt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG aufgrund der Bezugnahme auf den Begriff der schädlichen Umweltweinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG, der ausdrücklich die Nachbarschaft in den durch das BImSchG vermittelten Schutz einbezieht, insoweit ein nachbarschützender Charakter zukommt (vgl. etwa VGH BW, B.v. 4.1.2016 – 6 S 475/15 – NVwZ-RR 2016, 337 Rn. 7; OVG NW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 27 m.w.N.). Das vom Kläger und seiner Familie bewohnte Mehrparteienhaus am …markt … liegt der “…bar” unmittelbar gegenüber. Die Klage wird auch in der Sache auf Lärmbelästigungen und mithin auf schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 BImSchG gestützt, denen der Kläger als Nachbar ausgesetzt sei.
Der Kläger ist ferner Eigentümer des Anwesens im …markt … und hat im Verfahren plausibel geltend gemacht, dass sich der Betrieb der “…bar” wegen Lärmbelästigungen negativ auf die Vermietbarkeit seiner Wohnungen auswirke. Er kann sich daher im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG auch auf eine mögliche Verletzung seines Eigentums berufen. Denn es kann sich nachteilig auf die Nutzbarkeit des Hauses, insbesondere die Vermietbarkeit des Wohnraumes und den hierbei erzielbareren Mietzins auswirken, wenn das Mietobjekt erheblichen Geräuschimmissionen ausgesetzt ist (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 47 ff.).
Im Rahmen der gaststättenrechtlichen Drittanfechtungsklage ist der Kläger hingegen insoweit nicht klagebefugt, als er eine generelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der “…bar” vorbringen lässt. Diese sei keine Schank- und Speisewirtschaft, sondern eine im Mischgebiet nach § 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) unzulässige Vergnügungsstätte. In der Sache rügt der Kläger damit, dass die “…bar” im Hinblick auf ihre örtliche Lage dem öffentlichen Interesse i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG widerspreche (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 18/87 – juris Rn. 16). Der Verweis auf eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der Gaststätte greift bei einer Drittanfechtungsklage gegen eine gaststättenrechtliche Erlaubnis mangels Verletzung einer drittschützenden Norm jedoch nicht durch. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG verleiht insoweit keinen Drittschutz, als sich der Kläger darauf beruft, dass das genehmigte Lokal an seinem Standort deswegen dem öffentlichen Interesse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG widerspreche, weil es dort bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn die bauplanungsrechtlichen Vorschriften ihrerseits nachbarschützenden Charakter haben. Solche baurechtlichen Einwände sind im Bauverfahren, gaststättenrechtliche Einwände hingegen im Gaststättenverfahren anzubringen (ausführlich VGH BW, B.v. 4.1.2016 – 6 S 475/15 – NVwZ-RR 2016, 337 Rn. 7 ff.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.9.2017 – OVG 1 B 14.16 – BeckRS 2017, 126099 Rn. 73 jeweils m.w.N.).
2. Die Klage ist begründet. Die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zum Betrieb der Gaststätte “…bar” ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie ist deshalb aufzuheben.
2.1 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis (§§ 2, 3 GastG) zu versagen, wenn der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lässt. Schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Hierzu zählen gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen sowie sonstige Sachgüter einwirkende Geräusche. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG können Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, jederzeit Auflagen zum Schutze gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden.
2.1.1  Der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG erfordert zunächst eine behördliche Prognose hinsichtlich der Art und der Menge der von dem Betrieb der Gaststätte auf die Nachbarschaft einwirkenden Immissionen. Die Erlaubnisfähigkeit von Gaststätten nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG darf und muss grundsätzlich prognostisch, d. h. ohne vorherigen “Probelauf” und somit auch ohne vorherige Lärmmessung im Einzelfall beurteilt werden (vgl. den Wortlaut: “[…] befürchten lässt […].”; dazu BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 22 ZB 12.34 – BeckRS 2013, 45171 Rn. 12). In einem daran anschließenden zweiten Schritt bedarf es einer Beurteilung der Zumutbarkeit der prognostizierten Immissionen für die betroffene Nachbarschaft (vgl. jüngst BVerwG, U.v. 12.12.2019 – 8 C 3/19 – juris Rn. 17).
Das Gericht hat im Anfechtungsprozess keine eigene Lärmprognose zu erstellen, sondern nur zu kontrollieren, ob die behördliche Prognose mit den seinerzeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände fachgerecht erstellt worden ist. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich dabei auf die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrundeliegenden Sachverhalts und darauf, ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, zuletzt BVerwG, U.v. 12.12.2019 – 8 C 3/19 – juris Rn. 18). Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann, ferner nicht darauf, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist. Mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte ist es ferner nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht auf der Grundlage einer “Aktualisierung” der Vorgaben eine eigene Prognose entwickelt. Dementsprechend hat das Gericht nicht die Befugnis, insoweit seine Einschätzung an die Stelle derjenigen der zuständigen Behörden zu setzen (zum Ganzen BVerwG, U.v. 8.7.1998 – 11 A 53.97 – juris Rn. 25). Die Beurteilung der Zumutbarkeit des nach einer sachgerecht erstellten behördlichen Lärmprognose zu befürchtenden Lärms obliegt hingegen uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle.
2.1.2 Für die Beurteilung, ob die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis zum Betrieb der “…bar” schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Lärm befürchten lässt, können die durch den Betrieb der Innengastronomie sowie der beiden genehmigten Freischankflächen verursachten Immissionen nicht isoliert in den Blick genommen werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der “Gewerbebetrieb” im Hinblick auf seine örtliche Lage oder die Verwendung der Räume schädliche Umweltweinwirkungen befürchten lässt. Es kommt daher auf die von der “…bar” ausgehende Gesamtbelastung an, die auf das Anwesen des Klägers einwirken kann (vgl. OVG NW, U.v. 23.5.2018 – 4 A 2588/14 – juris Rn. 129 ff).
Die Prüfung, ob der Kläger nach Maßgabe der Erlaubnis vom 17. April 2019 schädliche Umweltweinwirkungen in Form von Lärm zu befürchten hat, muss deshalb gesamtheitlich Lärmbelastungen berücksichtigen, die von der genehmigten Innengastronomie (dazu unten 2.2) und der genehmigten Außengastronomie (dazu unten 2.3) der “…bar” ausgehen. Einzubeziehen sind vorliegend auch – insbesondere zur Nachtzeit – dem Gaststättenbetrieb zuzurechnende Immissionen durch Raucherlärm (dazu unten 2.4).
2.1.3  Die Rechtmäßigkeit der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist im Falle ihrer Anfechtung durch einen Dritten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 18.3.1998 – BVerwG 1 B 33.98 – juris Rn.11; OVG NW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 16; für eine Berücksichtigung von nachträglichen Entwicklungen zugunsten des Gastwirts OVG NW, U.v. 23.05.2018 – 4 A 2588/14 – juris Rn. 95 ff.).
Deshalb war es im gerichtlichen Verfahren nicht maßgeblich, ob in dem seit Genehmigungserteilung laufenden Betrieb der “…bar” möglicherweise tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten des Klägers zu verzeichnen waren. Die vom Kläger angeregte Einvernahme von Zeugen zum Nachweis nächtlicher Ruhestörungen war deshalb nicht erforderlich. Auf vom Kläger vorgebrachte angebliche Verstöße des Beigeladenen gegen die in der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 getroffenen Auflagen kam es ebenso wenig an (vgl. OVG NW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 18).
2.2 In Bezug auf die aus dem Innenraum der Gaststätte “…bar” ausgehenden Lärmemissionen beruht die der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zugrundeliegende Lärmprognose der Beklagten auf einer Verträglichkeitsprüfung zum Schallimmissionsschutz der Firma W. vom 18. Februar 2019, die im Auftrag des Beigeladenen erstellt wurde. Gegen eine tragende Bezugnahme der Beklagten auf das Lärmgutachten der Firma W. bestehen im Ausgangspunkt keine Einwände (2.2.1). Indes erweist sich nach Maßgabe des Schallgutachtens vom 18. Februar 2019 die in der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zum Ausdruck kommende Lärmprognose der Beklagten als teilweise fehlerhaft (2.2.2).
