Baurecht

Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  AN 17 K 20.00936

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41277
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 6 Abs. 4, 5, 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO
Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F
BauGB § 34

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Klagegegenstand sind, wie sich dem Klageantrag und sämtlichen klägerischen Ausführungen ersehen lässt, ausschließlich die mit Bescheid vom 22. April 2020 genehmigten Geländeveränderungen samt Stützmauer, Zaun sowie der Carport/Schuppen auf dem Vorhabengrundstück.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Die im Rahmen des ersten Tekturantrages zur Baugenehmigung vom 16. September 2019 von einem der Kläger unterschriebene „Information zum eingereichten Antrag auf Abweichung“ hinsichtlich des Carports/Schuppen zur FlNr. … hin vom 6. September 2019 führt nicht zum Entfallen der Klagebefugnis und dies bereits deshalb, weil es sich hier nach dem eindeutigen Wortlaut schon um keine Zustimmung handelt. Vielmehr sollte hiermit nur klargestellt werden, dass die Kläger über den Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen des Carports/Schuppen zur FlNr. … hin informiert wurden. Weiter liegt nur die Unterschrift einer der Kläger vor. Doch selbst wenn hierin eine Zustimmung zu sehen wäre, hätte diese nicht den Verlust der Klagebefugnis zur Folge, da die der Baugenehmigung vom 16. September 2019 zugrundeliegenden Pläne keine Angaben zu der Höhenlage des Carports/Schuppen enthielten. Die Erteilung der Nachbarunterschrift führt zu einem Verlust der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur in dem zugestimmten Umfang, vorliegend also nur im Hinblick auf die der Baugenehmigung vom 16. September 2019 zugrundeliegende Planung. Der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 22. April 2020 liegen andere Pläne zugrunde, denen die Kläger nie ihre Zustimmung erteilt haben.
Die Klagebefugnis entfällt auch nicht deshalb, weil die Kläger den Antrag der Beigeladenen vom 15. Oktober 2018 auf Erteilung einer isolierten Abweichung von den Abstandsflächen nach Norden (zur FlNr. … hin) unterschrieben haben. Sowohl Antrag als auch Baugenehmigung vom 7. November 2018 bezogen sich nicht auf die jetzt streitgegenständlichen Geländeveränderungen westlich des Mehrfamilienhauses der Beigeladenen samt Stützmauer und Zaun sowie die Höhenlage des Carports/Schuppen, sondern einzig auf die Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen des Mehrfamilienhauses der Beigeladenen in Richtung Norden, zur FlNr. … hin, so dass auch kein Rechtsverzicht, Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO, bezüglich des hier zu entscheidenden Streitgegenstandes gegeben ist.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Eine Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat in der Sache nur dann Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt – hier der Bescheid des Landratsamtes … vom 22. April 2020 – rechtswidrig ist und die Kläger zugleich in ihren Rechten verletzt. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm alleine genügt für den Erfolg einer Nachbarklage, wie sie hier vorliegt, somit nicht. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen gerade aus einer solchen Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Zum anderen ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH a.a.O.).
Eine Rechtsverletzung der Kläger ist nicht gegeben.
a) Die Kläger sind nicht in ihren Rechten aus Art. 6 BayBO verletzt. Die Abstandsflächenvorschriften dienen dem Nachbarschutz und sind drittschützend (vgl. Schönfeld in BeckOK, BayBO, 19. Ed. 1.4.2021, Art. 6 Rn. 259).
