Baurecht

Erfolglose Beschwerde gegen eine Baugenehmigung für einen Kiosk an einem Badesee

Aktenzeichen  9 CS 16.885

Datum:
18.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80a Abs. 3
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 7 S. 2, § 80a Abs. 3

 

Leitsatz

1 Eine Baugenehmigung für einen Kiosk mit Terrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen, deren Bestandteil eine Betriebsbeschreibung ist, die die Anzahl der Nutzer für die gesamte Anlage festlegt, ist hinsichtlich des Nutzungsumfangs ausreichend bestimmt. Zusätzliche bauliche Maßnahmen zur Kontrolle und Begrenzung der Nutzer sind nicht erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Versagung rechtlichen Gehörs wegen nicht gewährter Akteneinsicht erfordert, dass erfolglos sämtliche verfahrensrechtlichen und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die begehrte Akteneinsicht zu erhalten (ebenso BVerwG BeckRS 2014, 56074). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 S 16.365 2016-04-26 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen.
Der Beigeladenen wurde mit Bescheid des Landratsamts S. vom 21. November 2014 die Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung B. erteilt. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg (Az. W 4 K 14.1363) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 9. Juli 2015 (Az. W 4 S 15.554) abgelehnt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 (Az. 9 CS 15.1633) in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts S. vom 21. November 2014 angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den Antragsteller die ihn betreffenden Immissionen mangels Bestimmtheit der Baugenehmigung hinsichtlich der Zahl der Personen, die die insgesamt genehmigte Anlage nutzen, nicht abschließend feststellbar seien.
Unter dem 26. Januar 2016 stellte die Beigeladene einen Änderungsantrag zum mit Bescheid vom 21. November 2014 genehmigten Vorhaben und legte eine konkretisierte Betriebsbeschreibung vor. Danach wird die Anzahl der Nutzer (Bade- und Erholungsgäste) in der gesamten Anlage auf max. 400 Personen pro Tag festgelegt.
Mit Bescheid vom 23. März 2016 genehmigte das Landratsamt das geänderte Vorhaben, änderte teilweise die Nebenbestimmungen der Baugenehmigung vom 21. November 2014 und setzte weitere Nebenbestimmungen fest. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. April 2016 bezog der Antragsteller diesen Bescheid in seine Klage vor dem Verwaltungsgericht ein.
Mit Beschluss vom 26. April 2016 hat das Verwaltungsgericht auf Antrag der Beigeladenen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 abgeändert und den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung vom 21. November 2014 in der Fassung des Bescheids vom 23. März 2016 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. April 2016 aufzuheben.
Die Beigeladene beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Der Senat hält es aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit für sachgerecht, die Beteiligten – abweichend von der Bezeichnung im angefochtenen Beschluss – mit der Stellung im Verfahren zu bezeichnen, die sie im Ausgangsverfahren hatten (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2012 – 1 CS 12.2118 – juris Rn. 6 m. w. N.; a.A. BVerwG, B. v. 7.1.2016 – 4 VR 3.15 – juris Rn. 4). Der im Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO unterschiedlichen Interessenlage der Beteiligten gegenüber dem Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann durch das Prozessrecht auch ohne Änderung der Bezeichnung der Beteiligten Rechnung getragen werden (vgl. Külpmann, jurisPR-BVerwG 6/2016 Anm. 4).
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wird nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der mittlerweile erfolgten Änderungen des Baugenehmigungsbescheids vom 21. November 2014 durch den Bescheid vom 23. März 2016 voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass sein Interesse an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse an der geänderten Baugenehmigung nachrangig ist. Das Verwaltungsgericht hat dem Änderungsantrag der Beigeladenen nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu Recht stattgegeben.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Baugenehmigung auch unter Berücksichtigung der Änderungen nicht bestimmt sei, weil die Betriebsbeschreibung keine Maßnahmen beinhalte, die nachvollziehbar und überprüfbar darstellten, dass eine maximale Nutzeranzahl tatsächlich eingehalten werde. Das bloße Festlegen der Nutzerzahl sei nicht ausreichend und das Betriebskonzept unstimmig. Die Gaststätte sei mit 36 Plätzen konzipiert, während von einer Besucherzahl von 400 Personen ausgegangen werde. Dieses Vorbringen führt aber nicht zum Erfolg der Beschwerde.
Im Beschluss vom 28. Oktober 2015 (Az. 9 CS 15.1633) hat der Senat darauf abgestellt, dass die Baugenehmigung zu unbestimmt ist, da sie die Zahl der Personen nicht erkennen lässt, die die insgesamt genehmigte Anlage mit ihren – neben dem Gaststättenbetrieb – weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit seien die den Antragsteller betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar. Diesen Mangel fehlender Bestimmtheit der Anzahl der Nutzer hat die Beigeladene durch die Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016, die gemäß Nr. I. 4. 