2.2.1 Zutreffend erhebt das Gutachten vom 17. April 2019 den Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel von 60 dB(A) am Tage sowie 45 dB(A) in der Nacht für Mischgebiete (§ 6 BauNVO) gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zum Maßstab seiner schalltechnischen Berechnung desjenigen Lärms, der ausgehend von gaststättenrechtlich relevanten Betätigungen innerhalb geschlossener Räume der “…bar” (Innengastronomie) auf die Nachbarschaft einwirkt. Bei der Beantwortung der Frage, ob von der Gaststätte des Beigeladenen schädliche Umweltauswirkungen zu befürchten sind, hatte (und hat) die Beklagte die auf Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Lärm insoweit zu beachten, als eine Innengastronomie inmitten steht. Die Maßgeblichkeit der TA Lärm für die Ermittlung und Bewertung der von Gaststätten (ausgenommen den von der Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b TA Lärm erfassten Bereich) ausgehenden Geräusche folgt unmittelbar aus der Nr. 1 Abs. 3 Buchst. b TA Lärm (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 53). Soweit die TA Lärm als sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, kommt ihr eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung von Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als diese Verwaltungsvorschrift insbesondere durch Kann-Bestimmungen (z.B. in Gestalt der Nr. 6.5 Satz 3 und der Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (vgl. z.B. die Nr. A 2.5.3) Spielräume eröffnet (zum Ganzen BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – BVerwGE 129, 209 Rn. 12; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – NVwZ 2013, 372 Rn. 18).
Die Festlegung der maßgeblichen Immissionsorte (siehe Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm) im Gutachten vom 18. Februar 2019 lässt keine Fehler erkennen. Ferner wird zutreffend der Immissionsrichtwert für Mischgebiete (Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d TA Lärm) herangezogen. Dass es sich beim fraglichen Gebiet der Aschaffenburger Innenstadt – Ecke …markt/ …gasse – um ein Mischgebiet handelt, ist unstreitig und erscheint plausibel. Die maßgeblichen Beurteilungszeiten (Nr. 6.4 TA Lärm) werden im Gutachten der Firma W. richtig wiedergegeben.
Auch trifft der Hinweis im Gutachten der Firma W. zu, wonach bei der Berechnung des Beurteilungspegels kein Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gemäß Nr. 6.5 TA Lärm anzusetzen ist. Zwar findet sich im Wortlaut der Nr. 6.5 TA Lärm seit ihrer Änderung durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 (BAnz AT 8.6.2017 B5) ein Verweis, demzufolge auch in (Misch-)Gebieten nach Nr. 6.1. Satz 1 Buchst. d TA Lärm ein solcher Empfindlichkeitszuschlag zu berücksichtigen wäre. Dabei handelt es sich jedoch um eine offensichtliche redaktionelle Unrichtigkeit, die ihre Ursache im ebenfalls mit o.g. Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 erfolgten Dazwischenschieben urbaner Gebiete in Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm und einer versehentlich unterbliebenen Folgeanpassung hat. Weder vom Bundesrat noch von der Bundesregierung war gewollt, in Mischgebieten künftig eine erhöhte Störwirkung von Geräuschen zu berücksichtigen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit an die Obersten Immissionsschutzbehörden der Länder vom 7.7.2017, Az. IG I 7 – 501-1/2). Dies widerspräche im Hinblick auf das in Mischgebieten typische Nebeneinander von Wohn- und gewerblicher Nutzung sowohl fachlichen Wertungen (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar, 2014, Nr. 6 Rn. 5), als auch der Systematik der TA Lärm. Die Abweichung vom Wortlaut der TA Lärm ist wegen der Offensichtlichkeit des redaktionellen Fehlers geboten. Denn als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bindet die TA Lärm das Gericht nur, soweit und solange sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht und insoweit zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen geeignet ist (so zur TA Luft BVerwG, B.v. 21.3.1996 – 7 B 164/95 – juris Rn. 19).
Das Lärmgutachten der Firma W. vom 18. Februar 2019 gelangt anhand einer Rückrechnung auf Basis des zulässigen Immissionsrichtwertes der TA Lärm für Mischgebiete von 45 dB(A) zur Nachtzeit zu dem Ergebnis, dass bei einem maximalen Innenpegel von 88 dB(A) in der Gaststätte an den maßgeblichen Immissionsorten – darunter auch am Anwesen des Klägers – der Immissionsrichtwert eingehalten wird. Aus fachlicher Sicht könnten bei diesem Innenpegel energetisch 85 dB(A) der Beschallungsanlage der Gaststätte zugestanden werden. Am Anwesen des Klägers sei hiernach bei Betrieb der Musikanlage ein Beurteilungspegel von bis zu 45 dB(A) am Immissionsort 1 und 3 (östlicher Gebäudeteil …markt **) sowie ein Beurteilungspegel von 40 dB(A) am zurückliegenden Immissionsort 2 (westlicher Gebäudeteil …markt **) zu erwarten. Der maßgebliche Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel in Mischgebieten von 45 dB(A) zur Nachtzeit werde hiernach am Anwesen des Klägers gewahrt. Eine dementsprechende manipulationssichere Einpegelung der in der “…bar” eingebauten Beschallungsanlage durch einen Limiter hat die Beklagte dem Beigeladenen im Rahmen der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zur Auflage gemacht (Nr. 5 der Zusatzauflagen für die “…bar”). Der Einbau des Limiters samt Versiegelung erfolgte ausweislich der Behördenakte durch die Firma W. Die Beklagte hat die Verplombung in Augenschein genommen.
Die im Gutachten vom 19. Februar 2019 obiger Berechnung zugrunde gelegte pauschale Öffnungsdauer der Eingangstüre von 10% der Betriebszeit begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Tragende Annahme der Berechnung der vom Innenraum der “…bar” ausgehenden Lärmemissionen ist ausweislich der Feststellung des Gutachtens vom 19. Februar 2019 unter anderem die Annahme, wonach bei Musikbeschallung im Innern sowie grundsätzlich zur Nachtzeit die Eingangstür der Gaststätte in der Regel geschlossen ist und nur zum Durchgang geöffnet wird. Angesetzt wird hierfür eine pauschale Öffnungsdauer von 10%. Für das Schalldämmmaß (Rw) der Eingangstüre ergebe sich unter Einbezug dieser Öffnungsdauer eine Dämmwirkung von 10,0 dB.
Das im Rahmen prognostischer Bewertungen herangezogene Kriterium der “sicheren Seite” erfordert nicht zwingend, dass solche der Prognose zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen – wie etwa die Öffnungsdauer der Eingangstüre – nach einem “worst-case” Szenario getroffen werden müssen. Entscheidend ist letztlich, dass das Ergebnis der Prognose nach Maßgabe der getroffenen Annahmen auf der sicheren, d.h. der Realität entsprechenden Seite liegt (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.09.2017 – OVG 1 B 14.16 – BeckRS 2017, 126099 Rn. 38). Es bestehen vorliegend aber keine durchgreifenden Zweifel, dass die gutachterliche Annahme einer durchschnittlichen Öffnungsdauer der Eingangstüre von 10% der Betriebszeit der Gaststätte nicht der Realität entsprechen könnte. Der Ansatz beruht nach Angaben der Beklagten auf Erfahrungswerten des Gutachters der Firma W. Dessen fachliche Expertise wurde weder vom Kläger substantiiert angegriffen, noch unterliegt sie Zweifeln des Gerichts. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger auch keine eigenen Erkenntnisse mitteilen, die die gutachterliche Annahme in tatsächlicher Hinsicht in Frage hätte stellen können. Da der Prüfung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG ein prognostischer Charakter innewohnt, bedurfte es anstatt einer pauschalen Annahme auch nicht zwingend konkreter Feststellungen zur tatsächlichen Öffnungszeit der Türe.