(1) Eine Verletzung des Art. 6 BayBO ergibt sich nicht aus der mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigten Stützmauer samt Geländeaufschüttung und Zaun. Laut den der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrundeliegenden Plänen findet sich an der nordwestlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstückes ein Geländesprung von 1,16 m und an der Nordwestecke des Mehrfamilienwohnhauses auf dem Vorhabengrundstück ein Geländesprung von 0,30 m. Die Auffüllung des nach Norden und Westen abfallenden Geländes des Vorhabengrundstückes wurde in Höhe des Geländesprungs beantragt und mit streitgegenständlichem Bescheid genehmigt. Genehmigt wurde auch eine Stützmauer an der nördlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstückes. Laut den Plänen ist die Stützmauer an der nordwestlichen Grundstücksecke 1,16 m hoch. Mit in Richtung Osten ansteigendem natürlichen Geländeverlauf verringert sich auch die Höhe der Stützmauer auf ca. 0,30 m. Der auf der Stützmauer errichtete Stabgitterzaun, der, wie der Augenscheinstermin gezeigt hat, mittels Kunststoffeinlagen nahezu blickdicht ausgeführt ist, wurde weder mit dem Tekturantrag vom 20. Februar 2020 beantragt noch mit Bescheid vom 22. April 2020 genehmigt. Ob sich hieraus eine Rechtsverletzung der Kläger ergibt, ist daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Gegenstand dieses Verfahrens ist allerdings der mit Tekturantrag vom 20. Februar 2020 beantragte und mit Bescheid vom 22. April 2020 genehmigte, von der nördlichen Grundstücksgrenze in Richtung Süden zurückversetzte Zaun. Wie bereits ausgeführt, ist, beginnend am oberen Treppenabsatz, in den genehmigten Bauunterlagen eine grün-gestrichelte Linie in Richtung Südosten eingetragen, die mit Zaun h = 1 m beschriftet ist. Nach ca. 5 m verläuft der Zaun dann in einem Abstand von ca. 2,50 m parallel zum Mehrfamilienwohnhaus in Richtung Süden.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO müssen auch andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, Abstandsflächen einhalten. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO findet jedoch keine Anwendung, wenn eine Anlage nach der spezielleren Regelung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. des regelungsgleichen Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F abstandsflächenfrei ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 23 ff.). Hiernach dürfen Stützmauern und geschlossene Einfriedungen in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete, wie hier, mit einer Höhe bis zu 2 m in den Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsflächen errichtet werden. Die streitgegenständliche Stützmauer samt Aufschüttung erreicht eine maximale Höhe von 1,16 m und liegt damit unter der hier maßgeblichen Höhe von 2 m.
Unerheblich ist, dass sich an die Stützmauer eine Aufschüttung anschließt. Zwar kann es sich bei einer Aufschüttung grundsätzlich um eine eigenständige bauliche Anlage, Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayBO, handeln, die auch abstandsflächenrechtlich gesondert zu beurteilen ist. Anders verhält es sich aber, wenn, wie hier, die Stützmauer der Sicherung der Aufschüttung vor dem Abrutschen auf das Nachbargrundstück, hier das Grundstück FlNr. … der Beigeladenen, dient. Die Stützmauer bildet mit der Aufschüttung dann eine funktionale Einheit, die in ihrer Gesamtheit der Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F. unterfällt (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 23 ff.). Dass die Stützmauer kein natürliches Gelände, sondern eine künstliche Aufschüttung sichert, steht der Privilegierung nicht entgegen (vgl. BayVGH v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 27). Die Stützmauer mit dahinterliegender Aufschüttung ist auch zur angemessenen und zulässigen Nutzung des abfallenden Vorhabengrundstückes erforderlich (vgl. BayVGH v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 28), denn durch die Aufschüttung soll im Bereich westlich des Wohnhauses in nachvollziehbarer Weise die sinnvolle Nutzung dieses eigentlich nach Norden und Westen im Gelände abfallenden Bereichs insbesondere zur Errichtung des Carports/Schuppen ermöglicht werden. Die Regelungen in Art. 6 Abs. 9 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F. und Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a und 9 BayBO sind Ausdruck der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung, dass durch Bauwerke bis zu einer solchen Höhe diejenigen Gesichtspunkte, die das Abstandsflächenrecht vor allem im Blick hat (Belichtung, Belüftung, Besonnung, Brandschutz), im Regelfall nicht zu Lasten des Nachbarn beeinträchtigt werden. Im hier vorliegenden Einzelfall gilt auch nicht ausnahmsweise etwas anderes wie es teilweise (kritisch hierzu: BayVGH, B.v. 17.4.2015 – 15 CS 14.2612 – juris Rn. 15) dann vertreten wird, wenn sich auf der Auffüllung eine dem Aufenthalt von Menschen dienende Terrasse befindet, denn auch der Aspekt des Wohnfriedens wird im vorliegenden Fall durch die hinter der Stützmauer liegende Aufschüttung nicht tangiert. Zwar kann die Auffüllung bis zur Grundstücksgrenze hin betreten werden, allerdings ist eine Nutzung der Flächen an der Grundstücksgrenze als Terrasse und damit ein Heranrücken der Wohnnutzung an das klägerische Grundstück nicht genehmigt und daher nicht zulässig. Die zur Erdgeschosswohnung der Beigeladenen gehörende Terrasse befindet sich in einem deutlichen Abstand von mehreren Metern zur Grundstücksgrenze und liegt in dem Bereich der nach Osten hin geringeren Auffüllung. Zudem befindet sich auch die nach Süden ausgerichtete, von der Grundstücksgrenze zum Vorhabengrundstück etwas zurückversetzte Terrasse der Kläger und auch der Wohnbereich im Haus der Kläger nicht auf dem Niveau des ursprünglichen Geländeverlaufs, sondern deutlich erhöht, wenn auch leicht unter der Höhe des durch die Beigeladenen aufgeschütteten Geländes, so dass von einem „Herabschauen“ jedenfalls in diesem Bereich nicht gesprochen werden kann. Ohnehin beträgt die Auffüllung nur in dem nordwestlichen Bereich eine Höhe von 1,16 m und fällt nach Osten hin auf ca. 0,30 m ab. Auch erscheint eine Betroffenheit des Aspekts Wohnfrieden durch die Aufschüttung schon deshalb nicht gegeben, weil bereits die Höhenlage des Mehrfamilienhauses mit Fenstern und Balkonen zu erhöhten Einsichtsmöglichkeiten auf das klägerische Grundstück führt und die Aufschüttung im Vergleich hierzu nicht ins Gewicht fällt. Einen generellen Anspruch auf Schutz vor Einsichtnahme auf das eigene Grundstück kennt weder das Gesetz noch die Rechtsprechung (vgl. auch: VG Würzburg, B.v. 6.11.2008 – W 5 S 08.2064 – juris Rn. 14).
Der von der nördlichen Grundstücksgrenze in Richtung Süden zurückversetzte Zaun ist als Zaun und nicht als Sichtschutz oder geschlossene Einfriedung beantragt und mit streitgegenständlichen Bescheid vom 22. April 2020 genehmigt worden. Tatsächlich ist er durch die Kunststoffeinlagen weitgehend blickdicht ausgeführt. Da Streitgegenstand hier aber die Baugenehmigung vom 22. April 2020 ist, ist vom genehmigten Zustand auszugehen und nicht vom tatsächlich errichteten. Von dem nicht als geschlossene Einfriedung genehmigten Zaun gehen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO keine gebäudegleichen Wirkungen aus. Im Unterschied zur Formulierung in Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO („Mauern und Einfriedungen“) ist in Art. 6 Abs. 9 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F. ausdrücklich von „geschlossenen“ Einfriedungen die Rede. Die Höhe einer „nicht geschlossenen“ Einfriedung, wie hier des genehmigten Zauns mit einer Höhe von 1 m, ist daher nicht zur Höhe der Stützmauer samt Aufschüttung von maximal 1,16 m hinzuzuaddieren, so dass die nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F erlaubten 2 m eingehalten sind.
Selbst wenn man nicht von der Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F. ausgehen würde, wäre ein Verstoß gegen Art. 6 BayBO nicht gegeben, da die Stützmauer mit Hinterfüllung – und gleiches gilt bei gesonderter Betrachtung der Auffüllung – samt zurückversetztem Zaun keine gebäudeähnliche Wirkung hat, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Ob einer Anlage gebäudeähnliche Wirkung zukommt, lässt sich nicht grundsätzlich, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts bestimmen, wobei die Größe der Anlage und z.B. auch das Material, aus welchem sie hergestellt ist, sowie ihre Zweckbestimmung eine Rolle spielen. Bauliche Anlagen, die eine mit den in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO genannten Anlagen vergleichbare Nutzung aufweisen, sind demnach anders zu beurteilen als bauliche Anlagen mit Aufenthaltsfunktion (vgl. BayVGH v. 12.9.2013 – 14 CE 13.928 – juris). Es liegt hier kein atypischer Fall vor, bei dem die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Aspekte wie insbesondere der Wohnfriede (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 14 CE 13.928 – juris) auch bei Einhaltung der Maße des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F verletzt werden. Auf die obigen Ausführungen zu Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n.F wird verwiesen.
