Baurecht

Nachbarschützendes Abstandsflächengebot

Aktenzeichen  AN 9 S 19.01230

Datum:
9.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 427
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 1, S. 3, S. 4, Abs. 2, Art. 63 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO für die Nichterforderlichkeit einer Abstandsfläche sind nicht erfüllt, wenn ein Bauvorhaben in einem Gebiet, das von profilgleich aneinander gebauten Gebäuden geprägt wird, ein vorhandenes grenzständiges Gebäude deutlich überragt und mit diesem zusammen nicht den Eindruck eines einheitlichen Gebäudes erweckt. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegt keine atypische Situation vor, kann eine Abweichung von den Maßgaben des Art. 6 BayBO nicht in rechtmäßiger Weise erfolgen, wenn die Verkürzung der Abstandsflächen zu einer Verschlechterung der Nachbarsituation führt. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2019 (Az.: …*) wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus auf dem Nachbargrundstück.
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gemarkung …, …, in …, das entlang der westlichen Grundstücksgrenze mit einem Wohnhaus sowie nördlich anschließend einer Garage bebaut ist. Die Antragstellerin ist weiter Miteigentümerin des Wegegrundstücks FlNr. …, das nördlich ihres Anwesens von West nach Ost verläuft. Südlich angrenzend an das Wegegrundstück und unmittelbar westlich des Grundstücks der Antragstellerin liegt das Baugrundstück FlNr. …, … Dieses war bisher mit einem soweit ersichtlich profilgleich an das Gebäude der Antragstellerin angebauten Wohngebäude sowie nördlich davon einer Garage bebaut, sowie mit einem entlang der westlichen Grundstücksgrenze verlaufenden eingeschossigen Nebengebäude. Westlich angrenzend an das Baugrundstück folgt das Grundstück FlNr. …, das mit zwei Wohnhäusern (* …*) sowie einem soweit ersichtlich profilgleich an das Nebengebäude auf dem Baugrundstück angebauten Nebengebäude entlang der östlichen Grundstücksgrenze bebaut ist. Südlich angrenzend an das Baugrundstück und das Grundstück FlNr. … liegt das Grundstück FlNr. …, dessen Eigentümer die Siedlervereinigung Selbsthilfe e. V. ist. Südlich des Baugrundstücks sowie des Grundstücks der Antragstellerin liegt das Grundstück FlNr. …, das sich im Eigentum der Stadt … befindet und als Zufahrt zu den genannten Grundstücken dient.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2019 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf ihren Bauantrag vom 23. November 2018 hin die Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten. In Nr. 2 des Bescheids wurden Abweichungen zugelassen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung der erforderlichen seitlichen Abstandsflächen der Dachgauben zum Nachbargrundstück FlNr. …, von Art. 6 Abs. 3 BayBO wegen Nichteinhaltung der erforderlichen seitlichen Abstandsflächen zwischen den Dachgauben auf dem Baugrundstück, sowie nach Art. 63 Abs. 1 von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung der nach Art. 6 Abs. 5 bzw. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück FlNr. … wegen nicht profilgleichen Anbaus nach Osten. Auf den Inhalt des der Antragstellerin am 28. Mai 2019 zugestellten Bescheids wird verwiesen. Nach den den Genehmigungsstempel tragenden Plänen soll an der östlichen Grundstücksgrenze an das dort vorhandene Wohnhaus der Antragstellerin ein zweigeschossiges Wohngebäude mit ausgebautem 45 Grad Satteldach angebaut werden, an das sich nach Norden hin ein zweigeschossiger Anbau mit nach Westen geneigtem Pultdach, an den entsprechenden Anbau an das Wohngebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin angrenzend anschließt. Die östliche Giebelwand des Hauptgebäudes, die an die westliche Giebelwand des Wohngebäudes der Antragstellerin gebaut werden soll, weist eine Wandhöhe von ca. 5,90 m sowie eine Firsthöhe von 11,40 m auf, während die Wandhöhe der westlichen Giebelwand des Wohngebäudes der Antragstellerin ca. 3,40 m und die Firsthöhe ca. 8,57 m beträgt. Die Breite der Grenzwand beim Bauvorhaben beträgt ca. 14,10 m, an die sich im Norden der 3 m breite Anbau und im Süden eine ca. 3,40 m und 3,80 m hohe und 3,00 m breite Grenzwand als Begrenzung der davor gelegenen Terrasse anschließen, welche unmittelbar an die östliche Außenwand des dort vorhandenen Wintergartenanbaus an das Wohngebäude der Antragstellerin mit ebenfalls 3,00 m Breite angrenzt.
Nach den genehmigten Plänen sollen weiter im südlichen Grundstücksbereich zwei Carports sowie ein Stellplatz mit Zufahrt von Süden her sowie im nördlichen Grundstücksbereich ein Carport direkt an der westlichen Grundstücksgrenze und ein weiterer Stellplatz mit Zufahrt jeweils vom Norden her errichtet werden.