Im Rahmen der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 wurde ferner der weiteren vom Gutachter vorausgesetzten Annahme der grundsätzlichen Schließung von Türen und Fenstern der Gaststätte zur Nachtzeit durch die dem Beigeladenen auferlegte Verpflichtung Rechnung getragen, im laufenden Gaststättenbetrieb Türen und Fenster ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten (Nr. 8 der Anlage zum anliegenden Bescheid). Zudem wurde dem Beigeladenen zur Auflage gemacht, an Freitagen und Samstagen ab 22:00 Uhr sowie bei Sonderveranstaltungen einen Türsteher zur Überwachung des kontrollierten Ein- und Auslasses der Gäste einzusetzen, der den Geräuschpegel im Auge behalten soll (Nr. 4 der Zusatzauflagen für die “…bar”).
Schließlich konnte die Beklagte im gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar darlegen, dass von der Innengastronomie der “…bar” am Anwesen des Klägers keine den zulässigen Maximalwert von 65 dB(A) überschreitenden kurzfristigen Geräuschspitzen zu befürchten sind.
Die TA Lärm trifft in Nr. 6.1 neben Grenzwerten für den einzuhaltenden Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel (Satz 1) auch die Bestimmung, wonach kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten dürfen (Satz 2). Kurzzeitige Geräuschspitzen im Sinne der TA Lärm sind durch Einzelereignisse hervorgerufene Maximalwerte des Schalldruckpegels, die im bestimmungsgemäßen Betriebsablauf auftreten, (vgl. Nr. 2.8 TA Lärm; näher Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 90. EL Juni 2019, TA Lärm Nr. 2 Rn. 44).
Zwar ist weder dem Schallschutzgutachten vom 18. Februar 2019, noch der Behördenakte eine vor Erlass der streitgegenständlichen Gaststättengenehmigung erfolgte fachliche Einschätzung zu etwaigen Geräuschspitzen bei Öffnungen der Eingangstüre der “…bar” und gleichzeitigem Betrieb der Musikanlage zu entnehmen. Der Kläger hat indes nicht nur im zugrundeliegenden Verfahren, sondern bereits im Verfahren zum Vorgängerbetrieb (W 6 K 17.1372) auf störende impulsartige Lärmimmissionen bei kurzzeitigen Öffnungen der Eingangstür der vorigen Gaststätte hingewiesen, sodass für die Beklagte Anlass bestand, sich im gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahren der “…bar” mit etwaigen Geräuschspitzen zu befassen. Jedenfalls in einer auf Anforderung des Gerichts vorgelegten ergänzenden fachtechnischen Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 31. August 2020, die zugunsten des Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden kann (vgl. OVG NW, U.v. 23.05.2018 – 4 A 2588/14, Rn. 95 ff.), hat die Beklagte zu etwaigen kurzzeitigen Geräuschspitzen Stellung genommen. Demzufolge sei der einzuhaltende Richtwert gemäß Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm von 65 dB(A) für Geräuschspitzen zur Nachtzeit selbst bei einer ständig geöffneten Eingangstüre der …bar mit 55 dB(A) um 10 dB(A) unterschritten. Ergänzend erläuterte der Umweltingenieur der Beklagten, Herr Dipl.-Ing. R., in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und plausibel, dass dieser Berechnung zugrunde liegt, dass die Eingangstüre und der vom Gutachter vorausgesetzte Schallschutzvorhang dauerhaft geöffnet sind. Selbst dann könne am Anwesen des Klägers nicht mehr als 55 dB(A) ankommen. Auch bei einem Betrieb der Musikanlage in der maximalen, von der Firma W. eingepegelten Lautstärke ist daher am Anwesen des Klägers nicht mit unzulässigen kurzfristigen Geräuschspitzen zu rechnen.
2.2.2 Als rechtsfehlerhaft erweist sich die der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zugrundeliegende Lärmprognose der Beklagten indessen bezüglich der Innengastronomie, weil dem Beigeladenen der Einbau eines Schallschutzvorhangs an der Eingangstüre der “…bar” nicht zur Auflage gemacht wurde.
Neben der pauschalen Öffnungsdauer der Eingangstüre von 10% der Betriebszeit ist laut Lärmschutzgutachten vom 18. Februar 2019 bei einem Innenpegel in der Gaststätte von 88 dB(A) eine weitere Voraussetzung für die Einhaltung des Immissionsrichtwertes für den Beurteilungspegel in Mischgebieten am Anwesen des Klägers der Einbau eines an der Eingangstür anzubringenden Schallschutzvorhangs. So wird ausgeführt, dass aus Erfahrung mit vergleichbaren Aufgabenstellungen für den Raum zwischen Tür und Vorhang eine Schallreduzierung um ca. 5 dB bei geschlossenem Vorhang angesetzt werden könne (S. 3 des Gutachtens). Weiter wird dargelegt, dass aus fachlicher Sicht zur Einhaltung der schalltechnischen Anforderungen als Geräuschminderungsmaßnahme der Einbau eines solchen innenliegenden Vorhangs an der Eingangstür der Gaststätte erforderlich sei (S. 4 des Gutachtens). In der mündlichen Verhandlung führte der Umweltingenieur der Beklagten, Herr Dipl.-Ing. R., aus, dass der schalltechnischen Berechnung der Firma W. neben einem Schalldämm-Maß der Eingangstüre von 10 dB zusätzlich eine Schallreduzierung um weitere 5 dB durch Anbringen eines lärmdämmenden Vorhangs zugrundeliege. Insgesamt ergebe sich danach ein Schalldämm-Maß von 15 dB, wenn Tür und Vorhang geschlossen sind.
Die Musikanlage der “…bar” wurde dementsprechend – in Abstimmung mit dem Umweltamt der Beklagten – von der Firma W. auf Grundlage des Gutachtens vom 18. Februar 2019 basierend auf der Annahme eines Schalldämm-Maßes von Tür und Vorhang von 15 dB dergestalt eingepegelt und limitiert, dass bei Musikbeschallung im Inneren der Gaststätte mit einem Pegel von 85 dB(A) der zulässige Immissionsrichtwert zur Nachtzeit von 45 dB(A) am Anwesen des Klägers voll ausgeschöpft wird. Davon ausgehend hätte die Beklagte erkennen müssen, dass bei einem Fehlen des vom Gutachter vorausgesetzten Schallschutzvorhangs die zulässigen Immissionsrichtwerte zur Nachtzeit am Anwesen des Klägers bei einem Betrieb der Musikanlage in der eingepegelten Lautstärke zwangsläufig überschritten werden. Daher genügt es als Maßnahme zum Lärmschutz nicht, dass die Beklagte dem Beigeladenen im Rahmen der Gaststättenerlaubnis nur den Einbau eines Limiters zur dementsprechenden Begrenzung der Lautstärke zur Auflage machte (Nr. 5 der Zusatzauflagen für die “…bar”). Nach Maßgabe der Prognose der Firma W., die sich die Beklagte zu eigen machte, war im Rahmen der Erteilung von Lärmschutzauflagen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) ihr Ermessen vielmehr dahingehend auf Null reduziert, dass die Beklagte den Beigeladenen zum Einbau eines geeigneten Schallschutzvorhangs hätte verpflichten müssen. Die vorgelegte Behördenakte bietet keine Hinweise, warum entgegen dem von der Beklagten zur Prognose herangezogenen Gutachten das Anbringen eines Vorhanges nicht zur Auflage gemacht wurde. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die Beklagte dies nicht plausibel erklären. Insoweit mangelt es an einer einleuchtenden Begründung der sich in der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 widerspiegelnden Lärmprognose.
Wenngleich die bestandskräftige Baugenehmigung vom 25. August 1998 (Nutzungsänderung des vormaligen Ladens zur Gaststätte) eine Verpflichtung zum Einbau eines Schallschutzvorhangs nicht vorsieht, wäre einer solchen gaststättenrechtlichen Auflage auch nicht die Bindungswirkung der Baugenehmigung entgegengestanden. Zwar entfaltet die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte, solange die Genehmigung besteht und die Verhältnisse sich nicht rechtserheblich ändern, Bindungswirkung dahin, dass die Gaststättenbehörde die entsprechende Gaststättenerlaubnis nicht aus baurechtlichen Gründen versagen darf. Mit Erteilung der Baugenehmigung ist über die Zulässigkeit der typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung der Gaststätte in ihrer jeweiligen örtlichen Umgebung verbundenen Immissionen entschieden. Durch die bestandskräftige Baugenehmigung einer konkreten Gaststätte ist nicht nur deren Vereinbarkeit mit den Immissionsschutzanforderungen des Bauplanungsrechts bindend festgestellt, sondern zugleich bindend entschieden, dass die von der Nutzung der Gaststätte typischerweise ausgehenden Immissionen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zulässig sind. Die bestandskräftige Baugenehmigung sagt aber nichts darüber aus, ob der Betrieb der Gaststätte wegen atypischer Eigentümlichkeiten, die etwa mit der Person des Betreibers und seiner besonderen Betriebsweise zusammenhängen können, erhebliche Belästigungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG befürchten lässt. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass trotz bestandkräftiger Baugenehmigung Regelungen von Einzelheiten der Nutzungsausübung dem gaststättenrechtlichen Verfahren vorbehalten sind (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 14.6.2011 – 4 B 3.11 – GewA 2012, 45 mit Verweis auf U.v. 4.10.1988 – 1 C 72.86 – BVerwGE 80, 259; B.v. 20.10.1988 – 4 B 195.88 – juris; U.v. 17.10.1989 – 1 C 18.87 – BVerwGE 84, 11). Nach Maßgabe des der “…bar” ausweislich öffentlicher Erklärungen des Beigeladen zugrundliegenden Betriebskonzepts (“lockere Party-Location, in der freitags und samstags erst um 3:00 Uhr nachts Schluss ist”, vgl. Main-Echo vom 29./.30.9.2018, Bl. 2 der Behördenakte) betrifft der abendliche Betrieb der Musikanlage der “…bar” indes eine dem gaststättenrechtlichen Verfahren vorbehaltene, mit der Betriebsweise als “Party-Location” zusammenhängende Eigentümlichkeit der Gaststätte, die Lärmbelästigungen der Nachbarschaft aufgrund des konkreten Betriebskonzepts befürchten lässt. Damit zusammenhängende Auflagen – wie die Anbringung eines Schallschutzvorhanges – können im gaststättenrechtlichen Verfahren erteilt werden.
Ebenfalls als rechtsfehlerhaft erweist sich die Lärmprognose der Beklagten bezüglich Lärmemissionen aus dem Innenraum der “…bar”, da aus dem in Bezug genommenen Gutachten der Firma W. vom 18. Februar 2019 nicht ersichtlich wird, ob bei der Berechnung des zu erwartenden Beurteilungspegels Zuschläge für Ton- und Informationshaltigkeit bzw. für Impulshaltigkeit Berücksichtigung fanden.
Gemäß Nr. A.2.6 des Anhangs zur TA Lärm ist eine Geräuschimmissionsprognose in einem Bericht darzustellen, der die erforderlichen Angaben enthält, um die Datengrundlagen bewerten, das Prognoseverfahren nachvollziehen und die Qualität der Ergebnisse einschätzen zu können (Satz 1). In der Regel sind dabei unter anderem für jeden maßgeblichen Immissionsort Angaben über den Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit sowie für Impulshaltigkeit zu treffen (Satz 2). Aus dem von der Beklagten herangezogenen Lärmschutzgutachten vom 18. Februar 2019 geht jedoch nicht hervor, ob bei der Rückrechnung des maximal zulässigen Lautstärkepegels der Musikanlage die zur Berechnung des Beurteilungspegels nach Nr. 2.10 TA Lärm “gegebenenfalls” zu berücksichtigenden Zuschläge gemäß Nr. A.2.5.2 des Anhangs zur TA Lärm für Ton- und Informationshaltigkeit und gemäß Nr. A.2.5.3 des Anhangs zur TA Lärm für Impulshaltigkeit eingeflossen sind (oder nicht). Auf Seite 2 äußert sich der Gutachter einleitend nur dahingehend, dass Zuschläge für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gemäß Nr. 6.5 TA Lärm nicht zu berücksichtigen seien. Auch der vorgelegten Behördenakte sind keine Hinweise zu entnehmen, ob eine etwaige Impuls- und Informationshaltigkeit des Lärms Eingang in die Prognose gefunden hat. Nachdem der Kläger bereits im gerichtlichen Verfahren zum Vorgängerlokal (W 6 K 17.1372) ausdrücklich die besondere Störung durch die impulsartigen Lärmbelästigungen bei Öffnungen der Türen der Gaststätte monierte, bestand indes Veranlassung, sich nach den Vorgaben der Nr. A.2.G des Anhangs zur TA Lärm bei der Darstellung der Geräuschimmissionsprognose zumindest zur Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Zuschlägen für eine Impulshaltigkeit des bei einer Musikbeschallung vom Innenraum der “…bar” ausgehenden Lärms zu äußern.
Da es somit bereits an der Nachvollziehbarkeit der Lärmprognose der Beklagten fehlt, kann offenbleiben, ob bei der Rückrechnung des maximal zulässigen Pegels der Musikanlage der “…bar” tatsächlich ein Impulszuschlag hätte einbezogen werden müssen. Dafür sprechen indes die Angaben des Umweltingenieurs der Beklagten, Herrn Dipl.-Ing. R., in der mündlichen Verhandlung. Dieser gab an, seiner Ansicht nach seien im Gutachten der Firma W. keine Zuschläge für Impulshaltigkeit bei Öffnen der Außentüre enthalten. Der sich um 15 dB verstärkende Lärm bei einem Öffnen der Türe der Gaststätte könne aber als Lästigkeit im Sinne einer Wahrnehmbarkeit gesehen werden. Der Zuschlag für Impulshaltigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass in ihrer Lautstärke kurzzeitig stark zu- und wieder abnehmende Geräusche als deutlich störender empfunden werden, als Geräusche mit weitgehend gleichbleibender Lautstärke (BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 30). Wäre deshalb für den Lärm aus der Innengastronomie der “…bar” aufgrund der im Gaststättenbetrieb zwangsläufigen zeitweisen Öffnung der Türe ein Impulszuschlag in Höhe von 3 oder 6 dB (vgl. Nr. A.2.5.3 des Anhangs zur TA Lärm) anzusetzen gewesen, wäre der bei der Rückrechnung des maximal zulässigen Pegels der Musikanlage voll ausgeschöpfte Immissionsrichtwert zur Nachtzeit am Anwesen des Klägers (Immissionsort 1 und 3) von 45 dB(A) bei Betrieb der Musikanlage in der maximalen eingepegelten Lautstärke überschritten. Die in diesem Punkt mangelhafte Nachvollziehbarkeit der Lärmprognose der Beklagten lässt deshalb auch tatsächlich befürchten, dass der Kläger nach Maßgabe der Erlaubnis vom 17. April 2019 schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm ausgesetzt ist.
2.3 Hinsichtlich der Außenbewirtschaftungen entlang der …gasse sowie im …markt fehlt es der Erlaubnis vom 17. April 2019 im Hinblick auf das vorgesehene Betriebszeitende bereits an der hinreichenden Bestimmtheit (dazu 2.3.1). Darüber hinaus erweist sich die der Gaststättenerlaubnis zugrundeliegende Lärmprognose mit Blick auf die Außengastronomie auch in der Sache als fehlerhaft (dazu 2.3.2).
2.3.1 Die Festsetzung der zulässigen Betriebszeit der Freischankflächen im …markt sowie in der …gasse in der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 entspricht nicht dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Verwaltungsakts (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
Bei einer Genehmigung muss hiernach – auch im Verhältnis zu Drittbetroffenen – klar sein, was genau genehmigt wurde und welchen Umfang die gestattende Wirkung der Genehmigung hat (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 28). Von einer Erlaubnis belastete Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie von einer Erlaubnis betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt daher vor, wenn die Unbestimmtheit einer Genehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (so zur Baugenehmigung BayVGH, U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808 – NVwZ-RR, 175 Rn. 13 m.w.N.).