(2) Hinsichtlich des Carports/Schuppen liegt eine Verletzung des Art. 6 BayBO nach Norden, zur FlNr. … hin, nicht vor. Die Abstandsflächen nach Norden sind vielmehr eingehalten. Der Abstand beträgt 3 m, was ausreichend ist, da die errechnete Abstandsflächentiefe kleiner als 3 m ist und somit nur der Mindestabstand von 3 m einzuhalten ist.
Der Carport/Schuppen hat Abstandsflächen einzuhalten und ist nicht nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO n.F. bzw. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. in den Abstandsflächen bzw. ohne eigene Abstandsflächen zulässig, da seine Gesamtlänge zur Grundstücksgrenze zur FlNr. … hin mit 14,65 m die hiernach zulässige Gesamtlänge von 9 m übersteigt.
Nach Auffassung des Gerichts ist für die Ermittlung der einzuhaltenden Abstandsfläche nicht nur die Höhe des Carports/Schuppen maßgeblich, sondern auch die Höhe der genehmigten Aufschüttung im Bereich des Carports/Schuppen. Es ist auf die nach der BayBO n.F. für den Bauherrn günstigere maßgebliche Abstandsflächentiefe von 0,4 H abzustellen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO n.F.), nicht auf die von 1 H nach der BayBO a.F. (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO a.F.). Zwar ist bei der Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde maßgeblich. Jedoch gilt dies bei Drittanfechtungsklagen nicht uneingeschränkt. Nach Erteilung der Baugenehmigung zu Gunsten des Bauherrn eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage sind zu berücksichtigen (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 66 Rn. 590 f. mit weiteren Nachweisen). Der Carport hat nach drei Seiten keine Seitenwände, nur nach Norden hin ist er aufgrund des an dieser Stelle integrierten Schuppens geschlossen. Der Carport/Schuppen besitzt ein Pultdach mit einer Dachneigung von nur wenigen Grad, das von Ost nach West abfällt. In Richtung der FlNr. … (Westen) hat der Carport/Schuppen eine Wandhöhe von 2,45 m, im Osten eine Wandhöhe von 2,80 m. Die 4,96 m lange Giebelseite zeigt nach Norden bzw. Süden. Die giebelseitige Abstandsfläche hat die Form der vollständigen Giebelwand und die Abmessungen der vollständigen Giebelwand multipliziert mit dem nach Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO n.F. maßgeblichen Faktor (vgl. Kraus in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 6 Rn. 230 f.), Art. 6 Abs. 4 BayBO n.F.
Zusätzlich ist im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt, die Höhe der Aufschüttung hinzuzuaddieren. Die Höhe der genehmigten Aufschüttung im Bereich des Carports/Schuppen weist an ihrem höchsten Punkt in der nordwestlichen Ecke des Vorhabengrundstücks eine Höhe von 1,16 m auf und fällt dann in Richtung Osten ab. Bei solch einem schrägen Geländeverlauf ist eine Ausmittelung der Wandhöhe nicht vorgesehen. Ändert sich die Geländehöhe entlang einer Wand, so hat diese eine Vielzahl von Fußpunkten mit jeweils unterschiedlicher Höhenlage und entsprechend variabler Wandhöhe, was Abstandsflächen in variabler Tiefe erzeugt (vgl. Kraus in Busse/Krauss, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 6 Rn. 164). Selbst bei Ansatz der maximalen Wandhöhe von 2,80 m und einer maximalen Aufschüttung in Höhe von 1,16 m (die tatsächlich am höchsten Punkt des Dachgiebels aufgrund der abfallenden Höhe der Aufschüttung wohl kleiner als 1,16 m ist) ergibt sich nur eine einzuhaltende Abstandsfläche von 1,58 m. Somit hat der Carport nur den Mindestabstand von 3 m einzuhalten, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, und tut dies auch.