4.3 des Änderungsbescheids vom 23. März 2016 zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht wurde, beseitigt. Danach beträgt die „Anzahl der Nutzer (Bade- und Erholungsgäste) in der gesamten Anlage“ – abgesehen von der maximal einmal jährlich stattfindenden Betriebsveranstaltung – maximal 400 Personen pro Tag. Diese Personenzahl hat auch das Landratsamt seiner immissionsschutzfachlichen Beurteilung vom 23. März 2016 zugrunde gelegt. Die Beschränkung der Personenzahl gilt unabhängig davon, ob einzelne Personen einen Schlüssel zum Betreten des Anlagengeländes haben. Auf die – nach Ansicht des Antragstellers fehlende – Festlegung geeigneter baulicher Maßnahmen zur Kontrolle und Begrenzung der Nutzer, die das Gelände der Beigeladenen betreten (können), kommt es dagegen nicht an. Bei dem Gelände handelt es sich um ein für die Allgemeinheit nicht frei zugängliches Grundstück. Sofern sich die Beigeladene möglicherweise unter Verstoß gegen die Genehmigung nicht an die genehmigte Nutzerzahl oder die weiteren festgesetzten Nebenbestimmungen halten sollte, kann dies allerdings nicht zur Unbestimmtheit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führen, sondern ggf. zur Notwendigkeit von (bau-)aufsichtlichen Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs (vgl. BayVGH, U. v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 51 und U. v. 16.1.2014 – 9 B 10.1979 – juris Rn. 19). Dass die Festlegung der Nutzerzahl und die weiteren Nebenbestimmungen von vornherein ungeeignet sind, die nachbarrelevanten Belange des Antragstellers zu schützen, ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt.
Soweit der Antragsteller im Beschwerdevorbringen ausführt, durch die Beschränkung der Nutzerzahl nehme der Verkehr nicht ab und die Bestimmtheit der Baugenehmigung setze voraus, dass bei Erreichen der Kapazitätsgrenze die an seinem Grundstück vorbeiführende Zufahrt über den „öffentlichen Feld- und Waldweg“ begrenzt werde, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg. In den geänderten Planunterlagen vom 26. Januar 2016, die vom Landratsamt gestempelt und mit Änderungsbescheid vom 26. März 2016 genehmigt wurden, werden für die Anlage der Beigeladenen insgesamt 100 Stellplätze ausgewiesen (vgl. Bl. 23 der Behördenakte zum Änderungsantrag). Der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 23. März 2016 (Bl. 17 der Behördenakte zum Änderungsantrag) wurde ein zweifacher Wechsel der Parkfläche tagsüber unter Berücksichtigung von 1 v. H. Lkw-Verkehr und der Annahme einer vollständigen Leerung nach 22:00 Uhr zugrunde gelegt. Daraus wurde am Wohnhaus des Antragstellers ein maximaler Beurteilungspegel der Schallimmissionen von tags 57 dB(A) und von nachts 53 dB(A) errechnet, so dass die dort für den im Außenbereich wohnenden Antragsteller zugrunde gelegten Immissionswerte von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts eingehalten werden. Hiergegen wendet sich das Beschwerdevorbringen nicht. Dementsprechend ist auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht ersichtlich. Die vom Antragsteller behaupteten chaotischen Verkehrsverhältnisse sind angesichts der von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg FlNr. …/… Gemarkung G… erfassten Daten sowie der von der Beigeladenen nach Einrichtung einer Lichtschrankenzählung erfassten Besucherzahl nicht nachvollziehbar und bei Ausweisung der vorgesehenen Parkplätze für die Zukunft auch nicht vorhersehbar.
Durch das Vorbringen des Antragstellers, die untere Naturschutzbehörde sei nicht beteiligt worden und die Anlage der Beigeladenen sei nicht ausreichend erschlossen, wird keine Verletzung drittschützender Rechte aufgezeigt (vgl. BayVGH, B. v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 17). Dies gilt auch, soweit der Antragsteller eine nicht ausreichende Abwasserbeseitigung geltend macht. Abgesehen davon, dass der Vortrag zur vorgesehenen Kleinkläranlage insoweit völlig unsubstantiiert ist, ist der Antragsteller nicht unmittelbar angrenzender Grundstücksnachbar und trägt keine Anhaltspunkte vor, die den Ausnahmefall eines Notwege- oder Notleitungsrechts begründen könnten.
Der Antragsteller kann sich auch nicht auf einen Verfahrensfehler wegen Versagung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht berufen, weil ihm die von ihm beantragte Akteneinsicht nicht gewährt worden sei. Aus den Akten des Verwaltungsgerichts ergibt sich, dass den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Faxnachricht vom 14. April 2016 die geänderte Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016 (Bl. 5 – 6 der Behördenakte zum Änderungsantrag) sowie die Stellungnahme des Immissionsschutzes vom 21. März 2016 (Bl. 17 – 19 der Behördenakte zum Änderungsantrag) übermittelt wurden. Zwar führen die Bevollmächtigten des Antragstellers in ihrem Antragsschriftsatz vom 21. April 2016 aus, dass ihnen die Betriebsbeschreibung vom 26. Januar 2016 nicht bekannt sei, wiederholen aber ihre diesbezüglichen Akteneinsichtsanträge vom 12. und 14. April 2016 nicht und bringen auch nicht zum Ausdruck, dass weiterer Vortrag von der Kenntnis des Akteninhalts abhängig gemacht wird. Damit hat der Antragsteller nicht sämtliche verfahrensrechtlichen und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BVerwG, B. v. 19.8.2014 – 7 BN 1.14 – juris Rn. 7). Abgesehen davon fehlt es an der Darlegung, was der Antragsteller im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Auch im Beschwerdeverfahren wurde der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht nicht erneut gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Wegen der durch das Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO veränderten Interessenlage der Beteiligten, die bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen ist, sind dem Beigeladenen auch seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal er im Beschwerdeverfahren auch einen Antrag gestellt hat.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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