Hier wurde zunächst unter Buchstabe a der der Erlaubnis vom 17. April 2019 beigefügten “Auflagen und Betriebszeitregelungen für die Gartenwirtschaften” die Betriebszeit der Außengastronomie der “…bar” als “täglich von 10:00 Uhr bis 22:00 Uhr” festgelegt. Sodann erfolgt – auf derselben Seite etwas weiter unten – ein “Hinweis”, wonach der Umwelt- und Verwaltungssenat der Beklagten am 23. November 2005 beschlossen habe, das Betriebszeitende für Gartenwirtschaften und Außenbewirtschaftungen “grundsätzlich bis täglich 23:00 Uhr zu dulden.” Der Beigeladene könne von dieser Duldung Gebrauch machen. Schließlich bestimmt wiederum abweichend Nr. 1 der für die Erlaubnis vom 17. April 2019 ebenfalls Geltung beanspruchenden “Zusatzauflagen für die …bar”, dass die Bewirtung und Nutzung des Außenbereiches auf der Seite des …marktes bis 22:00 Uhr und in der …gasse bis 23:00 Uhr gestattet ist. Die Gaststättenerlaubnis der “…bar” enthält demzufolge in Bezug auf das festgesetzte Betriebszeitende der Freischankflächen drei sich widersprechende Bestimmungen. Eine Auslegung der Genehmigung anhand anerkannter Auslegungsgrundsätze erscheint nicht möglich, um Klarheit über die von der Beklagten gewollte Regelung zu schaffen und die Widersprüchlichkeit zu beseitigen. Insbesondere wird aus dem Bescheid selbst nicht erkennbar, welcher der getroffenen Regelungen Vorrang gegenüber den anderen zukommen soll. Daher ist die Festlegung des Betriebszeitendes der Freischankflächen im Bescheid vom 17. April 2019 mangels hinreichender Bestimmbarkeit rechtswidrig.
Der Kläger ist dadurch auch in seinen Rechten verletzt. Für ihn wird aufgrund der Widersprüchlichkeit anhand der Genehmigung nicht erkennbar, wie lange er am Abend von der Außengastronomie der “…bar” ausgehende Lärmemissionen zu erwarten hat. Eine Verletzung des Klägers in seinem Recht, – insbesondere auch zur Nachtzeit (nach 22:00 Uhr, Nr. 6.4 TA Lärm) – von schädlichen Umwelteinwirkungen verschont zu bleiben, kann daher nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine Einschränkung der Betriebszeit der Außengastronomie als eine vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG getroffene Inhaltsbeschränkung der Erlaubnis oder als eine ihr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG beigefügte Auflage einordnet. Denn die Begrenzung der spätabendlichen Betriebszeit der Freischankflächen dient in beiden Fällen dem Schutz der Nachbarn vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von nächtlichem Lärm, worauf sich der Kläger im Rahmen der Drittanfechtungsklage berufen kann.
2.3.2  Im Übrigen erweist sich die der Erlaubnis vom 17. April 2019 zugrundeliegende Lärmprognose hinsichtlich der Freischankflächen der “…bar” im …markt sowie in der …gasse auch in der Sache als rechtsfehlerhaft.
In Bezug auf die Ermittlung und Bewertung der von der Außengastronomie der “…bar” auf das Anwesen des Klägers einwirkenden Lärmimmissionen besteht eine unmittelbare Bindung an die TA Lärm nicht, da es sich bei den Freischankflächen um “Freiluftgaststätten” im Sinn der Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b TA Lärm handelt, für die sich diese Verwaltungsvorschrift keine Geltung beimisst (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 58 ff.). Dem liegt zugrunde, dass die Bewertung der Zumutbarkeit des durch Menschen verursachten Lärms von einem Bündel von Faktoren abhängt, die nur unvollkommen in einem einheitlichen Messwert aggregierend erfasst werden können. Dies gilt gerade auch für Geräusche, die von Dritten verursacht werden und vom Betreiber einer Außengastronomie anders als bei gewerblichem Lärm im herkömmlichen Sinne nicht zu steuern sind (BVerwG, B.v. 3.8.2010 – 4 B 9.10 – juris Rn. 3). Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nicht ausgeschlossen ist, einzelne Vorschriften der TA Lärm entsprechend anzuwenden, soweit dies mit ihrer besonderen Eigenart vereinbar ist, wobei ihnen allerdings nicht die Funktion einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift, sondern eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 60; ähnlich OVG Berlin-Bbg Urt. v. 25.9.2017 – 1 B 14.16 – BeckRS 2017, 126099 Rn. 28; vgl. auch OVG NW, U.v. 23.05.2018 – 4 A 2588/14 – juris Rn. 151: TA Lärm als “Orientierungshilfe”).
Auf den Hinweis des Gerichts im Eilbeschluss vom 17. Januar 2020 (W 6 S 19.1686) hin, wonach weder der vorgelegten Behördenakte noch dem Gutachten der Firma W. vom 18. Februar 2019 eine fachliche Beurteilung der von den Freischankflächen der “…bar” ausgehenden Schallemissionen zu entnehmen ist, verwies die Beklagte im vorliegenden Hauptsacheverfahren diesbezüglich auf eine im Zuge des damaligen baurechtlichen Genehmigungsverfahrens der Freischankflächen eingeholte fachtechnische Stellungnahme zum Immissionsschutz des Umwelt- und Ordnungsamtes der Beklagten vom 12. Juni 2006.
Diese gelangte unter der Annahme einer Bewirtschaftung von 36 Sitzplätzen entlang der …gasse sowie von zehn Sitzplätzen entlang des …marktes zu dem Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm am Anwesen des Klägers von 60 dB(A) tagsüber mit errechneten 60 dB(A) gerade so eingehalten werden. Zur Nachtzeit nach 22:00 Uhr sei der Immissionsrichtwert von 45 dB(A) jedoch mit errechneten 61 dB(A) “deutlich überschritten”. Dementsprechend könne aus immissionsschutzrechtlicher Sicht einem Betrieb der Außenbewirtschaftung nach 22:00 Uhr nicht zugestimmt werden. Ferner wird als Auflage vorgeschlagen, die Sitzplätze in der …gasse auf max. 36 sowie im …markt auf max. 10 Plätze zu begrenzen.
Es bestehen schon grundsätzlich Einwände, der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 die im damaligen Baugenehmigungsverfahren eingeholte fachtechnische Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 zugrunde zu legen.
Zwar mag der Hinweis der Beklagten zutreffen, dass bei der “…bar” gegenüber der Vorgängergaststätte keine Änderung im Außenbereich vorgenommen wurde und dass eine neuere Betrachtung durch den Immissionsschutz aus diesem Grund nicht notwendig war. Die fachliche Prüfung erfolgte in der Stellungnahme des Umweltamtes aus dem Jahr 2006 jedoch noch auf Grundlage der Berechnungsmethodik der damals gültigen VDI-RL 3770 (Emissionskennwerte von Schallquellen – Sport- und Freizeitanlagen) in der Ausgabe “2002-04”, die inzwischen zurückgezogen und durch die derzeit gültige Ausgabe “2012-09” ersetzt wurde. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass eine Lärmprognose anhand der Berechnungsmethodik der aktuellen VDI-RL 3770, die dem gegenwärtigen Stand der fachwissenschaftlich anerkannten Technik entspricht, zu abweichenden Ergebnissen käme. Dies erweist sich vorliegend auch tatsächlich als intrikat, da nach der Stellungnahme zum Immissionsschutz der Beklagten vom 12. Juni 2006 die Außenbewirtschaftungen der Gaststätte auch tagsüber den Beurteilungspegel – der zumindest entsprechend anwendbaren TA Lärm für Mischgebiete – nur gerade so einhalten. Es ist deshalb zu befürchten, dass bei einer Prognose anhand der Berechnungsgrundlagen der aktuellen VDI-RL 3770 eine Außenbewirtschaftung mit den angesetzten 36 Sitzplätzen (* …gasse) bzw. 10 Sitzplätzen (* …markt) die entsprechend heranziehbaren Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel am Anwesen des Klägers auch tagsüber überschreiten und deshalb möglicherweise unzumutbare Lärmbelästigungen zu erwarten sind.
Selbst wenn man – ungeachtet dieser grundsätzlichen Einwände – die fachtechnische Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 hinsichtlich der lärmtechnischen Bewertung der Freischankflächen zugrunde legt, erweist sich die der Erlaubnis zugrundeliegende Lärmprognose der Beklagten mit Blick auf die genehmigte Betriebszeit in der …gasse sowie die zugelassene Anzahl an Sitzplätzen in der Außengastronomie entlang des …marktes als fehlerhaft:
Auf die sich widersprechenden Regelungen der Erlaubnis vom 17. April 2019 bezüglich des festgesetzten Betriebszeitendes der Freischankflächen (siehe oben 2.3.1) hingewiesen, führte der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aus, die Außengastronomie zum …markt hin sei nach Auffassung der Behörde wegen der Beschwerden des Klägers nur bis 22:00 Uhr erlaubt worden, die Außengastronomie zur …gasse sei aufgrund eines Stadtratsbeschlusses bis 23:00 Uhr zulässig. Geht man hiervon ungeachtet des Umstandes aus, dass sich eine dahingehende Festsetzung der Betriebszeit der verfahrensgegenständlichen Erlaubnis – wie bereits erläutert – nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen lässt, stünde einem Betriebszeitende der Freischankfläche entlang der …gasse um 23:00 Uhr schon die dem Eigentümer des Anwesens …gasse … erteilte bestandskräftige Baugenehmigung der Außengastronomie in der …gasse vom 13. Juli 2006 entgegen.
Diese sieht – entsprechend der zuvor eingeholten fachtechnischen Stellungnahme des Umweltamtes der Beklagten zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 – in Ziff. III Nr. 8 eine Betriebszeit der Außenbewirtschaftung entlang der …gasse (nur) in der Zeit von 10:00 Uhr bis 22.00 Uhr vor. Da diese baurechtliche Genehmigung weder aufgehoben wurde noch erkennbar ist, dass sich seither hinsichtlich der außengastronomischen Nutzung die tatsächlichen Verhältnisse rechtserheblich verändert hätten, entfaltet sie dahingehend Bindungswirkung, dass mit Erteilung der Baugenehmigung über die Zulässigkeit der typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung der Außengastronomie in ihrer jeweiligen örtlichen Umgebung verbundenen Immissionen entschieden ist. Die bestandskräftige Baugenehmigung umfasst insoweit die bindende Feststellung, dass die von der Nutzung der Freischankfläche in der …gasse im Rahmen des genehmigten Umfangs (max. 36 Sitzplätze, Betriebszeit von 10:00 Uhr bis 22:00 Uhr) typischerweise ausgehenden Immissionen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zulässig sind (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2011 – 4 B 3.11 – GewA 2012, 45 Rn. 6 m.w.N.). Da die Baubehörde im Einklang mit der eingeholten fachtechnischen Stellungnahme vom 12. Juni 2006 aufgrund einer prognostizierten Überschreitung der Lärmgrenzwerte am Anwesen des Klägers die Baugenehmigung vom 13. Juli 2006 mit der Auflage erließ, wonach die Betriebszeit der Freischankfläche in der …gasse bis 22:00 Uhr begrenzt ist, wurde damit zugleich mit Bindung für das gaststättenrechtliche Genehmigungsverfahren entschieden, dass die von der Freischankfläche außerhalb dieses genehmigten Zeitrahmens typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG unzulässig sind. Eine Verlängerung der Betriebszeit der Außenbewirtschaftung in der …gasse im gaststättenrechtlichen Verfahren über den baurechtlich genehmigten Umfang ist deshalb nicht möglich.
Insoweit ist auch der Beschluss des Umwelt- und Verwaltungssenats der Beklagten am 23. November 2005, wonach das Betriebszeitende für Gartenwirtschaften und Außenbewirtschaftungen in Aschaffenburg grundsätzlich bis täglich 23:00 Uhr geduldet ist, entgegen der Auffassung der Beklagten offensichtlich nicht geeignet, die Bindungswirkung der auf Grundlage einer immissionsschutzrechtlichen Bewertung und fachlichen Stellungnahme erteilten Baugenehmigung vom 13. Juli 2006 außer Kraft zu setzen.
Schließlich ist die in der gaststättenrechtlichen Genehmigung der Außengastronomie am …markt zum Ausdruck kommende Lärmprognose der Beklagten nicht rechtsfehlerfrei, sodass der Kläger auch insoweit unzulässige Lärmimmissionen zu befürchten hat.
In der verfahrensgegenständlichen Erlaubnis vom 17. April 2019 wurde dem Beigeladenen entlang des …marktes der Betrieb einer Außengastronomie mit zwölf Sitzplätzen genehmigt. Soweit die Beklagte im gerichtlichen Verfahren auch insoweit hinsichtlich ihrer Prognose des zu erwartenden Lärms auf die fachtechnische Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 Bezug nahm, trägt diese – ungeachtet der bereits formulierten grundsätzlichen Einwände – das im Umfang der genehmigten Bewirtung im …markt zum Ausdruck kommende Ergebnis der Lärmprognose nicht. Die fachtechnische Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 gelangt bereits bei Annahme einer Bewirtschaftung von nur zehn Sitzplätzen entlang des …marktes zu dem Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte der – für den Außenlärm jedenfalls entsprechend anwendbaren – TA Lärm am Anwesen des Klägers von 60 dB(A) tagsüber mit errechneten 60 dB(A) gerade so eingehalten werden. Dementsprechend wird vorgeschlagen, die Sitzplätze der Freischankfläche im …markt auf max. zehn Plätze zu begrenzen. Eine plausible Begründung, weshalb dem Beigeladenen abweichend von der in Bezug genommenen Stellungnahme ihres Umweltamtes 12 Sitzplätze am …markt genehmigt wurden, konnte die Beklagte nicht abgeben. In der mündlichen Verhandlung äußerte der Umweltingenieur der Beklagten, es sei nicht auszuschließen, dass zwei Sitzplätze mehr in der Außengastronomie zum …markt hin zu einer Überschreitung der Richtwerte führen. Zwar sind die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel der TA Lärm bezüglich der außengastronomischen Nutzung nur entsprechend anwendbar und kann selbst bei einer geringfügigen Überschreitung der Richtwerte der TA Lärm nicht zwingend auf eine Schädlichkeit oder Unzumutbarkeit von Umwelteinwirkungen, die von einer Freiluftgaststätte ausgehen, geschlossen werden (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.09.2017 – OVG 1 B 14.16 – BeckRS 2017, 126099 Rn. 29 m.w.N.). Es fehlt hier jedoch gänzlich an einer fachlichen Prognose, mit welchen Lärmimmissionen der Kläger bei zwölf anstatt nur zehn genehmigten Sitzplätzen im …markt zu rechnen hat. Es liegen damit keine für den Einzelfall ausreichenden Feststellungen zum Ausmaß der Lärmbelastung vor, die durch einen Betrieb der Außengastronomie am …markt mit zwölf Sitzplätzen am Haus des Klägers zu erwarten ist. Ob die Außengastronomie im …markt schädliche Umwelteinwirkungen für den Kläger befürchten lässt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG), die nicht durch Auflagen zum Schutz der Nachbargrundstücke (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) verhindert werden können, kann deshalb mangels tragfähiger Lärmprognose weder anhand einer indiziellen Heranziehung der Lärmgrenzwerte der TA Lärm, noch im Rahmen einer umfassenden Gesamtbetrachtung (unter Einbeziehung wertender Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz) beantwortet werden (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 59; OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.9.2017 – OVG 1 B 14.16 – BeckRS 2017, 126099 Rn. 30).
Die bei der Beurteilung von Außenlärm erforderliche situationsbezogene Abwägung der Zumutbarkeit der von der Außengastronomie der “…bar” verursachten Immissionen hätte schließlich auch erfordert, dass sich die Beklagte mit den erheblichen Umständen des Einzelfalles auseinandersetzt. Diese Umstände sind unter anderem darin zu sehen, dass die erlaubte Außengastronomie am …markt sowie in der …gasse zu einer Innengastronomie des Beigeladenen hinzutritt, für deren Betrieb in der Baugenehmigung vom 25. August 1998 bereits Beurteilungspegel von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB (A) als Begrenzung der Lärmbelastung festgesetzt wurden. Mit Blick auf die der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 beigefügten “Auflagen und Betriebszeitregelungen für die Gartenwirtschaften (Außenbewirtschaftung) der , …bar’, …gasse … zur …gasse bzw. dem …markt”, die auch lärmschutzrelevante Auflagen enthalten, wird zwar erkennbar, dass die Beklagte offenbar gaststättenrechtlich eine Begrenzung der kumulativen Lärmbelastung durch die Außen- und Innengastronomie des Beigeladenen für erforderlich hielt, die aber baurechtlich bereits allein durch die Innengastronomie des Beigeladenen ausgeschöpft wird. Da die Baugenehmigung vom 25. August 1998 Bestandskraft erlangt hat, ist hierdurch bindend entschieden, dass sich die von der Nutzung der Innengastronomie des Beigeladenen typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG halten (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.1988 – 1 C 72.86 – juris Rn. 32). Eine über die vorrangige Baugenehmigung vom 25. August 1998 hinausgehende gaststättenrechtliche Beschränkung der typischerweise durch die Innengastronomie der Beigeladenen verursachten Immissionen wäre damit nicht zulässig, so dass praktisch kein Lärm der Außengastronomie des Beigeladenen mehr vor den Fenstern der nur wenige Meter entfernten Wohnung des Klägers wahrnehmbar sein dürfte, um zusammen mit der Innengastronomie die Grenzwerte der TA Lärm einzuhalten, die die Beklagte ausweislich ihrer ergänzenden fachtechnischen Stellungnahme vom 31. August 2020 auch für die Außengastronomie als maßgeblich erachtet. Diese Problematik der Einhaltung der – entsprechend heranziehbaren – Grenzwerte der TA Lärm trotz Zusammentreffens der Innen- und Außengastronomie der “…bar” wird auch nicht nur dann virulent, wenn sich der Schallpegel im Innenraum des Lokals dem laut Gutachten vom 18. Februar 2019 zulässigen Innenpegel von 88 dB(A) annähert, was bei einer lauten Musikbeschallung zur Nachtzeit der Fall sein dürfte. Denn ausweislich der vorgelegten fachtechnischen Stellungnahme zum Immissionsschutz vom 12. Juni 2006 wird alleine schon durch den Betrieb der Außenbewirtschaftung (36 Plätze in der …gasse, 10 Plätze am …markt) am Anwesen des Klägers eine Belastung von 60 dB(A) tagsüber prognostiziert und mithin der Grenzwert der TA Lärm für Mischgebiete von 60 dB(A) tagsüber (nur) gerade so eingehalten. Es steht hiernach zu befürchten, dass hinzutretender Lärm aus der Innengastronomie auch zur Tagzeit das Maß des dem Kläger Zumutbaren überschreitet. Die mangelnde Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls liegt damit auf der Hand. Ob die Außengastronomie des Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft befürchten lässt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG), die nicht durch Auflagen zum Schutz der Nachbargrundstücke (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) verhindert werden können, hätte sich nach alledem nur auf der Grundlage eines die Außen- und Innengastronomie umfassenden Nutzungskonzeptes des Beigeladenen beurteilen lassen, das jedenfalls dem Grunde nach hätte geeignet sein müssen, den rechtlich geschützten Interessen der Nachbarschaft zu genügen und das sich die Beklagte hätte vorlegen lassen müssen. Schon um die grundsätzliche Eignung dieses Konzeptes herzustellen, hätte der Beigeladene wohl für Zeiten des Betriebs seiner Außengastronomie in verbindlicher, praktisch durchführbarer und nachprüfbarer Weise auf die vollständige Ausschöpfung der ihm nach Maßgabe der Baugenehmigung vom 25. August 1998 baurechtlich erlaubten Lärmbelastung durch die Innengastronomie verzichten müssen (vgl. OVG NW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 50).
2.4 Schließlich ist die Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 auch deshalb rechtswidrig, weil sie sich der durch “Raucherlärm” vor der “…bar” entstehenden Konfliktsituation nicht hinreichend stellt und diese nicht derart abschließend löst, dass keine schädlichen Lärmimmissionen am Anwesen des Klägers zu befürchten sind.
Denn der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 liegt keine den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG genügende Lärmprognose zugrunde, die nachvollziehbar Aufschluss darüber gibt, in welchem Ausmaß der Kläger von solchen Immissionen betroffen sein könnte, die durch Lautäußerungen von Personen verursacht werden, die die Innenräume der “…bar” vorübergehend zum Zwecke des Rauchens verlassen, sich jedoch gleichwohl noch in deren unmittelbarer Nähe aufhalten (Raucherlärm). Da solcher Raucherlärm unmittelbar kausal auf den Betrieb der Gaststätte zurückzuführen ist, ist er grundsätzlich der Innengastronomie zuzurechnen und deshalb bei der Feststellung, ob jeweils einschlägige Beurteilungspegel eingehalten sind, mitzuberücksichtigen (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 66; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 4).
2.4.1 Die dem Eigentümer für das Anwesen …gasse … erteilte Baugenehmigung für die gastronomische Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss vom 25. August 1998 erfasst den Konflikt zwischen dem der Innengastronomie zurechenbaren Raucherlärm sowie der gegenüberliegenden Wohnnutzung im Anwesen des Klägers schon nicht und entfaltet deshalb insoweit keine Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Genehmigungsverfahren.
Zwar wurde mit Erteilung der Baugenehmigung vom 15. August 1998 mit bindender Wirkung für das gaststättenrechtliche Verfahren über die Zulässigkeit der typischerweise mit der bestimmungsgemäßen gastronomischen Nutzung im Anwesen …gasse … verbundenen Immissionen entschieden (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2011 – 4 B 3.11 – GewA 2012, 45 Rn. 6 m.w.N.). Die Baugenehmigung der Gaststätte entfaltet eine dahingehende Bindungswirkung, dass die Gaststättenbehörde die entsprechende Gaststättenerlaubnis nicht aus baurechtlichen Gründen versagen darf. Danach gilt: Da die von der Nutzung der Räumlichkeiten im Anwesen …gasse … als Gaststätte typischerweise zu erwartenden Belästigungen nach der Art des Baugebiets i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO (hier faktisches Mischgebiet) auf Grundlage der Baugenehmigung vom 25. August 1998 als zumutbar angesehen wurden, bedeutet dies zugleich, dass es sich dabei nicht um schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG handelt (vgl. BVerwG, U.v. BVerwG, U.v. 4.10.1988 – 1 C 72/86 – juris Rn. 31). Daraus folgt, dass durch die bestandskräftige Baugenehmigung der Gaststätte nicht nur deren Vereinbarkeit mit den Immissionsschutzanforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bindend festgestellt ist, sondern zugleich bindend entschieden ist, dass sich die vom Lokal typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG halten (vgl. BVerwG, U.v. BVerwG, U.v. 4.10.1988 – 1 C 72/86 – juris Rn. 32).
Diese Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Genehmigungsverfahren kommt einer bestandskräftigen Baugenehmigung jedoch nur insoweit zu, als sich die Verhältnisse seit Erteilung der Baugenehmigung nicht rechtserheblich ändern (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.1988 – 1 C 72/86 – juris Rn. 31). Voraussetzung der Bindungswirkung ist das Gleichbleiben der Verhältnisse. Ändern sich die Verhältnisse seit der Erteilung der Baugenehmigung in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung, insbesondere maßgebliche Rechtsvorschriften, entfällt die Bindung der Gaststättenbehörde (Metzner in Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 355 m.w.N.). Beim Phänomen des Raucherlärms handelt es sich jedoch um eine solche Erscheinung, bei der sich die Verhältnisse nach Erteilung der Baugenehmigung vom 25. August 1998 in rechtserheblicher Weise gewandelt haben. Denn der Konflikt zwischen mit Gaststättenbetrieben verbundenem (nächtlichem) Raucherlärm und benachbarter Wohnnutzung ist in Bayern in der gegenwärtig zu verzeichnenden Massivität erst in jüngerer Zeit aufgetreten (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 68), nämlich im Gefolge des ausnahmslos geltenden Rauchverbots in den Innenräumen von Gaststätten gemäß Art. 2 Nr. 8, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Gesundheitsschutzgesetzes (GSG) in der am 1. August 2010 in Kraft getretenen, gegenüber den vorangegangenen Fassungen verschärften Gestalt des Gesetzes vom 23. Juli 2010 (GVBl S. 314, BayRS 2126-3-UG). Zum Zeitpunkt der Baugenehmigung vom 25. August 1998 stellte sich die durch Raucherlärm als zu berücksichtigendes immissionsrelevantes Geräusch entstehende Problematik aber noch nicht vor dem gegenwärtigen Hintergrund des in Bayern geltenden strengen Rauchverbots im Innenraum von Gaststätten. Vielmehr war es zum damaligen Zeitpunkt erlaubt und üblich, dass sich rauchende Gäste im Innenraum der Gaststätte aufhalten. Nachbarn der Gaststätte waren zur Nachtzeit typischerweise nur kurzzeitig beim Kommen und Gehen von Gästen dem Lokal zurechenbaren Gesprächslärm ausgesetzt. Als Folge des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 GSG müssen sich die Gäste der “…bar” zum Rauchen zwangsläufig vor dem Lokal aufhalten, wovon auch die gaststättenrechtliche Genehmigung implizit ausgeht (vgl. Nr. 3 der “Anlage zum beiliegenden Bescheid”). Der Kläger, dessen Schlafräume nur wenige Meter vom Eingang der …bar entfernt liegen, muss – bis zum Ende der gaststättenrechtlich genehmigten Betriebszeit der “…bar” um 5:00 Uhr morgens – zwangsläufig eine Belästigung durch Gesprächslärm rauchender Gäste befürchten, der – insbesondere aufgrund einer etwaigen Informationshaltigkeit der Geräusche – mit erheblichem Störpotential verbunden sein kann. Diese mit Einführung des GSG verschärfte Problematik zwischen dem der Gaststätte zurechenbaren Raucherlärm und der angrenzenden Wohnnutzung des Klägers konnte die Baugenehmigung vom 25. August 1998 noch nicht erfassen, sodass insoweit eine abschließende Konfliktbewältigung dieser Problematik im gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahren bei Prüfung des Versagungsgrundes des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG hätte erfolgen müssen.
2.4.2 Mangels tragfähiger Lärmprognose im Hinblick auf zu erwartenden Raucherlärm lässt die Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 jedoch die hier im gaststättenrechtlichen Verfahren gebotene abschließende Konfliktbewältigung nicht erkennen.
Weder der angegriffenen Erlaubnis selbst, noch der vorgelegten Behördenakte lässt sich eine prognostische Abschätzung entnehmen, in welchem Ausmaß die betroffene Nachbarschaft mit vor der “…bar” stehenden Rauchern zu rechnen hat. Im Verfahren W 6 K 17.1372 zum Vorgängerbetrieb “…Bar” verwies die Beklagte hinsichtlich Raucherlärm noch auf das dort maßgebliche Lärmgutachten der Firma W. vom 9. Mai 2017 worin empfohlen wurde, beispielsweise durch einen Türsteher dafür zu sorgen, dass sich zur Nachtzeit außer Rauchern in der Regel keine weiteren Gaststättenbesucher im Außenbereich aufhalten und dass sich die Raucher ruhig verhalten. Diese Passage findet sich inhaltsgleich auch im vorliegend maßgeblichen Gutachten der Firma W. vom 18. Februar 2019. Eine prognostische Berechnung oder Messung, mit welcher Lärmbelastung – insbesondere zur Nachtzeit – durch Raucherlärm am Anwesen des Klägers zu rechnen ist, enthält allerdings weder das Gutachten vom 18. Februar 2019 noch im Übrigen die vorgelegte Behördenakte. Der Hinweis im Gutachten der Firma W. auf die zu erwartende Lärmproblematik durch Raucher sowie auf ratsame Maßnahmen zur Begrenzung des Lärms ersetzt aber nicht die von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG geforderte ex-ante Prognose, in welchem Ausmaß bei laufendem Betrieb der “…bar” mit Immissionen durch zurechenbaren Raucherlärm am Anwesen des Klägers zu rechnen ist. Denn Maßnahmen wie etwa Betriebszeitbeschränkungen und Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß den §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienen, müssen den Nachbarschutz ausreichend gewährleisten. Hierzu gehört, dass sich die Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für Nachbarn und Betreiber bestimmen lässt und ihre Einhaltung aufgrund der Regelungen in der Genehmigung sichergestellt erscheint, sodass sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwangs durchsetzen lässt (vgl. OVG NRW, B.v. 3.11.2015 – 4 B 652/15 – juris Rn. 29 f.). Ohne erkennbare, auf Grundlage einer geeigneten fachspezifischen Methode erstellte und einleuchtend begründete Prognose, welche Gesamtbelastung an Lärmimmissionen durch den Betrieb der “…bar” am Anwesen des Klägers einschließlich des zurechenbaren Raucherlärms zu erwarten ist, lässt sich die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zu klärende Folgefrage der Zumutbarkeit der prognostizierten Immissionen (dezidiert zur Zumutbarkeit von Raucherlärm BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 64 ff.) ebenso wenig beantworten wie Art und Umfang gegebenenfalls nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG notwendiger Auflagen zum Schutz der Nachbarn. Daher genügt auch nicht die in der Erlaubnis vom 17. April 2019 getroffene Bestimmung der gebotenen abschließenden Konfliktbewältigung, wonach Gäste, die sich zum Rauchen vor dem Lokal aufhalten, keine Getränke mit ins Freie nehmen dürfen und dass zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner die Dauer des Aufenthalts im Freien nur auf die Zeit des Rauchens zu beschränken ist (vgl. Nr. 3 der “Anlage zum beiliegenden Bescheid”).
2.4.3  Das Fehlen einer abschließenden Konfliktbewältigung hinsichtlich des zu erwartenden Raucherlärms führt vorliegend auch tatsächlich dazu, dass der Kläger unzumutbare Lärmimmissionen zu befürchten hat. Denn die in der Erlaubnis vom 17. April 2019 zum Ausdruck kommende Lärmprognose der Beklagten – wie schon ausgeführt – gesteht bereits dem Betrieb der Musikanlage der Gaststätte einen Schallpegel (85 dB[A]) zu (vgl. Nr. 5 der “Zusatzauflagen für die , …bar'”), bei welchem der zur Nachtzeit zulässige Immissionsrichtwert von 45 dB(A) am Anwesen des Klägers (Immissionsorte 1 und 3) ausgeschöpft wird (vgl. Gutachten der Firma W. vom 18.2.2019, S. 3). Da es bei der Beurteilung der von der Gaststätte ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen jedoch auf die von der “…bar” ausgehende Gesamtbelastung ankommt, die auf das Anwesen des Klägers einwirken kann (vgl. OVG NW, U.v. 23.5.2018 – 4 A 2588/14 – juris Rn. 129 ff.), lässt dies naheliegend erwarten, dass die Immissionsrichtwerte zur Nachtzeit am Anwesen des Klägers bei Betrieb der Musikanlage im Innenraum in der maximalen eingepegelten Lautstärke und zwangsläufig hinzukommenden Lärmimmissionen durch vor der Gaststätte befindliche Raucher überschritten werden. Wie auch bei den zur Innengastronomie hinzutretenden Emissionen der Außengastronomie hätte eine situationsbezogene Prognose und Bewertung des mit dem Betrieb der “…bar” insgesamt verbunden Lärms deshalb möglicherweise erfordert, dass die Beklagte auch einen Verzicht des Beigeladenen auf die volle Ausschöpfung der baurechtlich erlaubten Lärmbelastung durch die Innengastronomie in Betracht gezogen hätte, um sicherzustellen, dass die maßgebliche prognostizierte Gesamtbelastung auch bei hinzutretendem Raucherlärm am Anwesen des Klägers den Maßstab der Zumutbarkeit wahrt.
3. Da die rechtswidrige Erlaubnis vom 17. April 2019 den Kläger in seinen Rechten verletzt, war der Klage insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Beigeladene hat sich mangels Antragstellung nicht am Prozessrisiko beteiligt und das Verfahren auch nicht durch eigenen Tatsachen- und Rechtsvortrag gefördert. Danach entsprach es nicht der Billigkeit, dessen außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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