(3) Im Hinblick auf eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften, Art. 6 BayBO, nach Westen, zur FlNr. … hin, durch den Carport/Schuppen ist den Klägern die Geltendmachung von Abwehrrechten nach dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung verwehrt (vgl. auch: Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 143. EL Juli 2021, Art. 66 Rn. 558). Ein Nachbar kann sich auf die Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften dann nicht berufen, wenn auch die Bebauung auf dem eigenen Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10). Wer sich zur Abwehr eines Vorhabens auf dem Nachbargrundstück auf ein nachbarliches Austauschverhältnis beruft, muss auch seinerseits den Anforderungen genügen, die sich daraus für sein eigenes Grundstück ergeben, vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 15 CS 17.2549 – juris Rn.
4. Die auf der FlNr. … stehende Scheune der Kläger, deren Traufseite in Richtung des Carports/Schuppen zeigt, besitzt eine mit der Höhe des grenzständisch errichteten Carports/Schuppens der Beigeladenen in etwa vergleichbare Traufhöhe. Hinzu kommt noch das in seiner Höhe die Wandhöhe der Scheune deutlich übersteigende Satteldach der Scheune. Die Scheune befindet sich in einem ungefähren Abstand von 1 m zur östlichen Grundstücksgrenze und hält damit die nach Art. 6 BayBO in jedem Fall erforderliche Mindestabstandsfläche von 3 m, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, nicht ein. Auch der Carport/Schuppen des Beigeladenen, dessen Traufseiten nach Osten bzw. Westen zeigen, hält in Richtung FlNr. … die erforderliche Abstandsfläche nicht ein, er ist vielmehr grenzständig errichtet. Auch hier ist für die Ermittlung der einzuhaltenden Abstandsfläche nicht nur die Höhe des Carports/Schuppen maßgeblich, sondern auch die Höhe der genehmigten Aufschüttung im Bereich des Carports/Schuppens. Wie bereits ausgeführt ist zudem auf die nach der BayBO n.F. maßgebliche Abstandsflächentiefe von 0,4 H abzustellen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO n.F.), nicht auf die von 1 H nach der BayBO a.F. (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO a.F.). Selbst bei einer nach keiner Fassung der BayBO erforderlichen vollen Anrechnung der Höhe des Daches des Carports/Schuppens und einer Addition der maximalen Höhe der Aufschüttung von 1,16 m (tatsächlich hat die Aufschüttung im nordwestlichen Bereich des Carports/Schuppens eine Höhe von 1,16 m und wird in Richtung Süden immer geringer), bleibt die errechnete Abstandsflächentiefe deutlich unter 3 m, so dass nur der Mindestabstand von 3 m einzuhalten ist. Zwar ist der Carport/Schuppen grenzständig errichtet, während die Scheune einen Abstand von ca. 1 m einhält. Dennoch sind die beidseitigen Abweichungen nach Überzeugung des Gerichts etwa gleichgewichtig. Die Abstandsflächen sollen u.a. sicherstellen, dass Belichtung, Belüftung, Besonnung, Brandschutz und dem sozialen Wohnfrieden Genüge getan wird. Die Auswirkungen des überwiegend offenen Carports mit der sehr geringen Dachneigung sind im Vergleich zu den Auswirkungen der Scheune mit dem hohen Satteldach in Bezug auf die Aspekte Belichtung, Belüftung, Besonnung und Brandschutz verschwindend gering. Die geschlossene Wand des Schuppenteils des Carports fällt hierbei nicht ins Gewicht. Überdies wird die Scheune nur als Lagerraum benutzt. Auch wird sich im Carport nur kurzzeitig aufgehalten, so dass auch der Aspekt Wohnfrieden ebenfalls nicht tangiert wird. Trotz der grenzständigen Errichtungsweise des Carports/Schuppen im Vergleich zum Grenzabstand von ca. 1 m der Scheune sind die beidseitigen Abweichungen von Kläger und Beigeladenen im Ergebnis in etwa gleichgewichtig und führen auch nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen. Den Klägern ist eine Berufung auf die Verletzung von Abstandsflächen durch den Carport/Schuppen im Verhältnis zur FlNr. … daher verwehrt.
b) Auch das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BayBO enthaltene drittschützende Gebot der Rücksichtnahme ist nicht verletzt (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 8.7.1988 – 4 B 64.98 – juris). Das Vorhaben der Beigeladenen liegt im unbeplanten Innenbereich, so dass § 34 BauGB anzuwenden ist.
Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N.). Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten der Kläger nicht erkennbar.
Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung misst die Rechtsprechung Baukörpern dabei nur im Ausnahmefall, bei in Volumen und Höhe „übergroßen“ Baukörpern in nur geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden zu. Bejaht wurde eine solche Wirkung beispielsweise bei einem zwölfgeschossigen Gebäude in einer Entfernung von 15 m zu einem zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 f.) oder bei einer 11,5 m hohen Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 2 und 15). Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens scheidet dabei regelmäßig aus, wenn die bauordnungsrechtliche Abstandsfläche eingehalten ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 41).
Im vorliegenden Fall fällt die danach vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Kläger aus.
(1) Das beklagte Vorhaben der Beigeladenen ruft im Hinblick auf die FlNr. …, also nach Norden hin, keine erheblichen, billigerweise unzumutbaren Störungen hervor. Das streitgegenständliche Vorhaben der Beigeladenen, das die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen einhält, hat mit seinen vergleichsweise geringen Ausmaßen keineswegs, auch nicht ausnahmsweise, eine erdrückende Wirkung, zumal auch der Wohnbereich des Wohnhauses der Kläger und die nach Süden ausgerichtete Terrasse der Kläger im Vergleich zum natürlichen Geländeverlauf erhöht liegen. Ohnehin hat die Auffüllung der Beigeladenen nur in dem nordwestlichen Bereich eine Höhe von 1,16 m und fällt nach Osten hin auf ca. 0,30 m ab. Der Carport/Schuppen kommt zwar im höheren Bereich zum Liegen, ist aber 3 m vom Grundstück der Kläger entfernt, was seine Wirkung deutlich abschwächt. Auch unter den Aspekten geschaffene Einsichtmöglichkeiten und sozialer Wohnfrieden sind keine Einwirkungen zu erkennen, die nicht sozialadäquat wären und damit hinzunehmen sind. Auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen zu Art. 6 BayBO unter 2. a) (1) wird verwiesen. Im Übrigen gibt auch das Rücksichtnahmegebot dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2015 – 15 CS 14.2612 – juris Rn. 15). Auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Hinblick auf die Aspekte Belichtung, Besonnung, Belüftung und Brandschutz vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insbesondere ist eine unzumutbare Verschattung des Grundstückes, FlNr. …, der Kläger nicht zu befürchten. Aussichtseinbußen sind hinzunehmen. Derartige Nachteile sind auch über das Rücksichtnahmegebot nur ausnahmsweise maßgeblich. Ein rücksichtsloses Vorgehen der Beigeladenen ist insoweit nicht erkennbar. Ob in den Carport, wie die Kläger vortragen, keine vier Stellplätze passen, ist kein Belang, auf den sich die Kläger berufen können.
(2) Doch auch im Hinblick auf die FlNr. … ist das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Zwar hält der Schuppen/Carport samt Auffüllung die Abstandsflächen nach Westen nicht ein. Die mit Baugenehmigungsbescheid vom 16. September 2019 erteilte Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächen zur FlNr. … hin dürfte angesichts der damals nicht bekannten Geländeauffüllungen obsolet sein. Dennoch liegt eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht vor, wobei zu Lasten der Kläger zu berücksichtigen ist, dass auch deren Scheune, wie bereits ausgeführt, die Abstandsflächen zum Vorhabengrundstück nicht einhält, so dass die Schutzwürdigkeit gemindert ist. Die Scheune wird nach Klägerangaben nur als Lagerraum genutzt. Auch der Schuppen/Carport hat keine Aufenthaltsräume. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger unter dem Aspekt des Wohnfriedens scheidet daher aus. Doch auch im Hinblick auf die Aspekte Besonnung, Belüftung, Belichtung, Brandschutz und erdrückende Wirkung erfolgt aus dem seitlich offenen Carport keine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger. Die in Richtung FlNr. … auf 2 m geschlossene Wand des Schuppenteils des Carports fällt hierbei nicht ins Gewicht. Der mit dem Carport einhergehende Verkehr, insbesondere Lärm, ist als sozialadäquat hinzunehmen.
3. Die Klage hat keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko eingegangen sind.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben