Baurecht

Kostenentscheidung bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen

Aktenzeichen  9 BV 19.222

Datum:
20.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9651
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 S. 1, § 161 Abs. 2 S. 1, § 162 Abs. 3
GKG § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine weitere Sachaufklärung oder die Klärung schwieriger Rechtsfragen findet im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht statt. In einem solchen Fall ist es daher billig, die Gerichtskosten des Verfahrens unter den Beteiligten verhältnismäßig zu teilen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beigeladene, der seine Baugenehmigung verteidigt (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist hierbei anteilig auf der Seite der Beklagten zu berücksichtigen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.991 2018-10-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Oktober 2018, Az. AN 9 K 16.991 ist wirkungslos geworden.
III. Von den Gerichtskosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin die Hälfte und die Beklagte sowie der Beigeladene jeweils ein Viertel. Sämtliche Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen jeweils selbst.
IV. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Oktober 2018, Az. AN 9 K 16.991 für beide Rechtszüge auf jeweils 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Klägerin (Schriftsatz vom 24.3.2020) und der Beklagten (Schriftsatz vom 8.4.2020) ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt und in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO mit der Folge einzustellen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts wirkungslos geworden ist (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen nach Maßgabe des Tenors aufzuteilen.
Im vorliegenden Fall lassen sich die Erfolgsaussichten des gesamten Verfahrens nicht abschließend beurteilen, weil der Prozessausgang nicht ohne weiteres zu übersehen ist und umfangreiche Rechtsfragen zur Auslegung und Anwendung von § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB aufgeworfen sind. Eine weitere Sachaufklärung oder die Klärung schwieriger Rechtsfragen findet im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO jedoch nicht statt (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2019 – 9 B 16.1952 – juris Rn. 2). In einem solchen Fall ist es daher billig, die Gerichtskosten des Verfahrens unter den Beteiligten verhältnismäßig zu teilen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beigeladene, der seine Baugenehmigung verteidigt (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist hierbei anteilig auf der Seite der Beklagten zu berücksichtigen. Im Übrigen entspricht es der Billigkeit, dass sämtliche Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Der aus seiner Sicht nicht notwendige Verzicht des Beigeladenen auf die angefochtene Baugenehmigung vom 11. Mai 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. Dezember 2016 und die Bestätigung der Beklagten, dass die angefochtene Baugenehmigung „erloschen ist“, führen hier aufgrund der Befristung der Baugenehmigung – unabhängig vom Streit der Beteiligten über den konkreten Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer, der ebenfalls einer intensiveren rechtlichen Prüfung bedurft hätte – nicht dazu, das erledigende Ereignis allein der Sphäre der Beklagten und des Beigeladenen zuzuordnen.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2019 – 9 C 190.1608 – juris Rn. 4; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 20), der bei Nachbarklagen im Baurecht einen Rahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro vorsieht (Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs). Gleichwohl kann nach den Maßstäben des § 52 Abs. 1 GKG von den im Streitwertkatalog ausgewiesenen Beträgen abgewichen werden, wenn der Einzelfall dazu Anlass gibt (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2019 – 9 C 19.1608 – juris Rn. 5). Anhaltspunkte dafür, den Streitwert auf nahezu das Neunfache des oberen Rahmenwertes festzusetzen, ergeben sich hier aber weder aus den Behörden- noch den Gerichtsakten. Allein der Hinweis seitens des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2018, dass der vorläufig mit 7.500 Euro festgesetzte Streitwert zu niedrig sein dürfte, genügt hierfür nicht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es hier um ein Gebäude geht, das der Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen dient (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 20.12.2019 – 9 ZB 17.2129 – juris Rn. 10), die Klägerin einen Industriebetrieb führt und nicht ausgeschlossen werden kann, dass insoweit ein höheres wirtschaftliches Interesse an der Verhinderung des Vorhabens besteht. Im Hinblick darauf erscheint im vorliegenden Fall ein über den Rahmen der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs hinausgehender Streitwert in Höhe von 30.000 Euro angemessen (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 9 BV 16.1694 – juris Rn. 77 f.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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