Mit einem am 24. Juni 2019 beim Gericht eingegangenen Schreiben erhob die Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Im gleichen Schreiben erhoben auch die … (AN 9 K 19.01220 und AN 9 S 19.01219) als Eigentümer des Grundstücks FlNr. … sowie Frau … (AN 9 K 19.01229 und AN 9 S 19.01228) als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Klage gegen die Baugenehmigung und beantragten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen. Zur Begründung wurde gemeinsam vorgetragen, das genehmigte Gebäude füge sich nicht in die Umgebung ein, es biete dem Bauherrn die Möglichkeit, fünf Wohneinheiten zu erstellen, dies sei für den Siedlungscharakter tödlich, fast die ganze Grundstücksfläche werde überbaut oder für Stellplätze zugepflastert, man müsse realistisch von acht Pkws ausgehen. Die Nachbarn seien nicht gegen eine Nachverdichtung, aber ein etwas kleineres Wohngebäude mit drei Wohneinheiten jeweils im EG, 1. OG und Dachgeschoss würde sich besser einfügen, auch sei die Zufahrt nicht sauber geregelt, für drei Parkplätze sei die Zufahrt von Süden her über eine Spiel straße vorgesehen, was die Unfallgefahr für Eltern/Kinder erhöhe.
Zur weiteren Klagebegründung verwiesen die Antragsteller noch auf Besprechungsprotokolle und Schreiben mit dem Thema Nachverdichtung.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2019 wurde die Bauherrin zum Verfahren beigeladen, mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 bestellte sich der Beigeladenenvertreter und beantragte,
die Anträge und Klagen abzuweisen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2019 auf die Ausführungen der Antragsgegnerin verwiesen.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2019 beantragte die Antragsgegnerin,
die Klagen abzuweisen und die Eilanträge abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die angefochtene Baugenehmigung sei rechtmäßig und verletzte die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Das Vorhaben füge sich nach § 34 Abs. 1 BauGB ein, dies gelte sowohl hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung wie hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung. Das Vorhaben halte sich auch hinsichtlich Kubatur, Grundflächenzahl, Zahl der Geschosse und Höhe des Gebäudes im Rahmen dessen, was in der näheren Umgebung vorhanden sei, vergleichbare Gebäude gebe es zum Beispiel mit den Anwesen … sowie … bis …, eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche sei gegeben mit den Anwesen …, … sowie …, … In der näheren Umgebung seien zahlreiche Gebäude an einer Grundstücksgrenze angebaut, auch die überbaubare Grundstücksfläche halte sich im vorhandenen Rahmen. Die Zahl der Wohneinheiten sei kein Kriterium i.S.d. § 34 BauGB, es handele sich hier um Wohnnutzung. Eine Verletzung eines Gebietsprägungserhaltungsanspruchs gebe es hier nicht, dies ergebe sich schon daraus, dass es sich lediglich um ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten handele. Die Abstandsflächen des Bauvorhabens nach Süden und Norden lägen auf dem Baugrundstück selbst, die Rechte der Siedlervereinigung und von Frau … seien insofern nicht tangiert. Zum Grundstück der Antragstellerin FlNr. … müssten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine Abstandsflächen eingehalten werden, weil schon bislang an der Grenze ein Gebäude vorhanden sei und auch das Gebäude auf dem Nachbargrundstück selbst an der Grundstücksgrenze errichtet sei. Das Vorhaben müsse auch nicht profilgleich angebaut werden, das Gebot der Rücksichtnahme sei hier ebenfalls nicht verletzt. Hinsichtlich der Stellplätze werde auf § 12 Abs. 1 und 2 BauNVO verwiesen, die Zufahrt zu den drei Stellplätzen im Süden erfolge über eine öffentlich gewidmete Gemeinde straße.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte, insbesondere die dort vorhandenen Schriftstücke und Pläne, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung Streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Bei offenen Erfolgsaussichten verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung verletzt der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihren Rechten, so dass ihr voraussichtlich ein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht.
Die angefochtene Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2019 ist voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Baugenehmigung verstößt hier gegen das im Verfahren zu prüfende und nachbarschützende Abstandsflächengebot zu Lasten der Antragstellerin.
Rechtsgrundlage für die die Baugenehmigung ist hinsichtlich der Abstandsflächen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. der Abstandsflächensatzung der Antragsgegnerin, die Abstandsflächen gehören auch zum Prüfprogramm im Baugenehmigungsverfahren.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist bezüglich der östlichen Außenwand des genehmigten Wohngebäudes sowie der diese fortsetzenden südlichen Grenzwand eine Abstandsfläche einzuhalten, da hier kein Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gegeben ist. Zwar ist auf dem Grundstück der Antragstellerin ein grenzständiges Wohngebäude mit Wintergarten vorhanden, an das im Norden eine ebenfalls grenzständige Garage unmittelbar anschließt. Das genehmigte Bauvorhaben überragt aber dieses vorhandene Gebäude der Antragstellerin im Bereich der grenzständigen Giebelwand sowie der nach Süden anschließenden Grenzwand deutlich. Die Grenzwand des geplanten Gebäudes überragt im Süden die östliche Grenzwand des Gebäudes der Antragstellerin um ca. 2,30 m, der Dachfirst des genehmigten Gebäudes überragt den Dachfrist des vorhandenen Gebäudes der Antragstellerin um mehr als 2,80 m. Wegen der um ca. 2,60 m breiteren Giebelwand sowie den beiden auf der nördlichen und südlichen Dachfläche geplanten Dachgauben erreicht das genehmigte Gebäude im Bereich der Giebelwand eine Dimension, die das vorhandene Gebäude deutlich überragt und dominiert, sodass von einem profilgleichen oder annähend profilgleichen Anbau nicht in die Rede sein kann. Ein solcher profilgleicher Anbau ist lediglich im Bereich der nördlichen Anbauten an die jeweiligen Querbauten gegeben, während im Süden die geplante und genehmigte Grenzwand gleicher Breite den grenzständigen Wintergarten der Antragstellerin um 0,80 m bis ca. 1,30 m überragt.
Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sind auch nicht deshalb erfüllt, weil in der näheren Umgebung auf praktisch allen Grundstücken einseitige Grenzbebauung in Form von aneinandergebauten Wohnhäusern vorhanden ist. Die hier homogene Bebauungsstruktur in der näheren Umgebung des Baugrundstücks, die mangels planerischer Festsetzungen nach § 34 Abs. 1 BauGB die überbaubare Grundstücksfläche bestimmt, ist praktisch durchgehend bestimmt von profilgleich aneinander gebauten Gebäuden, wobei bei den wenigen seitlich versetzten Grenzwänden zumindest die Firsthöhe übereinstimmt. Das hier genehmigte Gebäude würde aber im Fall seiner Errichtung, im Gegensatz zum ursprünglich auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude, wohl nicht den Eindruck eines einheitlichen Gebäudes zusammen mit dem Wohngebäude der Antragstellerin erwecken, sondern wegen des dieses deutlich überragenden Grenzgiebels und der weitaus größeren Kubatur in Verbindung auch mit der gegenüber dem Wintergarten erhöhten Grenzmauer den Eindruck zweier selbständiger Gebäude erwecken, die an der Grenze unmittelbar aneinander anschließen. Damit läge hier kein Doppelhaus vor, so dass für die östliche Grenzwand des geplanten Gebäudes Abstandsflächen nach Osten einzuhalten sind.
Die Baugenehmigung erweist sich im Hinblick auf die Abstandsflächen auch nicht deshalb als rechtmäßig, als die Antragsgegnerin Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO zugelassen hat von den gem. Art. 6 Abs. 1 und 2 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin mit der Gebäudewand ebenso wie von den seitlichen Abstandsflächen der Dachgauben. Die nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO zugelassenen Abweichungen sind aller Voraussicht nach rechtswidrig.
Da von nachbarschützendem Recht abgewichen wird, ist die Abweichungsentscheidung auch im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfs vollständig zu überprüfen. Vorliegend fehlt es aber an der tatbestandlichen Voraussetzung einer atypischen Grundstückssituation (vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2017 – 2 B 17.1742 – juris, B.v. 5.11.2015 – 15 B 15.1372 – juris). Eine solche atypische Fallgestaltung ergibt sich hier weder aus einem besonderen Grundstückszuschnitt noch aus einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder auf dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation wie etwa der Lage des Baugrundstück in einem historischen Ortskern (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris). Keine dieser möglichen Fallgestaltungen liegt hier vor, das Baugrundstück wie das Grundstück der Antragstellerin weisen hier einen rechteckigen Zuschnitt auf und sind ebenso wie die sie umgebenden Grundstücke mit kleineren, einseitig grenzständigen Wohnhäusern bebaut.
Da hier eine atypische Situation nicht gegeben ist, kann aber eine Abweichung von den Maßgaben des Art. 6 BayBO hier nicht rechtsmäßigerweise erfolgen, da jede Verkürzung der Abstandsflächen zu einer Verschlechterung der Nachbarsituation führt.
Auch aus dem mit der BayBO-Novelle 2018 eingeführten Regelung in Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn man aus der Gesetzesbegründung herleiten wollte, dass der Gesetzgeber Erleichterungen für Abweichungen beim Abstandsflächenrecht ermöglichen wollte, so liegt eine der Fallgestaltungen, auf die der Gesetzgeber in der Begründung abstellt, hier ersichtlich nicht vor: Es handelt sich weder um eine Umnutzung des vorhandenen Gebäudes noch um ein Aufstocken eines solchen, sondern um einen vollständigen Neubau, der weitaus größer und höher an der Grenze errichtet werden soll als das vorher vorhandene Altgebäude.
Da somit das genehmigte Bauvorhaben aller Voraussicht nach die erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin nicht einhält und die Erteilung der Abweichung rechtswidrig erfolgte, ist voraussichtlich die gesamte Baugenehmigung rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, zumal eine Aufteilung der Baugenehmigung in einen teilweisen profilgleichen Anbau und den übrigen Teil nicht möglich erscheint.
Damit war dem Antrag stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Streitwert ergibt sich aus § 52 Nr. 1 GKG. Da sich die Baugenehmigung als voraussichtlich rechtswidrig erwiesen hat, entspricht es billigem Ermessen, dass der Beigeladene seine Kosten selbst trägt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben